Arbeiten in der Tagesschule (E-Book)

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Arbeiten in der Tagesschule (E-Book)
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Publiziert mit der Unterstützung der Pädagogischen Hochschule Bern und der Stiftung Mercator Schweiz.


Regula Windlinger (Hrsg.)

Arbeiten in der Tagesschule

Einblicke und Impulse für die Weiterentwicklung

ISBN Print: 978-3-0355-1802-3

ISBN E-Book: 978-3-0355-1803-0

1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.com

Inhaltsverzeichnis

  1 Arbeiten in Tagesschulen – Einführung in den Sammelband | Regula Windlinger 1.1 Empirie in der schulergänzenden Bildung und Betreuung 1.2 Fünf ausgewählte Themenbereiche 1.3 Entstehung dieses Bandes 1.4 Literatur

  2 Anstellungs- und Arbeitsbedingungen in der Tagesschule – Handlungsbedarf und Perspektiven | Christine Flitner 2.1 Rahmenbedingungen und Infrastruktur 2.2 Arbeitsorganisation: Arbeitszeiten und -pensen 2.3 Kooperation zwischen Schule und Betreuung 2.4 Professionalität, Berufsauftrag und Anerkennung 2.5 Schlussfolgerungen 2.6 Literatur

  3 Anstellungen im Monatslohn sind selbstverständlich – Einblick in die Tagesstrukturen Untersiggenthal | Laura Züger 3.1 Rahmenbedingungen der Tagesstrukturen Untersiggenthal 3.2 Für den Betreuungsschlüssel 1:10 braucht es einen freien Kopf 3.3 Ein fester Arbeitsplan hat Vorteile für alle 3.4 Mittelbare Arbeitszeit: Vor- und Nachbereitung, Teamsitzungen, Austausch 3.5 Wünsche und Visionen für die schulergänzende Bildung und Betreuung 3.6 Starkes Team und starke Trägerschaft 3.7 Literatur

  4 Chance Schul(um)bau – Bildungs- und Lebensräume für den Ganztag | Ueli Keller, Željko Marin 4.1 Grundsätzliche Herausforderungen an den Tagesschulbau 4.2 Berücksichtigung von Bedürfnissen und Ideen 4.3 Know-how transdisziplinär vernetzt zum Tragen bringen 4.4 Flexibel offen sein und nachhaltig veränderungsfähig bleiben 4.5 Räume und Infrastruktur multifunktional nutzen 4.6 Permanente Partizipation und demokratische Raumnutzung 4.7 Raumqualität als pädagogisches Arbeitsmittel 4.8 Literatur

 5 Warum kooperieren? – Schule und Tagesschule im Dialog | Michelle Jutzi5.1 Einleitung5.2 Kooperation in der Theorie5.3 Kooperation im Schulsystem5.4 Vier Studien zur Kooperation zwischen Schule und Tagesschule5.5 Diskussion5.6 Ausblick5.7 Literatur

 6 Gute Zusammenarbeit im Tagesschulteam – Aufgaben für die Tagesschulleitung | Helen Gebert6.1 Gute Zusammenarbeit im Team6.2 Gute Rahmenbedingungen für gute Tagesschulteams6.3 Zielorientierung in guten Tagesschulteams6.4 Aufgabenbewältigung in guten Tagesschulteams6.5 Zusammenhalt in guten Tagesschulteams6.6 Verantwortungsübernahme in guten Tagesschulteams6.7 Was noch zu sagen bleibt6.8 Literatur

  7 Zusammenarbeit schafft Raum – Einblick in die Tagesstrukturen Pfäffikon | Laura Züger 7.1 Ein flexibles Angebot an mehreren Standorten 7.2 Im Gespräch mit der Leiterin der Tagesstrukturen

  8 Schule neu denken – Einblick in die Schule Bettingen | Regula Windlinger 8.1 Besuch der Primarstufe Bettingen 8.2 Beim offenen Frühstück sind alle willkommen 8.3 Aktivitätszonen und flexible Essenszeit am Mittag 8.4 Zusammenwachsen von Unterricht und Betreuung 8.5 Arbeitsalltag und Weiterentwicklung als zwei separate Prozesse 8.6 Die Räume gehören den Kindern 8.7 Gelingensbedingungen 8.8 Schulentwicklung ist nie fertig 8.9 Alternative zur Ganztagesschule

  9 Mit dem «Gruppengrosshirn» die Betreuungsqualität entwickeln – Einblick in die Tagesschule Münsingen | Laura Züger 9.1 Rahmenbedingungen und Tagesschulentwicklung in Münsingen 9.2 Betreuungsqualität 9.3 Visionen für die schulergänzende Bildung und Betreuung 9.4 Literatur

 10 Wenn das Lachen der Kinder nicht mehr genügt – Beziehungsgestaltung in Tagesschulen | Ursula Elisabeth Brunner10.1 Einführung10.2 Beziehungsfähigkeit – Beziehungskompetenz – Beziehungsgestaltung10.3 Ein neues Autoritätsverständnis10.4 Schlussfolgerungen10.5 Literatur

 11 Neue Formen der Mittagszeitgestaltung – Beispiele aus dem Kanton Zürich | Regula Spirig Esseiva11.1 Einleitung11.2 Gestaffeltes Mittagessen in den Schülerclubs der Primarschule Eidmatt, Wädenswil11.3 Fliessendes Essen im Schülerhort der Primarschule Birmensdorf11.4 Gebundene Mittagszeit der Schule Albisriederplatz (Sekundarschule), Zürich11.5 Fazit aus den drei Beispielen11.6 Literatur

 12 Von der Tagesschule zur Ganztagesschule – Entwicklungen in der Stadt Bern | Michelle Jutzi, Thomas Wicki12.1 Einleitung12.2 Parallele Entwicklung von Tagesschule und Ganztagesschule in der Stadt Bern12.3 Vorgehen – Das städtische Projekt und die wissenschaftliche Begleitung12.4 Die Idee der Ganztagesschule12.5 Ergebnisse: Erfahrung in der Ganztagesschule gestalten12.6 Fazit und Ausblick12.7 Literatur

 

  13 Schlussbetrachtungen | Regula Windlinger 13.1 Literatur

  14 Autorinnen und Autoren

  Abbildungsverzeichnis

 BuchempfehlungenArbeitsplatz Tagesschule

1 Arbeiten in Tagesschulen – Einführung in den Sammelband

Regula Windlinger

In den letzten Jahren hat die Zahl der Frauen und Männer, die in Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung (SEBB) arbeiten, stark zugenommen. Neue Tagesschulen, Tagesstrukturen, Horte und Mittagstische wurden eröffnet, und bestehende Einrichtungen haben ihr Angebot erweitert. Vielerorts stossen dabei die Organisationsstrukturen aus der Pionierzeit an ihre Grenzen, und es werden neue Formen erprobt. Während in der Anfangszeit mit Improvisation und Flexibilität vieles möglich gemacht werden konnte, braucht es nun längerfristige Lösungen, die einen hohen Qualitätsstandard garantieren. Angesprochen sind dabei die Infrastruktur, die Organisation der Angebote, Formen der Kooperation innerhalb der SEBB und mit der Schule sowie auch die Arbeits- und Anstellungsbedingungen der Mitarbeitenden.

1.1 Empirie in der schulergänzenden Bildung und Betreuung

Forschungsergebnisse aus dem Bereich der vorschulischen und schulergänzenden Bildung und Betreuung in der Schweiz und in Deutschland (für einen Überblick siehe Windlinger & Züger, 2020, Kapitel 3) zeigen, dass die meisten Mitarbeitenden ihren Job als bedeutsam erleben und die Arbeit mit den Kindern sie motiviert. Essenziell sind dabei die Qualität der Führung und Teamwork. Viele Betreuungspersonen erleben im Arbeitsalltag Belastungen wie Zeitdruck, fehlende Pausen, zu grosse Gruppen oder beeinträchtigende Umgebungsfaktoren wie Lärm. Diese Belastungen können sich negativ auf die Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeitenden auswirken. Studien konnten aufzeigen, dass das Erleben der Arbeit von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Erwähnenswert sind beispielsweise der Betreuungsschlüssel, das pädagogische Konzept einer Einrichtung, die Infrastruktur oder die Einteilung der Arbeitszeit. Günstige Faktoren können die Mitarbeitenden entlasten, negativ wahrgenommene Faktoren führen zu Belastungen.

Um mehr über das Personal in den Tagesschulen, Tagesstrukturen oder Mittagstischen herauszufinden und um zu untersuchen, inwiefern diese Befunde auch für die SEBB in drei Kantonen der Schweiz zutreffen, führten wir an der Pädagogischen Hochschule Bern (PHBern) das Forschungsprojekt «Arbeitsplatz Tagesschule» durch. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts befragten wir Leitungspersonen und Mitarbeitende in der schulergänzenden Bildung und Betreuung in den Kantonen Aargau, Bern und Solothurn. Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse zum Personal und dessen Anstellungs- und Arbeitsbedingungen, zu den Belastungen und Ressourcen in der Arbeit, dem Beanspruchungserleben und der Motivation sowie zu Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und arbeitsbezogenen Einstellungen ist im Buch «Arbeitsplatz Tagesschule. Zur Situation in Einrichtungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung» vorzufinden (Windlinger & Züger, 2020). Insgesamt bestätigen die Ergebnisse dieses Projekts die angesprochenen Erkenntnisse aus früherer Forschung. Sie zeigen zudem, dass für die meisten Mitarbeitenden derzeit die Belastungen noch in einem angemessenen Verhältnis zu den Ressourcen bei der Arbeit stehen. Diese Einschätzungen sind jedoch abhängig von der Qualifikation und dem Arbeitspensum. Mitarbeitende mit höheren Arbeitspensen sind stärker belastet und erleben daher auch stärkere emotionale Erschöpfung als Mitarbeitende mit kleineren Pensen. Eine stärkere Beanspruchung äussern Mitarbeitende mit einer pädagogischen Ausbildung. Dies hängt wahrscheinlich mit deren höheren eigenen Ansprüchen an die Qualität der Arbeit zusammen. Dies zeigt sich auch darin, dass Mitarbeitende mit einem pädagogischen Berufsabschluss die Rahmenbedingungen eher als unzureichend einstufen und diesbezüglich einen höheren Handlungsbedarf sehen.

1.2 Fünf ausgewählte Themenbereiche

Das Projekt «Arbeitsplatz Tagesschule» war von Anfang an darauf ausgelegt, dass der initialen Forschungsphase eine Transferphase zu folgen hat, in der einerseits die im Forschungsteil gewonnenen Erkenntnisse diskutiert und kommuniziert und andererseits Schlussfolgerungen für die Praxis abgeleitet werden. Zu dieser – von der Stiftung Mercator Schweiz unterstützten – Transferphase gehört eine Tagung und die vorliegende, an diese Tagung anschliessende Publikation.

Im September 2019 stellten wir im Rahmen der Tagung «Gute Arbeitsbedingungen für gute Tagesschulen» an der PHBern Ergebnisse des Forschungsprojekts «Arbeitsplatz Tagesschule» vor. Im Vorfeld hatten wir fünf Themenbereiche ausgewählt, die wir mit den Teilnehmenden diskutieren wollten: Anstellungsbedingungen, multiprofessionelle Zusammenarbeit, Betreuungsqualität, Infrastruktur und Räume sowie Qualifikation der Mitarbeitenden. Diese Themen schienen uns aufgrund der Ergebnisse unserer Forschung wichtig. Sie sprechen Bereiche an, in denen Entwicklungen im Gange sind und weitere Veränderungen passieren müssen. Die Auswahl ist nicht abschliessend. Neben den von uns ausgewählten Themen gibt es weitere relevante Themenbereiche, die zur Debatte stehen. Im Rahmen von Diskussionsforen setzten sich die Teilnehmenden mit Forschungsergebnissen zu diesen Themen auseinander und diskutierten sie. Ziel dieser Diskussionsforen war, dass die Beteiligten die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt zu eigenen Erfahrungen in Bezug setzten, diese Erfahrungen miteinander austauschten, gemeinsam Problemfelder und Lösungen identifizierten und wenn möglich Handlungsempfehlungen und Forderungen ableiteten. Die Ergebnisse dieser Diskussionen wurden jeweils von einer Person in einem Protokoll festgehalten.

Die folgenden Abschnitte geben einen Einblick in die fünf genannten Themenbereiche. Zuerst werden Forschungsergebnisse vorgestellt, gefolgt von einem Einblick in die Inhalte der Diskussionen. Verweise im Text zeigen auf, wo diese Themenfelder in weiteren Beiträgen im Sammelband vertieft werden.

1.2.1 Anstellungs- und Arbeitsbedingungen

Die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt «Arbeitsplatz Tagesschule» zeigen, dass sich die Anstellungsbedingungen des Personals in der SEBB in etlichen Belangen von denjenigen anderer Berufsgruppen unterscheiden. Die Mehrheit der Mitarbeitenden ist im Stundenlohn angestellt, insbesondere bei den Mittagstischen (96 Prozent). Ebenfalls bei Tagesschulen (55 Prozent) und bei Tagesstrukturen (40 Prozent) sind diese Anteile relativ hoch. Eine Anstellung im Monatslohn haben eher die Leitungspersonen und Mitarbeitende mit einer pädagogischen Qualifikation. Fünf Prozent der Mitarbeitenden gaben an, gar keinen Arbeitsvertrag zu haben. Weiter arbeiten viele Betreuungspersonen in sehr niedrigen Pensen. Die Pensen sind deutlich tiefer als im Schweizer Durchschnitt. 70 Prozent der Mitarbeitenden in der SEBB arbeiten weniger als 50 Prozent, oft fragmentiert und auf wenige Stunden pro Tag verteilt. Über 40 Prozent der Mitarbeitenden haben zusätzlich zu ihrer Arbeit in der Tagesschule, Tagesstruktur oder beim Mittagstisch noch eine weitere Anstellung anderswo. Viele Forschungsteilnehmende berichteten über Veränderungen ihrer Anstellung im Verlauf des Forschungszeitraums (Zu- oder Abnahme des Pensums).

In den Diskussionen zeigte sich, dass viele Teilnehmende die Modularisierung der Angebote und die damit verbundenen partiellen Pensen als schwierig erleben. Insbesondere am Vormittag während des Unterrichts gibt es grosse Lücken zwischen dem Früh- und dem Mittagsmodul. Die Mittagsmodule sind an vielen Orten sehr stark belegt. Diese Belegung hat seit der Einführung des Lehrplans 21 und mit den damit verbundenen höheren Pensen für die Schülerinnen und Schüler zugenommen. In der Regel sind Vollzeitanstellungen in der SEBB gar nicht möglich. Aufgrund der Schulferien verbleiben lediglich 39 Arbeitswochen, womit sich eine Maximalanstellung von 75 Prozent ergibt.

Als möglichen Lösungsansatz nannten Teilnehmende die Kombination der Arbeitspensen in der Betreuung mit weiteren Aufgaben in der Schule, wie beispielsweise Assistenzen im Kindergarten oder die Übernahme von SOS-Lektionen. Um den zusätzlichen Personalbedarf während der Mittagsmodule zu decken, stellen einzelne Einrichtungen Studierende an. Solche Einsätze lassen sich gut mit dem Studentenalltag vereinbaren. In den Diskussionen wurde deutlich, dass ein Spannungsfeld zwischen familienfreundlicher und personalfreundlicher Organisation der Angebote besteht. Eine Mindestanwesenheit der Kinder würde Schwankungen in der Belegung ausgleichen, jedoch die Entscheidungsfreiheit der Eltern einschränken, ob und wie oft sie ihre Kinder in die SEBB schicken wollen. Die Situation vor Ort scheint zudem stark von der Gemeinde abhängig zu sein. Manche Gemeinden garantieren Angebote ohne Mindestbelegung, was die Planung und den Personaleinsatz erleichtert.

Diskutiert wurde auch die Frage des Stunden- und Monatslohns (siehe Beitrag 3). Diese Lohndebatte soll gleiche Bedingungen für alle Arbeitnehmenden schaffen und Schutz bieten. Anstellungen im Monatslohn sind ein Zeichen der Wertschätzung, die in diesem Beruf auf verschiedenen Ebenen oft fehlt. Im Bereich der Anstellungsbedingungen zeigt sich grosser Handlungsbedarf (siehe Beitrag 2). Es braucht diesbezüglich arbeitsrechtliche Aufklärung. Möglich wären beispielsweise Bandbreitenanstellungen, um Schwankungen gezielt auszugleichen. Bisher fehlen im Bereich der SEBB sowohl Minimallöhne als auch Gesamtarbeitsverträge.

1.2.2 Multiprofessionelle Zusammenarbeit

Multiprofessionelle Zusammenarbeit findet einerseits innerhalb der Tagesschulen, Tagesstrukturen oder bei den Mittagstischen statt (siehe Beitrag 6) andererseits mit den Lehrpersonen und weiteren Mitarbeitenden der Schule (siehe Beiträge 5, 8 und 12).

In den Einrichtungen der SEBB arbeiten Menschen mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund in Teams zusammen. Einerseits sind dies Mitarbeitende mit einer pädagogischen Qualifikation und andererseits solche ohne pädagogischen Berufsabschluss respektive mit einer Qualifikation ausserhalb dieses Bereichs. Das Forschungsprojekt zeigte, dass an Mittagstischen vor allem Mitarbeitende ohne pädagogische Qualifikation arbeiten, während bei den Tagesstrukturen rund die Hälfte einen pädagogischen Berufsabschluss hat. Bei den Tagesschulen im Kanton Bern haben rund 55 Prozent der Mitarbeitenden einen pädagogischen Berufsabschluss, 33 Prozent sind Lehrpersonen, und 22 Prozent haben einen anderen pädagogischen Abschluss (z.B. Fachperson Betreuung). Bei den Mittagstischen und Tagesstrukturen in den Kantonen Aargau und Solothurn sind nur wenige Lehrpersonen angestellt. Insgesamt äusserten sich im Forschungsprojekt viele Mitarbeitende positiv über die Zusammenarbeit im Team, und es gab nur wenige Aussagen, die explizit Schwierigkeiten wegen unterschiedlicher beruflicher Hintergründe thematisierten.

In Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Schule zeigen die Forschungsergebnisse, dass diese von den Leitungspersonen der SEBB als wichtig erachtet wird. Zudem wird deutlich, dass die Zusammenarbeit oft noch wenig ausgeprägt ist. Es ergibt sich eine Diskrepanz zwischen Wichtigkeit und Vorhandensein der Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen und der Schule. Bei den Tagesstrukturen ist diese Diskrepanz am stärksten ausgeprägt. Gemäss den Angaben der Leitungspersonen findet eine Zusammenarbeit mit der Schule am ehesten bei den Tagesschulen im Kanton Bern statt. Viele Tagesstrukturen und Mittagstische (Aargau und Solothurn) pflegen noch sehr wenig Austausch und Zusammenarbeit mit der Schule.

In den Diskussionen wurde angesprochen, dass die räumlichen Verhältnisse wichtig sind. Der Standort der Einrichtung der SEBB ist ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Kommunikation mit der Schule. Diese gelingt leichter, wenn sich die SEBB auf dem Schulareal befindet. Etliche Teilnehmende haben den Eindruck, dass der Kontakt zur Schule meistens von der SEBB aus erfolgen muss, da von anderer Seite her nicht viel passiert. Ein fehlender Austausch bedeutet zugleich, dass wertvolles Potenzial nicht genutzt wird. Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch die Mitarbeit der Lehrpersonen in der Betreuung. Im Moment könnte es schwierig sein, mehr Lehrpersonen für die Betreuung zu gewinnen. Wegen des Lehrpersonenmangels werden die Lehrpersonen in den Unterrichtszimmern gebraucht. Einzelne Mitarbeitende bewerten die Betreuungsqualität von Lehrpersonen in der SEBB eher negativ, da deren Hauptfokus auf dem Unterrichten liege. Geäussert wurden auch Bedenken, ob es für die Schülerinnen und Schüler angenehm ist, den Lehrpersonen auch in der Freizeit zu begegnen. Neben den negativen Stimmen gibt es durchaus konträre Meinungen. Die Betreuungsarbeit von Lehrpersonen kann eine Chance sein, damit sich die Schülerinnen und Schüler und die Lehrpersonen in einem anderen Kontext begegnen können (siehe Beitrag 8).

 

Der Auftrag der Einrichtungen der SEBB stand ebenfalls zur Diskussion. Sind die Einrichtungen eine Ergänzung zur Schule, welche die schulischen Aufgaben unterstützt, beispielsweise mit der Hausaufgabenbetreuung? Oder ist die SEBB explizit ein sozialpädagogisches Angebot mit dem Fokus auf die Freizeitgestaltung der Kinder? Vielerorts ist eine solche Diskussion bislang nicht geführt worden.

Weiter tauchte die Frage auf, wer sich wem anpassen muss, wenn gleiche Grundregeln in Schule und SEBB ausgearbeitet werden sollen. Für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe braucht es gegenseitige Wertschätzung und eine gute Kommunikation. Förderlich sind zudem gemeinsame Weiterbildungen der Lehr- und Betreuungspersonen. Eine Zusammenarbeit zwischen Unterricht und Betreuung findet eher statt, wenn die Schulleitung zugleich die Leitung der Tagesschule übernimmt, sie ist abhängig von der Organisation der Leitungsstruktur. Eine funktionierende Zusammenarbeit ist eine Entlastung für alle involvierten Parteien. Inhalte der Zusammenarbeit können gemeinsame Förderziele, der Umgang mit familiären Herausforderungen und soziales Verhalten sein. Wichtig dabei ist ein sorgsamer Umgang mit dem Datenschutz.

1.2.3 Betreuungsqualität und Beziehungsgestaltung

Die Betreuungsqualität und das Wohlbefinden der Kinder in Einrichtungen der SEBB werden nach Kibesuisse (2017) durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Dazu gehören der Betreuungsschlüssel, die Grösse und Konstanz der Gruppen (Stabilität der Beziehungen zu den gleichzeitig anwesenden Kindern), die Qualifikation des Personals, die Kontinuität der Beziehung zu den Betreuungspersonen und die zeitlichen und materiellen Ressourcen des Personals.

Das Forschungsprojekt hat aufgezeigt, dass gewisse qualitätsbezogene Aspekte der Arbeit den Mitarbeitenden Schwierigkeiten bereiten. Einerseits erleben sie ihre Arbeit als bedeutsam und motivierend, in Anbetracht der Betreuung der Kinder. Andererseits stellt der Berufsalltag Herausforderungen, die manchmal mit Frust verbunden sein können. Mitarbeitende möchten gerne allen Kindern gerecht werden, dies ist aber aufgrund der Gruppengrössen und fehlender Ressourcen oft nur schwer umsetzbar. Den Umgang mit grossen oder heterogenen Gruppen nannten die Mitarbeitenden als Herausforderungen in ihrer Arbeit (vgl. Jutzi & Windlinger, 2019). Viele Mitarbeitende wünschen sich einen besseren Betreuungsschlüssel und mehr Zeit für die individuelle Betreuung der einzelnen Kinder.

Ein wichtiger Faktor bezüglich der Qualität ist die pädagogische Orientierung der Einrichtungen der Einrichtungen. Ein gemeinsames pädagogisches Verständnis, das im Alltag umgesetzt wird und mit dem sich die Mitarbeitenden identifizieren, sorgt für eine bessere Rollenklarheit, weniger arbeitsbezogene Unsicherheit und eine höhere Qualität der Zusammenarbeit im Team (siehe Beitrag 9).

Anlass zur Diskussion gab zudem der Betreuungsschlüssel, d.h. wie viele Mitarbeitende für die Betreuung der anwesenden Kinder notwendig sind. Dieser sei teilweise zu hoch, insbesondere am Anfang des Schuljahres, weil die anwesenden Betreuerinnen und Betreuer zu viele Kinder zu beaufsichtigen haben. Für viele Kinder ist die Situation in der Betreuungseinrichtung neu. Die Kinder sind teilweise überfordert und benötigen Zeit und Begleitung bei der Eingewöhnung. In dieser Phase wäre zusätzliches Personal hilfreich. Der Betreuungsschlüssel müsste angepasst werden. Dazu könnten bei herausfordernden Gruppenzusammensetzungen, analog zur Schule, SOS-Lektionen als Unterstützung eingefordert werden.

Neben dem Betreuungsschlüssel ist die Gruppengrösse wichtig. Gerade am Mittag, abhängig von der Infrastruktur und der Organisation des Mittagessens, sind die Gruppen teilweise sehr gross. Um die Kinder in kleinere Gruppen aufteilen zu können, beispielsweise nach Altersklassen, braucht es genügend Räume und Personal. Dies wäre wichtig, um dem Ruhebedürfnis der Kinder gerecht zu werden und ihnen Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Neben dem besseren Betreuungsschlüssel schlugen die Teilnehmenden als weitere Lösung vor, die Kinder vermehrt selbstorganisiert ihren Bedürfnissen nachgehen zu lassen. Dazu gehört zum Beispiel die Organisation am Mittag mit Kinderrestaurants (siehe Beitrag 11). Eine eigenständige Freizeitgestaltung nach eigenen Interessen und Wünschen hat einen präventiven Aspekt.

Weiter forderten die Diskutierenden mehr Vorbereitungszeit für Mitarbeitende. Mitarbeitende mit einem grossen Erfahrungsschatz, jedoch ohne pädagogische Ausbildung sollten die Möglichkeit erhalten, sich (nicht zuletzt aus lohntechnischen Gründen) zu Fachpersonen ausbilden zu lassen. Förderlich für die Betreuungsqualität wären zudem mehr personelle und finanzielle Ressourcen und passende Räumlichkeiten. Damit gehen eine höhere Wertschätzung und Anerkennung dieses Berufsfeldes durch die Gesellschaft einher.