Spannende Kurzgeschichten für unterwegs

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Spannende Kurzgeschichten für unterwegs
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Renate Sültz & Uwe Heinz Sültz

SPANNENDE KURZGESCHICHTEN FÜR UNTERWEGS

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die

Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Drei nette ältere Herren

Fünf Stunden Angst

Alterlos waren sie

Am Rande der Verzweiflung

Aus der Sicht zweier Gäste im Restaurant zur Sonne

Bärenerinnerung

Bestseller

Bittere Kälte in Kanada

Das Drama um Maria Gortales

Das Duell

Das Haus am See

Das Haus des Herrn Brixx

Denn sie wussten nicht, was sie taten

Der Baum

Der Geist der Zukunft

Der gestohlene Mord

Der letzte Zug

Der Spaßvogel

Der Überfall mit Folgen

Der Zug nach Nirgendwo

Die Falle

Die Jukebox

Die Kraft der Liebe

Die Mausefalle

Die Wendeltreppe

Doppelleben

Ein gemeiner Mord

Ein Gruß aus dem Nichts

Ein Traumpaar

Eine Amerikanische Liebesgeschichte

Eine Liebe, die durch den Bildschirm kam

Eine nette ältere Dame (1)

Eine Straßenbekanntschaft

Flucht in die Einsamkeit

Eine nette ältere Dame (2) Omas letzter Auftrag

Gefahr aus dem Erdinneren

Geräusche, Achtung Aufnahme

Konstanzes Schicksal (1): Aus dem alten Berlin

Hoka Hey

Im Schatten des Geldes

Im Schweiße deines Angesichtes

Kannst du mich verstehen?

Knockout

Konstanzes Schicksal (2): Konstanzes Tod

Mord in London

Neues aus dem alten Berlin um die Jahrhundertwende

Niemand will unser Glück teilen

Schottische Geschichten

Sein Rennen

Vorahnung

DREI NETTE ÄLTERE HERREN


Es ist Freitag. Wie an jedem Freitag treffen sich Karl, Ernst und Willi zu ihrer Männerrunde im Restaurant. Es wird Kaffee getrunken und geklönt über Gott und die Welt.

„Mein Sohn hat sich ein Trekkingrad gekauft, das ist ja ganz was anderes als ein Mountainbike!“, sagt Willi.

„Willi, ich fahre noch mit der alten Drei-Gang-Schaltung. Erzähl, wie läuft das Rad denn so?“, fragt Ernst.

Und so gehen die Gespräche weiter, vom Fahrrad über den gestern gesehenen Film bis zu Fußball. Karl, Ernst und Willi sind auch ausgesprochenen Fans dieser Sportart. Nun ja, eigentlich tut dies alles nichts zur Sache. Es wäre auch irgendwie langweilig.

Die drei Männer kommen immer mit dem Bus zum Restaurant.

„Lasst uns Omi 32 nehmen, dann geht es mit unseren Gesprächen sofort los“, schlug Karl vor vielen Jahren vor. Er meinte damit den gelben Omnibus der Linie 32.

Zuerst stieg er selbst ein. An der Luisenstraße stieg Ernst dazu. Zuletzt Willi an der Ecke Bismarckstraße/Ernst Becker Weg.

Gegen 12:30 Uhr beenden die Herren ihre Runde. Dreimal das kleine Frühstück, ein Mettbrötchen extra für jeden und viel Kaffee sind vertilgt. Würden sie das große Frühstück nehmen, so könnten sie sogar noch etwas einsparen. Aber auch das tut nichts zur Sache.

Der Omnibus der Linie 32 in Gelb mit der Werbeaufschrift der Konditorei Meiering und Mehlmann kommt pünktlich wie immer. Ebenfalls wie immer sind Karl, Ernst und Willi die einzigen Fahrgäste. Busfahrer Kurt wird schon lange per Du begrüßt.

Außerhalb des Ortes geht es bergauf. Rechts geht es einen Hang hinunter, bis zu einer grünen Wiese. Am Ende säumt eine Baumreihe die schöne Allee zum Weckenberg. Karl, Ernst und Willi plaudern gerade über die Einbruchserie im Dorf.

„Gert Hoffmann muss einfach mehr auf Streife gehen“, sagt Willi. „Früher gab es das nicht!“

„Ja, früher“, sagt Ernst.

In diesem Augenblick gibt es einen gewaltigen Knall. Ein Reifen platzt. Der Bus kommt von der Straße ab, rast direkt auf die Wiese und überschlägt sich. Die Männer wirbeln umher, sterben noch, bevor der Bus vor den Bäumen zum Liegen kommt. Der Busfahrer überlebt.

„Ja, früher war alles besser“, sagt Ernst – über den Dingen stehend.

Karl und Willi stimmten zu: „Genau so war es.“

FÜNF STUNDEN ANGST


Der Flughafen im Osten Amerikas war immer gut besucht. Er lag auf dem Weg in ein Erholungsgebiet.

Es war Samstag, 11:30 Uhr. Eine Schlechtwetterfront war zwar angesagt, aber sie würde wohl eher vorbeiziehen. Die Kinder spielten freudig im großzügig eingerichteten Flughafen. Das Restaurant öffnete gerade zum Mittagstisch.

„Wie immer“, sagte Joe zu seiner Frau, „die Kinder wollen Burger!“

Plötzlich verschwand die Sonne, es wurde dunkel. Eine riesige schwarze Wand kam auf sie zu. Furchteinflößend.

Von den sechzehn Grad an diesem Spätherbsttag sank das Thermometer auf minus einen Grad. Schneegestöber, Hagel, ein weiterer Temperaturabfall auf minus zehn Grad.

Die grellen Blitze waren beängstigend. Die letzte Nachricht eines großen Passagierflugzeuges im Tower war: „Notlandung in fünfzehn Minuten!“ Danach fiel der Strom aus.

Die Notbeleuchtung und die Notausgänge funktionierten.

 

Schreie, wildes Herumlaufen.

„Mami, Mami!“, rief Angela, Joes Tochter.

Das Flugzeugpersonal berechnete von Hand den Kurs der Maschine.

„Mein Gott“, sagte Dean Ricks. „Die Maschine wird den Flughafen treffen! Auf der vereisten Rollbahn kann sie nicht bremsen!“

Dean rannte los, um die Menschen im Flughafen zu warnen und zu evakuieren. Noch elf Minuten. Es waren jetzt minus siebzehn Grad. In der Flughafenhalle organisierte Dean die Evakuierung.

„Und dann?“, fragten die Leute. „Was machen wir im Freien bei der Kälte?“

Joe war Stuntman. Er flog mit seinem Trans Am mehr als achtzig Meter über geparkte Autos. Jetzt überlegte er und hatte eine Idee: Er rief die Autobesitzer auf, eine Mauer aus Autos zwischen dem Flughafen und der ankommenden Maschine zu bauen. „Denkt an die Kinder!“, rief er noch.

Einige Menschen folgten dem Flugpersonal ins Freie.

Jetzt waren es minus neunzehn Grad.

„Unmöglich mit T-Shirt!“, rief Kathy. „Zurück in das Gebäude!“

Joe startete mit fünfzig Männern und ihren Fahrzeugen zur Landebahn. Dean hatte ihnen vorher die Landebahn angegeben. Noch acht Minuten bei minus zweiundzwanzig Grad. Alle Fahrzeuge wurden quer zur Landebahn aufgestellt. Einige fuhren gleich von der vereisten Landebahn in die Wiese, andere starteten erst gar nicht, zwei flüchteten mit ihren Familien Richtung Westen.

Die Männer verließen die Fahrzeuge und schlitterten zum Flughafen. Die Fahrzeuge verschwanden im Dickicht des Unwetters. Donnernde Geräusche.

Nun müsste die Maschine kommen. Sie war überfällig. Plötzlich schoben sich die Fahrzeuge ineinander, ein Krachen, Turbinenheulen des Flugzeugs, Donnern, Explosionen.

Jetzt sah man die riesige Nase des Passagierflugzeuges. Das Fahrwerk zerbrach. Noch achtzehn Meter bis zum Flughafengebäude, fünfzehn Meter, acht Meter, das erste Auto wurde quer durch die Flughafenscheibe gedrückt. Die Menschen schrien und liefen wild durcheinander.

Dann wurde es ruhiger, aber es gab keine weitere Explosion. Alle überlebten diesen Horrorunfall. Verletzte gab es. Doch die Wunden würden heilen.

Es war immer noch Samstag, jetzt siebzehn Uhr, und die Sonne schien wieder.

ALTERLOS WAREN SIE


Beide waren um die fünfzig Jahre. Aber niemand sah ihnen an, wie alt sie tatsächlich waren. Unglaublich, aber wahr, sie sahen aus wie zwei zwanzigjährige Teenager. So gaben sie sich auch. Kleideten sich flippig und jugendlich. Redeten überlegen und oft auch albern.

Wo kamen sie her? Wer waren sie?

Sie wussten es selbst nicht genau. Zwar kannten sie ihren Geburtsort, hatten beide ein aufregendes und zum Teil auch schlimmes Leben hinter sich. Trotzdem hatten sie das Gefühl, aus einer anderen Dimension zu kommen. Unglaublich waren ihre Gedanken und das Wissen über die Welt und alle Zusammenhänge. Unglaublich auch die Gespräche, die immer mehr in eine ferne Richtung gingen. In eine Richtung, die nur Julia und Lukas kannten.

Ja, sie waren etwas Besonderes. Sie waren anders. Nicht nur im Aussehen und Denken, sondern auch in den Tiefen ihrer Herzen. Sie hatten Sehnsucht. Sie sehnten sich nach etwas, das sie noch nicht definieren konnten.

Doch sie glaubten fest daran, nicht von der Erde zu sein. So unglaublich es auch klang.

Die beiden schafften sich ein kleines Paradies. Ein Zimmer, das ihnen heilig war. Mit schönen Dingen schmückten sie es aus. Am Abend knisterte ein Kamin, wenn sie sich dorthin zurückzogen. Leise, romantische Musik ertönte aus der Musikanlage und lud zum Träumen ein. Das abendliche Glas Wein gehörte auch dazu.

Jeden Abend ab acht Uhr zogen sie sich dahin zurück. Sie legten sich zusammen und ihre Gedanken entflogen in eine andere Welt.

Immer wieder mussten sie feststellen, dass sie im Aussehen nicht älter wurden. Sie entdeckten ständig neue Gemeinsamkeiten. Das Verlangen und die Liebe füreinander wurden immer intensiver und tiefer. Auch das Verlangen, gemeinsam in eine andere Welt zu gehen, wurde größer.

Doch eines Abends, als sie in ihr Paradies eintauchen wollten, fanden sie ihr Zimmer nicht vor, sondern ein rotes Raumschiff auf einem riesigen Platz. Ein mit Glitzerstaub umhülltes Lichtwesen schwebte an einer Leiter herunter und sagte mit der Kraft seiner Gedanken: „Bitte kommt nach Hause, eure Zeit ist abgelaufen. Ihr habt gezeigt, was Liebe wirklich bedeutet, und habt es den anderen vorgelebt. Ihr habt es wirklich verdient, wieder in die Welt zu gehen, die eure Heimat ist.“

Julia und Lukas waren glücklich und stiegen ins Raumschiff. Es startete und machte einen Satz hinauf, bis es verschwand.

Wer nun annimmt, dass sie nie zurückkehrten, der irrt. Denn einmal im Jahr, im Spätsommer, gehen sie Arm in Arm auf der Erde spazieren und werden jedes Mal wegen ihres Aussehens bewundert. Außerdem wollen sie als Beschützer der Liebenden immer an Ort und Stelle sein, wenn sie gebraucht werden. Trotzdem sind sie jedes Mal froh, wieder zu ihrem Heimatplaneten fliegen zu können.

AM RANDE DER VERZWEIFLUNG


Lange Zeit, über Jahre hinweg, lief die große Firma von Hartmut Schulte sehr gut. Wurst und Fleischwaren bester Qualität wurden produziert und vertrieben. Die Abnehmer waren Großunternehmen sowie kleinere Firmen. Landesweit hatte Schulte einen Namen und seine Produkte waren einzigartig gut.

Finanziell waren er und seine Frau gut abgesichert. Josefa Schulte half oft in der Firma mit. Abrechnungen und Buchführung waren ihre Stärke.

Margot Braun, eine Nachbarin, freundete sich mit Josefa an. Sie bewohnten eine moderne Reihenhaussiedlung im teuersten Stadtteil von München. Außerdem hatten sie ein kostspieliges Hobby. Eine Jacht von erheblicher Größe konnten sie zu ihrem Eigentum zählen.

Hartmut liebte Josefa sehr. Aber da war noch seine an Alzheimer erkrankte Mutter. Die Krankheit zog sich schon über viele Monate hin und wurde immer unerträglicher. Nach der Arbeit in der Firma kümmerte sich Josefa um Hartmuts Mutter. Nebenher jedoch musste die Firma laufen. Sämtliche Gedanken beider Eheleute kreisten nur um die kranke Frau.

Eines Morgens schellte es an der Tür. Ein Einschreiben vom Gericht. Hartmut und Josefa wurden beschuldigt, aufbereitetes, altes Fleisch in den Handel gebracht zu haben.

„Mein Gott!“, sagte Hartmut. „Wer behauptet denn so was? Ich kann nicht mehr! Noch ein paar Tage, dann kommen Kontrolleure, die alles unter die Lupe nehmen.“

Josefa war entsetzt: „Wir haben immer nur das beste Fleisch verkauft und uns noch nie etwas zu Schulden kommen lassen.“

„Nein, nie“, antwortete Hartmut.

„Was machen wir denn jetzt?“

„Nichts, Josefa. Wir können nur abwarten, wie das Ergebnis ausfällt. Dann wird sich alles klären, denn es ist ja nichts zu finden.“

Am nächsten Tag meldete sich Margot Braun, die Nachbarin: „Josefa, hast du schon den Münchner Anzeiger gelesen? In Großbuchstaben wird auf der ersten Seite über euren Betrieb geschrieben. Aber ich würde dir raten, es dir nicht durchzulesen. Es ist schlimm genug, welche Lügen sie über euch verbreiten.“ „Schultes Wurst und Fleischwaren sind in der ganzen Welt bekannt. Vor allem die Güte und Qualität. Wenn sich nicht schnellstens alles aufklärt, werden wir ruiniert sein“, sagte Hartmut.

„Aber wer will uns ruinieren und warum?“

Margot verabschiedete sich mit einem Grinsen im Gesicht. „Ich muss wieder los“, meinte sie. „Macht euch mal keine Gedanken. Es wird schon wieder.“

Die Erkrankung der Mutter nahm wieder neue Formen an. Josefa konnte nun nicht mehr in die Firma, sondern musste sich um die alte Frau kümmern. Dieses ständige Aufpassen, Beobachten und Wiederholen nervte gewaltig. Aber, ob sie wollte oder nicht, sie musste da durch. Hartmut und sie mussten sich wohl damit abfinden, dass sich nichts bessern würde.

Derweil kümmerte sich Hartmut um die Kontrolleure, die doch tatsächlich schlechtes Fleisch gefunden hatten.

Auch nicht etikettierte Ware fanden sie vor.

„Herr Schulte, wir werden heute die Firma schließen müssen“, sagte der Beamte von der Lebensmittelkontrolle.

„Aber das gibt es doch nicht. Ich beziehe mein Fleisch schon seit Jahren von Bauern aus der Region, habe mir mit meinem guten Ruf einen Namen gemacht und einiges aufgebaut. Nun bin ich ruiniert.“

„Tut uns leid, aber wenn wir immer nur den Beteuerungen der Leute glauben würden, dann sähe es sehr schlecht aus für den Verbraucher.“

Am anderen Tag beim Frühstück. Josefa und Hartmut weinten. Das hatten sie nicht verdient. Mit all ihrer Kraft und mit viel Liebe hatten sie die Firma aufgebaut. Und nun sollte alles umsonst gewesen sein? Wer nur hatte ihnen dieses Leid zugefügt und warum?

Es gab keine Antwort auf ihre Fragen. In der Post fanden sich zahlreiche Briefe von zufriedenen Kunden, die ihnen Mut zusprachen und den beiden Unterstützung anboten. Im Falle einer Gerichtsverhandlung würden alle für die Firma Schulte aussagen.

„Wie schön“, sagte Hartmut, „dass man uns nicht allein lässt.“

Margot Braun stand wieder mal vor der Tür.

„Hallo, Margot, können wir bitte ein anderes Mal miteinander sprechen? Du siehst ja, dass wir Probleme haben.“

„Ja klar, sehe ich ein. Ich melde mich später wieder.“

Josefa ging am darauffolgenden Tag mit Hartmuts Mutter spazieren. Mittlerweile musste sie mit dem Rollstuhl gefahren werden. Sie trafen ein paar neugierige Nachbarn, mit denen sich Margot Braun kurz zuvor unterhalten hatte. Alle schauten sie nur von der Seite an und machten einen großen Bogen um sie. So weit ist es nun gekommen, dachte Josefa und musste weinen.

Plötzlich rannte Herr Lehnhoff von der anderen Seite herüber, kam zu ihr und sagte: „Frau Schulte, ich will ja niemanden verdächtigen, aber ich beobachtete neulich, wie Ihre Nachbarin mit ein paar Leuten durch den Lieferanteneingang Ihres Betriebes ging. Sie trugen alle weiße Kittel und weiße Hauben, sodass man sie nicht erkennen konnte. Man hätte denken können, sie gehörten zur Firma. Nur ich habe diese Frau erkannt“, sagte Lehnhoff. „Passen Sie bitte gut auf, Frau Schulte, sie ist auf all diejenigen aus der Umgebung neidisch, denen es finanziell gut geht. Denn soviel ich weiß, steht das Haus dieser Familie zur Versteigerung und muss in Kürze geräumt werden.“

Josefa fiel es wie Schuppen von den Augen. „Ja, sicher“, sagte sie. „Jetzt, wenn ich darüber nachdenke, fallen mir einige Dinge ein, die darauf hinweisen, dass Sie recht haben. Ihre abgetragenen Sachen sind mir schon längst aufgefallen. Von den ungepflegten Haaren ganz zu schweigen. Aber auch, dass sie mich schon des Öfteren gefragt hat, ob ich ihr mit etwas Geld aushelfen könne.“ Franz Lehnhoff sagte: „Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, gehen Sie so schnell wie möglich zur Polizei und zeigen Sie diese Frau an. Ich werde auf jeden Fall als Zeuge aussagen.“

„Ich danke Ihnen, Herr Lehnhoff, das werde ich umgehend tun.“

Am Abend erzählte Josefa ihrem Mann davon. Erst ungläubig, aber dann sofort auf dem Sprung, sagte er: „Wir werden sie anzeigen und können nur hoffen, dass sich die ganze Angelegenheit zum Guten wendet. Hoffentlich hat Lehnhoff recht.“

In der Hoffnung, aus dieser schmierigen Sache wieder herauszukommen und ihren guten Ruf retten zu können, zeigten sie Frau Braun an.

Bei der Gerichtsverhandlung verstrickte sich Margot Braun in dumme Ausreden, kam damit aber nicht durch, da sich noch ein paar andere Zeugen gemeldet hatten, die ebenfalls alles beobachtet hatten.

Hartmut und Josefa Schulte konnten die ganze Sache bei ihren Freunden und bei allen Firmen, die sie belieferten, aufklären. So schnell aber konnten sie diese schlimme Sache nicht vergessen, denn die hatte sie an den Rand der Verzweiflung getrieben. Trotzdem konnten sie den Ruf der Firma sehr bald wieder herstellen.

Die Mutter gaben sie später in ein Heim, da es Hartmut allein nicht geschafft hätte. Beide erreichten, dass die Firma noch besser florierte als jemals zuvor.

AUS DER SICHT ZWEIER GÄSTE IM RESTAURANT ZUR SONNE


Jeden Freitag gehe ich mit meinem Mann Gerd zum Frühstück ins Restaurant Zur Sonne. Wir bestellen immer vor, denn sonst bekommen wir keinen Platz mehr. Dieses schnuckelige Stübchen wird gern besucht, in der Hauptsache von Rentnern, die in dem kleinen Ort ansässig sind.

 

Wenn wir gegen elf Uhr kommen, sind schon alle Tische belegt. Ein reger Gesprächsaustausch ist im Gange. Nun, wir sind Autoren und lauschen immer gern, was da so gesprochen wird.

Heute kam Erich direkt an unseren Tisch und begrüßte uns freundlich. Seine Kollegen kamen kurz nach ihm herein. Alle setzten sich an einen Nebentisch und Willi fing eine Unterhaltung an. Mein Mann und ich lauschten gespannt.

Willi, Erich und Fritz sind ein eingespieltes Team und die Kellnerin Gabi weiß genau, ohne zu fragen, was die Herren wünschen.

Willis Frau musste ins Krankenhaus. Die Galle. Ein Problem, das sie schon lange mit sich herumschleppte.

Aber er meinte: „Das wird sie gut hinter sich bringen, denn Olga ist ein zäher Brocken.“

Daraufhin warf Erich in die Runde: „Du wirst es nicht glauben, Willi, aber Lisbeth und ich hatten in der letzten Nacht Sex, da ging die Post ab. Das Weib ist immer noch gut bei der Sache.“

Fritz musste lachen: „Meine Herta hat in den letzten zwanzig Jahren ganz schön zugenommen. Da geht nix mehr, außer Streicheln – hin und wieder.“

Gerd und ich saßen am Nebentisch und konnten alles deutlich mithören. Wir mussten uns das Grinsen verkneifen, aber für unser neues Buch kamen diese Geschichten gerade richtig.

Erich trank nur Cola und die beiden anderen Kaffee in rauen Mengen. Sie schwadronierten ohne Pause.

„Wisst ihr schon, dass der Bus einen Umweg fahren muss?“

„Ja, haben wir gehört, aber morgen kommt mein Wagen aus der Inspektion zurück, dann hat sich Busfahren erst mal erledigt“, sagte Willi.

Gerd und ich notierten jedes Gespräch für unser Buch.

Zum Schluss spendierten wir noch eine Runde Kaffee für die alten Herren und der Vormittag nahm ein zufriedenes Ende.

Das war wieder mal ein Freitag im Restaurant zur Sonne, an dem wir an wunderbaren Gesprächen teilnehmen durften. Gerd und ich wissen schon jetzt, dass der nächste Freitag wieder ein Erlebnis wird.