Kobudo 1

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Roland Habersetzer

Kobudô

Band 1: Bô und Sai

Aus dem Französischen

von Frank Elstner

Palisander

Impressum

Hinweis: Weder der Autor noch der Verlag übernehmen Verantwortung für Folgen, die sich aus dem Gebrauch oder dem Mißbrauch von Informationen, die in diesem Werk enthalten sind, ergeben können. Sie erinnern des weiteren daran, daß beim Umgang mit den hierin beschriebenen Waffen die jeweiligen landesspezifischen waffentechnischen Regelungen unbedingt einzuhalten sind. Es obliegt der Eigenverantwortung des Praktizierenden, sich über diese Bestimmungen ausreichend zu informieren. Allgemein gilt, daß der Umgang mit den Waffen des Kobudô vernünftig, vorsichtig, kontrolliert und angemessen zu erfolgen hat.

Der Verlag dankt Sven Hensel, Oliver Siegemund (CRB), Janett Kühnert und Norbert Wölfel vom Chemnitzer Karateverein, Helmut Götz, Mitglied des CRB aus Weiden und Franz Scheiner, Mitglied des CRB aus Würzburg, für die fachliche Unterstützung bei der Redaktion.

Deutsche Erstausgabe

1. Auflage November 2006

Titel der Originalausgaben:

Kobudô 1. Sai

© 1985 by Éditions Amphora s.a., Paris

Kobudô 3. Bo

© 1987 by Éditions Amphora s.a., Paris

Découvrir les Kobudo d’Okinawa

© 1992 by Éditions Amphora s.a., Paris

Deutsch von Frank Elstner

© 2006 by Palisander Verlag, Chemnitz

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Anja Elstner

Redaktion & Layout: Viola Börner und Frank Elstner

Illustrationen: Roland Habersetzer, Archiv Roland Habersetzer

Fotos: Gabrielle Habersetzer, Archiv Roland Habersetzer

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

ISBN 9783938305409

www.palisanderverlag.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Zitat

Der Autor

Danksagungen

Illustrationen

Widmung

Vorwort zur deutschen Ausgabe des „Kobudô“

Einführung in das Studium des Kobudô

A) Ryûkyû - Kobu - Jutsu

B) Landwirtschaftliche Geräte, Kriegswaffen, kodifizierte Künste: die Herausbildung einer Kultur

C) Ein eindrucksvolles Arsenal

D) Grundlagen für das Kobudô-Training

E) Stufen auf dem Weg zur Meisterschaft

F) Prinzipien

1.) Der Geist

2.) Die Höflichkeit

3.) Die physischen und physiologischen Prinzipien

4.) Die Positionen (Tachi)

5.) Die Trainingskleidung – Keikogi oder Hakama?

Teil I – Bô

Einleitung

1. Abschnitt – Hôjô undô (Grundtechniken)

Vorstellung

1. Kapitel – Technische Grundlagen

A) Das Halten des Bô (Honte no kamae)

B) Die Körperpositionen (Tachi)

C) Körpereinsatz beim Umgang mit dem Bô

D) Grundhaltung

E) Griffwechsel

F) Der Gruß (Rei)

G) Einnehmen der Ausgangshaltung (Yoi)

H) Einnehmen der Bereitschaftshaltung

I) Rückkehr in die Ausgangshaltung (Naore oder Yasume)

J) Ortswechsel

2. Kapitel – Die Angriffstechniken

A) Die Schlagtechniken (Uchi waza)

1.) Der seitliche Schlag (Yoko honte uchi)

2.) Der vertikale Schlag (Tate honte uchi)

3.) Die Schwingtechniken

B) Die Stoßtechniken (Tsuki waza)

1.) Der direkte Stoß (Tsuki)

2.) Der direkte gleitende und bohrende Stoß (Nuki)

3.) Der gleitende Stoß nach unten (Gedan nuki oder Gedan zuki)

3. Kapitel – Die Verteidigungstechniken

A) Mittlere Abwehrtechniken (Chûdan uke oder Yoko uke)

1.) Block von innen nach außen (Soto uke)

2.) Haken-Block (Kake uke)

3.) Block von außen nach innen (Uchi uke)

4.) Schräger Block (Harai uke) oder vertikaler Block (Tate uke)

B) Tiefe Abwehrtechniken (Gedan uke)

1.) Fegeabwehr (Nagashi uke oder Hane uke)

2.) Schräger Block (Harai uke oder Yoko uke)

3.) Vertikaler Block (Tate uke)

4.) Fegender Block (Gedan barai oder Gedan ura uke)

5.) Preßabwehr (Osae uke oder Otoshi uke)

6.) Schaufel-Abwehr (Sukui uke)

7.) Preßabwehr mit zwei Händen (Otoshi morote uke)

C) Hohe Abwehrtechniken (Jôdan uke)

1.) Schaufel-Abwehr (Sukui uke)

2.) Der Block mit zwei Händen (Morote age uke)

3.) Seitlicher hoher Block (Jôdan yoko uke oder Jôdan harai uke)

4.) Hohe Fegeabwehr (Jôdan nagashi uke)

5.) Mit beiden Händen nach unten gepreßter Block (Otoshi morote uke)

4. Kapitel – Kombinationen (Renzoku waza)

2. Abschnitt – Kumite (Kampftechniken)

Bô Kumite

A) Einfache Abfolgen

1.) Angriff mit Chûdan ura uchi von links nach rechts

2.) Angriff mit Gedan ura uchi von links nach rechts

 

3.) Angriff mit Gedan yoko honte uchi von links nach rechts

4.) Angriff mit Gedan ura uchi von links nach rechts

5.) Angriff mit Gedan yoko honte uchi von rechts nach links

6.) Angriff mit Jôdan ura uchi von links nach rechts

7.) Angriff mit Chûdan zuki

8.) Angriff mit Jôdan zuki

9.) Angriff mit Jôdan tate honte uchi

10.) Angriff mit Jôdan yoko (oder tate) honte uchi

11.) Angriff mit Jôdan tate (oder yoko) honte uchi

12a) Angriff mit Chûdan yoko honte uchi von rechts nach links

12b) Angriff mit Chûdan yoko honte uchi (oder Tsuki)

13.) Angriff mit Chûdan yoko honte uchi (oder Tsuki)

B) Kombinationen

1.) 14 Übungsserien

2.) Sechs Serien von Tamano Sensei

3.) Die Serie von Inoue Sensei

3. Abschnitt – Kata

Die Hauptkata für den Bô

Kata 1. Shôun no kon

Kata 2. Shûshi no kon (dai)

Kata 3. Shûshi no kon (shô)

Kata 4. Sakugawa no kon (shô)

Teil II – Sai

Einleitung

Geschichte und Verwendung

Die Meister des Sai

1. Abschnitt – Hôjô undô (Grundtechniken)

1. Kapitel – Das Halten des Sai

2. Kapitel – Die Verteidigungstechniken (Uke waza)

A) Tiefe Abwehrtechniken (Gedan uke)

1.) Fegende Abwehr (Gedan barai oder Gedan harai)

2.) Nach unten geführte Abwehr (Otoshi uke)

3.) Blocken über Kreuz (Gedan juji uke oder Gedan kosa uke)

B) Hohe Abwehrtechniken (Jôdan uke)

1.) Blocken über Kreuz (Jôdan juji uke oder Jôdan kosa uke)

2.) Nach oben geführter Block (Jôdan age uke)

3.) Block durch Verhaken (Jôdan kake uke)

4.) Fegende Abwehr

C) Mittlere Abwehrtechniken (Chûdan uke)

1.) Block durch Verhaken (Chûdan kake uke)

2.) Fegende Abwehr

3. Kapitel – Die Angriffstechniken (Tsuki und Uchi waza)

A) Direkte Angriffe (Tsuki waza)

1.) Stöße mit dem Knauf (Tsuki)

2.) Stöße mit der Spitze (Tsuki komi oder nuki)

3.) Stöße mit der Gabel des Sai (Yoku zuki)

B) Indirekte Angriffe (Uchi waza oder Furi dachi)

1.) Stöße mit dem Knauf

2.) Stöße mit dem Schaft

4. Kapitel – Das Wiederergreifen (Osame)

5. Kapitel – Kombinationen (Renzoku waza)

2. Abschnitt – Kumite (Kampftechniken)

1.) Angriff des Bô mit rechtem Chûdan yoko honte uchi (oder Chûdan zuki)

2.) Angriff des Bô mit linkem Chûdan yoko honte uchi (oder Chûdan zuki)

3.) Angriff des Bô mit rechtem Chûdan yoko honte uchi

4.) Angriff des Bô mit Jôdan honte uchi

5.) Angriff des Bô mit Tate honte uchi

6.) Angriff des Bô mit Jôdan yoko honte uchi (oder Tate honte uchi)

7.) Angriff des Bô mit rechtem Tate honte mochi

8.) Angriff des Bô mit rechtem Tate honte mochi

9.) Angriff des Bô mit Tate honte uchi (oder vertikaler Schwerthieb)

10.) Angriff des Bô mit Tate honte uchi

11.) Tiefer Rückhandangriff mit dem Bô

12.) Tiefer Rückhandangriff mit dem Bô

13.) Tiefer Rückhandangriff mit dem Bô

14.) Rückhandangriff mit dem Bô gegen den Körper (oder seitlicher Schwerthieb von außen nach innen)

15.) Angriff des Bô mit Jôdan nuki

16.) Angriff des Bô mit Jôdan nuki (oder Jôdan yoko honte uchi)

17.) Angriff des Bô mit Jôdan nuki (oder Jôdan yoko honte uchi)

18.) Angriff des Bô mit Gedan yoko uchi

19.) Angriff des Bô mit Chûdan yoko uchi

20.) Angriff mit dem Schwert von außen nach innen

21.) Bunkai (Analyse) des Beginns der Chatanyara kata

3. Abschnitt – Kata

Kata 1. Übungs-Kata

Kata 2. Tsuken Shitahaku no sai

Kata 3. Chatanyara no sai

Kata 4. Hamahiga no sai

Das Werfen des Sai

Anmerkungen

In Zeiten des Krieges muß man die Künste des Budô üben, um überleben zu können, in Zeiten des Friedens, um länger leben zu können …

Matayoshi Shinpô (1922 - 1997)


Roland Habersetzer mit Sai (Saint-Nabor, 2006)


Centre de Recherche Budo (CRB)

7b Chemin du Looch

F-67530 Saint-Nabor

Internet: www.karate-crb.com

Deutsche CRB-Website:

www.wslang.de/​karatecrb


Der Autor

Roland Habersetzer, Jahrgang 1942, ist seit 1957 Praktizierender der Kampfkünste. Bereits 1961 erhielt er den 1. Dan und wurde so zu einem der ersten französischen „Schwarzgurte“ im Karate. Zu recht wird er sowohl als Spezialist der japanischen Kampfkünste (Budô) als auch der chinesischen (Wushu) angesehen. Nachdem er verschiedene Graduierungen in Frankreich, Japan und China erhalten hatte, wurde Roland Habersetzer in Japan durch O-Sensei Tsuneyoshi Ogura (10. Dan, Leiter des Dojô Gembukan in Kofu, Schüler von Yamagushi Gôgen, 1909 - 1989, und von Gima Makoto, 1897 - 1998) im Jahre 1992 der 8. Dan sowie der Titel eines Shihan zuerkannt, und im April 2006 der 9. Dan, Hanshi, sowie der Titel eines Soke (Meister-Gründer) für seinen eigenen Kampfkunststil „Tengû no michi“ (Tengû ryû Karatedô, Kobudô, Hôjutsu). Diese Graduierungen und Titel wurden durch Tadahiko Ôtsuka vom Tokioter Gôjûkensha (anerkannter Meister des Gôjû ryû, des Naha te und des Shuri te und direkter Schüler von Higa Yûchoku, 1910 - 1994, von welchem er den Titel des Hanshi erhalten hat) bestätigt. Damit wurden seine außerordentlichen Bemühungen bei der Verbreitung der Kampfkünste und die hohe Effektivität seines Wirkens gewürdigt. Bestätigt wurde hierdurch ebenfalls der Sinn, den Roland Habersetzer stets in den nunmehr 49 Jahren seiner Kampfkunstpraxis und in seinem Engagement für eine authentische Tradition gesehen hat, einer Tradition, die im Zeichen des größten Respekts vor den Stufen „Shu“, „Ha“ und „Li“ steht. Schließlich stellt dies auch die Legitimierung seines eigenen Konzepts der Praxis der Kampfkünste dar, des „Weges des Tengû“ („Tengû no michi“).

Im Jahre 1968 erschien sein erstes populärwissenschaftliches Buch über die Kampfkünste. Heute besteht sein Werk aus über 70 Büchern, was ihn zum Autor der weltweit bedeutendsten Buchreihe auf diesem Gebiet werden läßt. Seine Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt worden sind, gelten in allen frankophonen Ländern als historisches, technisches und pädagogisches Standardwerk, und auch in vielen anderen Ländern besitzen sie hohes Ansehen.

Schon frühzeitig zeigte sich Roland Habersetzer enttäuscht von der Tendenz des Karate, sich von der Kampfkunst zur Sportart zu entwickeln. Daher gründete er 1974 das Centre de Recherche Budo (CRB), eine internationale, unabhängige Organisation, die zahlreiche Budôka zusammengeführt hat, denen vorrangig der Erhalt der geistigen Werte der japanischen und chinesischen Kampfkünste am Herzen liegt. Durch sein Wirken im Rahmen des CRB, durch zahlreiche Lehrgänge und Seminare auf der ganzen Welt und natürlich auch durch seine technischen Handbücher und historischen Werke leistete er echte Pionierarbeit, damit die traditionellen Werte seiner Kunst nicht verloren gehen würden. Zwischen 1962 und 2002 unterrichtete er in seinem Dôjô in Straßburg. Stets umfaßte sein Ausbildungskonzept sowohl die Kampftechniken als auch deren kulturellen Hintergrund. Nach wie vor ist er als Budôka sehr aktiv, auch wenn sich seine Lehrtätigkeit inzwischen auf wenige Lehrgänge und Seminare hohen Anspruchs pro Jahr beschränkt.

 

Der weltweit anerkannte Experte im Karatedô, im Kobudô und im Taijiquan interessiert sich leidenschaftlich für Kampfkünste in all ihren Erscheinungsformen. Nach Effektivität im Kampf zu streben, bedeutet für ihn, alle Entwicklungen vorurteilsfrei zu betrachten. Diese Überzeugung führte den modernen „Ronin“, als den er sich sieht, dazu, seiner Praxis auch andere Techniken hinzuzufügen, was selbst den Umgang mit zeitgenössischen Waffen einschließt. So ist er (mit entsprechenden Diplomen aus den USA und aus der Schweiz) u. a. auch als Ausbilder im Kampfschießen mit Handfeuerwaffen tätig.

Mit seinem Institut Tengu, das er 1995 gründete, begann, parallel zu seiner Tätigkeit als Budôka, eine neue Etappe seiner Forschungen auf dem Gebiet der Kampfkünste. Das Ziel dieses Instituts besteht darin, auf Grundlage des Studiums und des praktischen Vergleichs zahlreicher Formen des Kampfes mit und ohne Waffe zu einem umfassenden Konzept der Selbstverteidigung zu gelangen, das den Gegebenheiten des heutigen Lebens gerecht wird. Die Absicht von Habersetzer Sensei besteht darin, der Praxis des Karatedô einen Sinn zu verleihen, der in der modernen Gesellschaft Bestand hat, einen Sinn, der nichts zu tun hat mit sportlichen oder spielerischen Varianten. Sein leidenschaftliches Streben gilt einer gültigen Neubestimmung des Konzepts des Kriegertums für unsere Epoche; Techniken, Taktiken und Verhaltensweisen der Praxis des klassischen Karatedô sollen mit den Gegebenheiten unserer Zeit in Einklang gebracht werden.

„Der Weg des Tengû“ (Tengû no michi) ist für ihn das Abbild einer neuen Bewußtwerdung, eines Willens, einer modernisierten Methode des Budô. Geistige Einstellung und technische Mittel entsprechen dabei den Anforderungen der heutigen Welt. Indem er nach langen Jahren auf dem Weg des klassischen Karatedô eine authentische Schule (Ryû) der vereinigten Kampfkünste (Shin Budô), „Tengû no michi“, gegründet hat, hat Habersetzer Soke nichts anderes getan, als den lebendigen Geist der Tradition in die Gegenwart zu tragen. Ganz im Sinne eines „Tatsujin“ („aufrechter Mensch“) ist er somit seiner ursprünglichen Wahl treu geblieben, indem er die Tradition mit Nachdruck und Überzeugung ehrt und weitervermittelt.

Danksagungen

Der Autor dankt Herrn Jean-Marie Hamert, Herrn Jean-Pierre Richeton, 4. Dan, Herrn Malou Hamert, 3. Dan und Herrn Daniel Petit, 2. Dan, Experten des Centre de Recherche Budo, sowie Herrn Thierry Habersetzer, die mit ihm zusammen auf den Aufnahmen zu sehen sind. Er dankt ebenfalls den Meistern und Experten Matayoshi, Chinen, Izumi, Adaniya, Iko Oshiro, Yoshiaki Gakiyu und Tamano, daß sie es gestattet haben, daß Fotos von ihnen in diesem Buch gezeigt werden.

Illustrationen

Fotos 17 und 286 stammen von Jean-Marie Hamert, alle anderen Fotos vom Autor sowie von Gabrielle und Thierry Habersetzer. Alle Zeichnungen stammen aus der Feder des Autors. Die Fotos 16, 17, 55, 228, 229, 230, 232, 251 bis 256, 258, 259, 286 und 384 wurden während Lehrgängen im Dôjô des CRB in Straßburg aufgenommen.

Dem Andenken von Meister Matayoshi Shinpô gewidmet als Zeichen des Respekts und der Dankbarkeit für das, was er darstellte und für all sein Wissen. Mögen auch in Zukunft Weitere dem Weg seines Kobudô folgen.

Roland Habersetzer


Der Autor mit Matayoshi Shinpô bei ihrer ersten Begegnung in Straßburg, 1973

Vorwort zur deutschen Ausgabe des „Kobudô“

Der Einfallsreichtum und die schöpferische Kraft des Menschen in Gefahr brachte zu allen Zeiten Techniken hervor, die dazu dienten, die Konfrontation mit anderen Menschen, mit wilden Tieren oder mit Naturgewalten überleben zu können. Diese Techniken mit und ohne Waffen waren stets mit bestimmten geistigen, religiösen oder philosophischen Grundideen verbunden. Man war überzeugt, daß ein Krieger nur zu siegen vermochte, wenn er Träger von Kräften war, die über ihn hinausgingen, und in deren Besitz er sich durch einen magischen Prozeß bringen konnte. Die Beherrschung einer Waffe galt lange Zeit als eine Art Zauberei. In allen Weltgegenden ist die Geschichte des Menschen als Krieger seit Anbeginn der Menschheit im Grunde überraschend ähnlich.

Für das von der Insel Okinawa stammende Kobudô1 gilt prinzipiell das gleiche. Allerdings waren dem einfachen Volk, das diese Kampfkunst hervorgebracht hat, intellektuelle oder philosophische Konzepte anfangs noch fremd. Die Schöpfer des Kobudô waren vor allem pragmatisch eingestellt. Was für sie zählte, waren die reinen Kampftechniken mit improvisierten Waffen aus alltäglichen Werkzeugen der Bauern und der Fischer. Somit handelte es sich zu Beginn genau genommen um Kobujutsu, in dem die kriegerische (Bu) Technik (jutsu) das, was sich als Beginn einer Methode innerer Entwicklung (Dô) herausbildete, in den Hintergrund treten ließ. Natürlich sind auch in jener Zeit bereits verschiedene kulturelle Elemente, die charakteristisch für die Insel Okinawa waren, in die einheimischen Kampfkünste eingeflossen. So lassen sich beispielsweise in manchen klassischen Kata des Karatedô (Koshiki Kata) Bestandteile der traditionellen Tänze der Insel (Odori) nachweisen.2 Aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts verbanden sich die Techniken wesentlich mit bestimmten geistigen Elementen, die anderen japanischen Kampfkünsten entstammten. In jener Zeit entwickelte sich aus der kriegerischen Kunst des Kobujutsu die Kampfkunst des Kobudô, und dieses Kobudô wurde Teil der großen Familie der japanischen Kampfkünste. Letztere waren allesamt Wege (Dô, Michi) für den Menschen, der nach Vervollkommnung strebte. Die Herausforderung dieser Wege bestand in dem intensiven Üben von Techniken, die Ausdruck der Einheit zwischen Körper und Geist waren. Diese Einheit, die durch perfekte Beherrschung der Bewegungsformen und Haltungen erreicht wurde, war die Quelle für vollkommene Effektivität in jeder Hinsicht.

Sai (Dreizack), Bô (Stock), Nunchaku (Dreschflegel) und Tonfa (hölzerner Stiel mit seitlichem Griffstück) sind die vier Hauptwaffen des okinawanischen Kobudô. Ihre Techniken sind sehr komplex. Sie zu beherrschen erfordert ein Höchstmaß an Kontrolle, vor allem in Bezug auf die richtige Einschätzung von Abständen, die fehlerlose Koordination von Bewegungsabläufen und den richtigen Einsatz der inneren Energie (Qi). Das, was mitunter medienwirksam bei öffentlichen Vorführungen als Kobudô präsentiert wird, drängt den eigentlichen Sinn des Kobudô an den Rand, ganz zu schweigen von den Versuchen, diese Kampfkunst in einen Sport umzuwandeln. Tatsächlich hat sich der Endzweck dieser Kunst wie der aller Kampfkünste gewandelt. Ihre Techniken sind nicht mehr dazu bestimmt, im Kampf eingesetzt zu werden, wo sie gegen moderne Waffen weitgehend chancenlos wären. Heute besteht ihr Daseinszweck vorrangig darin, daß der Praktizierende mit ihrer Hilfe seine Persönlichkeit entwickeln kann. Der Gegner steht nicht mehr vor ihm, sondern befindet sich in ihm selbst. Das Ziel, „den Gegner zu besiegen“, wandelte sich zum Ziel, „sein eigenes Ego zu besiegen“.

Man findet im Kobudô den gesamten erzieherischen Reichtum der fernöstlichen Kampfkünste. Dessen außerordentlicher Wert drückt sich darin aus, daß all die Mühe, die man auf sich nimmt, um die Kampftechniken beherrschen zu lernen, dadurch belohnt wird, daß man in sich den Geist des Friedens und der Ehrfurcht vor dem Leben entdeckt. Als Instrumente, die dazu bestimmt sind, die Persönlichkeit zu schmieden (Seishin tanren) und nicht direkt auf die Außenwelt einzuwirken, sind die Waffen des Kobudô tatsächlich Waffen des Friedens. Denn es gilt immer und in jeder Hinsicht, daß die Beherrschung des Selbst die Basis für eine zivilisierte Gesellschaft ist.


Foto 1: Der Autor mit Matayoshi Shinpô Shihan, Präsident der Gesamtokinawanischen Kobudô Assoziation in dessen Dôjô in Japan. Dieses Foto entstand während einer Studienreise, die Roland Habersetzer als Leiter einer bedeutenden Gruppe von Experten des CRB im Sommer 1984 unternommen hat. Die Studienreise war die Fortsetzung einer Beziehung, die 1973 in Straßburg ihren Anfang genommen hatte.


Foto 2: Der Autor zusammen mit Kampfkunst-Meistern im Kôdôkan von Naha. Links im Bild Itokazu Seko, Mitbegründer des Pangai Noon ryû. Das Foto entstand bei der gleichen Gelegenheit wie Foto 1.

Ein aus seinem historischen Zusammenhang gelöstes Kobudô ist natürlich nicht mehr dasselbe, was es ursprünglich war. Diese Kampfkunst mit all ihren Techniken ist durch den Geist des Widerstands, des Nichthinnehmens, des Nichtaufgebens angesichts äußerer Zwänge geprägt. Sie bildete sich heraus, weil das freiheitsliebende Volk Okinawas sich gegen die Unterdrückung durch fremdländische Besatzer zur Wehr setzen wollte. Ihre Techniken, die sich in der Feudalzeit entwickelten, als die Insel von japanischen Invasoren beherrscht wurde, verwandelten Werkzeuge aus dem Alltag der Bauern und Fischer in todbringende Waffen. Praktiziert man diese alte Kampfkunst heute, so ist es wichtig zu versuchen, sie in ihrem ursprünglichen Geiste auszuführen, im Geiste eines Menschen, der frei ist und frei bleiben will, und der nicht alles, was man ihm aufnötigen will, hinnimmt. Eines Menschen, der seinen Widerstandsgeist gegen alles, was ihn zu zerstören versucht, bewahrt. Das Kobudô ist Teil des kulturellen Erbes Okinawas. Aber der dahinterstehende Wille des Menschen zu überleben, ist universell und gilt für alle Zeiten. Das alles sind starke Gründe dafür, die Kunst des Kobudô – die Techniken wie den Geist – nicht der Vergessenheit anheimfallen zu lassen.

Jede Facette des Kobudô erfordert lange Jahre geduldiger Praxis. Glücklicherweise ist es heute dank der phantastischen Entwicklung der audiovisuellen Techniken und der modernen Reisemöglichkeiten einfacher geworden, Zugang zum Kobudô zu erlangen.

Als ich im Jahre 1984 das Museum der Präfektur von Okinawa in Shuri besuchte, war ich äußerst erstaunt und betrübt darüber, daß dort nicht die kleinste Andeutung auf irgendeine Waffe des Kobudô zu finden war. In meinem 1985 erschienen Buch „Sai“ schrieb ich daraufhin: „Vielleicht ist es ja die Aufgabe des Westens, dieses verblüffende Vergessen seitens derjenigen, die daran am meisten interessiert sein müßten, überwinden zu helfen.“ – Erfreulicherweise haben sich die Zeiten geändert. Im Jahre 1987 hat Hokama Tetsuhiro in seinem Dôjô für Karate und Kobudô in Nishihara (Okinawa Gôjû ryu Kenshikai Honbu dôjô) ein bedeutendes Museum der okinawanischen Kampfkünste eröffnet.

Ich habe im Jahre 1973 mit der Praxis des okinawanischen Kobudô begonnen, als ich zum ersten Mal Matayoshi Shinpô3 Sensei begegnete, der einer der größten Meister auf diesem Gebiet war (10. Dan). Ich hatte die außerordentliche Ehre, ihn als Gast in meinem Haus im Elsaß empfangen zu dürfen. Später besuchte ich ihn mehrere Male in Japan.

Es war mir stets wichtig, meine Leidenschaft für die ostasiatischen Kampfkünste mit anderen teilen zu können. Aus diesem Grunde habe ich bereits 1975 ein Werk über diese alte okinawanische Kunst verfaßt.4 Aufgrund des großen Interesses, auf das dieses Buch stieß, entwickelte ich den Stoff weiter, so daß in der Folge drei Bände entstanden.5 Diese Bücher wurden in zahlreichen Ländern kopiert und plagiiert, mitunter sogar, ohne daß der Name des Autors genannt wurde. Obgleich einige meiner Werke dieses Schicksal teilen, hat mich das nie von meiner Haltung abgebracht, alles, was ich gelernt habe, offenzulegen. Mit dieser Absicht zur Popularisierung waren meine Bücher immer Wegbereiter. Ich wollte die Möglichkeit schaffen, daß auch andere aus den Quellen schöpfen können, damit der Weg offen bleibe, sowohl für jene, die ihn in Zukunft beschreiten wollen, als auch für die letzten authentischen alten Meister, die ihn mit ihrem ganzen Herzen lehren wollen. Ich habe daher niemals die mit dieser Arbeit verbundenen Mühen gescheut.


Siegel des von Matayoshi Shinpô gegründeten „Gesamtokinawanischen Kobudô Renmei“.

Ich vertrete die Ansicht, daß das Studium der traditionellen Waffen des Kobudô in den Dôjô häufiger vermittelt werden sollte. Ihre Praxis läßt einen seine Fehler leichter erkennen, sie schärft den Geist und führt zu größerer Bescheidenheit. Beim Umgang mit ihnen wird schnell deutlich, daß ihre eigentliche, ursprüngliche Bedingung der Kampf auf Leben und Tod ist. In diesem Zusammenhang möchte ich jeden Budôka daran erinnern, daß es zwar sehr gut ist, die Waffen immer besser zu beherrschen, man jedoch unbedingt vermeiden muß, tatsächlich einmal auf sie angewiesen zu sein.

All jenen, die mir dabei geholfen haben, daß dieses Werk entstehen konnte, möchte ich meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Ich werde niemals vergessen, daß sie mich an ihrem Wissen teilhaben ließen, damit ich es meinerseits weitervermitteln kann. Diese Bücher hätten nicht entstehen können ohne die Meister Mochizuki Hiro, Chinen Kenyû, Adaniya Seisuke, Tamano Toshio, Suzuki Tatsuo, und vor allem nicht ohne die Meister Matayoshi Shinpô (1922 - 1997) und Inoue Motokatsu (1918 - 1993), denen ich diese Seiten mit besonderer Ehrfurcht und Dankbarkeit widmen möchte. Ich wünsche mir, daß auf diesem Wege ihre Kobudô-Kunst zu Ihnen, den Lesern, gelangen möge.

Ich wünsche meinen hochgeschätzten Lesern der deutschen Ausgabe, in diesen Büchern ein traditionelles Wissen zu entdecken oder zu vertiefen, das zum gemeinschaftlichen Erbe der Kampfkünste gehört.

Weiterhin möchte ich dem Palisander Verlag danken, daß er einem Werk neues Leben eingeflößt hat, das einst, als diese Kunst außerhalb Japans noch nahezu unbekannt war, den Weg des Kobudô in Europa bereitet hat.

Roland Habersetzer

9. Dan Karatedô (Japan), Hanshi

Soke: Tengû ryû

Saint-Nabor, Juni 2006