Traum-Heiler

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Traum-Heiler
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Das Buch

„Wir verlieren die Seele, wenn wir unsere Träume nicht erfüllen“, sagt der renommierte schamanische Traumtherapeut Robert Moss. Dieser „Seelenverlust“ kann unterschiedlichste Gründe haben: ein Job, der unserer Berufung nicht entspricht, die Trennung von einem Partner, ein Verkehrsunfall, Missbrauch oder andere Verletzungen, die, obwohl verdrängt und vergessen, uns so lange Lebensenergie abziehen, bis wir uns wirklich mit ihnen ausgesöhnt haben. Wie diese verletzten Anteile durch schamanische „Traumarbeit“ geheilt werden können, zeigt dieses Buch: Mit geführten Traumreisen, Heilritualen und Beispielen aus der Praxis demonstriert Robert Moss, wie wir unsere Lebensträume und unser inneres Kind heilen können, um endlich das Leben zu leben, das wir uns aus tiefstem Herzen schon immer gewünscht haben!

Der Autor

Robert Moss hatte als Kind drei Nahtod-Erfahrungen, die sein Leben prägten: Er entwickelte eine hellsichtige träumerische Begabung, wie sie häufig bei Schamanen-Heilern zu finden ist. Er erforschte das alte schamanische Wissen der Traumheilung, studierte die moderne Traumtherapie und begründete die wegweisende Heilmethode des „Aktiven Träumens“. Heute leitet er Seminare und Trainings weltweit und publizierte bislang neun viel beachtete Bücher zum Thema schamanisches Heilen, bewusstes Träumen und die Kraft der inneren Vorstellung. Robert Moss lebt im Staat New York, USA.

Robert Moss

Traum-Heiler

Lebensträume erfüllen, Verletzungen heilen

durch schamanisches Heilwissen

Übersetzt von Johanna Ellsworth


Inhaltsverzeichnis

Umschlag

Das Buch / Der Autor

Titel

Inhaltsverzeichnis

Einleitung - Die träumende Seele

1. Schamanen als Träumer

2. Träumer als Schamanen

3. Seelenverlust verstehen

4. Traumwege zur Ganzheit

5. Der Königsweg zur Seelenheilung

6. Der Seelenbaum

7. Die Höhle und der Hochsitz

8. Das Windpferd

9. Das Haus der Heilung

10. Die Begegnung mit der Seele der Seele

11. Die Heilung der Ahnen

12. In der geheimen Bibliothek

13. Traumarchäologie und kulturelle Seelenheilung

14. Die Seele im Multiversum

15. Folgen Sie Ihrem eigenen Merlin

Epilog: Die Heimkehr

Danksagungen

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Über den Autor

Impressum

Für den Träumer in jeder Seele

Nur derjenige, auf dem sich die Seele niederlässt, durch den die Seele spricht, kann andere lehren. - Ralph Waldo Emerson, Ansprache vor der Harvard Divinity School im Jahr 1835

Einleitung
Die träumende Seele

Die Zeit wird kommen, wenn du dich freudig selbst an deiner Tür begrüßt, dir im Spiegel begegnest und ihr beide über das Willkommen des anderen lächelt. - Derek Walcott, »Love after Love«

Meistens sind die wichtigen Dinge ganz einfach. Und sie sind offene Geheimnisse in der Hinsicht, dass niemand uns das Wissen vorenthält - außer uns selbst.

Dieses Buch handelt von einer ganz einfachen Wahrheit, auf der die Menschheit basiert. Wir sind mehr als nur Körper und Verstand: Wir sind auch Geist und Seele. Doch wir Menschen sind vergessliche Tiere. Wir vergessen, dass wir eine Geschichte haben, die über unsere jetzige Situation hinausgeht. Wir vergessen, dass wir vielleicht mit einer Aufgabe und einer Identität auf diese Welt gekommen sind, die unserem jetzigen Leben vorausgehen und nicht mit dem Tod enden. Und da wir vergessen, wer wir sind und welche Aufgabe unsere Seele auf dieser Welt hat, geraten wir in alle möglichen Schwierigkeiten. Noch schlimmer wird es, wenn wir einen Teil unserer Lebensessenz verlieren, weil wir unangenehme Dinge erleben und wir in gewisser Weise aus unserem Körper herausschlüpfen wollen. Möglicherweise gelingt uns das sogar. Schamanen bezeichnen diesen Zustand als Verlust von Seelenanteilen, und Psychologen nennen ihn Dissoziation.

Der Lakota-Indianer und Traumschamane Lame Deer hat davor gewarnt, wohin so ein Zustand führt: »Die Menschen sind an einen Punkt gelangt, an dem sie nicht mehr wissen, wozu sie überhaupt auf der Welt sind ... Sie kennen das Wissen, das der Geist jedem Einzelnen von uns mitgegeben hat, nicht mehr ... und so stolpern sie blindlings auf dem Weg ins Nichts dahin - auf dem betonierten Highway, den sie selbst ausgehoben und asphaltiert haben, um noch schneller zu dem großen, leeren Loch zu gelangen, das am Ende auf sie wartet, um sie zu verschlucken. Es ist eine schnelle, bequeme Superautobahn, aber ich weiß, wohin sie führt. In meiner Vision bin ich dort gewesen, und mir schaudert, wenn ich nur daran denke.«1

Dieses Buch enthält das Gegengift zu diesem Zustand. Es ist aus lebenslanger Erfahrung und unabhängigen Studien und einem Vierteljahrhundert praktischer Anwendung heraus entstanden. Ich habe als Kind in meiner Heimat Australien Seelenanteile verloren, als ich sehr krank, einsam und traurig war. Damals war ich zwischen meinem dritten und elften Lebensjahr die Hälfte der Zeit ans Krankenbett gefesselt. In diesen Jahren litt ich unter Lungenentzündung (beider Lungenhälften) und geriet drei Mal in den Zustand, den man heute Nahtoderlebnis nennt. Als Jugendlicher führte ich mitten in der Nacht Gespräche mit einem Traumbesucher, einem strahlenden jungen Mann, der anscheinend aus dem Osten der hellenistischen Welt Griechenlands kam. Wie er mir sagte, erhalten wir alles wahre Wissen durch Anamnese. Dieses ziemlich komplizierte griechische Wort bedeutet wörtlich »sich erinnern«. In der neoplatonischen Philosophie hat es eine besondere Bedeutung: die Erinnerung an das, was auf der Ebene der Seele oder des Geistes zu uns gehört hat, bevor wir in unserem jetzigen Körper auf diese gute Erde gekommen sind. Es geht um die Erinnerung der Seele.

Als ich in meinen mittleren Jahren auf eine Farm im Norden des Hudson Valley im Bundesstaat New York zog, um den Großstädten und dem Alltagsstress zu entkommen, erhielt ich noch eine Lektion über dieses Thema. Nachts beim Einschlafen merkte ich, dass ich aus meinem Körper schlüpfte und anfing, wie ein Vogel über das schlafende Land zu schweben. Mir war, als würde ich auf den Flügeln eines Rotschwanzhabichts sitzen - eines Vogels, mit dem ich in dieser Gegend vertraut geworden war. In meiner spontanen Nachtreise flog ich über Wälder und Seen zu einer Hütte im Wald irgendwo in der Nähe von Montreal. Ich wurde von einer uralten Indianerin empfangen, deren rhythmische Sprechweise wie Wasser klang, das ans Seeufer schwappt. Sie sprach ihre eigene Sprache und ich konnte sie nicht verstehen, bis ich schließlich Mohawks fand, die mir die phonetischen Laute, die ich aufgeschrieben hatte, übersetzten. Wie sie mir mitteilten, waren die Worte zwar aus der Sprache der Mohawks, doch eine recht altertümliche Version. »Du redest so, wie wir vor dreihundert Jahren gesprochen haben, und darunter ist auch ein bisschen Dialekt der Gegend um den Huron-See.«

Allmählich begriff ich, dass ich zusammen mit einer der Vorfahren des Landes, auf dem ich lebte, geträumt hatte. Ich nannte sie Inselfrau, was einer ihrer Mohawk-Namen sinngemäß bedeutet. Wie ich herausfand, war sie eine atetshents. Dieser Begriff der Mohawks bedeutet wörtlich »Jemand, der träumt« und auch »Schamane, Heiler und Arzt«. Gemäß der Tradition der Inselfrau muss man ein Träumer sein, um in einer dieser Berufungen erfolgreich zu sein. Das Wort hat in der Sprache der Mohawks eine stärkere Bedeutung als in unserer heutigen Sprache. Die atetshents sind starke Träumer. Im Traum kann die Inselfrau Zeit überwinden. Sie kann für andere träumen, sie kann ihren Traumraum betreten und ihnen Heilung bringen oder den Weg, der vor ihnen liegt, auskundschaften und Informationen sammeln, die für ihr Überleben wichtig sein könnten. Im Traum kann sie an Orte des Lernens und der Initiation in anderen Dimensionen der Realität reisen. Sie träumt mit dem sprechenden Land und spricht für die Bäume und Berge. Sie träumt mit den Tieren und Vögeln und kann sich ihre Gestalt leihen oder sie als ihre Vertreter oder Boten aussenden. In ihren Traumreisen begegnet sie Seelen der Lebenden und der Toten und kann sie retten.

 

Meine eigenen Begegnungen mit der Inselfrau erinnerten mich an Sehens-, Seins- und Heilarten, die alle unsere Vorfahren aufweisen. Vor allem erinnerte ich mich wieder daran, dass es immer um die Seele geht. Eines der seltsamen Wörter, die die Inselfrau in den ersten Gesprächen verwendete, klang wie on-dee-noonk. In einem Schreiben eines jesuitischen Missionars, das aus dem 16. Jahrhundert stammt und halb verkohlt, halb erfroren zwischen einem Feuer und einem Schneesturm in einer Hütte am Huron-See aufgeschrieben wurde, entdeckte ich das Wort ondinnonk. Der Jesuit berichtete einem höheren Geistlichen, dieser ondinnonk sei für den Geist der »Wilden« von unglaublicher Wichtigkeit. Wie er erklärte, ist ondinnonk »der geheime Wunsch der Seele, der sich vor allem in Träumen offenbart«. Er schilderte, dass das Teilen von Träumen in den Dörfern der Menschen, unter denen die Inselfrau geboren wurde, eines der wichtigsten Gemeinschaftsrituale überhaupt war. Träume wurden nach Hinweisen auf die Zukunft und nach Botschaften aus der spirituellen Welt durchforscht. Vor allem wurden Träume als Seelensprache durchleuchtet. Die Gemeinde war verpflichtet, sich um einen Träumer zu versammeln. Sie sollte ihm dabei helfen, die Wünsche seiner Seele herauszufinden, die sein Traum offenbarte, und sich anschließend aktiv an der Erfüllung dieser Wünsche beteiligen.2

Das wurde als Kern des Heilprozesses aufgefasst. Wenn wir die Wünsche der Seele verleugnen, dann wird die Seele verärgert und entzieht unserem Leben notwendige Lebensenergie. Dann werden wir für Krankheiten und Unglück anfällig. Folgen wir hingegen den geheimen Wünschen der Seele, können wir auf den natürlichen Weg unserer Energien zurückkehren und Vitalität, Gesundheit und Glück wiederherstellen. Dieser Vorgang kann in einer Runde des Traumteilens sofort beginnen, wenn wir es zulassen, uns mit der Energie eines Traums zu bewegen, statt nur über ihn zu reden. Das Volk der Inselfrau saß nicht lange still herum, wenn Träume erzählt wurden. Sobald wie möglich fingen die Leute an, die Träume nachzuspielen, zu singen und in die Hände zu klatschen. So was mögen Seelen.

In den Traumkreisen und Traumworkshops, die ich seit Ende der 1980er Jahre leite, testete ich die Dinge, die ich von der Inselfrau lernte. Und ich fand heraus, dass sie funktionieren. Wie ich schon bald feststellte, ist das Träumen echte Magie - die Kunst, Geschenke aus einer anderen Welt in unsere herüberzubringen. Ich merkte, wie es die Menschen begeisterte, dass sie durch das Teilen ihrer Traumgeschichten einen Bezug zu den größeren Geschichten ihres Lebens und den Kräften der Traumzeit herstellen konnten. Es faszinierte mich, wie sich unser kindliches Selbst - das vielleicht schon seit Jahrzehnten verloren gegangen ist - zeigte, um mit uns zu spielen, wenn wir Träume in Theaterszenen oder spontane ausdrucksvolle Kunstwerke mit Kreide und Buntstiften auf dem Boden umwandelten. Und ich lernte dabei noch mehr über die träumende Seele.

Träume zeigen uns nicht nur, was die Seele will, sondern auch, wohin sie gegangen ist. Wir träumen immer wieder von unserem alten Elternhaus oder Großmutters Haus, unserer Schule oder der Wohnung, die wir mit einem früheren Partner geteilt haben. Diese Träume wollen uns möglicherweise klarmachen, dass wir einen Teil unserer Lebenskraft und Identität in dieser Lebensphase zurückgelassen haben. Vielleicht träumen wir auch von einer jüngeren Begleiterin oder einem Begleiter unseres eigenen Geschlechts und stellen fest, dass wir von einem jüngeren Teil von uns träumen, der in diesem Traumalter verloren ging. Der Grund dafür war, weil damals schlimme Dinge geschahen oder weil wir eine schlechte Wahl treffen mussten und ein Teil von uns mit der Entscheidung nicht einverstanden war und sich deswegen abgespalten hat. Oder aber wir träumen von einem verhungernden Pferd, einer schlafenden Löwin oder einem wütenden Bären, und damit erscheinen uns animalische Geister, die uns Kraft und Heilung bringen können, wenn wir lernen, sie zu nähren und in unserem Körper erwachen zu lassen - und wenn wir bereit sind, es mutig mit ihnen aufzunehmen. Wir können auch von den Ahnen unserer Gegend oder unseren Vorfahren oder unserer größeren spirituellen Familie träumen, die viele Kulturen umfasst. Dadurch werden wir aufgefordert, mit der uralten Seele Verbindung aufzunehmen oder über Generationen hinweg Heilung zu bewirken. Immer wieder und wieder verfolgt uns unser höheres oder größeres Selbst in unseren Träumen und gibt uns die Chance, eine Verbindung zu knüpfen, die unserem Körper mehr seelische oder spirituelle Anteile zuführen kann, als wir bisher hatten.

Der wichtigste Beitrag, den die uralten Träumer - die Schamanen wie die Inselfrau - zu unserer heutigen Medizin und Heilmethoden leisten, ist das Verständnis, dass man im Leben Seelenanteile verlieren kann, und dass wir uns über die Bedeutung der Seelenheilung klar werden müssen, wenn wir gesund und ganz werden wollen.

Auf der instinktiven Ebene wissen wir alle, wie der Verlust von Seelenanteilen zustande kommt. Wir erleben Schmerz, ein Trauma oder Misshandlungen, wir werden von Trauer oder Scham überwältigt und ein Teil von uns verschwindet, weil er nicht in einer Welt bleiben will, die so hart und grausam scheint. Wir müssen eine schmerzhafte Entscheidung treffen, einen Partner, einen Job oder unser Zuhause verlassen, und ein Teil von uns stellt sich gegen unsere Entscheidung. Deshalb löst er sich von der dominierenden Seite unserer Persönlichkeit und hält an der alten Beziehung oder dem alten Ort fest. Der Verlust von Seelenanteilen verstärkt sich, wenn wir in eine Depression oder eine Sucht verfallen oder wenn wir mit der Welt, wie wir sie begreifen, Kompromisse eingehen und unsere großen Lebensträume aufgeben. Ohne den Mut und genug Selbstvertrauen, um unsere Kreativität zu leben oder an unsere Liebe zu glauben, ziehen wir uns feige aus der Affäre - und ein Teil unserer strahlenden Seele macht sich voller Verachtung über uns aus dem Staub.

Gute Psychoanalytiker und Therapeuten können uns helfen, Seiten unserer selbst zu erkennen, die wir unterdrückt und verleugnet haben, wie beispielsweise der berühmte Schatten. Vor allem Jungianer verwenden diesen Begriff, um das zu bezeichnen, was wir in den Keller des Unbewussten abzuschieben versuchen, weil wir es nicht als einen Teil unserer selbst akzeptieren wollen. Das schamanische Konzept des Verlusts von Seelenanteilen geht noch weiter. Es erkennt, dass es bei der Seelenheilung nicht nur darum geht, Aspekte des Selbst, die wir verdrängt oder verleugnet haben, zu erkennen und zu integrieren. Es geht auch darum, Seelenanteile zurückzuholen, die buchstäblich verloren gegangen sind und die gefunden werden müssen, um sie zur Rückkehr in den Körper, in den sie gehören, zu bewegen.

In meiner eigenen Praxis unterscheide ich mittlerweile fünf Formen von partiellem Seelenverlust oder von Abspaltung, die geheilt werden müssen. Ich bin noch keinem Menschen begegnet, der gegen sie immun gewesen wäre.

VERLUST VON LEBENSENERGIE

Sie leiden unter chronischer Müdigkeit. Sie sind schlapp und lustlos und kommen morgens nur schwer aus dem Bett. Jeder Tag wirkt freudlos und grau. Ihr Immunsystem spielt verrückt und Sie scheinen jeden Virus einzufangen, der in der Luft herumschwirrt. Irgendwas fehlt Ihnen innerlich und Sie versuchen, diese Leere mit Zucker oder Alkohol zu stopfen.

VERLUST IHRES JÜNGEREN SELBST

Jüngere Versionen Ihrer selbst sind Ihnen verloren gegangen - das kleine Kind, das vor Energie und wundervoller Fantasie sprudelte, der romantische Teenager, der verletzt oder verraten wurde, der Dichter oder Unternehmer in Ihnen, der ganz andere Wege gehen wollte als die, die Sie gegangen sind. Diese jüngeren Teile Ihres Selbst haben Talente und Kräfte, die Sie in Ihrem heutigen Leben nutzen können, wenn Sie herausfinden, wo sie stecken und wie Sie sie zurückholen können.

VERLUST VON ANIMALISCHEN KRÄFTEN

Wie Naturvölker und Schamanen wissen, sind wir alle mit der Welt der tierischen Kräfte verbunden. Wenn wir unsere Verbindung zu den animalischen Kräften erkennen und nähren, finden wir den natürlichen Weg unserer Energien und folgen ihm. Doch viele von uns haben diese ursprüngliche Verbundenheit verloren oder kennen sie nur als etwas Oberflächliches, Möchtegernsymbolisches, das sie in Büchern und auf Tarotkarten nachsehen, ohne es täglich zu füttern und zu leben.

VERLUST DER AHNEN-SEELE

Dies ist ein zweischneidiges Schwert. Wenn wir ohne das Bewusstsein leben, dass wir uns immer in der Gegenwart unserer Ahnen befinden - der Ahnen unseres Familienstammbaums, des Landes, auf dem wir leben, und der unserer spirituellen Verwandten im weiteren Sinne -, werden wir wahrscheinlich zum Spielball und möglicherweise sogar zum Wirt von Wesen, die wir vermutlich nicht in unserer Nähe haben wollen. Wenn wir uns der Seele unserer Ahnen bewusst werden, sind wir bereit, die Verbindung zu den Hütern der Weisheit und den Beschützern aufzunehmen, die uns helfen können, wieder gesunde seelische Grenzen zu setzen und das zu entfernen, was nicht zu uns gehört.

VERLUST DER VERBINDUNG ZUM GRÖSSEREN SELBST

Letztendlich können wir unter den vielen Seiten unseres Selbst nur dann Frieden schaffen und einen Weg der wahren spirituellen Entwicklung gehen, wenn wir eine unmittelbare und bewusste Verbindung zu dem Selbst auf einer höheren Ebene herstellen - dem Selbst, das kein Fremder für uns ist. Wenn wir die richtige Stelle in unserem verkörperten Selbst freimachen, sind wir womöglich bereit für den tiefen und wunderschönen Akt des Seelenwachstums, den ich spirituelle Krönung nenne, denn er bringt einen Teil des größeren oder höheren Selbst in unseren Körper und dann durchdringen seine Strahlen unseren Körper und unser ganzes Leben.


Wie bekommen wir mehr Seelenanteile in den Körper? Wie können wir die zerrissenen Verbindungen reparieren und uns der Ganzheit und dem höheren Selbst annähern? Um unser animalisches Wesen wiederherzustellen und verloren gegangene Seelenanteile zurückzuholen, kann ein Schamane oder eine Schamanin eine Seelenheilung für uns durchführen. Dafür wird er/sie die eigenen spirituellen Verbündeten einbinden und für uns auf die Reise gehen, um das Krafttier oder die verlorenen Seelenanteile aufzuspüren. Dann werden diese in unseren Körper zurückgebracht. Normalerweise geschieht das, indem der Schamane in unser Herz oder unseren Kopf bläst, da sich der Geist auf dem Atem fortbewegt.

Sandra Ingerman, eine weise schamanische Lehrmeisterin, betont in ihrem Lehrbuch Auf der Suche nach der verlorenen Seele, dass dies keine Selbsthilfemethode ist. Die Technik birgt Risiken und Gefahren für den Heiler und den Hilfesuchenden. Für eine erfolgreiche Seelenrückführung könnte es nötig sein, unerwünschte Wesen und Energien aus dem Körper zu vertreiben, die sich in der Person mit partiellem Seelenverlust festgesetzt haben, weil eine Leere gefüllt werden musste. Auf dem Weg zur Seelenheilung muss der Schamane möglicherweise Diebe austricksen, die die vereinnahmte Seele nicht mehr herausrücken wollen. Die Seelenrückführung kann eine Reise an sehr dunkle Orte in der nicht alltäglichen Realität bedeuten, an die sich niemand freiwillig begeben würde. Darunter befinden sich auch Totenreiche, in denen Reisende ihr Licht verbergen müssen.

Eine Herausforderung bei der Seelenrückführung kann sein, Erinnerungen an frühere Traumata zu integrieren. Wie bei jeder Therapie besteht die Gefahr, eine übermäßige Abhängigkeit zum schamanischen Heiler zu entwickeln. Wie in jedem Beruf gibt es ganz unterschiedliche Schamanen. Womöglich müssen Sie feststellen, dass Sie mit jemandem arbeiten, der unfähig ist zu erkennen, was wirklich zu Ihnen gehört und was nicht, oder dessen persönliche Energien ambivalent sind, so dass Sie riskieren, etwas Unerwünschtes von ihm zu empfangen.

Im Gegensatz zur Seelenrückführung ist die Seelenheilung eine Handlung, bei der wir uns gegenseitig dabei helfen, Selbstheiler und Schamanen unserer eigenen Seele zu werden. Dafür müssen wir mutig genug sein, über unsere bisherigen Grenzen hinauszugehen. Wir sollen dabei nicht für andere den Schamanen spielen. Diese Methode minimiert auch das Risiko der Abhängigkeit und des Annehmens von Dingen, die nicht zu uns gehören. Wir wissen, wann für uns der richtige Zeitpunkt gekommen ist, diesen Weg zu gehen, wenn wir uns durch unsere innere Führung lenken lassen. Wir wissen, welche Tore wir öffnen müssen, weil sie uns in unseren Träumen und Bildern, die in uns hochsteigen, gezeigt werden.

 

In diesem Buch geht es darum, wie wir die Techniken des luziden Träumens anwenden können, um mehr Seelenanteile in den Körper zu holen und anderen zu helfen, ganz zu werden. Indem wir lernen, Träume auf die richtige Weise mit anderen zu teilen, schaffen wir einen sicheren Raum, in dem die jüngeren und strahlenderen Anteile unseres Selbst sich annähern können und wir anfangen werden, Gemeinschaften aus Seelenfreunden aufzubauen. Und indem wir lernen, einen Traum als Tor zu nutzen, durch das wir - in bewussten schamanischen Wachträumen - hindurchreisen, können wir an die Orte gehen, an denen verlorene Seelen gefunden und zurückgeholt werden können, und uns gegenseitig dabei unterstützen.

Dieses Buch zeigt Ihnen, wie Sie Schamane Ihrer eigenen Seele werden und anderen helfen können, Heiler ihres eigenen Lebens zu werden. Ich bin überzeugt, dass dieser Weg allen Menschen offensteht, die bereit sind, mit ihren eigenen Träumen zu arbeiten, selbst wenn (wie wir sehen werden) der letzte erinnerte Traum schon dreißig Jahre zurückliegt. Für die meisten von uns gilt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn uns eigene Träume zur Verfügung stehen - selbst uralte -, sind wir im Besitz der Landkarten und der Grundausstattung, die wir für unsere persönliche Reise der Seelenheilung brauchen. Wenn wir uns mit dem Willen, Heilung zu finden, in den Wald aus Träumen hineinwagen, sichern wir uns die Unterstützung der Mächte der tieferen Welt. Wie Schamanen sagen, gefällt Geistern diese Arbeit.

Die Seelenheilung ist zwar eine Methode der Selbstheilung, doch sie ist mehr als nur eine Selbsthilfemethode. Wie Sie feststellen werden, müssen Sie über Ihr gewöhnliches Selbst hinausgehen, um einen bestimmten Punkt zu überschreiten - auf das höhere oder größere Selbst hinzu, den Gott/die Göttin, mit dem oder der Sie kommunizieren können -, und mit spirituellen Verbündeten zusammenarbeiten. Sie werden Freundschaften auf einer tieferen Ebene knüpfen und Teil einer Gemeinschaft aus Seelenfreunden werden, die sich gegenseitig bei Wachstum und Heilung unterstützen. Sie werden entdecken, wie Laotse gelehrt hat: »Von einem anderen innig geliebt zu werden, gibt Kraft, während einen anderen innig zu lieben Mut macht.« Wenn Sie Ihren Kreis aus Seelenfreunden finden und aufbauen, werden Sie merken, dass Sie auch anderen bei ihren eigenen Bemühungen um Ganzheit und Heilung helfen wollen.

***

In den Adirondacks in der Nähe von North River, New York, gibt es einen Berg, der gut für die Seele ist. Zweimal im Jahr, im Frühling und im Herbst, gehe ich zu einem ganz besonderen Wochenendtreffen von aktiven Träumern, die aus aller Welt kommen, um miteinander Abenteuer zu erleben und mit den Geistern des Bergs zu kommunizieren. Es ist ein Berg aus rotem Feuer und sein Herz ist aus Granat. Es ist ein Ort, an dem die Heilkraft des Wilds stark vorhanden ist und an dem auch manchmal Drachen zu sehen sind.

Dann trommeln wir vor einem großen offenen Feuer und verwandeln auf einer Lichtung zwischen den Nadelbäumen und Silberbirken unsere Träume in Tänze und Schauspiel, in derben Komödien und Tragödien (in drei Akten). Wir reisen gemeinsam in schamanischen Gruppenreisen mit abgestimmten Reisezielen. Wir sind auch schon in die Zellenstruktur des Körpers gereist, um zu untersuchen, ob man auf diese Weise heilen und Diagnosen erstellen kann. Wir haben Gruppenexpeditionen zu anderen Kulturen, Zeiten und Dimensionen durchgeführt. An diesem Ort mache ich häufig meine Testflüge in neuen Techniken, wie zum Beispiel dem Blitz-Traumarbeitsprozess, der zu einer schnellen und unterhaltsamen Methode des alltäglichen Teilens von Träumen geworden ist, die immer zu Aktivität führt, um Führung und Energie aus der Traumwelt in den Alltag zu bringen.3

Als ich mir Gedanken über den Kern des Buchs machte - also wie man die Techniken des aktiven Träumens anwenden kann, um mehr Seelenanteile in den Körper zu holen und ganz zu werden -, hielt ich es für richtig und sogar nötig, dieses Thema meiner Seelenfamilie auf unserem Zauberberg anzusprechen.

Als unser Kreis sich vor einem lodernden Kaminfeuer in der Hütte versammelt hatte, gingen wir auf die Reise, um Verbindung zu den Geistern des Landes aufzunehmen und sie um ihren Segen für unsere Arbeit zu bitten. Dann verkündete ich eine Gruppenreise, um neue Techniken und Ressourcen für die Seelenheilung zu entdecken. Auf dieser Reise trommelte ich allein, während fünfunddreißig Leute mit geschlossenen oder verbundenen Augen auf dem Boden lagen oder sich in ihre Sessel zurücklehnten. Meine innere Sicht kam stark in Bewegung. Während ich den Rhythmus trommelte und über die Gruppe wachte, bewegte sich ein anderer Teil meines Bewusstseins mit hoher Geschwindigkeit zwischen vielen Szenen hin und her, die über unseren physikalischen Raum hinausgingen.

Plötzlich spürte ich einen sanften Schlag auf den rechten Oberarm. Mit geschlossenen Augen konzentrierte ich mich weiterhin auf das Trommeln und meine eigenen Visionen. Ich spürte einen zweiten sanften Klaps und ging davon aus, dass Carol, die neben mir saß und die schon seit über zwanzig Jahren auf diese Weise mit mir reiste, versuchte, meine Aufmerksamkeit zu erringen oder den Sinn für Raum verloren hatte, weil sie von ihren eigenen Visionen ergriffen wurde. Doch als ich widerwillig die Augen aufmachte, sah ich, dass Carol zu meiner Rechten saß, ohne sich zu rühren. Sie war eindeutig in ihre eigene Reise vertieft.

Ich machte die Augen wieder zu. Und wieder spürte ich den Klaps auf meinem Oberarm. Diesmal war er stärker. Wenn das keine Hand war, konnte es dann etwa ein ... Flügel sein? Jetzt sah ich ihn mit der inneren Sicht. Einen Flügel und dahinter den gesamten Körper des Rotschwanzhabichts. Das Habichtweibchen schwang sich vor mir in einer Pracht aus Federn und mit ausgebreiteten Flügeln in die Höhe. Als sie vom Boden abhob, spürte ich über meinen Schultern eine Bewegung. Der Habicht verlieh mir Flügel, wie er es schon früher getan hatte. Ich ließ mich in einem zarten Energiekörper aufsteigen, während mein physikalischer Arm weitertrommelte und ein Teil meines Bewusstseins weiterhin über die Gruppe wachte.

Ich wurde mit hoher Geschwindigkeit an einen Ort in den Wäldern im Norden getragen, der mir schon sehr vertraut war. Hierher war ich vor einem Vierteljahrhundert bei einer Nachtreise auf den Flügeln des Habichts gerufen worden. Ich befand mich wieder in der Gegenwart der Inselfrau, der uralten Träumerin und starken Frau.

Ich fand mich in einem weißen Licht wieder. Der Weiße Wolf war da. Im Norden, an der Lichtquelle, erkannte ich die strahlende Gestalt des Friedensstifters. Aus seinem Kopf wuchs ein enormes Geweih wie lebende Kronleuchter.

Die Informationen strömten so rasch wie ein geplatzter Schlauch auf mich ein. Ich wusste, dass der Habicht mich hergebracht hatte, um das aufzufrischen, was ich in meinen früheren Studien bei der Inselfrau gelernt hatte: nämlich dass unsere Träume uns die geheimen Wünsche der Seele zeigen und dass sich die Menschen in einer spirituell lebendigen Gemeinschaft um den Träumer versammeln, um ihm zu helfen, herauszufinden und umzusetzen, wonach die Seele sich sehnt. Und dass es nicht ausreicht, herumzusitzen und über Träume zu sprechen. Die Seele will singen und in die Hände klatschen. Wir sollten unsere Träume verkörpern, indem wir singen, spielen, tanzen - durch jede spontane kreative Ausdrucksform.

Die großartigen Lehrgeschichten der Leute der Inselfrau wurden in meiner Erinnerung wach. Es sind Codes für die Seelenheilung in unserem Leben und unserer Welt. Bei einem geht es um die Erschaffung unserer Welt, bei einem anderen um ihre Erlösung.

In der Schöpfungsgeschichte der Irokesen stürzt die Erste Frau in ein Loch, das sich Erde-im-Himmel nennt, oder wird hineingeschubst. Alles Vertraute und Sichere ist weg. Sie hat schreckliche Angst, während sie spiralförmig durchs All immer weiter nach unten fällt, auf ein formloses wasserartiges Chaos zu. Mitten im nackten Horror, in der wilden Dunkelheit, findet sie Helfer. Die Vogelwesen kommen ihr zu Hilfe. In der Originalversion der Geschichte sind es große blaue Reiher. Sie steigen zu ihr auf und bilden mit ihren weiten Flügeln einen lebendigen Teppich. Die Vögel haben zwar ihren Sturz abgefedert, aber dennoch fällt sie immer tiefer und tiefer, ohne festen Boden unter den Füßen zu spüren. Nun eilen neue Helfer herbei. Die Tiergeister beschließen, ihr die Anfänge einer neuen Welt zu schenken. Einer nach dem anderen taucht unter die aufgewühlte Wasseroberfläche, und schließlich taucht eines der Tiere - das kleinste und bescheidenste - mit einem winzigen Klumpen nasser Erde in der Pfote wieder auf. Das sieht nicht unbedingt nach dem Anfang einer neuen Welt aus. Und wo könnte man den Erdklumpen ablegen? Die Große Schildkröte beantwortet diese Frage. Sie steigt aus der Tiefe auf und bietet ihren Rücken als Fundament an. Die Erste Frau legt den Klumpen Schlamm auf den Rücken der Schildkröte und verschmiert ihn. Dann tanzt sie auf dem neuen Fleck Erde und breitet ihn mit jedem Schritt weiter aus. Immer wieder dreht sie sich in einem spiralförmigen Schöpfungstanz. Die Erste Frau tanzt so lange, bis sie eine Welt erschaffen hat.