Optimierung des Menschen

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Optimierung des Menschen
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OPTIMIERUNG DES MENSCHEN

Gesellschaftspolitische Texte des

Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim

Band 2

Brigitte Kepplinger, Florian Schwanninger (Hrsg.)

OPTIMIERUNG DES MENSCHEN

Beiträge der 5. Internationalen Hartheim Konferenz


© 2020 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: order@studienverlag.at

Internet: www.studienverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilmoder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oderunter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenenTextes kommen.

ISBN 978-3-7065-6100-6

Lektorat: Sabine Fuchs, Clemens Gruber

Satz und Umschlag: StudienVerlag/Maria Strobl – www.gestro.at

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlungoder direkt unter www.studienverlag.at

Inhalt

Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer

Geleitwort – Die vielen Seiten einer „Optimierung des Menschen“

Vorwort der Herausgeber

Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liessmann

Der optimierte Mensch – ein Gespräch

Michael Wunder

Ist der Mensch verbesserungswürdig? Die alten und die neuen Träume der Genetiker

Benjamin Gregg

Vom Nutzen und Nachteil der Biotechnik: Zur normativen Einschätzung der Humangenmanipulation

Eva Maria Bachinger

Genetische Optimierung: Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin – Wahlkind durch PID

† Rainer Müller

Optimierung des Selbst, Human Enhancement, Präzisionsmedizin, Big Data und Public Health

Karin Harrasser

Disability und Technik. Eine riskante Allianz

Michael Girkinger

Die Selbstoptimierung der Persönlichkeit. Warum Glück und Erfolg am Persönlichkeitsbildungsmarkt so stark nachgefragt werden – Eine ambivalente Diagnose

Tobias Eichinger

Gesund machen oder Gesundheit machen? Philosophische Anmerkungen zu einem Grundbegriff der Medizin

Dierk Spreen

Über den Menschen hinaus? Upgradekultur und Transhumanismus

Markus Jansen

Das größte Menschenexperiment aller Zeiten. Google und der Transhumanismus

Autorinnen und Autoren

Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer

Geleitwort – Die vielen Seiten einer „Optimierung des Menschen“

Der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim ist nicht nur Ort der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und an dieses dunkelste Kapitel unserer Geschichte. Er hat sich zu einer zentralen Forschungsstätte und einem Ort der Wissensvermittlung im Hinblick auf zeithistorische und ethische Fragen, insbesondere im Kontext von Beeinträchtigungen und Behinderungen entwickelt.

Ein besonderer Höhepunkt des gesellschaftspolitischen und ethisch-philosophischen Diskurses hat im November 2016 in Form der 5. Internationalen Hartheim Konferenz zum Thema „Die Optimierung des Menschen“ stattgefunden.

Die Unterlagen der verschiedenen Vorträge zu diesem inhaltsreichen Themenkomplex liegen jetzt zusammengefasst als Publikation vor. Diese bietet einen umfangreichen Überblick über die aktuelle Entwicklung, von der genetischen Optimierung, der Präimplantationsdiagnostik, Fortpflanzungsmedizin und dem „Designerbaby“, hin zum Thema Gesundheit in all seinen Facetten. Dem Thema Disability und Technik, der Frage der Verbesserung des menschlichen Körpers hin zum Cyborg, wird ebenso viel Platz gewidmet.

Die Optimierung des Menschen ist ebenso ein politisches Thema, das Auswirkungen auf unsere Gesellschaft hat. Wesentlich ist daher, diesem Diskurs Raum zu geben und ihn zu fördern, auch Bewusstsein zu schaffen, um bedenkliche Entwicklungen im Auge zu behalten und auch gegensteuern zu können.

Die Selbstoptimierung der Persönlichkeit zeigt als umfangreicher Themenkomplex ebenso Potentiale wie Ohnmachtsängste auf. Die Grenze zwischen Sonnen- und Schattenseiten liegen hier, wie in dieser Schriftenreihe dargelegt, öfter näher beieinander als man glaubt.

Diese Publikation bietet somit spannende Inhalte für alle Interessierten. Ich bedanke mich für das Engagement und die wissenschaftliche Expertise, die in ihrer Widersprüchlichkeit auch Raum für tabuisierte Themen bietet und zur intensiven Auseinandersetzung einlädt.

Vorwort der Herausgeber

Von 18. bis 20. November 2016 fand im Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim die fünfte Internationale Hartheim Konferenz statt, die sich dem Thema „Optimierung des Menschen“ widmete. Die Beiträge dieser Tagung werden nun in der vorliegenden Publikation der Öffentlichkeit präsentiert.

Da dies die erste Publikation von Ergebnissen der Internationalen Hartheim Konferenz ist, soll einleitend auf die Entstehungsgeschichte des Ortes wie der Tagung kurz eingegangen werden.

Das Konzept des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim baut auf dem Grundsatz auf, die Historie des Ortes nicht isoliert zu betrachten und darzustellen, sondern zu versuchen, diese in einem ideengeschichtlichen und gesellschaftspolitischen Kontext zu verorten. So besteht der 2003 eröffnete Lern- und Gedenkort aus der Gedenkstätte für die Opfer der nationalsozialistischen Euthanasieverbrechen im Rahmen der „Aktionen“ „T4“ und „14f13“ und aus der Dauerausstellung „Wert des Lebens“, mittels derer die angesprochene Kontextualisierung geleistet werden soll. Diese Ausstellung wird derzeit grundlegend überarbeitet und neu gestaltet; sie soll noch 2020 wieder eröffnet werden. Wie schon in der ursprünglichen Ausstellung steht der gesellschaftliche Umgang mit Menschen, die als „unbrauchbar“ definiert wurden (und werden) im Mittelpunkt. Damit verbunden behandelt die Ausstellung Fragen aus den Bereichen Ethik, Biotechnik und Biomedizin, Sozial- und Gesellschaftspolitik. Der Zeitraum erstreckt sich von der Zeit der Aufklärung bis in die Gegenwart.

Ein weiterer wichtiger Schritt dieser Kontextualisierung war die Gründung der Internationalen Hartheim Konferenz im Jahr 2007. Die Initiative ging vom damaligen Obmann des Vereins Schloss Hartheim, Georg Starhemberg, und dem damaligen Geschäftsführer der Stiftung Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim, Dr. Reinhard Dyk, aus.

Diese erste Internationale Hartheim Konferenz befasste sich mit dem Thema „Sinn und Schuldigkeit. Fragen am Lebensende“. Die Themen der folgenden Hartheim Konferenzen – 2009: Ambivalenzen der Biowissenschaften, 2012: Biologisierung des Sozialen, 2014: Demenz. Ethische und sozialpolitische Herausforderungen, und jenes von 2016: Optimierung des Menschen – stellen sich der Herausforderung, gesellschaftspolitisch relevante Fragestellungen der Gegenwart aufzugreifen und vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Ortes zu reflektieren.

In der vorliegenden Publikation der Beiträge der fünften Internationalen Hartheim Konferenz werden die verschiedenen Dimensionen von Optimierungsstrategien diskutiert und auch grundsätzliche Fragen nach Sinn und Nutzen, nach Problemen und Folgen einschlägiger Strategien gestellt.

Am Anfang aber steht eine künstlerisch-philosophische Annäherung an das Thema: Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liessmann sprechen über den optimierten Menschen (basierend auf ihrem Buch: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam?), und es ist ein großes intellektuelles Vergnügen, diesem Gespräch, das für den vorliegenden Band aufgezeichnet und transkribiert wurde, zu folgen. Der Dichter und der Philosoph nehmen antike Mythologie, christliche Schöpfungsgeschichte und eine christliche Heiligenlegende zum Ausgangspunkt ihrer Reflexion und stoßen dabei überraschende Einsichten an.

 

Daran schließen die Beiträge der FachwissenschafterInnen an. Die Themenblöcke setzen sich zum einen mit Gentechnik und Fortpflanzungsmedizin auseinander: Michael Wunder beleuchtet die Konzeptionen einer genetischen Verbesserung des Menschen und ihrer philosophischen Prämissen und zieht Linien der Kontinuität vom Genetikermanifest 1939 bis zur gegenwärtigen Diskussion um genetic enhancement. Benjamin Greggs Beitrag fokussiert auf den Prozess, der in einer demokratischen Gesellschaft den Einsatz humangenetischer Maßnahmen regulieren soll und versucht, deren philosophische Grundlagen zu definieren. Eva Maria Bachinger setzt sich mit den Versprechen der Fortpflanzungsmedizin und ihrer diagnostischen Verfahren auseinander und reflektiert deren ethische und sozialpolitische Voraussetzungen und Konsequenzen. „Die Optimierung des Menschen“ ist Rainer Müller folgend zwischen Dialektik der Aufklärung und Emanzipation vor dem Hintergrund der Entwicklung des demokratischen Rechts- und Sozialstaates zu betrachten. Wohin sich Demokratie, Wohlfahrtsstaat und Public Health in Folge der aktuellen naturwissenschaftlich-technischen Entwicklungen und der Digitalisierung, die derzeit verstärkt Lebens- und Arbeitswelten, Subjektivität und soziale Handlungsweisen verändern, entwickeln, ist laut Rainer Müllers Beitrag noch nicht absehbar. Karin Harrasser widmet sich der „riskanten Allianz“ von Behinderung und Technik. Neue Technologien können für Menschen mit Behinderungen – sofern sie ihnen zugänglich sind – Teilhabe ermöglichen, aber auch zum Normalisierungs- und Anpassungsinstrument werden, das andere Zugänge zu und Perspektiven auf Behinderung verdrängt und neue Zwänge mit sich bringt. Michael Girkinger wirft in seinem Artikel einen kritischen Blick auf den Persönlichkeitsbildungsmarkt. Er betrachtet dessen Angebote und Erfolg im Spannungsfeld von aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen wie Selbstdisziplinierung, Selbstsorge, Selbstverwirklichung und einem Drang zur permanenten Selbstoptimierung. Die zunehmende Entwicklung hin zu einer wunscherfüllenden Medizin steht im Fokus von Tobias Eichingers Beitrag. Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und Wunscherfüllung in der Medizin sowie deren Entwicklung zu einem „Lifestyle-Produkt“, werden von ihm aus ethischer und philosophischer Perspektive in ihrer ganzen Ambivalenz betrachtet. Die aufkommende „Upgradekultur“, die Optimierung der Person auf unterschiedlichen individuellen und persönlichen Ebenen wird von Dierk Spreen als Begleiterscheinung der Individualisierungsprozesse der vergangenen Jahrzehnte betrachtet. In seinem Text stellt Spreen Probleme und mögliche Grenzen dieses Versuchs einer Antwort auf individualisierte Risiken der Gesellschaft zur Diskussion. Den Abschluss bildet Markus Jansen, der Tendenzen und Entwicklungen im Konzern Google und seiner Proponenten untersucht, die dem erneuten Versuch dienen sollen, einen „neuen Menschen“ zu schaffen. Laut den VertreterInnen des Transhumanismus könnten neue digitale Technologien die biologische Unzulänglichkeit des Menschen überwinden und letzten Endes hin zu einer post-biologischen Menschheit führen. Die Rolle von Google und vor allem von dessen Vordenker Ray Kurzweil bei der Entwicklung dieser neuen, scheinbar verheißungsvollen Möglichkeiten, stehen im Zentrum von Jansens Analysen.

Die im vorliegenden Tagungsband analysierten Strategien einer Optimierung des Menschen sind – zumindest teilweise – schon Bestandteil unseres Alltags geworden. Trotzdem bleibt die zentrale Frage, ob und wie es gelingen kann, diese Optimierungsstrategien einzuhegen bzw. entscheidende Fragen in der Öffentlichkeit zu diskutieren: Cui bono? Wem nützen diese Maßnahmen? Soll, etwa im Bereich der Gentechnik, alles Machbare auch gemacht werden? Wenn diese Diskussion nicht geführt wird, reduziert sich die Entwicklung, wie in der Geschichte von Daedalus, auf das Problem der technischen Machbarkeit. Deren ideelle Basis bildet die Annahme einer vollständigen Beherrschung der Natur, und es gehe, so wird suggeriert, nur noch um einige absehbare Schritte, bis der Mensch sich zum Schöpfer seiner selbst erklären könne.

Derzeit erleben wir allerdings, dass das Auftreten eines Virus die einschlägigen Pläne zumindest modifiziert. Die tiefe Krise, die die Corona-Pandemie verursacht, stellt Gesellschaften auf den Prüfstand: Wie gehen sie mit den Schwächsten um? Sollen, wie der verbreitete utilitaristische Zugang besagt, Alte, Kranke und Menschen mit Behinderung im Extremfall geopfert werden, um junge leistungsfähige Menschen zu „retten“? Wie werden die Lasten der ökonomischen und sozialen Krise verteilt?

Als Veranstalter der Internationalen Hartheim Konferenz sehen wir uns in diesem Kontext gefordert, die entsprechenden ethischen, politischen und sozialen Fragestellungen zu verfolgen und auch weiterhin im Rahmen der Tagungen zu diskutieren.

Wir möchten an dieser Stelle noch unsere Trauer über den Tod von Prof. Dr. Rainer Müller zum Ausdruck bringen. Er verstarb im Oktober 2019. Für seinen spannenden und fundierten Beitrag sowie die gute Zusammenarbeit bei der Internationalen Hartheim Konferenz und der Entstehung des vorliegenden Bandes bleiben wir ihm dankbar verbunden.

Brigitte Kepplinger, Florian Schwanninger

Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liessmann

Der optimierte Mensch – ein Gespräch

Michael Köhlmeier:

Der Eine, der Ewige – Gott – stand auf seiner Erde und zog einen Kreis um sich, so weit sein Auge reichte. Im Umkreis eines Blickfeldes, dort sollte der Garten Eden sein, das Paradies. Wissen Sie, parallel zur Bibel gibt es sehr viele Geschichten, die sind zur gleichen Zeit entstanden wie die Bibel und sind in diese nicht aufgenommen worden. Sie sind teilweise vor der Bibel entstanden, sie sind teilweise erst viel später dazu erzählt worden – vielleicht auch um Widersprüche zu erklären, zum Beispiel einen Widerspruch gleich am Anfang der Bibel, wo es heißt: Am ersten Tag schuf Gott das Licht, aber am dritten Tag erst die Sonne. Das war ein Widerspruch, das muss man erklären. Ich erzähle Ihnen etwas, was nicht unbedingt in der offiziellen Bibel steht, aber ihr dennoch folgt. Also am Anfang stand Gott da und er hat nicht die Erde erschaffen oder die ganze Welt erschaffen, sondern er hat das Chaos, das vor ihm war, geordnet – das Tohuwabohu oder wie Martin Buber und Franz Rosenzweig übersetzen: Irrsal und Wirrsal hat er geordnet. Aber er hat auch die Ambition gehabt etwas Eigenes zu schaffen, nämlich den Menschen. Für den wollte er eine Heimat und das wäre der Garten Eden gewesen, das Paradies. Und er stand da und hat diesen Garten geschaffen – wunderbar schön, aber es war dunkel. Es konnte ihn niemand sehen. Da hatte er seinen Liebling, seinen Vize, seinen Stellvertreter gebeten, diesen Garten Eden zu beleuchten: Helel ben Schachar, den Sohn der Morgenröte, oder die Lateiner sagen „derjenige der das Licht trägt“, der Lichtträger, nämlich eben Luzifer – Lux ist das Licht, fer tragen. Ihn hat er gebeten, er soll diesen Garten Eden beleuchten, damit man ihn sieht. Und Luzifer, Helel ben Schachar, stellt sich in die Fußstapfen Gottes, sendet sein Licht aus und sieht wie unglaublich schön das ist, was Gott geschaffen hat. Da hat ihn der Neid erfasst. Er hat an sich hinabgeblickt und hat gesehen, dass seine Füße nur um ganz klein wenig kleiner sind als die Fußstapfen Gottes. Dann hat er sich gedacht: „Wenn ich einen Überraschungsangriff starte, vielleicht gelingt es mir.“ Er hat ausgerufen: „Ich bin wie Gott!“ Und da stand dann ein anderer da mit einem Flammenschwert in der Hand und der hat gesagt: „Wer ist wie Gott?“ – ein Engel – und er hat sich damit selbst den Namen gegeben: Michael. Michael heißt „Wer ist wie Gott?“ Ich weiß das, ich hab’ viel mit meiner Mutter darüber diskutiert. Gott hat Michael den Befehl gegeben, „Helel ben Schachar“, den Luzifer, zu bestrafen. Michael hat mit ihm gerungen und hat ihn in die Hölle geworfen. Das heißt, erst durch den Fall des Luzifer ist die Hölle entstanden, aber bevor er gefallen ist, hat Luzifer sich noch am Himmel anklammern wollen und hat einen Fetzen vom lebendigen Himmel gerissen, mit hinunter in die Hölle. Das kann man auch sehen, das sieht man immer noch, in sternenklaren Nächten kann man das sehen. Das ist die Milchstraße, dieser Fetzen. Wie gesagt, das hat er mitgerissen in die Hölle und das garantiert ihm, dass er jederzeit – nicht für lange Zeit, immer nur so für sehr, sehr kurze (Wir wissen, wie’s in der Apokalypse des Johannes heißt: Der Teufel hat wenig Zeit und er weiß es.) – kann er aber ab und zu Gott besuchen, oben im Himmel, weil er dieses Pfand hat vom Himmel. Wie es beim „Faust“ heißt: „Ab und zu spricht er mit dem Alten gern.“ Weil hätt’ er das nicht mitgemacht, könnte man den Faust ... Wir hätten auch nicht das Buch Hiob. Das beginnt auch damit, dass der Teufel in den Himmel geht, um Gott zu sprechen.

Nun war’s wieder dunkel im Paradies und nun hat Gott eben die Sonne geschaffen. Damit ist auch dieser Widerspruch geklärt, verstehen Sie? Das wird ja damit geklärt. Da sind wir wieder eben. An Gottes Wort kann man nichts ändern, man muss das interpretieren und jetzt wissen wir, wie das war.

Nun ist Gott an die eigentliche Arbeit gegangen und wollte sein Geschöpf machen, den Adam. Er hat von der Erde genommen und von allen Stellen der Welt hat er Erde genommen, hat sie zusammengeknetet, hat drauf gespuckt ein bisschen, hat so rumgeknetet und so und dann ist der Adam gekommen. Gott hatte von Anfang an die Ambition, ein Geschöpf zu machen, das ist wie er. Nämlich nach seinem Ebenbild. Hat er gemacht. Und nun waren da die himmlischen Heerscharen. Es gibt auch wieder eine Erklärung, woher die kommen. Das werd’ ich Ihnen heute sparen. Nehmen Sie einfach an, so wie in der Bibel, die sind da, diese himmlischen Heerscharen. Und der Adam, der war fertig, war wie Gottes Ebenbild. Er hat genau gleich ausgesehen, wie er. Hat große Verwirrung gestiftet unter den himmlischen Heerscharen, weil die sich gedacht haben: „Ist da ein zweiter Gott entstanden? Ist da ein zweiter da?“ Und wie’s halt so üblich ist, ein Drittel der himmlischen Heerscharen hat sich gleich auf die Seite des neuen Gottes gehauen. Ein Drittel hat gesagt: „Nein wir bleiben tapfer beim alten Gott.“ Und ein Drittel – ich nehm’ an, das war ein bissl mehr als ein Drittel – hat sich gedacht: „Warten wir mal ab, was kommt.“ Und Michael, der inzwischen auch schon zum Berater Gottes avanciert ist, hat gesagt: „Du musst ihn ein bisschen ablehmen. Also nicht ‚ablehmen‘, weil aus Lehm, also ein bisschen kleiner machen, ein bisschen hässlicher musst du ihn machen.“ Damit der Unterschied klar ist – Gottes Ebenbild – ich mein’, das wissen wir selber auch, wenn wir am Morgen in den Spiegel schauen – wir wissen, wir sind Gottes Ebenbild, und da kommen uns manchmal Zweifel. Aber Sie müssen das so sehen: In homöopathischer Form sind wir Gottes Ebenbild.

Also ich erzähl’ Ihnen eine kurze Geschichte. Nur damit Sie das auch verstehen. Ich muss so anfangen: Wer war die schönste Frau des Altertums? Also Sie wissen ja aus dem Homer, die schönste Frau des Altertums war die Helena. Für sie ist ein großer Krieg geführt worden, der trojanische Krieg – für diese Frau, für diese unglaubliche Schönheit. Jetzt haben Männer, das waren nur Männer, die sich darüber Gedanken gemacht haben über diese Schönheit der Frauen, die haben rausgekriegt, dass sich die Helena zur Sara, also der Frau des Abraham, verhalten hat, wie zu – also die Helena war im Vergleich zu Sara ein Äffchen, also so viel schöner war die Sara im Vergleich zur Helena. Und als die Sara 100 Jahre alt war, ist der Pharao noch fast verrückt geworden vor Begehren und vor Liebe in diese Sara. Sie können sich vorstellen, wie schön die war, aber im Vergleich zur Eva hat die Sara ausgesehen wie ein Äffchen. Und jetzt, jetzt sag ich was, das kommt nicht von mir, ich würd’ mich da vollkommen raushalten. Im Vergleich zu Adam hat Eva ausgesehen wie ein Äffchen. Und im Vergleich zu Gott hat Adam ausgesehen wie ein Äffchen. So sehen sie also ungefähr die Abstufung, homöopathisch gesehen sind wir also noch das Ebenbild Gottes.

 

Gott hat also den Adam ein bisschen hässlicher gemacht, kleiner gemacht, damit er unterscheidbar ist von ihm selbst. Und für ihn hat er eben diesen Garten Eden gebaut gehabt und dann hat er, als dann Adam in der vorläufigen Form fertig war, das heißt, er hat ihn eigentlich deoptimiert, wenn ich jetzt auf unser Tagesthema komme. Er hat ihn deoptimiert, den Adam, und er hat zu den himmlischen Heerscharen gesagt: „So nun kniet euch nieder vor dem Adam und erweist ihm Reverenz. Er ist also mein Ebenbild und jetzt kniet euch nieder.“ Die Engel haben geschaut, was machen die Offiziere? Also die Erzengel, die haben genickt und dann haben sie sich niedergekniet – bis auf einen. Samael, der hat gesagt: „Ja, du hast schon mehr oder weniger immer rumgemacht, vielleicht ist der immer noch nicht ganz fertig, vielleicht gibt’s noch Korrekturbedarf. Wollen wir nicht abwarten, bis er endgültig ist?“ Und Gott hat zu ihm gesagt: „Was willst du?“ Und Samael hat gesagt: „Ja schau, ich bin aus Licht gemacht, aus Ewigkeit und er ist aus Dreck gemacht, aus Lehm, aus Dreck.“ „Also gut, was willst du?“ „Ja, ich werde mich niederknien, wenn er besser ist als ich, wenn er mehr weiß als ich.“ Und Gott sagt: „Gut, dann wollen wir das doch testen. Ich hab schon die Tiere erschaffen und ich allein weiß, wie die Tiere heißen. Und jetzt machen wir es so: Ich führ’ euch drei Tiere vor, dir, Adam und dir, Samael. Und wer von euch die Namen der Tiere weiß, da können wir es dann testen, wer klüger ist. Und du, Samael, wenn du unterliegst, brauchst du dich nicht hinzuknien vor Adam, weil dann folgst du dem Luzifer, dem Helel ben Schachar, nach in die Hölle.“ Da hat sich der Samael wahrscheinlich schon gedacht: „Ich hab’ mich zu weit hinausgelehnt.“ Aber man konnt’s nicht mehr rückgängig machen.

Und Gott führt das erste Tier vor, das ist so ein kleines Tier, das hoppelt so daher. Hat zwei lange Ohren, hat so einen buschigen kleinen Schwanz und es ist da und er wendet sich an den Samael: „Sag also Samael, was ist der Name dieses Tieres?“ Und der Samael, ganz Rationalist, zählt in einer hurtigen Geschwindigkeit alle Haare dieses Tieres zusammen, dividiert sie durch die Anzahl der Beine, durch die Anzahl der Augen und so weiter, und muss am Schluss sagen: „Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie der Name dieses Tieres ist.“ „Gut, schau Adam“, sagt Gott. „Schau her, da ist dieses Tier. Siehst du, es ist so klein, hoppelt so daher, hat einen buschigen Schwanz, zwei lange Ohren. Adam, HASt du eine Ahnung, wie das Tier heißen könnte?“ Und der Adam sagt: „Es ist der HASe.“

„Ja“, sagt Gott. „Siehst du Samael. Haben wir noch zwei Tiere übrig.“ Das andere Tier ist ein Vogel eigentlich. Ein weißer Vogel, der schwimmt aber auf dem Wasser. Hat so einen langen Hals und so schön geschwungen, wie eine Zwei sieht der aus. Wieder berechnet der Samael und wieder weiß er’s nicht. Er sagt: „Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht.“ „Gut“, sagt Gott, „Komm her!“ zu Adam. „Schau her, schau dir’s an, ja dann SCHWANt dir vielleicht, wie das Tier heißen könnte.“ Und Adam sagt: „Es ist der SCHWAN.“

Ja, und als nächstes kommt ein ganz winzig kleines Tier, das fliegt so und so und fliegt so hin und her. Dann fragt Gott wieder den Samael und der Samael weiß es nicht und Gott sagt zu Adam: „Adam, BIN ich zurecht der Meinung, dass du auch weißt, wie dieses Tier heißt?“ Und er sagt: „Es ist die BIENe.“

Na ja gut, nun wird Samael von Michael vor die Pforten des Paradieses geführt und Michael will ihn hinabstürzen in die Hölle und der Samael sagt: „Du hast doch gemerkt, er hat uns, er hat mich reingelegt. Wie soll das weitergehen? Wenn wir drei uns zusammentun, du Michael, Helel ben Schachar-Luzifer und ich, Samael – ein Triumvirat. Vielleicht ist das alles viel besser?“ Aber der Michael lässt sich nicht bestechen und stürzt den Samael in die Hölle hinab und Samael ist zu klein um in den Himmel zu greifen. Aber er greift zu den Flügeln des Michael und reißt ihm eine Feder aus. Das ermöglicht es dem Samael, jederzeit, wenn er will, auf die Erde zu kommen. In den Himmel nicht, er schafft es nicht, aber auf die Erde zu kommen – zu unserem Unglück, das dürfen wir nicht vergessen. So und nun, nun ist es also so weit, sind da die Widersprüche gelöst. So, wir sehen auch bei den himmlischen Heerscharen ist das nicht so unproblematisch. Und Gott sagt zu Adam: „Hör zu Adam, weil du schon angefangen hast den Tieren die Namen zu geben, dann führ’ das Werk zu Ende, benenn’ die Tiere.“ Ja, und der Adam sitzt da und benennt die Tiere: „Du bist der Hecht und du bist der Hirschkäfer und du bist der Specht.“ So geht das hin und her, ganz unsystematisch geht das hin und her. Und es dauert lang, mein Gott, das dauert lang. Es gibt so viele Tiere, das ist unbeschreiblich. Mein ältester Sohn ist Zoologe, was der mir erzählt, was es für Tiere gibt, von denen Sie gar keine Ahnung haben. Der Adam hat’s natürlich gewusst, er musste jedem einen Namen geben. Das geht so dahin und irgendwann kommt der Michael zum Gott und sagt: „Du, der ist nicht guter Stimmung. Der ist nicht gut gelaunt und schaut.“ Und der Adam, der sagt: „Es ist so langweilig und ich seh’ immer die Tiere kommen, immer zu zweit. Die sind immer zu zweit. Zwei Hirschkäfer, ein Hirschkäfer und eine Hirschkäferin, ein Hecht und eine Hechtin, einen Specht und eine Spechtin und die stehen in der unendlich langen Reihe an, denen ist aber nicht langweilig und dann sind sie irgendwann zu dritt. Ich möchte auch so eine haben.“ Gott sagt: „Nein, ich wollt’ dich einmalig erschaffen. Einmalig! Verstehst du, dass du etwas Einmaliges bist?“ „Ja, ich versteh’s“, sagt der Adam sehr schlecht gelaunt. Gott musste den Schlaf erfinden, damit er sich von seiner schlechten Laune erholt, der Adam. Und dann irgendwann einmal sagt der Michael: „Ich glaub du kommst nicht umhin, du musst ihm eine Frau geben.“ Wissen Sie, es gibt eine Menge von sogenannten Midraschim, das sind so Kommentare zur Bibel, die vor allem im Mittelalter geschrieben worden sind. Von Rabbinern, die halt so viele, viele Widersprüche erklären wollten und da gibt es Midraschim, in denen wird erzählt, dass es nicht nur eine Eva gegeben hat – wie in der Bibel – die aus der Rippe des Adam geschnitten worden ist, sondern, dass Gott mehrere Versuche gemacht hat. Es wird von der Lillith erzählt, die Vorläuferin von Eva. Eine Heilige aller Feministen, Feministinnen, Entschuldigung. Es wird auch von einer ersten Eva erzählt und dass unsere Eva, die wir kennen, eigentlich erst die zweite Eva ist. Ist eine weite Geschichte, aber irgendwann ist es Gott gelungen. Ich fand das ja immer so schön bei diesen Geschichten, dass auch er kein fertig Optimierter ist, also dass es auch er versucht hat. Er hat das das erste Mal gemacht. Man macht nicht jeden Tag eine Schöpfung, das passiert nur ein Mal. Dann hat er die Eva gemacht und dann, wo sie dann da ist – und Adam war sehr glücklich, dass er nicht mehr allein ist – da hat er die beiden durch den Garten Eden geführt. Sehr stolz. Wollte ihnen zeigen, wie schön das ist, was er für sie gemacht hat – das Paradies. So spiralenförmig von außen nach innen hat er sie geführt, weil der Höhepunkt war am Schluss: In der Mitte, genau in der Mitte, Sie erinnern sich daran, wo Gott gestanden ist, bisschen breitbeinig, wo Helel ben Schachar-Luzifer auch gestanden ist mit seinen Beinen. Aus diesen beiden Fußabdrücken ist ein Baum gewachsen. Ich hab’ mal so einen Baum gesehen, einen Olivenbaum, irgendwo in Italien und der hat unten zwei Stämme gehabt und so hat der ausgesehen, wie dieser Baum. Der ist da herausgewachsen. Und weil natürlich Gott das Prinzip des Guten ist und Luzifer das Prinzip des Bösen, war das dann eben der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Der ist gewachsen und Gott hat zu Adam und Eva gesagt: „Ihr dürft von allen Früchten des Gartens essen, nur von diesem nicht.“ Er hat ihnen keine Begründung genannt. Er hat ihnen nur gesagt, was folgen wird, wenn sie doch davon essen. „Solltet ihr doch davon essen, dann werdet ihr des Todes sterben.“ Und dann waren sie im Paradies so und das war schön so, mit den Tieren und so. Da war das Paradies. Das war immer gleich, jeden Tag, immer gleich. Sie sind spazieren gegangen, manchmal zusammen, manchmal getrennt. Die Eva, die hat’s immer hingezogen, zu dem Baum, die hat da geschaut und eines Tages war eine Schlange bei diesem Baum. Und diese Schlange – ich verrate es Ihnen – diese Schlange ist eben Samael, der mit Hilfe der Feder aus dem Flügel des Michael auf die Erde gekommen ist, sich aber in eine Schlange verwandelt hat, und die Schlange fragt die Eva: „Wie geht’s dir?“ Und die Eva die wusste mit der Frage nichts anzufangen. Weil ich meine, wenn ich Sie frage: „Wie geht’s dir?“ dann müssen Sie in der Lage sein, mindestens, wenigstens zwei Antworten als Möglichkeit zu haben, denn entweder es geht mir gut oder es geht mir schlecht. Nachdem es einem im Paradies aber nur gut gehen kann, ist diese Frage nicht verständlich für jemanden, der im Paradies wohnt. So hat die Schlange da die Eva in Gespräche verwickelt. Die war ganz verwirrt. „Warum isst du denn nicht von diesem Baum?“ Und Eva sagt: „Es ist verboten worden.“ „Ja warum denn?“ „Ja dann werden wir des Todes sterben.“ „Ja weißt du denn was der Tod ist?“ „Nein, das weiß ich nicht.“ „Du weißt es nicht? Vielleicht ist es überhaupt das Beste.“ Und er wickelt, also Samael, die Schlange, wickelt Eva in Widersprüche ein und schließlich kann sie nicht anders, sie greift und isst seine Frucht und Adam sieht das, hat dann auch Lust und greift auch zu und isst auch. Bald darauf hören sie die Schritte Gottes donnernd. Wumm. Sie verstecken sich und Gott ruft den Adam: „Wo bist du? Komm heraus.“ Adam will herauskommen, doch da sieht er, dass er nackt ist und hält sich da was vor seine Scham, tritt vor Gott und Gott sagt: „Was hast du da? Was tust du da? Was ist das da?“ Sagt er: „Weißt du, ich bedecke mich. Ich wollte nicht nackt vor dich hintreten.“ Und Gott sagt: „Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam?“