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REENA H E R A

DAS VOLLWEIB

„Manchmal muss man durch die Hölle, um zur Weisheit zu gelangen.“

Ich komme zu dieser Erkenntnis, da ich im tiefsten Inneren meiner Seele erfahren durfte, dass all die Esoterik-Seminaren und Weisheiten, mit denen ich mich beschäftigt hatte, mir das Gefühl vermittelten, ich müsste mich verändern.

Damit suggerierte ich meinem Unterbewusstsein, dass ich unvollkommen war. Ich durfte in meinem Leben schmerzhaft erlernen, was das für Folgen hat. Deshalb musste ich zuerst einmal durch die Hölle. Ich zensuriere in diesem Buch nichts, auch nicht die teils sehr erregenden erotischen Szenen. Sexualität ist etwas von Gott Gewolltes, also warum sollte ich sie unter den Tisch kehren.

Liebe Leserin, lieber Leser, sollte das für dich die Hölle bedeuten, dann wünsche ich dir, dass du nach dem Buch wie ein Phoenix aus der Asche steigst und fliegen kannst, denn was an Sexualität unterdrückt oder gar kompensiert wird, macht uns früher oder später krank. Solltest du aber nach diesen Zeilen die Erkenntnis erlangen, dass du die Venus in dir ausleben darfst, und dich das glücklicher macht als so mancher Esoterik Kurs und so mancher Gesundheitstrend, dann habe ich einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft geleistet.

Nicht nur ein Apfel, auch an orgasm a day, keeps the doctor away!

Tja … das wars dann wohl …

Ich war vor wenigen Sekunden ins Wasser gesprungen und meine Yacht ging hinter mir mit Unmengen an schwarzem Rauch in Flammen auf. Ein ohrenbetäubender Krach hatte mir zunächst die Haare zu Berge gestellt. Oder war es nur die elektrische Ladung des Blitzes gewesen? Einerlei, der beißende Qualm, der vom Inneren meiner Yacht zu mir an den Steuerstand quoll, ließ keine Zweifel aufkommen.

»Schon wieder vom Blitz getroffen worden«, schoss es mir durch den Kopf.

Zuvor hatte ich es noch geschafft, aus dem Cockpit nach hinten zur Backkiste mit dem darin verstauten Feuerlöscher zu springen, und war gleich der Länge nach über den Traveller gestürzt. Mit einer blutigen Nase, den Feuerlöscher in der Hand, war ich Sekunden später zurück am Niedergang, doch die gewaltige schwarze Rauchwolke und die Flammen, die mir entgegenschlugen, erstickten meinen Löschversuch im Keim.

»Verdammt, das Handfunkgerät ist auch noch unten am Ladegerät«, ging es mir durch den Kopf. Ich ließ den Feuerlöscher in die Flammen fallen, warf den wasserfesten Notfallkoffer über Bord und sprang hinterher. Gerade noch rechtzeitig, denn unmittelbar hinter mir schoss eine gewaltige Flammenwand in die Höhe.

Ich war in etwa 1700 Seemeilen von der Küste entfernt, im indischen Ozean unterwegs, um über das Chagos Archipel nach Madagaskar zu gelangen.

Der Gewittersturm tobte jetzt schon seit weit mehr als einer Stunde über mir. Ich hatte die ganze Zeit die Yacht nur mit Mühe auf Kurs halten können, und versucht, das Boot bei Hand zu steuern. Wobei „steuern“ nicht der richtige Ausdruck war, für das, was ich in Wirklichkeit tun konnte.

Während ich mit meiner Yacht über die baumhohen Wellen ritt, und immer wieder in die dazwischen liegenden Täler hinab jagte, war es mir gerade noch möglich gewesen, das Ruder überhaupt zu halten.

Und nun trieb ich im aufgewühlten und brodelnden Wasser eines endlosen Ozeans. Alles andere als beruhigend in meiner Situation war auch die kurz zuvor blutig geschlagene Nase, ein Umstand, der so weit entfernt vom Ufer, sicher nicht zur Entspannung meiner Lage beitrug. Haie sollen Blut in millionenfacher Verdünnung noch über viele Seemeilen Entfernung wahrnehmen.

„Bloß nicht zu sehr strampeln“, ging es mir durch den Kopf, als ich versuchte mein Schlauchboot mit dem Notfallkoffer zu erreichen, um mich damit vom Flammeninferno zu entfernen. Das einzig Beruhigende an der dramatischen Situation war, dass ich die automatische Schwimmweste trug, die sich Sekunden nachdem ich im Wasser gelandet war aufgeblasen hatte. Obwohl ... einige Seeleute würden lieber schnell ertrinken, als...???

Im Augenblick war ich dankbar dafür, dass ich das Schlauchboot als Treibanker, eine Art Bremsfallschirm, hinter der Yacht hergezogen hatte, der verhindert, dass diese vom Sturm getrieben zu viel Fahrt aufnimmt, und man zu schnell die Wellentäler hinunter surft. Ich hatte gerade noch die Leine erwischt, mit der es an der Yacht festgezurrt war und versuchte jetzt verzweifelt, mich mit Hilfe dieses Taus zu dem kleinen Schlauchboot zu ziehen. Es kostete mich große Mühe, diese für mich lebenswichtige Verbindung in der aufgewühlten See nicht zu verlieren, und als ich es endlich geschafft hatte, hielt ich mich minutenlang an der Seitenwand des auf und ab hüpfenden Schlauchboot, auch Dingi genannt, fest. Das war kein leichtes Unterfangen, denn eine Welle nach der anderen brach zwischenzeitlich über mich herein. Meine Arme zitterten vor Erschöpfung, meine Hände waren gerötet und von der Leine aufgerissen. Die brennende Yacht wurde vom Sturm die Wellen rauf und runter getrieben und ich wurde mit dem Beiboot hinterher gezogen, wie ein gestürzter Wasserschifahrer, der die Schleppleine nicht loslassen will. Ein gewaltiger Windstoß entriss mir kurzzeitig die Leine und damit auch das Boot. Nur unter Aufbietung aller meiner Kräfte konnte ich sie wieder erreichen, bevor der Abstand zu groß geworden wäre.

Während ich immer wieder unter Wasser gedrückt wurde, und in der Gischt der Wellen kaum noch Luft bekam, wickelte ich die Leine um mein Handgelenk, damit sie mir nicht noch einmal entrissen werden konnte. Mit angehaltenem Atem beobachtete ich dabei auch die Yacht, die inzwischen nur mehr ein Meer aus Flammen und schwarzem Rauch war. Wie lange wird es wohl dauern, bis der Kunststoff geschmolzen war und das Wasser über die so entstandenen Löcher anfing, in die Yacht zu schießen. Die Yacht war wohl so oder so nicht mehr zu retten.

Ich sollte wohl die Leine, die das Dingi mit der Yacht verbindet, kappen, kam aber im Moment nicht an das Messer, das ich immer an meinem Unterschenkel angeschnallt hatte. Ich wollte das Boot, das von der wild gewordenen See gemeinsam mit mir herumgeschleudert wurde, unter keinen Umständen loslassen. Jede einzelne Welle drohte mich mehr davon loszureißen. Nach wenigen Minuten brannten meine Hände wie Feuer und ich konnte mich nur mit Mühe halten. So eine Welle von vier bis sechs Metern ist auf einer guten Yacht eigentlich nicht erwähnenswert, aber mit einem kleinen Dingi im Wasser treibend, ein Flammenmeer vor Augen, war das etwas anderes. Vom Hai gefressen werden, verdursten, ertrinken, gab es eine Alternative? Ich fühlte mich mit einem Mal so winzig klein, und so hilflos den Naturgewalten ausgeliefert. Dabei hatte dieses Horrorszenarium kaum länger gedauert als ein Schlag meines Herzens.

Trieb ich hier wirklich in einem endlosen Ozean? Brannte meine Yacht in meiner unmittelbaren Nähe lichterloh? Der brüllende Sturm und die Blitze um mich herum waren die erschreckende Wirklichkeit und kein Traum! Eine gewaltige Welle riss mich samt Schlauchboot zuerst nach oben, und begrub uns Augenblicke später unter sich. Wasser peitschte mir ins Gesicht und drang mir in Mund und Nase. Ich bekam keine Luft mehr. „Das ist mein Ende, das war`s dann wohl“, schoss es, wie die Blitze um mich herum, durch mein Gehirn.

Wieder schlug eine Welle über das Dingi und ich musste mich mit aller Kraft daran festhalten. Noch war ich am Leben mit nichts als einem kleinen Schlauchboot, an das ich mich im Moment noch klammern konnte.

Der Sturm und die Wellen hatten für diesen hervorragenden Yachttyp eigentlich kein Problem dargestellt, doch zum dritten Mal innerhalb von einem Jahr war ich nun vom Blitz getroffen worden.

Ich hatte die Warnung nicht ernst genommen. Jene Warnung, die mir ein bestimmtes Gefühl einen Abend vor dem Kauf der Yacht übermittelt hatte. Wir waren mit Freunden beim Abendessen gesessen. Während sich die Erwachsenen nach dem Essen über Gott und die Welt unterhielten, hatte ich den zwei Kindern Zeichenblöcke und Farben gegeben, damit sie sich mit Malen die Zeit vertreiben konnten. Als ehemalige Lehrerin für Kunst beschäftigte ich Kinder gerne kreativ, um ja keine Langeweile aufkommen zu lassen. Das Ergebnis dieses Kinderprogramms waren an jenem Abend jedoch nicht die üblichen Kinderzeichnungen gewesen. Die 7-jährige Susanne hatte eine schöne Yacht aufs Papier gebracht, wohl ein Resultat der Gespräche während dieses Abendessens. Darüber jedoch hatte sie schwarze Gewitterwolken angeordnet, aus denen unzählige Blitze auf die Yacht herunterfuhren. Aus der Yacht schlugen feuerrote Flammen. Beim Betrachten dieses schaurigen Bildes liefen mir schon damals kalte Schauer über den Rücken.

»Susanne, warum hast du keinen Sonnenuntergang hinter der Yacht gezeichnet, oder einen Regenbogen?« entfuhr es mir.

Die Antwort des kleinen Mädchens ließ mir das Blut in den Adern gefrieren, und das bei einer Abendtemperatur von über 28 Grad.

»Ich sehe das im Moment so, ganz einfach«, war ihre Erwiderung. Sehr ungewöhnlich für eine Sieben-Jährige blickte sie mir dabei tief in die Augen.

»Und was passiert mit mir?« fragte ich sie, und ein weiterer kalter Schauer lief mir über den Rücken. Gleichzeitig zogen sich meine Eingeweide zusammen. Susanne gab mir jedoch keine Antwort. Sie schaute mir nur noch tiefer in die Augen. In der folgenden Nacht fand ich keinen Schlaf, und wälzte mich unruhig im Bett herum.

»Du wirst dich doch von so einer infantilen Kinderzeichnung nicht von deinem jahrelangen Wunsch abhalten lassen «, hatte mich mein damaliger Lebensgefährte am Morgen überzeugt. »Das ist doch nur ein Zufall, was soll das schon bedeuten?«

 

Wir kauften die Yacht am nächsten Tag. Und jetzt trieb ich hier im Meer, 1700 Seemeilen von der Küste entfernt. Ich spürte an der Wasserströmung, wie sich eine neue Welle über mir zusammenbraute und das Dingi wieder am Wellenkamm empor steigen ließ. Sekunden später stürzten Tonnen von Wasser auf mich nieder und das Boot wurde mir schon wieder aus der Hand gerissen. Ich wurde unzählige Male herumgewirbelt, und dabei immer wieder unter Wasser gedrückt. Als ich endlich zurück an die Oberfläche gelangte, sah ich, wie das Boot an der Wand der nächsten großen Welle klebte. Ich ruderte und paddelte mit beiden Händen im Wasser wie wild, aber als ich das Dingi fast erreicht hatte, wurde es erneut hochgerissen und kam erst viele Meter weiter wieder auf. Ich schrie vor Verzweiflung auf und bekam den Mund voll von Salzwasser.

„Nur keine Panik aufkommen lassen.“ War das mein Gedanke? In meinen Gliedmaßen begannen sich die Muskeln zu verkrampfen. Nach Luft schnappend bekam ich schließlich eine der Bordleinen, die um das Boot liefen, mit meinen Fingern zu fassen. Eine neue Welle wollte mich erneut fortreißen, aber diesmal konnte ich mich mit eisernem Willen festhalten. Tausende Gedanken jagten durch meinen Kopf. Was hatte die Kleine inspiriert? Warum hatte sie mit so sicherer Stimme erklärt:

»Ich sehe das genau so«.

Was hatte das Mädchen damals zu dieser Zeichnung bewogen? Was hatte sie wirklich gesehen? Konnte sie dieses Ereignis tatsächlich ›vorher sehen‹? Mich jedenfalls wollte wohl damals eine besondere Energie im Universum mit Hilfe des Mädchens warnen, wie schon des Öfteren in meinem bisher durchaus aufregenden Leben.

„Leider überhörte ich diese Stimmen aus meinem Bauch, die Botschaften meiner Intuition sehr gerne. Ich war meistens viel zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt. Dabei sollte ich wohl mehr auf meine Körperempfindungen achten!“, ging es mir durch den Kopf.

„Ach ja, es ist so einfach!“

Ich verspüre immer augenblicklich ein sehr beklemmendes Gefühl in der Brust, wenn ich an etwas Negatives denke. Als ob ein starrer Schildkrötenpanzer mir das Atmen erschwerte, das war einfach nicht zu übersehen.

„Im Moment erschwerte mir etwas Nasskaltes und Flüssiges das Atmen!“

Wenn ich jedoch an etwas überaus Positives, wie zum Beispiel romantischen Sex und Abheben beim Orgasmus dachte, fühlte sich mein Körper sehr weich und weit an. Positive Gedanken lassen mich wie eine Feder fliegen, auch ohne Energie Drink, negative Gedanken hingegen wie ein Fels im Wasser versinken.

„Im Moment sollte ich wohl eher nicht ans Versinken denken!“

„Also hier und jetzt, als Spielball der Wellen, brauche ich dafür keine Intuition, das war ganz einfach Sch… !!! In mir kommt hier eher ein Gefühl der Tiefe auf! Woher das wohl kommt?“

Die richtige Entscheidung war immer die, die mir meine Gefühle mitteilten. Wenn ich auf meine Intuition vertraute, war ich in jedem Fall erfolgreicher, als wenn ich kopfgesteuert agierte.

Wozu also hier Sorgen machen???“

Leider hatte ich am besagten Morgen auf meinen Lebensgefährten, und nicht auf die Intuition des kleinen Mädchens und meine Gefühle geachtet. So kam, was kommen musste. Während mich die Wellen wie einen Spielball im Meer auf und ab hüpfen ließen, wurde das Flammeninferno in einiger Entfernung, nachdem die Leine auf der Yachtseite durchgebrannt war, immer größer. Ich schüttelte ungläubig den Kopf.

»Hätte nie gedacht, dass Aluminium brennt«, war einer meiner Gedanken, als sich selbst der Mast in Flammen auflöste. Ein beinahe Herzstillstand war die Folge, als er sich auch noch in meine Richtung neigte. Nicht weit von mir entfernt stürzte der Rest des 25 m Mastes ins Wasser. Da kämpfe ich nun hier alleine und weit draußen gegen die Gewalt der Wellen. Gedanken über Gedanken jagen durch meinen Kopf. Ich spürte, wie alle Energie aus meinem Körper wich, und gleichzeitig die Kraft aus meinen Beinen schwand, mit denen ich strampelte, um die Arme und Hände zu unterstützen, die sich verzweifelt ans Boot klammerten. An Haie dachte ich schon lange nicht mehr, ich hatte andere Sorgen.

„Ich muss irgendwie ins Boot kommen, so macht das keinen Sinn“, dachte ich, während ich schon wieder nach unten in den Wirbel einer Welle gezogen wurde.

Das Dingi schlägt sowieso andauernd um“, war der nächste Gedanke, „und vielleicht ist es ja im Wasser angenehmer, als draußen“?

„Ich bekomme keine Luft in dieser Gischt, ich muss da rein.“

Im nächsten Moment wurde das Dingi von den Wassermassen und dem Sturm umgedreht und schlug mir von oben auf den Kopf. Ich war mit einem Mal unter dem Boot und alles war viel ruhiger, es war stockdunkel. Ich hörte nur mehr das Wasser gegen das Boot klatschen. Hier drinnen herrschte tückischer Friede, wie im Auge eines Hurrikans. Die Wellen klangen, als seien sie kaum kräftiger, als die meines Gebirgsbaches zu Hause. Nach Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, geriet das Boot wieder auf einen Wellenkamm, schlug erneut um, und der Sturm schüttelte mich von neuem gewaltig durch. Im Moment war mein größter Feind der Wind. Er trieb Millionen kleiner Wassertropfen bis in einer Höhe von einem halben Meter über dem Wasser vor sich her und machte es mir ausgesprochen schwierig, zu atmen. Je mehr ich mich bemühte, tief einzuatmen, umso stärker wurde mein Gefühl, keine Luft zu bekommen. Dabei hatte ich schon einmal eine ähnliche Erfahrung gemacht.

°

Es war während eines meiner ersten Aufenthalte am Meer. Als ein Kind der Berge hatte es achtzehn Jahre gedauert, bis ich das erste Mal mit Salzwasser konfrontiert wurde. Mein Bruder Jo und ich waren von unserer reichen Cousine in deren Villa am Meer in Portugal eingeladen worden. Fast jeden Tag fuhren wir einige Kilometer weit an einen nahezu menschenleeren Strand. Es gab dort eine wunderschöne ca. 100 m breite Sandbucht zwischen zwei Felsformationen.

Es wehte ein angenehmer Wind, und die Luft roch nach Meer, ein Duft, den ich in den folgenden Jahren überaus lieben lernte.

An einem unserer Urlaubstage erfreuten Jo und ich uns an zwei bis drei Meter hohen, glasklaren Wellen mit großen Gischtkronen, die es uns angetan hatten. Wir fanden Gefallen daran, die Wellen ganz unten anzutauchen, um durch sie hindurch hinter den Wasserberg zu gelangen.

Es war uns beiden nicht aufgefallen, dass sich die einheimischen Burschen nicht an diesem Spaß beteiligten. Wir Kinder der Berge fanden es einfach toll mit den Naturgewalten zu spielen.

»Typisch blöde Touristen«, werden sich die Natives gedacht haben.

Ich hätte besser, mit meinen Gedanken an die vergangene Nacht, die Zeit am Strand liegend verstreichen lassen sollen. Eine Nacht, in der es mir gelungen war, meiner erotisch sehr erfahrenen Cousine nach ausgiebigem, zärtlichem Streicheln ihres Rückens, ihres Bauches und ihres Megabusens, einen selbst für sie überraschenden Orgasmus zu bescheren.

Obwohl ich sicher nicht lesbisch war, und eigentlich auf Jungs stand, war ich nach einigen Gläsern Wein irgendwie in ihrem Bett gelandet. Ich selbst hatte ein großes Bedürfnis nach Kuscheln, und so konnte ich mich nicht zurückhalten, mit meinen feinfühligen Händen diese ausgesprochen fraulichen Rundungen zu erforschen. Das alles war für mich Neuland, wohl auch für meine Cousine, und so nahmen wir uns entsprechend viel Zeit. Mit viel Geduld erforschte ich langsam und sehr intensiv jeden Zentimeter der immer wärmer werdenden Haut meiner Gespielin. Meine Cousine atmete dabei immer heftiger und genoss offensichtlich meine intensive zärtliche Zuwendung. Immer öfter konnte ich an ihrem lauter werdendem Stöhnen erkennen, dass sie diese Erkundungsreise meiner Hände wohl überaus liebte. Sie hatte dann sehr plötzlich und überraschend und nur für Sekunden meine Hand zwischen ihre Beine geführt. Gott, war die dort nass gewesen! Wie der Nektar aus einer Honigschleuder floss es aus ihrem Lustgarten hervor. Wenige Sekunden vergingen und dann war sie mit: »Ich glaub es nicht, ich glaub es nicht, ein Orgasmus nur durch Streicheln an er Brust«, schreiend und aufstöhnend gekommen.

Sie hatte mir danach mit ihrem Ausspruch: »Du darfst dir etwas darauf einbilden. Wenn du einmal einen Mann ins Bett bekommen hast, wirst du ihn nie wieder los«, keinen Gefallen getan. Ich hatte daraus eine Notwendigkeit gemacht und das kam bei den jungen Männern nicht gut an. Die meisten Männer mögen keine Frauen, die selbstbewusst die Initiative übernehmen. Die meisten Männer mögen überhaupt nicht gestreichelt werden. Sie wollen möglichst schnell nur das Eine! Bei mir kam nicht gut an, dass mir diese Cousine danach nicht ebensolche Freude verschaffte, und ich es mir in dieser Nacht noch selbst machen musste. Ich hab ihr das bis heute nicht verziehen.

So war ich aber, voller überschwänglicher Lebenslust, beim Kampf mit den Wasserelementen schon damals weit von einem nächsten Mal entfernt. Denn plötzlich erwischte ich eine Welle nicht genau, sondern leicht schräg, anstatt gerade hindurch, und die Wasserwalze hatte mich schon in ihrem Strudel gefangen. Ich wurde am Boden im Kreis herumgewirbelt, Sand schmirgelte über meine Haut, ich schaffte es noch einmal an die Oberfläche um Luft zu holen, da war auch schon die nächste Megawelle über mir. Wie ein Ball wurde ich von den Wassermassen unter die Oberfläche gedrückt und hin und her gezogen, es zog mir sogar den Bikini aus. Ich hatte sehr bald kein Gefühl mehr für oben oder unten. Alles drehte sich nur mehr. Weiße Wasserbläschen waren überall, und eine unglaubliche Kraft schmiss mich unbarmherzig hin und her. Meine Lungen schrien verzweifelt nach Luft, aber da war keine Luft, sondern nur Wasser um mich herum. Ich verspürte noch, wie ich die Besinnung verlor, tausende Gedanken über mein bisheriges Leben und meine Familie im Kopf. Dann war nur mehr das Summen der Wasserblasen, das leiser werdende Rauschen der Brandung zu hören. Plötzlich ein Aufprall, ich verspürte unglaubliche Schmerzen und unbewusst krallte ich mich an alles, was die Finger an scharfkantigen Felsen fassen konnten. Blut, überall Blut, vor Schmerzen torkelnd wie im Rausch, versuchte ich auf allen Vieren, Stein um Stein, mich über muschelbesetztes Gestein von der Brandung zu entfernen. Als ich halbwegs bei Besinnung war, hörte ich Schreie um mich herum.

»Da! Da vorne, da oben ist sie!« »Rebecca!!!«

Eine Welle hatte mich auf die Klippen geworfen, damit letztendlich raus aus dem Wasser. Den Rest hatte ich wohl unbewusst und kriechend geschafft. Von den Haarwurzeln bis zu den Zehen, überall aufgerissene, blutig abgeschürfte Haut, wurde ich, immer noch stark vibrierend, ja beinahe hyperventilierend, in Handtücher gewickelt und zum nächsten Krankenhaus gebracht.

°

Diesmal trug ich eine Schwimmweste und die nächsten Felsen waren etwa 1700 Seemeilen entfernt, in östlicher Richtung. Inzwischen wurde das Licht am Himmel spärlicher und schon bald herrschte völlige Dunkelheit um mich herum. Gespenstisch untermalt von meiner brennenden Yacht, die zum Glück immer weiter von mir wegtrieb. Ein lauter Krach ließ mich beängstigt zum Flammeninferno blicken. Offensichtlich war eine der Gasflaschen an Bord explodiert. Verschieden große Trümmer flogen durch die Luft. Hervorgerufen durch mehrere Explosionen, schossen viele kleinere Stücke, umhüllt von schwarzem Rauch, eine Leuchtspur hinter sich herziehend, gegen den Himmel. Ich liebe Feuerwerke, aber dieses hier war nicht nach meinem Geschmack. Dann, Minuten vergingen und es herrschte wieder Stille. Ich hatte aufgrund meiner Gedanken, meiner Rückblicke auf Episoden meines Lebens, die Feuerbrunst neben mir schon fast vergessen.

Jetzt musste ich zuallererst versuchen, endlich ins Schlauchboot zu kommen. Wieder und wieder versuchte ich mein Glück. Das war normalerweise in einer ruhigen Bucht nicht so schwer, auch wenn manche Menschen schon da Probleme hatten. Hier draußen mit Wind und Wellen in einer tosenden und aufgewühlten See, war das etwas ganz anderes. Hoffentlich war ich inzwischen nicht zu schwach geworden, für diesen Kraftakt. Das Schlauchboot drehte sich und knallte schon wieder mit der Unterseite gegen meinen Kopf. Ich wurde wiederholt unter Wasser gedrückt. Prustend und keuchend an der Oberfläche angelangt, zog, strampelte und stöhnte ich jedes Mal, gelangte aber nicht weit genug aus dem Wasser. Langsam geriet ich in Panik. Ich kam keinen fingerbreit nach oben. Immer wieder klatschte ich zurück ins Wasser. Was war, wenn ich überhaupt nicht ins Boot kam? Was war, wenn mich jetzt Haie angriffen? Es wurde inzwischen dunkel und Haie waren Nachtjäger. Diese zusätzliche Angst machte offensichtlich meine letzten Energien frei. Ich schrie mir das Wasser aus den Lungen und die Vorstellung von einem Hai unter mir verlieh mir letztendlich beinahe Flügel! Es gelang mir, mich über den Seitenwulst aufs Boot zu wälzen. Wie tot plumpste ich hinein, und lag für Minuten keuchend auf dem harten Holzboden. Meine Lage erschien mir dadurch schon weniger aussichtslos.

 

Obwohl, jetzt wurde ich mitsamt dem Dingi von den Wellen wie ein Weinkorken auf und ab getragen. Weit und breit nur Wasser um mich herum, weißer Schaum und ein Flammeninferno mit einer Rauchsäule, die wohl mindestens 100 Meter nach oben reichte.

„Hoffentlich sieht den Qualm jemand. Diese unglaubliche Rauchwolke kann man doch nicht übersehen! Und hoffentlich hat dieser Jemand das Bedürfnis, da mal nach dem Rechten zu sehen. Oder ist einfach nur neugierig.“

Es sollte mir so oder so sehr recht sein. Die Yacht … oder was davon noch übrig war, wurde aufgrund ihrer größeren Windangriffsfläche weiter von mir weggetrieben. War das jetzt beruhigend oder sollte ich mir auch darüber Gedanken machen?

Auch die Dunkelheit wurde für mich inzwischen unerträglich, und mein Gefühl der Verlassenheit wuchs ins Unermessliche. Selbst wenn mich jemand suchen würde, war es jetzt so gut wie unmöglich geworden, mich zu finden. Jetzt kam es nicht mehr darauf an, die nächsten Minuten durchzuhalten. Ich wusste, dass ich mindestens die Zeit bis zum Sonnenaufgang überstehen musste. Erst am nächsten Tag, ab dem nächsten Morgengrauen, durfte ich wieder darauf hoffen, von einem Schiff gesichtet zu werden. Das war alles andere als beruhigend. War mein chaotisches Leben überhaupt jemals beruhigend gewesen?

°

Das fing schon bei meiner traumatischen Geburt an. Ich wurde in einer dunklen Bauernstube, im hintersten Grailtal, einem der aktivsten Täler der Welt, wie die Einheimischen gerne behaupten, geboren. Ich trug dieses nach vorne bzw. nach außen Streben wohl schon vor der Geburt in mir, noch bevor ich auf der Welt war. So erklärt sich wahrscheinlich auch meine Eile.

Oder vielleicht kam alles so, weil meine Mutter immer schon so schreckhaft war? Es war ›Teufeltag‹ im Tal. Das war ein alter Grailtaler Brauch am 5. Dezember, den die Einheimischen so gerne zelebrierten. Bevor am nächsten Tag zu den sogenannten braveren Kindern der Nikolaus kommt, müssen die Schlimmeren noch einen Tag lang zittern. Einige Männer dürfen nämlich an diesen Tagen, zumindest für kurze Zeit, Teufel spielen. Sie müssen ja sonst das ganze Jahr über so manchen Trieb unterdrücken. Na ja, jedenfalls – ob jetzt Schock oder meine Neugierde, es war viel zu früh und eine schlimme Geburt. Mehr als siebzehn Stunden versuchte ich da rauszukommen, wo ich dann später wieder viel zu lange brauchte, um das erste Mal jemanden reinzulassen. Noch schlimmer aber waren die ersten Sätze, die in mein Unterbewusstsein drangen.

»Die kommt nicht auf«, waren die Worte meines Großvaters, sprach es und rannte um den Priester, damit wenigstens meine Seele an diesem teuflischen Tag gerettet würde. Ich muss schon einen erbärmlichen Eindruck hinterlassen haben. Es wurde ganz umsonst eine Menge Wasser vergossen, ich meine damit Tränen. Ich übertönte jedenfalls das Geheul der Weiber, der Priester musste mir wohl irgendwie unsympathisch gewesen sein. Eine Abneigung, die sich in meinem weiteren Leben nicht gelegt hat.

»Denen zeig ich’s jetzt aber« … Ich tue das bis heute.

Der Fehlstart hat sich dann doch in einigen Bereichen sehr lange bemerkbar gemacht. Abgesehen von einer lebensbedrohenden Bronchitis, deren Auswirkungen ich lange in Form eines leicht deformierten Brustkorbs als sichtbare Erinnerung mit mir trug, verschlief ich die ersten Monate ganz einfach und einige Jährchen dazu. Ich habe inzwischen einen sehr schön geformten Busen, der dieses Manko zum Glück kaschiert.

lang=DE style='color:black'>Selbst die sekundären weiblichen Geschlechtsorgane, sprich Busen, bei allen Männern ja Lieblingsthema Nummer Eins, konnten mich damals nicht aus meinen Träumen holen. Zum Saugen bzw. Trinken musste ich jedes Mal mit einigen kräftigen Klapsen gezwungen werden. Ich wäre sonst ganz einfach im Schlaf verhungert. An das Schlagen habe ich mich später ohnehin gewöhnt. Es war also wirklich ein katastrophaler Fehlstart. Selbst die Kleinste meiner im Jahresabstand nach mir geborenen Schwestern, von den Brüdern ganz zu schweigen, überholte mich körperlich noch während der Schulzeit. Von den gleichaltrigen Nachbarskindern und Cousinen wurde ich schon bald mehrfach in jeder Hinsicht überrundet. Besonders meiner Cousine Petra verdanken meine Eltern und ich einige lehrreiche Überraschungen, was kindliche Phantasie betrifft. Das eine Mal waren es meine mit Spucke verklebten Haare. Ich hatte Locken wie ein Barockengel und von allen Seiten tönte es:

lang=DE style='color:black'>»Ach schau nur, was für wunderschöne Locken, wie süß.«

lang=DE style='color:black'>Ich konnte es ja selbst nicht mehr hören und dagegen musste man, nämlich Petra, etwas unternehmen. Ein anderes Mal war es der Versuch, möglichst viele Kirschen in einem menschlichen After – sprich Darm – unterzubringen, das meine wissbegierige Cousine an mir ausprobieren wollte. Die Welt war für mich schon bald voll von Überraschungen und Entdeckungen. Meinem kleinen Bruder Jo erging es dabei mit der frühreifen Petra noch schlimmer. Obwohl dieser sicherlich nicht homosexuell orientiert war, wollte Petra an einem Loch, in diesem speziellen Fall war es der verlängerte Rücken meines Bruders, die Wirkung eines Vibrators ausprobieren, bevor sie diesen in ihre Vagina stecken wollte. Und das ohne entspannendes Vorspiel, entsprechende Cremes und einfühlsames Einführen. Jo war nicht besonders begeistert.

lang=DE style='color:black'>Weil sich mein Vater immer einen sportbegeisterten Burschen gewünscht hatte, wurde ich ausgesprochen burschikos und sportlich erzogen. Meine schon damals vorhandene und leicht erkennbare Feinfühligkeit und Sensibilität wurde dabei schlichtweg ignoriert und verdrängt. Als Folge dieser „Umerziehung“ fühlte ich mich sehr bald bei den ständig raufenden und um sich schlagenden Burschen wohler, als bei den zickigen, mit Puppen und Barbie spielenden Gören. Auch war mir das laute, männliche, ellbogenstoßende Imponiergehabe sympathischer, als das weinerliche – „rühr mich nicht an Gehabe“ der gleichaltrigen Artgenossinnen. Das hatte dann aber auch wieder den Spott der gleichaltrigen Mädchen zur Folge und sehr häufig wurde ich von meinen weiblichen „Mitstreitern“ gemieden.

lang=DE style='color:black'>Für die gleichaltrigen Mädchen war ich viel zu aufgeweckt und burschikos – sehr lange übrigens. Sie beteiligten sich daher auch nicht an meinen häufigen Fehlversuchen, dem männlichen Geschlecht mit sogenannten Zwickaküssen näher zu kommen. Zwickaküssen sind erotische Annäherungen, bei denen man sich beim Küssen mit beiden Händen links und rechts vom Mund in die Wangen zwickt.

lang=DE style='color:black'>Sicher als sexueller Filter von der damals krankhaft prüden Damen-sprich Tanten-Welt erdacht, weil das in die Wange zwicken wohl jeden Verdacht auf Erotik im Keim ersticken sollte. Wäre ja auch noch schöner, sollten schon Kinder in den Genuss eines erotisch lasziven Kusses kommen, wo doch selbst die Erwachsenenwelt sich jeden stärkeren Gedanken an Erotik verkneifen musste.

Konträr zum Verhalten meiner Mutter versuchte mein Vater verzweifelt aus seiner Tochter einen „ganzen Mann“ zu machen. War er doch seit seiner Kindheit der Inbegriff eines sportlich durchtrainierten Elite-Machos gewesen. In seinem Jahrgang auserkoren unter den 24 intelligentesten und sportlichsten Schülern Österreichs, durfte, oder besser musste er auf eine besondere Eliteschule in Wien gehen. Starkes Heimweh nach seinen geliebten Bergen rettete ihm nach dem zweiten Schuljahr das Leben. Er flüchtete zurück in die Alpen. Sein gesamter Jahrgang jedoch kam in den letzten Wochen des zweiten Weltkriegs in einem Schützengraben ums Leben. Es wäre wohl nichts geworden aus mir, ohne meinen Erzeuger.