Ponton-Kids

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Siegrid Graunke Gruel



Ponton-Kids



JUGENDBUCH



Engelsdorfer Verlag



Leipzig



2015






Meinen Kindern Garrit und Maximilian gewidmet,  ohne die dieses Buch nicht entstanden wäre.







Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:



Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.dnb.de

 abrufbar.



Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig



Alle Rechte bei der Autorin



Illustrationen: Siegrid Graunke Gruel



Zeichnung © ShineArt09 –

Fotolia.com



Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)





www.engelsdorfer-verlag.de








Inhaltsverzeichnis







Cover







Titel







Impressum







Ponton-Kids







Tierschützer leben gefährlich!







Ein seltener Anruf







Spaziergang unter Sternen







Liebesnacht in der Pontonkajüte







Guten Morgen, Tim!







Verliebt … verlobt







Böser Kalle







Besuchen macht Spaß!







Wichtige Papiere







Nachtschippern







Schlechte Laune







Unter geliebten Bäumen







Sieben Stunden wandern







Lieber Onkel Franz







Ideen muss man haben!







Ponton-Suche mit Mut!







Ponton-Kids



Julia sitzt am Ufer des kleinen Yachthafens. Im Mondlicht spiegelt sich das Wasser und kleine Wellen plätschern gegen die Kaimauer. Camping! Wie jedes Jahr mit den Eltern, langweilig ist das! Sie blickt über den großen breiten Fluss, der bald in die Nordsee mündet, und wünscht sich weit weg von hier. Irgendwann, wenn man auf einem Schiff fährt, kommt man in den Atlantischen Ozean. Und kann dann bis an die Küste von New York fahren! Was da am Strand jetzt wohl abgeht? Plötzlich sind leise und laute Stimmen zu hören – und Geräusche in den Büschen.



„Ey, Jonas! Du bist aufm falschen Weg! Das Ponton liegt in der anderen Richtung!“



„Nee, kann ja nicht sein, Kalle, von da sind wir doch gekommen.“



Es dauert nicht lange und sie sind ganz dicht neben ihr, beachten sie aber nicht und rutschen und laufen die Böschung hinunter, bis direkt an den Uferstrand. Zwei Jungen, etwa in ihrem Alter, schauen jetzt über das Wasser. Dann dreht sich einer von ihnen um und sieht sie an. Durch das Halbdunkel kann sie sein Gesicht nicht genau erkennen, aber er hebt die Arme und ruft etwas.



Zögernd steht Julia auf und geht vorsichtig ein paar Schritte in seine Richtung. Da setzt er sich gleich in Bewegung und klettert die Böschung ein Stückchen nach oben. „Hallo … hi“, sagt er etwas atemlos, als er fast bei ihr ist.



„Kann ich was für euch tun?“, fragt Julia, denn so redet ihre Mutter immer mit Leuten, die auf sie zukommen.








Der Junge sieht sie nachdenklich an, als er vor ihr steht. „Ja, ähm, weiß ich nicht …“ Er schlägt die Augen nieder und guckt dann etwas unruhig hin und her. „Mein Freund und ich, wir müssen ein Ponton wiederfinden. Ja, Ponton, aber das kennst du wohl nicht. Es liegt hier irgendwo fest oder schwimmt rum. Nee, entschuldige, war ein Versehen.“ Er will sich wieder zum Gehen wenden.



„Ponton? Ja klar, hab ich doch gesehen, gestern Abend erst, ja“, lügt Julia schnell.



„Wirklich? Dann sag mal, wo!“ Der Junge sieht ihr jetzt direkt in die Augen.



„Da, wo dein Freund jetzt steht“, sagt sie und guckt zu ihm hinüber. Dann sieht sie wieder den Jungen an, damit er es nicht merkt.



„Wo mein Freund jetzt steht?“ Ungläubig schaut der Junge sie an. „Nee, das … Wie soll das denn gehen? Gestern Abend?“



Aber Julia, mit den schönen, langen, silberblonden Haaren, sagt jetzt einfach: „Dann war es eben vorgestern. Ich bin ja auch nicht jeden Abend hier.“



Der Junge bleibt noch eine Weile schweigend stehen und sieht sich nach seinem Freund um, der zu den beiden herüberschaut.



„Wie heißt du?“, fragt er sie. „Ich bin Jonas.“



„Shuli … ähm, Julia“, sagt Julia und strahlt ihn an.



„Muss jetzt los“, meint Jonas, als ein langes Pfeifen zu hören ist, das von seinem Kollegen kommt.



Julia überlegt nicht einen Augenblick: „Warte doch! Ich komm mit, ja?“



„Nee, das geht nicht“, sagt Jonas und sieht dabei etwas hilflos aus. Er dreht sich um und läuft los, rennt wieder die Böschung hinunter. Julia folgt ihm dicht auf den Fersen.



„Aber ich kenn mich doch hier aus und ihr nicht! Gleich gehen die Lichter am Hafen an und die Küstenwache fährt los!“



Der Freund mit den roten Haaren sieht böse aus. „Wo warst du so lange? Und was will die?“



Jonas lacht verlegen. „Sie heißt Julia“, sagt er, „und sie hat den Ponton gesehen!“



„Wo ist Julia?“, fragt Vater Heinz Arends ziemlich barsch, als er ins Vorzelt hereinkommt, während seine Frau auf einem Campingstuhl sitzt, in eine Häkelarbeit vertieft, und das Radio Schlagermusik spielt.



„Wo wird sie denn schon sein, Heini?“, sagt sie. „Ich weiß, es ist gleich zwölf. Geh zu den Martens rüber und bring sie mit oder lass sie da übernachten. Wir haben alle Urlaub, auch deine Tochter.“



Für einen Moment bleibt der Vater im Eingang stehen und schnappt nach Luft. Er ist zu schnell gelaufen und deshalb ziemlich aus der Puste. „Recht hast du, Friedchen“, meint er dann, als er sie so ruhig dasitzen sieht. Wie hübsch sie doch dabei ausschaut, fällt ihm jetzt auf. Deshalb geht er in den Wohnwagen und kommt gleich mit zwei Gläsern und einer Flasche Rotwein zurück. „Wenn wir Urlaub haben, sollen es die Kinder nicht schlechter haben, was?“ Er setzt sich an den kleinen Tisch und öffnet die Weinflasche. „Na, mein Friedchen, wie wär’s denn mit einem Gläschen?“



„O, ach, das ist jetzt aber lieb von dir. Sehr gerne, mein Heini.“



*



„Ach nee! Sie hat das Ponton gesehen! Was du nich sagst!“ Der Junge mit den struppigen roten Haaren wirft Julia einen bösen Blick zu, während er das sagt. Jetzt schweigen die Jungs.



„Der Ponton heißt das.“ Julia wendet sich ab. „Ich geh doch besser mal“, sagt sie. „War nett, dich kennengelernt zu haben, Jonas.“



„Nee, bleib hier!“, ruft Jonas schnell. „Bleib doch! Kalle ist bloß misstrauisch.“ Und zu Kalle gewandt, sagt er noch: „Was hast du nur für’n Problem mit ihr?“



„Ich weiß nich, was die will. Und du auch nich“, gibt Kalle von sich.



„Woher kennst du die überhaupt?“



„Ich hab sie eben erst

gefunden

!“, sagt Jonas hastig. „Sie weiß, wo der Ponton ist! Willst du sie deshalb wieder loswerden?“



„Tschüss, ihr beiden“, ruft Julia dazwischen, denn sie fühlt sich nicht mehr wohl in der Nähe der Jungs. Ist sie denn vielleicht eine

Sache

, über die verhandelt werden kann? New York ist eben doch noch ganz weit entfernt. Sie will lieber schnell wieder zum Campingplatz.



„Tschau, Shuli! Ich bin morgen wieder hier, um die gleiche Zeit!“, hört sie Jonas rufen, als sie bereits zur Uferböschung schleicht.



Hat er tatsächlich Shuli gesagt? Wie süß ist das denn? Sie dreht sich einmal um und winkt ihm zu, aber da hat sich Jonas auch schon weggedreht.



Leise weht ein lauer Abendwind durch die Bäume, als Julia in Corinnas kleines Zelt kriecht. Corinna ist nicht da. Aber im Wohnwagen der Eltern, gleich nebenan, brennt noch Licht.



Julia legt sich in den Schlafsack neben Corinnas Schlafplatz und macht die Taschenlampe an. Die dient als geheimes Zeichen der beiden Mädchen, wenn eine von ihnen im Zelt ist. „Wenn ich mal einen Typen mitnehme, weißt du, dass es gerade schlecht ist, herzukommen. Und wenn du vorher hier bist, verabschiede ich mich draußen von ihm“, hat Corinna ihr freundschaftlich angeboten, denn sie bringt öfter mal jemanden mit, will aber ihr Zelt mit der Freundin teilen. Die beiden Mädchen sehen sich in den Ferien auf dem Campingplatz immer wieder.



Wo bist du bloß wieder, Corinna?, denkt Julia und legt die Taschenlampe hinter den siebten Hering. Sie fühlt sich trotzdem nicht allein, denn sie ist ein bisschen verliebt. Verliebt in Jonas!

 



Über Kopfhörer hört sie dann Musik von ihrem Lieblingssender. Immerzu muss sie dabei an Jonas denken und ein bisschen auch an diesen Kalle. So heißt der doch, oder? Warum mag der sie nicht? Schlussendlich ist ihr das egal, denn sie fand ihn ebenfalls nicht gerade besonders sympathisch.



Was nur ist ein Ponton? Warum darf niemand davon wissen?



„Schläfst du schon?“, hört Julia die aufgeregte Stimme der Freundin, als diese später ins Zelt kriecht. Aber Julia schließt die Augen und tut so, als würde sie schlafen. Wenn etwas geheim ist, muss man es besser für sich behalten, sagt eine Stimme in ihrem Herzen.



Als die beiden Mädchen endlich eingeschlafen sind, frischt der Wind über dem Campingplatz auf. Nur die Taschenlampe am siebten Hering leuchtet verschwiegen mit dem Mond um die Wette, der hin und wieder hinter den Wolken verschwindet.



*



Am nächsten Abend ist Julia wieder am selben Platz und setzt sich auf den alten Baumstumpf. Sie ist sehr aufgeregt, den ganzen Tag schon, und sie hat Corinna noch nichts erzählt. Sie wird es später tun, irgendwann, denn sie fühlt immer noch diesen geheimen Ruf in sich, der sie wie eine Warnung davon abhält, jemandem von der Begegnung mit den beiden Jungs zu erzählen.



Über eine Stunde wartet sie, hoffnungsvoll, dass Jonas auftauchen wird. Aber er lässt sich nicht sehen. Die kleinen Boote schaukeln im Abendwind, der immer heftiger weht, bis ein Gewitter aufzieht.



„Dann eben nicht!“, sagt Julia laut und will zurück zum Campingplatz. Aber sie ist eher enttäuscht als böse auf Jonas. Vielleicht ist ihm irgendetwas Unvorhersehbares dazwischengekommen? Sie werden morgen bestimmt wieder hier sein. Bei Jungs kommt das häufiger vor. Das weiß sie bereits.



„Wo warst du?“, empfängt sie Corinna, die ihr auf dem Platz entgegenkommt.



„Wieso? Nirgends“, gibt sie zur Antwort.



„Mensch, Shuli, heut Abend geht in der Bootsluke noch was ab! Es spielt die Superrockband vom letzten Sommer, Die Windows oder so. Komm mit, wir müssen uns beeilen, sonst sind die besten Plätze wieder besetzt. Hast du alles dabei?“



Also muss Julia den ganzen Abend in dieser Heimatdisco verbringen und dabei immerzu an Jonas denken.



Aber auch am nächsten Abend kommt er nicht zurück an die Uferstelle. Und am übernächsten auch nicht. Jungs!, denkt Julia ein wenig verbittert. Eine große Klappe haben sie, aber nichts meinen sie wirklich ernst.



*



Der Sommer vergeht und Julia ist wirklich froh darüber. Corinna hat sie bloß andauernd genervt, was denn mit ihr los sei und warum sie immer schlecht gelaunt sei, obwohl doch die Band jetzt jedes Wochenende in der Bootsluke spiele und man tanzen und so viel Fun haben könne.



Das neue Schuljahr beginnt und Julia konzentriert sich aufs Lernen wie nie zuvor. Deshalb bekommt sie gute Noten, mit der Aussicht, mit noch etwas mehr Mühe das Abitur schaffen zu können. Das hat sie von sich selbst nicht wirklich erwartet, aber ihre Eltern sind froh darüber und die Lehrer auch.



Doch eines Tages, im Spätherbst, geschieht etwas Ungewöhnliches im Lernalltag. Julias Vater kommt schon am frühen Nachmittag, also früher als sonst, nach Hause. Julia war bis dahin allein in der Wohnung, denn ihre Mutter arbeitet im Schichtdienst als Krankenschwester.



„Hallo, Schatz“, begrüßt der Vater sie bereits im Hausflur. „Julia, ich muss gleich wieder los, zum Campingplatz. Da ist ein Baum auf unseren Wohnwagen gekracht, von dem Sturm gestern Nacht. Wenn du willst, kannst du mit rausfahren, aber es muss schnell gehen. Ich will sofort los!“



„Klar, komm ich mit!“, sagt Julia. Schnell die Hefte zusammengeklappt, Tasche geschnappt und los! Als sie über die Autobahn fahren, fällt der erste Schnee.



Den ganzen Nachmittag ist ihr Vater damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass ein Fuhrunternehmen den schweren großen Baum vom Dach des Wohnwagens hievt. Als ihr vom Zusehen langweilig wird, geht sie ein Stück den Weg an der Uferböschung entlang. Es ist ziemlich kalt geworden und macht nicht besonders viel Spaß. Doch als sie sich gerade dazu entschließt, wieder umzukehren, erblickt sie durch die Zweige in der Ferne ein – Lagerfeuer?



Neugierig bahnt sie sich ein Schlupfloch durch die trockenen Sträucher, gelangt zum Strand und von da aus muss sie am Ufer entlanggehen. Es ist doch wesentlich weiter, als es von oben ausgesehen hat. Die kleinen Wellen überspülen die vielen großen und kleinen Steine, über die sie balancieren muss, und die Steine sind glatt. Aber Julia gibt nicht auf und merkt gar nicht, dass es inzwischen dämmerig geworden ist.



Als sie den Feuerschein, der den Strand erhellt, beinahe erreicht hat, befindet sie sich nahe einer Art Wiesenböschung, da, wo das Flachland wieder in eine steilere Küste übergeht. Sie sieht das kleine Lagerfeuer brennen, hört Stimmen und erblickt … Jonas!



„Es ist absolut verkehrt, Kalle“, hört Julia Jonas sagen, während der mit einem Stock am Feuer herumhantiert. „Ich glaube nicht, dass wir hier wegmüssen.“



Julia bleibt atemlos stehen und starrt zu Jonas hinüber.



„Ja, ja, weiß ich doch, Alter. Mann, weiß ich doch auch! Aber wenn die uns morgen hier entdecken!“ Julia sieht, wie Kalle plötzlich aus dem Schatten herauskommt. „Dann schaffen wir es bestimmt nich mehr bis auf den Ponton!“



Sie entschließt sich, hinzugehen. Sie kann sich doch einfach zeigen und „Hallo, was macht ihr denn hier?“ sagen. Aber als sie bei Jonas ankommt, sagt sie einfach nur: „Hi! Na, Jonas?“ Im nächsten Moment starren sie ganz verdutzt zwei weit aufgerissene Augenpaare an. „Keine Panik“, sagt Julia etwas gelassen. „Ich bin’s nur wieder, die nervige Julia, was?“ Dabei guckt sie Kalle etwas bissig an. Bestimmt ist er für alles verantwortlich, er scheint hier ja den Boss zu machen.



„Oh, oh, Julia …“, sagt Jonas verwirrt, aber trotzdem auch sehr erfreut. Das kann Julia gleich in seinen Augen erkennen!



Ob das Liebe ist …?



„Was willst du hier?“, fragt Kalle sofort ziemlich barsch. „Hast du dich verlaufen?“



„Kann schon sein!“, gibt Julia zurück und heftet ihre Augen ganz fest an Jonas’ Blick.



„Ja, dann geh mal besser gleich wieder!“, fährt Kalle sie böse an.



„Dein Weg geht sicher da lang!“ Dabei deutet er mit ausgestrecktem Arm in die Richtung des Campingplatzes.



„Hallo, Shuli“, lenkt Jonas aber ein. „Wie kommst du denn auf einmal hierher?“ Er ist richtig begeistert, gerade, weil sie sich so völlig unbeeindruckt von Kalle zu ihm vorgewagt hat. Aber er schaut jetzt auch ein wenig verlegen drein, weil er sich daran erinnert, dass er sich nicht an seine Zusage gehalten hat.



„Ach, ich geh hier nur gerade am Strand spazieren“, sagt Julia und kann ihren Blick gar nicht von seinen schönen Augen abwenden.



„Die … die soll sich verpissen! Was will die?“ Kalle ist inzwischen ziemlich wütend geworden, anscheinend aber auch verunsichert, denn er guckt zwischen Julia und Jonas hin und her.



Aber Jonas hat nur Augen für Julia. Was für ein faszinierend hübsches Mädchen sie doch ist …



„Mach deine Lovestorys woanders klar!“, sagt Kalle sichtlich genervt, aber seine Stimme hat mit einem Mal gar keinen richtigen Ton mehr.



„Warte, geh nicht gleich wieder weg, Julia“, übernimmt Jonas jetzt das Wort. „Wir haben Essen, bestimmt ist dir kalt! Aber schöne Mädchen dürfen doch nicht frieren. Wartest du eben hier? Ich bin gleich wieder zurück!“ Dann entfernt er sich schnell vom Feuer und verschwindet in der Dunkelheit. Julia bleibt, wartet auf der anderen Seite des Feuers und wärmt sich auf.



Nach kurzer Zeit ist Jonas wieder zurück und trägt ein großes Tablett vor sich her. „Soo!“, sagt er laut und setzt sich damit neben Julia auf den Baumstamm am Feuer. „Hier, greif zu … alles für dich – und für mich“, ergänzt er. Auf dem Tablett liegen jede Menge fertige Brotspieße, eine Plastikschüssel, gefüllt mit Hackbällchen, und zwei Äpfel. Bei dem Anblick bekommt Julia jetzt richtig Hunger.



„Halt sie einfach ins Feuer“, sagt Jonas. „Schau her, so wie ich.“ Er nimmt einen von den langen Stöcken, die überall herumliegen, und klemmt einen Brotspieß mit einem Aluclip daran fest. Zum Schluss kommt ein Hackbällchen auf die Spitze und schon ist es fertig.



„Danke, Jonas“, sagt Julia erfreut und tut das Gleiche.



Das ist aber lecker! Der Duft des gerösteten Brotes erinnert sie an ihre letzte Klassenreise. Da haben sie es auch mal so gemacht.



„Na gut“, geht Kalle jetzt wieder dazwischen und stellt sich neben Julia. „Ich bin Kalle, du Julia – okay? Wo hast du denn die Hackbällchen her?“



„Ja, okay“, sagt Julia, guckt dabei aber schon wieder verliebt zu Jonas.



Dann sitzen alle drei am Feuer und nagen schmatzend an ihren Brotstangen. Als es plötzlich wieder zu schneien anfängt, stehen sie aber schnell auf, denn dazu wird es auch noch windig. „Komm mit!“, ruft Jonas ihr zu, als er sich Kalle anschließt, der aufbrechen will.



„Wohin?“, ruft Julia zurück.



Der Wind ist jetzt so heftig geworden, dass er Schneeflocken ins Gesicht treibt. „Komm! Wohnmobil!“, versteht sie nur noch, denn Jonas ist schon dicht hinter Kalle auf dem Weg irgendwohin. Aber „Wohnmobil“ klingt zumindest warm und trocken.



Kalle ist schon weit vorn. Durch die vielen Schneeflocken sieht man ihn kaum noch und der Weg geht auch ziemlich steil nach oben. Jonas macht jedoch einen Moment halt, wartet, bis sie bei ihm angekommen ist, und legt seinen Arm um ihre Schultern. Dann gehen beide doch wieder langsamer. Ja, Jonas kennt doch den Weg!



Aus dem Wohnmobil dröhnt ihnen laute Rockmusik entgegen und grelles Licht ist an. Auf der Bank am Tisch sitzt Kalle und stellt gerade eine Flasche Wodka drauf. „Die letzte, Jonas“, sagt er dabei. „Aber ich weiß nich, ob die Schöne überhaupt Alkohol verträgt.“



„Die Schöne, das bin wohl ich“, sagt Julia gleich, bevor Jonas darauf antworten kann. „Gern, ja, Kalli, kann ich gut vertragen.“ Auf dem Campingplatz trinkt sie mit Corinna manchmal auch Wodka, allerdings aus Gläsern. Julia nennt ihn einfach Kalli und setzt sich sogar neben ihn auf die Bank.



„Gut, dann hol mal Gläser, Jonas“, sagt Kalle.



Also geht Jonas zu einem Hängeregal herüber, dahin, wo wahrscheinlich die Küche ist. Schweigend trinken sie dann alle drei den ersten Schluck bei dem einzigen Wort, „Prost“, das Kalle dabei laut sagt.



„Habt ihr kein besseres Licht?“, sagt Julia und kramt schon in ihrer Tasche herum. Da kommen auch schon eins, zwei, drei kleine Teelichter zum Vorschein. Also grelles Licht aus und Kerzenlichter an.



Jonas macht das Licht aus und guckt ihr dabei mit einem fragenden Blick in die Augen.



Keine Sorge, Jonas, ich bin in dich verliebt, signalisiert Julia ihm.



Na, dann ist ja gut!



Ja, das Licht ist viel besser. Und die Musik wechselt jetzt auch von schlecht zu gut, empfinden es Jonas und Julia gleichzeitig und fühlen sich absolut wohl dabei.



Doch die nächste Ansage von Kalle trifft sie wie ein Donnerschlag: „Ich bin Kalle der Erste, das hab ich dir ja auch schon gesagt. Du kannst nur bis morgen Früh hierbleiben. Danach musst du weg sein!“



Da nimmt Julia ihre Tasche und sieht Jonas nicht mehr an. Am besten gleich weg hier, denkt sie sich, egal, wie weit es bis nach Hause ist!



„Was hat sie denn jetzt?“, fragt Kalle und guckt Jonas verdutzt an, während er sich das Glas noch mal vollgießt.



„Wahrscheinlich findet sie dich nicht besonders nett!“, sagt Jonas und greift nach Julias Hand unter dem Tisch. Sie erwidert seinen Händedruck, denn jetzt kann sie fühlen, wie sehr er in sie verliebt ist! Jonas grinst dabei den betrunkenen Kalle an und schaut zu, wie der sich schon wieder etwas ins Glas gießt.



„Da… dann fick sie doch!“, sagt Kalle besoffen und will durch, weil er wahrscheinlich mal muss. Oder vielleicht will er am besten gleich ins Bett fallen, falls, ja falls er überhaupt eines findet. Statt wieder an den Tisch zu kommen, liegt er nämlich mitten im Weg, als Jonas noch mal aufsteht. Also steigt er einfach über ihn hinweg.



„Willst du nen Cocktail, Shuli?“, fragt er leise. Und noch etwas leiser flüstert er ihr ins Ohr: „Bin damit gleich wieder bei dir. Oder möchtest du Cola? Sag, was du haben willst.“



Nein, Julia möchte keine Cola, lieber einen Cocktail mit O-Saft!



„Schläft dein Freund jetzt?“, will sie wissen, als sie ihr Glas zusammen mit Jonas in kleinen Schlücken austrinkt.

 



„Ja, ’türlich“, sagt Jonas, „der schläft.“



„Was macht ihr hier? Du und der?“, fragt Julia und kann nicht wirklich glauben, dass Jonas hier mit diesem Kalle hausiert. „Was habt ihr gemeinsam?“



„Wir haben gar nichts gemeinsam“, sagt Jonas. „Warum fragst du das?“



„Hasst er mich deshalb?“, fragt Julia zurück.



„Kann sein, falls er dich hasst. Kalle und ich starten den Ponton, sonst nichts“, sagt Jonas. „Aber ich glaube nicht, dass es jemand wissen darf!“



„Und … warum erzählst du es mir?“



„Tu ich nicht! Willst du noch mehr trinken?“ Jonas schenkt die Gläser noch mal richtig voll mit herrlich frischem Orangensaft.



„Darf denn niemand dabei sein, Jonas? Warum nur ihr beide?“



„Nee, vorläufig nicht.“



„Bist du deshalb nicht wiedergekommen, im Sommer, mein ich? Wir waren doch verabredet.“



„Ja … kann sein. Verzeihst du mir, Shuli?“



„Hm … ja, schon gut“, sagt Julia und trinkt den letzten Schluck aus ihrem Glas. „Ich … glaub, dass ich jetzt müde bin, Joni, aber mein Vater! Ich muss den anrufen …“



„Hm, komm, Julia, lass uns schlafen gehen.“ Jonas nimmt ihre Hand und beide lachen, als sie den Weg bis zum anderen Ende des Wohnmobils entlangbalancieren. Und dann müssen sie auch noch über den besoffenen Kalle steigen, der da mitten im Weg auf dem Fußboden liegt und schläft. „Hier geht’s lang … gleich … sind wir da.“



Und dann küssen sie sich ganz ausgiebig in dem engen Gang.



„Schlaf schön … Joni“, sagt Julia leise und kuschelt sich in seinen Arm.



„Du auch“, sagt Jonas.



Beide liegen auf einem weichen Bettenlager und Jonas deckt sich mit ihr zu. Dann schlafen sie erst mal glücklich ein.



Mitten in der Nacht wird Julia wieder wach und fühlt Jonas’ Arm um ihre Taille geschlungen. Ich muss mich bei Papa melden, fällt ihr wieder ein. Vorsichtig schiebt sie den Arm des schlafenden Jonas’ zurück und steht auf. Ihre Tasche, wo ist die? Ach ja, da drüben in der Sitzgruppe muss sie liegen. Im Halbdunkel tastet sie sich in die gegenüberliegende Richtung. Jetzt liegt Kalle auf der Bank und pennt. Gott sei Dank! Da ist ihre Tasche. Der Mondschein fällt durch das Heckfenster gerade darauf. Handy? Da ist es. SMS an Papa:

Hallo, Papa, bin bei Dorothea und bleib heut Nacht bei ihr. Bitte mach dir keine Sorgen! Julia.

 Geschafft! Und jetzt schnell wieder zurück zu Jonas.



Der hat sich inzwischen im Schlaf auf die andere Seite gelegt, aber fühlt Julia, als sie sich wieder zu ihm legt. Diesmal legt sie ihren Arm um ihn herum.



Sie schlafen bis in den späten Vormittag hinein. Julia hört Kalle aufstehen und rumhantieren. Und sie hört, wie er zur Tür hinausgeht, nach einer Weile wieder hereinkommt und sich dann wieder hinlegt. Ach, der Arme, denkt sie, hat er überhaupt eine Decke?



Sie kuschelt sich dicht an Jonas, der sich wieder zu ihr umgedreht hat und anfängt, sie im Halbschlaf zu streicheln und zu küssen. Dann schläft er doch wieder ein, ist ja noch gar nicht richtig wach.



Also setzt Julia sich schon mal auf und guckt sich in dem umgebauten Wohnmobil ein bisschen um. Da gibt es eine kleine Küche mit Gasherd und einem kleinen Kühlschrank. Aber der ist so gut wie leer, bis auf Käsescheiben, Mettwurst und zwei Bierdosen. Auf dem Regal darüber stehen Becher, Gläser, kleine Teller und Kaffee. Aber warte, da guckt ja sogar eine Packung Ostfriesentee hervor. Julia mag nämlich eigentlich lieber Tee. Gibt es eine Teekanne? Nee, aber in einem Unterschränkchen findet sich ein Krug. Gut, den kann man nehmen. Aber wie geht denn jetzt bloß der Herd an?



Plötzlich rekelt sich Kalle auf der Bank und ist wach.



„Hallo, Kalle, sag mal, wie geht denn der Herd an?“, fragt Julia ihn.



„Ich möchte Wasser heiß machen“, fügt sie als Erklärung hinzu, denn er guckt sie nur verschlafen und blöd an.



Dann steht er aber auf, geht zum Herd, knipst hier und da herum und dreht den Schalter hin und her, bis die Flamme anspringt. „Geht ja auch so“, sagt er fachmännisch. „Wozu brauchst du heißes Wasser?“ Dann geht er wieder raus, ohne ihre Antwort abzuwarten.



„Für … Tee“, sagt Julia jetzt eher zu sich selbst. Mann, ist dieser Kalle schon wieder schlecht gelaunt!



Das Teewasser fängt gera

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