Geschichten zum Einschlafen, Wachwerden und für Zwischendurch

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Geschichten zum Einschlafen, Wachwerden und für Zwischendurch
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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.ddb.de abrufbar.


Hergestellt in Deutschland • 1. Auflage 2021

© Heimdall Verlag, Devesfeldstr. 85, 48431 Rheine,

www.heimdall-verlag.de

© Alle Rechte beim Autor: Siegfried Mau

Satz und Produktion: www.lettero.de

Illustrationen: © designerauge – Adobe Stock,

Coverbilder: © ramona georgescu – Adobe Stock

Gestaltung: © Matthias Branscheidt, 48431 Rheine

ISBN: 978-3-946537-81-6

Weitere Bücher

als E-Book, Print- und Hörbuch unter:

www.heimdall-verlag.de

www.meinaudiobuch.de

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Zum Buch

Blauauge und Gelbfuß

Das Kürbisgespenst

Das Wolkenschäfchen

Der Baum der Heilerelfen

Der Frosch, der nicht mehr allein sein möchte

Der kleine Teekessel

Die Frühlingsmacher

Die Kiebitzretter

Die Kopfdreher

Die mutige Entenmama Elise

Die Nachbarhexe

Die Rosenprinzessin

Die Sommerparty der Gartenzwerge

Ein Truthahn in Übergröße

Hilfe, die Küche lebt!

Hühnerjagd

Mariposa, die Kakerlake

Streifgepunktet

Stubenknieper

Tante Wana

Urlaub auf Fastmallorca

Wolfsgeleit

Zoorundgang mal andersrum

Zum Buch

In ihrem Dorf soll wegen eines Golfplatzes ein sehr alter Baum gefällt werden. Von diesem Baum erzählen sich die Menschen schon seit Generationen wundersame Geschichten. Lesen Sie selber, wie die kleine Sarah den alten Baum rettet.

Wieder entführen uns 24 spannende Geschichten in eine Welt, die zum Nachdenken und zum Träumen anregen sollen. Dabei spielt das Alter des Lesenden oder des Zuhörers keine Rolle.

Zum Vor- und Selbstlesen, kurzweilig und dennoch lehrreich.

Siegfried Mau, Jahrgang 1958, ist verheiratet, Vater und Großvater. Er ist tätig als Anleiter für Menschen mit Behinderung und versteht Geschichten in verständlicher Sprache zu schreiben.

Nach 2 erfolgreichen Weihnachtsbüchern erscheinen jetzt die Geschichten zum Einschlafen, Wachwerden und für Zwischendurch I, also für alle Tageszeiten.

Blauauge und Gelbfuß

Mein Onkel ist Hobbyornithologe«, erklärt die kleine Johanna. »Ja, das ist ein lustiges Wort. Wisst ihr denn auch, was das bedeutet?

Ornithologen sind Menschen, die sich mit der Vogelkunde beschäftigen. Das ist ein Zweig der Zoologie, denn es gibt so ungefähr einhunderttausend verschiedene Arten von Vögeln, und sie besiedeln fast alle Lebensbereiche auf unserer Erde. Da ist es wohl mehr als verständlich, dass es Menschen gibt, die sich davon faszinieren lassen.

Nun ja, mein Onkel Alfred ist so ein Mensch. Er ist zwar Dachdeckermeister, aber er interessiert sich so sehr für unsere heimische Vogelwelt, dass er sich jedes Jahr drei Wochen von seiner Arbeit freinimmt und auf die Insel Wangerooge fährt. Dort hilft er beim Einfangen von Vögeln, damit diese beringt und vermessen sowie gezählt werden können, bevor man sie wieder freilässt, oder er zählt die vielen Wasservögel, die in den Naturschutzgebieten der Insel landen, sich vor dem Weiterflug stärken oder auch das ganze Jahr dort leben.

Das sieht immer total lustig aus, wenn mein Papa ihn mit dem Auto zur Fähre nach Harlesiel bringt.

Papa meint dann immer, wenn Alfred vor unserer Tür steht, dass er wieder wie ein vollgepackter Packesel aussähe. Er hat zwar nur eine Tasche voll mit Kleidung und Waschutensilien bei sich, aber auf dem Rücken trägt er in einem Rucksack verpackt ein riesiges Fernglas mit Stativ. Ein weiteres Fernglas hat er um seinem Hals gehängt, an seinem Gürtel befinden sich ein Zählgerät, eine Getränkeflasche, ein Taschenmesser und eine Tasche für seine Sonnenbrille und in der anderen Hand hat er noch einige Bücher und Erkennungstafeln, damit er auch alle diese Vögel richtig identifizieren kann. Lustig finde ich auch seinen überdimensionierten, tarnfarbenen Schlapphut, von dem er behauptet, dass er seine menschlichen Konturen ein wenig verändern würde und er so von den Vögeln nicht so leicht als Mensch wahrgenommen werden könne.

Einmal meinte Papa zu ihm, dass er sich ja dann direkt als Kuh verkleiden könnte, aber das war natürlich nur ein Scherz.

Onkel Alfred meint immer, dass er als Dachdeckermeister seinen Traumberuf gefunden hat. Oben auf den Dächern ist man vielen Vögeln immer ganz nahe, sagt er und wir müssen meistens grinsen, wenn er mal wieder erzählt, welche Vögel ihm bei den Dachdeckerarbeiten begegnet sind.

Wenn er zu unseren verschiedenen Familienfeiern kommt, dann haben wir immer ganz viel Spaß daran, wenn er die verschiedenen Vogelstimmen nachmacht oder wenn er erklärt, wie sich die Vögel bei der Balz verhalten. Die Balz ist die Zeit im Jahr, wenn sich die Vögel paaren, also heiraten möchten.

Dann macht er immer irgendwelche Verrenkungen, bewegt Arme und Beine dabei, legt seinen Kopf in den Nacken und pfeift dann so, wie die jeweiligen Vögel es tun.

Aber was wir Kinder auch spannend finden, sind die vielen Geschichten, die er von den Vögeln erzählen kann, zum Beispiel wo sie herkommen, welchen Gefahren sie auf ihrem Zug zu uns ausgesetzt sind, wo sie wieder hinfliegen, wo sie ihre Nester bauen, um ihre Küken aufzuziehen, wo sie sich während der Mauser aufhalten und was sie so alles fressen.

Er weiß einfach alles von ihnen.

Als wir letzte Woche den achtzigsten Geburtstag meiner Oma gefeiert haben, da waren nicht nur alle meine Cousins und Cousinen da, sondern auch Onkel Alfred. Natürlich wurde er sofort wieder von uns Kindern umringt. Alle warteten ganz gespannt darauf, dass er wieder eine seiner spannenden Vogelgeschichten erzählt.

Als wir Kinder dann alle am Kindertisch zusammensaßen, da setzte er sich zu uns. Doch bevor er irgendetwas sagen konnte, da fragte meine kleine Cousine Marlis ihn, woher er denn diese ganzen Geschichten kennen würde.

Das wollten wir anderen Kinder natürlich auch wissen und so fing er an zu erzählen:

›Nun ja, Kinder. Ihr wisst ja alle, dass ich Dachdeckermeister bin. Deshalb verbringe ich viel Zeit auf Dächern und höre den Geschichten der Vögel zu. Denn im Laufe der Jahre, habe ich von ihnen die Vogelsprache gelernt, und manchmal unterhalten wir uns dann auf dem Dach. Gerade neulich habe ich durch Zufall die alte Dohle Jakob wiedergetroffen, mit der ich schon einmal auf der Insel Wangerooge gesprochen hatte.

Ich war natürlich neugierig und fragte sie sofort, was es denn Neues von der Insel gibt. So erzählte sie mir Folgendes:

Wir Dohlen hatten in diesem Frühjahr eine Erfahrung gemacht, die uns alle zum Nachdenken brachte und viele von uns sehen jetzt einige Dinge mit ganz anderen Augen.

Gerade war die Brutsaison beendet, unsere Dohlenkinder hatten sich gut entwickelt und sind aus den Nestern ausgeflogen. So flogen wir mit ihnen zusammen über die ganze Insel, um ihnen zu zeigen, an welchen Stellen man Futter findet. Bei uns Dohlen von der Nordsee ist es so, dass wir zum Strand fliegen, um auch dort nach Nahrung zu suchen. Oftmals findet man ein Stückchen Keks im Sand, vor allen Dingen, wenn Familien mit kleinen Kindern dort waren. Auch sonst sind wir nicht wählerisch. Wir fressen auch angeschwemmte tote Fische oder Schalentiere sowie ertrunkene Insekten, die von den Wellen angespült werden.

 

Und an solch einem Tag war es dann geschehen. Das Dohlenkind Blauauge traf das erste Mal auf die junge Heringsmöwe Gelbfuß. Ihr wisst ja, dass Dohlen strahlend blaue Augen haben, aber bei Blauauge war das Strahlen so schön, dass ihre Eltern ihr überhaupt keinen anderen Namen geben konnten.

Die beiden waren sich auf den ersten Blick sympathisch und so fingen sie an zu spielen. Sie liefen an die Wasserkante und gemeinsam tippelten sie ganz schnell an den Strand zurück, wenn eine Welle kam und das Wasser auf den Strand lief, sie pickten gemeinsam die toten Insekten am Ufer auf, schwebten zusammen im Wind und schauten, wer mit den wenigsten Flügelschlägen am längsten in der Luft bleiben konnte, ärgerten gemeinsam die Seehunde, die eigentlich nur in Ruhe ein Sonnenbad nehmen wollten, oder klauten den Touristen alles Fressbare, auf das sie gerade nicht aufgepasst hatten.

Die zwei Vogelkinder hatten sehr viel Spaß zusammen und wurden richtig dicke Freunde. Jeden Tag trafen sie sich wieder am Strand und jeden Tag wurden immer neue Dinge ausgeheckt. Die zwei waren unzertrennlich.

Das sahen nicht alle so gerne. Die erwachsenen Möwen waren damit gar nicht einverstanden und die älteren Dohlen aus Blauauges Schwarm fanden diese enge Freundschaft auch nicht gerade gut.

Dann schimpfte auch noch Blauauges Vater mit ihm und meinte, dass er ab sofort nicht mehr mit der Heringsmöwe Gelbfuß spielen dürfe. Dohlen gehörten in einen Dohlenschwarm und nicht in einen Möwenschwarm, sie seien schwarz und ein wenig silbergrau und nicht so einfältig weiß-grau, wie diese Möwen. Sie fänden ihre Nahrung hauptsächlich am Land und die Möwen am Wasser. Sie schliefen in Bäumen und Möwen am Strand oder auf den Felsen im Meer. Es gäbe einfach nichts, was sie mit denen gemeinsam hätten. Also solle Blauauge sich von denen fernhalten.

Und genau so erging es Gelbfuß, der Heringsmöwe. Auch ihm wurde von seinen Eltern der Umgang mit Blauauge verboten.

Natürlich machte das beide sehr traurig und wenn Blauauge mal wieder mit seinem Schwarm am Strand war, da beäugte man sich nur noch aus der Ferne, tat aber das, was die Erwachsenen ihnen gesagt hatten.

Aber eines Tages passierte etwas Unvorhersehbares. Blauauges Schwarm durchsuchte mal wieder den Strand nach etwas Fressbarem. Da passierte es. Blauauge verhedderte sich mit den Füßen in einem alten, angeschwemmten Stück Fischernetz. So sehr er auch zappelte und strampelte, er kam nicht von dem Netz los. Dann kam auch noch ein großer, schwarzer Hund auf ihn zu, den seine Besitzer nicht angeleint hatten, obwohl das zu dieser Zeit eigentlich verpflichtend war. Der wollte sich natürlich den zappelnden Federbalg sofort schnappen.

Die Heringsmöwe Gelbfuß erkannte die Gefahr sofort. Sie überlegte nicht lange, sondern flog direkt auf den Hund zu und attackierte ihn mit ihrem spitzen Schnabel. Als die anderen Möwen sahen, wie mutig Gelbfuß sich auf den Hund stürzte, da kamen sie ihm sofort zur Hilfe und auch alle Dohlen am Strand stürzten sich gemeinsam auf den Hund, der gar nicht mehr wusste, was um ihn geschah. Dieser nahm vor Schreck sofort Reißaus und kümmerte sich nicht länger um Blauauge. Nach einiger Zeit konnte dieser sich dann aus dem Netz befreien und flog sofort zu Gelbfuß, um sich zu bedanken. Diese meinte aber nur, dass Freunde doch so etwas füreinander machen würden.

Natürlich sprach sich im ganzen Vogelreich auf Wangerooge sofort herum, wie mutig Gelbfuß seinen Freund verteidigt hatte und wie die Möwen und die Dohlen den Hund gemeinsam in die Flucht geschlagen hatten. Und die alten Dohlen und Möwen erkannten, dass sie doch zusammenhalten und dass man sich bei Gefahr auch gegenseitig helfen müsse.

Dass sie eigentlich sehr unterschiedlich waren, spielte plötzlich keine Rolle mehr. Seit diesem Tag hatten keine Möweneltern und keine Dohleneltern von der Insel Wangerooge mehr etwas dagegen, wenn ihre Kinder miteinander spielten.

Ja, so war das. Diese Geschichte hat uns alle umdenken lassen und das ist auch gut so.

Nun Kinder, so hat mir die Dohle Jakob die Geschichte erzählt. Ich habe mich gefreut, dass die Geschichte so gut ausgegangen ist und auch ich habe aus der Geschichte noch etwas gelernt. Seit diesem Tag hebe ich nämlich am Strand immer die Reste von Fischernetzen oder auch alte Schnüre auf und entsorge diese im Mülleimer. Ich möchte ja nicht, dass sich nochmals ein Vogel mit den Füßen darin verheddert. Ich wäre froh, wenn ihr das ab heute genauso macht.‹

Das versprachen wir Kinder natürlich sofort.«



Das Kürbisgespenst

Die kleine Lisa ist schon fünf Jahre alt. Sie ist eigentlich sehr mutig. Das muss sie auch sein, denn sie hat noch drei größere Brüder und da muss man sich als Nesthäkchen schon ein wenig durchsetzen, wenn man etwas erreichen möchte, zum Beispiel wenn ihre größeren Brüder einfach mit ihrem Lieblingsball Fußball spielen und Lisa eigentlich gar nicht will, dass der Ball so schmutzig wird, halt so schmutzig, wie Bälle beim Fußballspielen nun einmal werden. Dann muss sie ihren Brüdern schon mal gehörig ihre Meinung sagen und sich mutig zwischen die Größeren werfen, um den Ball wiederzubekommen.

Außerdem geht Lisa schon in die erste Klasse der Grundschule und sie darf die wenigen hundert Meter zu ihrer Schule schon ganz alleine laufen.

Den Weg hat sie vorher schon ganz häufig mit ihrer Mama geübt und sie weiß ganz genau, dass sie nur an der Ampelanlage über die Straße gehen darf. Dazu drückt sie immer auf den Schalter, auf dem steht: Signal anfordern. Dann dauert es einen Moment und die Ampel piepst dann ein wenig und das Ampellicht für die Fußgänger zeigt im gleichen Moment grün. Trotzdem läuft sie nicht direkt los, sondern sie schaut erst, ob die Autofahrer auch wirklich angehalten haben.

Mama hatte beim Üben an der Ampel immer gesagt: »Vorsichtig ist die Mutter der Porzellankiste. Man kann nie wissen, ob ein Autofahrer hinter dem Lenkrad schläft oder träumt.«

Darüber musste Lisa immer furchtbar lachen, denn sie stellte sich dann vor, wie es war, wenn ein Autofahrer im Schlaf ein Auto fuhr und wie viele Beulen ein Auto dann hätte und den Begriff »Mutter der Porzellankiste«, den fand sie auch zum Lachen. Wie kann denn eine Kiste eine Mutter haben?

Nun ja, aber diese lustigen Sätze haben sich so bei ihr eingeprägt, dass sie an der Ampel immer alles richtig macht.

Aber eines Tages im Herbst, es war kurz vor dem Halloweenfest, da änderte sich einiges.

Auf dem Schulweg zu Lisas Schule hatte jemand auf die Stufen seines Hauses einen riesigen ausgehölten Kürbis gestellt. Irgendjemand hatte eine richtig gruselige Grimasse in den Kürbis geschnitzt. Er sah so aus, als wolle er jedem, der an diesem Hause vorbeiging, erst einmal richtig feste in die Beine beißen und er schaute richtig finster drein. Und weil er von innen beleuchtet war, wirkte alles noch viel gruseliger.

Als Lisa ihn das erste Mal entdeckte, da erschrak sie ganz fürchterlich. So etwas Schauriges hatte sie noch nie gesehen. Da wollte sie nicht mehr dran vorbeigehen. Das war ihr viel zu unheimlich. Sie wartete in sicherer Entfernung, aber als dann ein Erwachsener in Richtung ihrer Schule vorbeiging, lief sie blitzschnell an der Seite des Erwachsenen an dem Haus vorbei und – ohne sich umzudrehen – dann ganz schnell in ihr Klassenzimmer. Da hatte der Unterricht schon angefangen und Lisas Lehrerin, Frau Schwarz, war sehr erstaunt, dass Lisa zu spät gekommen war. Das hatte es doch noch nie gegeben. Lisa hatte zu lange vor dem Haus mit dem gruseligen Kürbis gewartet.

In der großen Pause fragte Lisa dann einen ihrer größeren Brüder, ob er sie nach der Schule mit nach Hause nehmen würde. Der lachte aber nur und meinte, dass er doch nicht mit einem kleinen Mädchen nach Hause gehen würde. Was sollten denn da seine Freunde von ihm denken? Nein, nein, so etwas ging ja wohl überhaupt nicht.

Deshalb wiederholte sich das Gleiche wieder, als Lisa nach Hause ging.

Wieder wartete sie in sicherer Entfernung, bis ein Erwachsener an dem Haus vorbeiging und huschte dann an seiner Seite an dem Haus vorbei.

Zuhause wollte sie ihrer Mama erzählen, dass es auf dem Weg zur Schule jetzt ein Gespenst gibt, das jedem, der an ihm vorbeigeht, in die Beine beißen möchte. Aber sie traute sich nicht, das zu sagen, weil sie meinte, dass ihre Mama dann doch nur sagt, dass sie sich das einbilden würde und es gar keine Gespenster gibt.

Da wollte sie am nächsten Tag erst noch einmal ganz genau hinschauen und vielleicht war das Gespenst bis dahin ja sogar schon weg. Das hoffte sie wenigstens.

Aber am nächsten Morgen, da wiederholte sich alles. Lisa musste wieder in einiger Entfernung von dem Halloweenkürbis warten, der leider immer noch an der gleichen Stelle lag und immer noch so gruselig aussah.

Diesmal wurde sie aber von dem Hausmeister der Schule, dem Herrn Winzig beobachtet. Der ging auf Lisa zu und sagte zu ihr, dass sie ja den gleichen Weg hätten und das Stück zur Schule dann gemeinsam gehen könnten. Ihr könnt euch vorstellen, wie froh Lisa darüber war. Leider ist sie schon wieder zu spät in den Unterricht gekommen, was ihre Lehrerin noch mehr verwunderte.

Am Ende des Unterrichtes sagte Frau Schwarz dann, dass Lisa noch in der Klasse bleiben solle, bis alle anderen Kinder gegangen waren und dann fragte sie, was denn mit ihr los wäre, denn sie war sehr besorgt. Das hatte es doch noch nie gegeben.

Lisa war immer pünktlich und jetzt war sie schon an zwei Tagen hintereinander zu spät gekommen und dann schaut sie auch noch ganz ängstlich aus.

Ganz zögerlich erklärte Lisa dann ihrer Lehrerin, dass wohl ein Gespenst vor einem der Häuser wohnt, an dem sie jeden Tag auf ihrem Schulweg vorbeigehen müsse und dann beschrieb sie, wie gruselig der Halloweenkürbis aussah, der auf den Treppenstufen lag.

»Soso«, meinte dann ihre Lehrerin, »dass es irgendetwas mit dem Haus zu tun haben wird, an dem du vorbeigehen musst, das hat mir Herr Winzig schon gesagt und ich könnte mir schon vorstellen, was es ist. Mach dir aber jetzt keine Sorgen mehr, ich werde dich gleich sicher nach Hause bringen.«

Als die beiden dann an dem besagten Haus vorbeikamen, da sah sie, wie Lisa ganz schnell ging, um schnell an dem Haus vorbeizugehen. Sie schaute auf die Treppenstufen und dann musste sie doch lächeln.

Als Lisa am nächsten Tag zur Schule ging, da wunderte sie sich, denn Herr Winzig wartete schon vor dem Haus mit dem Gruselkürbis, um sie in ihre Klasse zu bringen. Das wunderte Lisa schon, aber eigentlich war sie ganz froh darüber, denn aus dem Augenwinkel heraus sah sie, dass ihr angebliches Gespenst immer noch auf der Treppe saß. Noch mehr wunderte sie sich aber, dass auf dem Pult ihrer Lehrerin ein großer, orangener Kürbis lag.

Dann erklärte die Lehrerin Frau Schwarz den Kindern, dass es ein altes keltisches Fest gibt, welches früher nur in Irland gefeiert wurde, dann mit den irischen Einwanderern nach Amerika gekommen war und heute auch bei uns in Deutschland immer häufiger gefeiert wird. Dieses Fest nennt man Halloween.

Eine Tradition ist das Schnitzen von Halloweenkür­bissen. Und das wollten sie dann heute gemeinsam machen. Alle Kinder umringten dann den dicken Kürbis. Dann schnitt Frau Schwarz erst den Deckel ab und alle Kinder durften mit einem großen Löffel die gelben Kerne aus dem Kürbis herausnehmen.

Dann malte Frau Schwarz mit einem dicken schwarzen Filzstift eine schreckliche Fratze auf den Kürbis. Jedes Kind durfte ein Stück der aufgemalten Linien mit dem Küchenmesser nachschneiden und das Fruchtfleisch entfernen. Als das Gesicht fertig ausgeschnitten war, stellte Frau Schwarz noch eine brennende Kerze in den Kürbis hinein, setzte den abgeschnittenen Deckel wieder drauf und ließ die Rollos der Klasse ein Stück herunter, damit es ein wenig dunkler wurde.

Alle Kinder schauten sich ihr Werk gut an und freuten sich, dass der Halloweenkürbis so gut gelungen war und so gruselig leuchtete.

Aber auch Lisa strahlte. Ihr war jetzt klar geworden, dass ihr angebliches Gespenst ja nur ein ausgehöhlter, geschnitzter Kürbis ist.

Ihre Angst war wie weggeblasen.

Frau Schwarz fragte sie dann noch ganz freundlich, ob sie denn heute wieder nach Hause gebracht werden müsste.

 

»Natürlich nicht«, antwortete Lisa, »ich bin doch schließlich schon sechs Jahre alt und habe keine Angst vor Gespenstern«, rief sie heiter aus. Dann mussten beide ganz fröhlich lachen und den Hausmeister Herrn Winzig, den brauchte Lisa auch nicht mehr, um an dem Haus mit dem Halloweenkürbis, der doch kein Gespenst war, vorbeizugehen.


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