Spitzenleistungen in der Steuerberatung

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Mein Weg zu Spitzenleistungen in der Steuerberatung

3. Mai 2011, Lufthansa-Flug LH 425 von Boston nach München, auf der Rückreise von einer Seminarwoche in Kanada und den USA. Gerade habe ich die letzten Seiten dieses Buches geschrieben. Damit findet eine lange Reise ihr vorläufiges Ende, die vor rund fünfeinhalb Jahren begann:

27. Oktober 2005, Lufthansa Flug LH 2479 von London nach München. Die Eindrücke von vier Seminartagen in London, davon zwei Tage mit David Maister, waren derart beeindruckend, dass mir das vollständige Konzept für eine Veranstaltungsreihe innerhalb von neunzig Minuten förmlich aus der Feder floss. Das mit der Londonreise ins Leben gerufene Kanzlei.Management.Forum mündete letztlich in eine auf acht Themen basierende Veranstaltungsreihe. „Leistung auf höchstem Niveau” war – und ist – das alle Themen verbindende Motto. Jedes der acht Themen untersucht das Thema „Spitzenleistungen in der Steuerberatung” aus einer anderen Perspektive. Die unterschiedlichen Ausgangspunkte für meine Beobachtungen bilden in acht Kapiteln das Gerüst für dieses Buch.

Jedes der acht Kapitel stellt eine in sich geschlossene Einheit dar. Deshalb ist es möglich, dass Sie Ihren Weg zu Spitzenleistungen mit dem Thema beginnen, das Sie am meisten interessiert. Natürlich gibt es offensichtliche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Kapiteln; auch folgt der gewählte Aufbau einer inneren Logik. Mit dem ersten Kapitel „Quelle Mensch” zu beginnen ist also durchaus sinnvoll, aber, wie gesagt, nicht zwingend notwendig, um von den in diesem Buch vorgestellten Ideen zu profitieren.

Viele Menschen haben direkt und indirekt dazu beigetragen, dass Sie nun das Resultat dieser mehr als fünf Jahre dauernden Reise in Ihren Händen halten. Alles, ja tatsächlich alles, dazu Notwendige habe ich von anderen erhalten. Von Kunden durch ihre an mich gerichteten Anliegen, von Seminarteilnehmern durch ihre Wortbeiträge und Fragen, von Gesprächspartnern durch ihre spezielle Sicht auf die Dinge, von Buchautoren durch ihre Werke – sie alle waren eine Quelle für mein Handeln. Vielen herzlichen Dank dafür! Ich hoffe, dass es mir gelingt, mit diesem Buch dieses bisher unausgewogene Gleichgewicht des Nehmens und Gebens ein wenig zu korrigieren – und selbst zur Quelle für andere zu werden.

Zwei Menschen haben besonders zum Gelingen des Buches beigetragen:

Dem unermüdlichen Einsatz von Herrn Jörg Greck als Lektor des NWB Verlages verdanke ich es, dass aus meinem Manuskript für den Leser keine Leseherausforderung wurde, sondern ein Buch entstand, das Lust auf die nächsten Seiten macht. Vielen Dank dafür!

Christine Lindenthaler, meine Lebenspartnerin, hat mir zugehört, mir hilfreiches Feedback zu meinen Gedanken gegeben, inhaltliche Ideen geliefert – und sie hat mir mit enormer Geduld und einer Riesenportion Verständnis das Schreiben an den ungewöhnlichsten Orten ermöglicht. Auf Sardinien, am Ringköbing-Fjord, an der französischen Riviera, im Engadin, am Comosee und an vielen anderen Orten ist so aus den Ideen des Kanzlei.Management.Forums dieses Buch entstanden. Liebe Christine, vielen Dank, dass Du da bist!

Meine Reise in Sachen Spitzenleistungen in der Steuerberatung ist übrigens noch lange nicht zu Ende. Dieses Buch markiert aber das Erreichen eines wichtigen Etappenziels.

Viel Erfolg auf Ihrem Weg zu Spitzenleistungen!

Landeck/Tirol, im Mai 2011

Stefan Lami

I. Die „Quelle Mensch”

1An den Anfang meines Buches möchte ich eine provokante These stellen: Der Mensch ist die Quelle des Lebens, und zwar nicht nur im übertragenen, sondern auch im tatsächlichen Sinn. Alles – wirklich alles – erhalten wir von anderen Menschen. Alles?

Ich bin mir bewusst, dass das Wort „alles” Gift für eine fruchtbare Kommunikation ist und den Gedankenaustausch zwischen Autor und Leser blockieren kann; genauso wie etwa die Wörter „nichts”, „immer” und „nie”. Solche kommunikativen Unwörter sind daher zu Beginn eines Buches eigentlich fehl am Platz. Sie fordern nämlich zu Widerspruch heraus und es besteht das Risiko, dass der Angesprochene intensiver über mögliche Ausnahmen von der These nachdenkt als über die These selbst.1) Man mag das bedauern, aber kommunikative Prozesse folgen nun einmal dieser Gesetzmäßigkeit.

Dennoch möchte ich dieses Risiko eingehen. Denn es ist – zugegeben – ein kalkuliertes Risiko, das darauf zielt, den Leser bewusst zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Ausgangsthese dieses Kapitels anzuregen:

Wir erhalten alles im Leben von anderen Menschen.

Alles? Ja, alles! Sogar das Leben selbst haben wir von anderen Menschen erhalten: Vater und Mutter. Wir haben es nicht gewollt, wir haben es jedoch erhalten. Und dieses Prinzip, etwas von anderen Menschen zu erhalten, was wir nicht bewusst gewollt haben, begleitet uns auf dem gesamten Lebensweg.

2Für den flüchtigen Betrachter ist die These, dass wir ohne die anderen Menschen nichts wären, schlicht inakzeptabel. Sie fordert spontanen – meist sogar vehementen – Widerspruch heraus. Doch selbst bei intensiverem Nachdenken will es den Skeptikern dann nicht so recht gelingen, die These argumentativ zu entkräften. In Gesprächen über das Thema höre ich dann als Entgegnung Grundsätzliches wie „meinen Verstand”, „mein Selbstbewusstsein”, „mein eigenes Ich”, „mein Verantwortungsbewusstsein”, aber auch scheinbar Triviales wie „die Zuneigung und Treue meines Hundes”. Dabei wird betont, man sei seines eigenen Glückes Schmied. Man gestalte sein Leben selbst, und nicht alles komme von „den anderen”, fliege einem quasi ungewollt zu. Dieser Überlegung stimme ich uneingeschränkt zu: Das eigene Handeln bestimmt entscheidend darüber, was wir im Leben erhalten. Dabei wird aber häufig übersehen, dass das, was wir als Resultat unseres Handelns erhalten, von anderen Men­schen stammt, also eine Reaktion auf unser Handeln als Individuum in einer sozialen Gemeinschaft ist.

Ein Beispiel soll verdeutlichen, was ich meine: John D. Rockefeller, der Mann mit der Bilderbuch-Karriere vom Tellerwäscher zum Multimillionär, war zu seiner Zeit der reichste Mann der Welt. Er hat sich emporgearbeitet. Er galt als skrupelloser Geschäftsmann, der jede sich bietende Gelegenheit nutzte, um sein Öl-Imperium aufzubauen. Er galt als rücksichtslos gegenüber seinen Konkurrenten und seiner Belegschaft sowie ausschließlich auf seine Vorteile bedacht. In seiner Biografie wird über eine bisher unbekannte Seite dieses außergewöhnlichen Mannes berichtet: Nur wenige Außenstehende wussten, dass es zu den größten Talenten Rockefellers zählte, seine Mitarbeiter zu führen und zu motivieren. Rockefeller selbst sah dies so: „Meinen Erfolg im Leben verdanke ich vor allem meinem Vertrauen in Menschen und meiner Fähigkeit, in anderen Vertrauen zu mir zu erwecken.”2)

3Keinesfalls möchte ich behaupten, die These „Wir erhalten alles im Leben von anderen Menschen” sei die – alleinige – Wahrheit, denn dann wäre ich ein Lügner.3) Erzeugen möchte ich mit dieser Ausgangsthese jedoch ein intensives kritisches Nachdenken darüber, was es für Inhaber bzw. Partner und das Management einer Steuerberatungspraxis bedeutete, wenn die Aussage auch nur zu 95 % zuträfe. Welche Konsequenzen hätte dieses Gedankenspiel für das Selbstverständnis der Kanzlei, die Kanzleistrategie und die ihr unterlegten Werte?

Im Grunde betreten Sie kein Neuland, wenn Sie sich auf dieses Gedankenspiel vom Geben und Nehmen nach der 95 %-Formel einlassen, die sowohl für materielle Güter wie Geld als auch immaterielle Werte wie Anerkennung, Wertschätzung und Liebe gilt. Denn die Zusammenhänge sind Ihnen aus Ihrem Berufsalltag vertraut: Der Inhaber einer Steuerberaterpraxis erhält von seinen Mitarbeitern die Arbeitsleistung, das Engagement, die Bereitschaft zu Veränderungen und vieles mehr; der Mitarbeiter im Gegenzug Geld, Anerkennung, Image usw. Nicht weniger offensichtlich sind die Zusammenhänge zwischen dem Mandanten und der Kanzlei. Jede bezahlte Honorarnote belegt u. a. den gelungenen Austausch von Wissen, Arbeitserleichterung, Schutz vor dem Finanzamt gegen Geld, Wertschätzung oder etwa Weiterempfehlungen.

4Was den Blick dafür verstellt, dass hinter jedem in Ziffern dokumentierten Leistungsaustausch ein Mensch steht, ist die Tatsache, dass das Berufsleben des Steuerberaters fast ausschließlich um Zahlen kreist: Der aktuelle Jahresabschluss, die monatliche betriebswirtschaftliche Analyse, betriebliche Kennzahlen – in Beratungsgesprächen stehen Zahlen im Mittelpunkt. In Vergleichen, Prozent- und Steigerungssätzen bzw. Verhältniswerten werden hier Zahlen analysiert – unpersönlich, abstrakt, detailverliebt, teilweise auch realitätsfern. Dabei wird allzu leicht vergessen, dass jede Zahl das Ergebnis einer menschlichen Aktivität ist: Ein Kunde, der für das Produkt oder die Leistung bezahlt, ein Mitarbeiter, der das Produkt erstellt oder für den Kunden eine Dienstleistung erbringt, ein Lieferant, der das Unternehmen mit Waren versorgt. Machen wir uns also klar: Jahresabschlüsse bilden Handlungen von Menschen ab. „Sich auf die Zahlen zu konzentrieren”, wie es in der Steuerberatungsbranche gefordert wird, ist also ein dramatische Verkürzung der Wirklichkeit und offenbart ein Wahrnehmungsdefizit.

 

Gewiss, es ist nicht leicht, die Herausforderung anzunehmen, die sich aus der Erkenntnis ergibt, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Die sich hieraus ergebenden Probleme sind komplexer und deshalb schwieriger zu lösen als fachliche Fragen zu beantworten, Entscheidungen über EDV-Systeme zu treffen, Marketingbudgets festzulegen oder etwa die Prozesse zur Qualitätssicherung zu definieren. Letztlich muss man sich dieser Herausforderung aber stellen, denn letztendlich erhalten wir „alles” im Leben von anderen Menschen.

1. Konsequenzen aus der These „Quelle Mensch”

5Selbst wenn Sie nicht überzeugt sein sollten, so bitte ich Sie doch, sich auf die These von der „Quelle Mensch” als Erfolgsfaktor für erfolgreiches Wirtschaften weiter einzulassen. Es geht im Folgenden nämlich um die erstaunlichen Konsequenzen für Ihr berufliches Handeln:

6Erste Konsequenz: Wenn ich im Leben „mehr” (von was auch immer) erhalten möchte, muss ich anderen Menschen mehr von dem geben, was sie wollen, damit sie mir – freiwillig – mehr von dem geben, was ich will.

Genauso wie wir im Leben alles von anderen Menschen erhalten, sind wir selbst „Quelle Mensch” für andere Menschen – mit ihnen verbunden wie in einem Modell kommunizierender Gefäße. Aus privaten Partnerschaften ist uns dieses Bild vertraut: Das, was man erhält, ist ziemlich genau das Resultat dessen, was man selbstlos in die Beziehung hineingibt. Warum sollte das im Berufsleben anders sein?

7Zweite Konsequenz: Daher sollte ich erstens wissen, was ich will, zweitens wissen, was andere Menschen wollen und drittens beides kommunizieren.

Viele scheitern schon am „wissen, was ich will”. Wie aber, so muss man dann fragen, können mir andere Menschen bei der Erreichung meiner Ziele helfen, wenn ich selbst nicht einmal weiß, welches Ziel ich verfolge?4) Die Antwort lautet schlicht: gar nicht! Ohne Ziel ist jeder Weg der richtige und man kommt nie an. „Wenn man nichts mehr erreichen möchte, ist man so gut wie tot.” In der Unternehmenssphäre wird diese Mahnung als Aufforderung verstanden, sich ständig weiterzuentwickeln, im Privatleben verhallt dieser Appell oft ungehört.

Zu wissen, was andere Menschen erreichen möchten, ist ein Schlüssel zum Erfolg. Unternehmen, die die Wünsche und Erwartungen Ihrer Kunden und Mitarbeiter erfüllen, sind zwangsläufig erfolgreich. Es scheitern jene, die die Erwartungen der anderen nicht kennen und sie daher auch nicht erfüllen können; das gilt auch für den privaten Bereich. Je mehr man von „den anderen” weiß und ihnen hilft, ihre Ziele zu erreichen, desto wahrscheinlicher wird der eigene Erfolg. Ein Leitsatz im Kundenmarketing lautet: Es ist schwierig genug, bekannte Erwartungen zu erfüllen. Es ist nahezu unmöglich, unbekannte Erwartungen zu übertreffen. Wenn Sie also Ihre Mandanten begeistern wollen, müssen Sie deren Erwartungshaltung kennen.

8Ohne Kommunikation ist „alles nichts”. Kommunikation ist das Verbindungsglied zwischen Menschen. Erst dann, wenn der Dialog mit den anderen eröffnet ist, kann aus dem Zusammenspiel des Wissens über meine Ziele mit den Erwartungen anderer Menschen wirtschaftlicher Erfolg wachsen. Ohne Kommunikation… passiert nichts.

Die hier genannten Konsequenzen der Ausgangsthese „Quelle Mensch” erscheinen banal und trivial – thematisieren Offensichtliches. Verblüffend ist aber, dass sie die Basis jeder erfolgreichen Unternehmensentwicklung sind: Sie


zeigen, dass Kanzleiziele unabweisbar wichtig sind.


begründen die Notwendigkeit, kontinuierlich die Erwartungen von Mitarbeitern und Mandanten zu erforschen und das eigene Handeln daran auszurichten.


demonstrieren die unumschränkte Macht der Kommunikation für den Erfolg.

9Dritte Konsequenz: Energie gewinnt man vor allem aus der Begegnung mit den „richtigen” Menschen. Energie verliert man vor allem durch die Begegnung mit den „falschen” Menschen.

Menschliche Energie ist nicht messbar. Sie ist jedoch spürbar. Jede Besprechung, die Sie energiegeladen führen, wird signifikant bessere Ergebnisse bringen. Die Wirkung einer Energie versprühenden körperlichen und geistigen Verfassung ist nahezu unbegrenzt. Ein wirklich Entschiedener, der sein Ziel kennt, ist die Mehrheit. Er wird den Rest überzeugen. Fehlende Energie hingegen ist der Grund dafür, warum Veränderungsprojekte in der Umsetzungsphase häufig stecken bleiben – sie werden nur halbherzig, kraftlos und mutlos vorangetrieben. Wenn dann das Projekt auch noch unprofessionell gemanagt wird, muss es scheitern.

Analysieren Sie deshalb, an welchen Tagen Sie abends ausgelaugt und erschöpft sind. Sie werden feststellen, dass eine – vielleicht sogar die wichtigste – Ursache der Erschöpfung die Gespräche waren, die Sie während des Tages geführt haben: unangenehme Auseinandersetzungen mit nörgelnden Mandanten, frustrierende Personalgespräche mit unzufriedenen Mitarbeitern oder eine Besprechung im Führungskreis, die an ein Treffen profilneurotisch veranlagter Führungskräfte erinnerte. Ganz anders fühlen Sie sich hingegen nach einem Tag, an dem Sie mit positiv eingestellten Menschen gesprochen haben. Natürlich haben auch diese Begegnungen Kraft gekostet, gleichzeitig haben sie Ihnen aber auch zusätzliche Energie vermittelt. Sie fühlen sich gut. Sie sind beflügelt. Sie möchten weiter machen. Sie sehnen sich nach weiteren Begegnungen dieser positiven Art.

10”Undenkbar, unrealistisch und überzogen!” Sind das Ihre Gedanken bei dieser Vorstellung? Oder denken Sie, „wow, das würde ich mir wünschen. Wie geht das?” Wie dem auch sei, es ist wichtig, die Zusammenhänge zu erkennen: Energiespendende Erfahrungen lassen sich bewusst herbeiführen, und zwar als zwingende Folge des eigenen Verhaltens. Stecken Sie daher Ihre ganze Energie in diese Gespräche. Alles, was Sie leisten können. Wirklich alles. Menschliche Begegnungen sind – jedenfalls auf lange Sicht – wie kommunizierende Gefäße, die man selbst füllen muss. Darauf zu warten, dass „der andere” beginnt, ist zu wenig.5)

Es liegt in der Natur der Sache, dass es Menschen gibt, die trotz Ihres energievollen Engagements nur sehr wenig zurückgeben. Von diesen Menschen sollten Sie sich trennen. Es ist auf Dauer für beide der bessere Weg. Dem einen oder anderen der so genannten C-Mandanten zu kündigen, sorgt für einen Energieschub in der Kanzlei. Sich von einem Mitarbeiter zu trennen, mit dem kein gemeinsamer Weg auszumachen ist, sorgt für Motivation im Team. Aber Achtung: Machen Sie sich die Sache nicht zu einfach. Überprüfen Sie stets äußerst kritisch, ob Sie wirklich alles gegeben haben, bevor Sie sich trennen.

11Vierte Konsequenz: Kümmere dich um andere und es geht dir besser.

Anderen Menschen zu helfen, ist ein wirksames Anti-Depressivum. Forschungen zeigen, dass man dadurch sogar depressionsresistent wird. Nicht die klinische Perspektive ist interessant, sondern die Tatsache, dass das eigene Wohlbefinden, der eigene Erfolg darauf fußt, andere in die Erfolgsspur zu führen. In der Beratungssituation ist dies offensichtlich. Im Zusammenhang mit der Mitarbeiterführung wird dies allerdings oft übersehen. Helfen heißt hier fördern und nicht nur fordern. Das ist eine erfüllende Führungsaufgabe. Ich spreche hier von gezieltem Vorgehen in einem klar definierten Rahmen. Ich meine nicht die vorbehaltlose Selbstaufgabe zugunsten anderer. Das würde der Ausgangsthese widersprechen.

12Fünfte Konsequenz: Die Frage der Work-Life-Balance stellt sich nicht, wenn man den ganzen Tag von Menschen umgeben ist, die man schätzt und die einen selbst schätzen.

Die Vorstellung einer dauerhaften Work-Life-Balance ist absurd. Der Begriff unterstellt, dass das eine – „Work” – negativ wäre, während das andere – „Life” – positiv ist und sich die beiden Pole im Gleichgewicht – in „Balance” – befinden sollten. Wir führen nur ein Leben, nicht ein Berufs- und ein Privatleben. Und selbst wenn man dieser gekünstelten Unterteilung noch etwas abgewinnen kann, dann ist es doch so, dass mir das Eine Energie für das Andere geben soll. Wenn ich von den „richtigen” Menschen umgeben bin, sei es beruflich oder privat,6) löst sich das Problem der Work-Life-Balance auf. Für alle, die ausgebrannt sind und sich leer fühlen, gibt Albert Schweitzer einen treffenden Rat:

„In jedem Leben kommt es irgendwann einmal vor, dass das innere Feuer erlischt. Durch die Begegnung mit einem anderen Menschen flammt es dann erneut auf. Wir alle sollten dankbar sein für jene Menschen, die den inneren Geist wieder entfachen.”

2. Gutes Management ist nicht unmenschlich

13Das Management im Allgemeinen hat heutzutage keinen wirklich guten Ruf. Einen großen Teil zu diesem schlechten Image tragen jene Manager bei, die schlechtes Management betreiben. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Massenmedien, die durch ihre Berichterstattung über selbstherrliche und raffgierige Manager den Eindruck des kollektiven Versagens einer ganzen Berufsgruppe verstärken. In dieser Situation ist die Gefahr groß in eine Denkfalle zu tappen, die vom Teil auf das Ganze schließt, die aus dem krassen Fehlverhalten einzelner Mitglieder einer Berufsgruppe den Schluss zieht, Management funktioniere nun mal nach missbilligenswerten Prinzipien. Management ist aber nicht per se unmenschlich. Und der Eindruck, Menschen würden als Mitarbeiter in Unternehmen lediglich ausgenutzt und ausgebeutet, um letztendlich – im Managementjargon – „freigesetzt” zu werden, ist schlicht falsch.

Selten wird in Massenmedien über jene Manager berichtet, die das Unternehmen zu Wachstum führen, Menschen Arbeit geben, sie kontinuierlich fordern und fördern, sie entwickeln. Die Minderheit der gierigen, selbstherrlichen und sich selbst überschätzenden Manager, die nach Macht, Reichtum und Ruhm streben, prägt das Bild des Managements in der Öffentlichkeit. Zahlenmäßig sind jedoch jene Manager, die mit hohem persönlichen Engagement, Pflichtbewusstsein, Umsicht und Weitblick ihre Unternehmen führen, bei weitem in der Mehrheit. Dies gilt vor allem für inhabergeführte Unternehmen wie Steuerberatungskanzleien.

14Meine äußerst zuversichtliche Beurteilung des Managements, die sich dahin verdichten lässt, dass Management menschlich ist und dass Managen eine Pflicht des Menschen ist, hat ganz und gar nichts mit verklärter Sozialromantik zu tun.

„Management ist die Transformation von Ressourcen in Nutzen. Beide liegen außerhalb des Unternehmens. Daraus resultiert der Zwang, sich nach außen zu orientieren, also das Unternehmen von außen nach innen zu führen. Nicht die einzige, aber die wichtigste Ressource ist in den entwickelten Wirtschaften schon heute Wissen. Man kann daher akzentuierend sagen, das Management sei die Transformation von Wissen in Nutzen. Auch Wissen existiert maßgeblich außerhalb des Unternehmens. Es kommt am Morgen in den Köpfen der Mitarbeiter in die Firma, und es geht abends wieder nach Hause – und ob es am nächsten Morgen wiederkommt, ist nicht garantiert… Nutzen entsteht ebenfalls nur außerhalb des Unternehmens, nämlich beim Kunden. Es ist jener Nutzen, den das Unternehmen schaffen muss, um zu existieren, jener Nutzen, durch den das Unternehmen seinen Zweck erfüllt.” 7)

Die zutiefst menschbezogene Komponente dieser Managementdefinition entdeckt man erst auf den zweiten Blick. Ersetzen Sie die im Zitat verwendeten technischen Begriffe „Ressource” bzw. „Wissen” und „Nutzen” durch die beiden wichtigsten Gruppen von Menschen in Unternehmen: Mitarbeiter und Kunden8). Andere Ressourcen – neben dem Menschen – mögen, so auch die Meinung von Fredmund Malik, zwar notwendig sein, sie sind aber nicht erfolgsrelevant.

Dieses Verständnis von Management erfüllt die erste Konsequenz der Ausgangsthese „Quelle Mensch”: Wenn ich als Person, Steuerberater, Steuerberatungsunternehmen „mehr” (Gewinn, Anerkennung, nachhaltige Mandantenbeziehungen etc.) erhalten möchte, muss ich anderen Menschen (Mitarbeitern und Mandanten) mehr von dem geben, was sie wollen (Gehalt, Anerkennung, Karriere etc. bzw. erledigte Aufgaben, Sicherheit, Schutz vor dem Finanzamt etc.), damit sie mir – freiwillig – mehr von dem geben, was ich will.9) Mitarbeiter und Mandanten haben jeden Tag die Wahl, die Kanzlei zu wechseln. So wie auch Inhaber jeden Tag die Wahl haben, sich für oder gegen einen Mitarbeiter oder Mandanten zu entscheiden. Gutes Management stellt den Menschen in den Mittelpunkt, sodass er sich täglich, als Mitarbeiter oder Mandant, für die Kanzlei entscheidet. Gutes Management kann also gar nicht unmenschlich sein.

 

15Gutes Management bedeutet, wirksam zu sein. Das heißt, von Zielen zu Resultaten zu gelangen. Zum Menschsein gehört es nämlich, zu wachsen, sich zu entwickeln, sich etwas vorzunehmen und Vorhaben zu realisieren. Mögen diese Merkmale in der Alltagsroutine ab und an in Vergessenheit geraten, sie sind Teil des Lebens.

Und das Beste ist, dass die Grundlagen guten Managements erlernt werden können. Der Kern der Führungsaufgaben besteht auf der Basis einiger weniger Grundsätze aus klar abgrenzbaren Aufgaben, die mit den bekannten Werkzeugen umgesetzt werden.10) Fakt ist aber, dass Führungskräfte in Steuerberatungsunternehmen auf Managementaufgaben einfach zu wenig vorbereitet sind. Die Ausbildung zum Steuerberater sieht den Erwerb von Managementkompetenzen nicht vor. Das ist bedauerlich, denn viele Fehlentwicklungen in Kanzleien könnten allein dadurch vermieden werden, dass sich Führungskräfte (Inhaber, Partner und Teamleiter) mit den Grundlagen guten Managements befassten.

„Management handelt von Menschen. Seine Aufgabe ist es, Menschen zu ermöglichen, gemeinsam Leistung zu erbringen, Stärken zu nutzen und Schwächen zu kompensieren …”11) So beginnt Peter Drucker, der Begründer der modernen Managementlehre, seine Definition des Begriffs „Management”.