Lehren und Lernen auf der Sekundarstufe II (E-Book)

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Lehren und Lernen auf der Sekundarstufe II (E-Book)
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Doreen Holtsch, Maren Oepke, Stephan Schumann (Hrsg.)

Lehren und Lernen auf der Sekundarstufe II

Gymnasial- und wirtschaftspädagogische Perspektiven

ISBN Print: 978-3-0355-1538-1

ISBN E-Book: 978-3-0355-1539-8

1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.ch

Inhalt

Vorwort

Perspektiven auf das Schweizer Bildungssystem und Herausforderungen an das Lehren und Lernen

Josef Widmer

Wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Schweizer Bildungssystems

Hans Ambühl

Zur gesamtschweizerischen Verantwortung für die gymnasiale Maturität

Jürgen Oelkers

Swissness in der Pädagogik: Ein historischer Essay

Otfried Jarren

Medien- und Öffentlichkeitswandel als fundamentale Herausforderung für Hochschulen und das Wissenschaftssystem

Helmut Heid

Warum zwischen Lehren und Lernen unterschieden werden muss

Claude Müller und Fabienne Javet

Flexibles Lernen als Lernform der Zukunft?

Entwicklungen und Zukunft des Gymnasiums

Lucien Criblez

Die gymnasiale Matur als allgemeiner Hochschulzulassungsausweis – bildungshistorische Reminiszenzen

Katharina Maag Merki

Gymnasium und Standardisierung

Gisela Meyer Stüssi

«Allgemeine Studierfähigkeit und vertiefte Gesellschaftsreife»

Franz Baeriswyl

Wer nutzt die Gelegenheit zum Übertritt nach der Sekundarstufe I in einen maturitären Bildungsgang?

Regula Kyburz-Graber

Hochschulreife und selbstständiges Lernen

Christoph Metzger

Ein erneuter Blick auf die Studierkompetenz

Kai Niebert

The Gymnasium in Times of the Anthropocene

Christian Rüede und Fritz C. Staub

Adaptivität als Kern basaler mathematischer Kompetenzen für allgemeine Studierfähigkeit: Was heißt das in der Algebra?

Sarah Forster-Heinzer

Eindruckssteuerung am Gymnasium: Wer hat sie nötig?

Dorit Bosse, Witlof Vollstädt, Charlotte Gallenkamp und Hannah Leppin

Neue Wege für die gymnasiale Oberstufe – erste Ergebnisse eines Berliner Schulversuchs

Karin Gehrer und Maren Oepke

Haben Kreative bessere Sprachkompetenzen?

Maren Oepke, Nicole Ackermann, Christel Brüggenbrock, Birgit Hartog-Keisker, Anja Kükenbrink und Sören Vogel

Der Beitrag gymnasialer Erstsprachkompetenzen zur Sicherung der allgemeinen Studierfähigkeit

Lehren und Lernen auf der Sekundarstufe II – Wirtschaftspädagogische Perspektiven

Rolf Dubs

Wirtschaftslehre an Gymnasien

Frank Achtenhagen und Susanne Weber

Einige fachdidaktische Anregungen für einen evidenzbasierten Wirtschaftslehreunterricht

Eveline Wuttke, Susan Seeber und Jürgen Seifried

Ökonomische Kompetenz Jugendlicher und junger Erwachsener im Übergang zur Berufsbildung und in der beruflichen Bildung

Dieter Euler

Design-based-Research in der ökonomischen Bildung

Doreen Holtsch, Andrea Reichmuth-Sprenger, Eva Höpfer, Silja Rohr-Mentele, Fabio Sticca, Sarah Forster-Heinzer, Barbara Meuli Ibarra und Eva Wenger

Unterrichtswahrnehmung, situatives Interesse und kognitive Aktivität von Lernenden im kaufmännischen Bereich

Bettina Greimel-Fuhrmann

«Wenn du es nicht einfach erklären kannst, hast du es nicht gut genug verstanden»

Reinhold Nickolaus

Erwartungen an Effekte methodischer Entscheidungen für die Motivations- und Kompetenzentwicklung und deren (fehlende) Einlösung

Christiane Kuhn and Olga Zlatkin-Troitschanskaia

Professional Competencies of Pre- and In-Service Teachers in Business and Economics

Lehrerinnen- und Lehrerbildung

Detlef Sembill

Lehrpersonenausbildung 5.12

Philipp Gonon

Berufsfachschullehrperson quo vadis? – Blick zurück und nach vorn

Stephan Schumann

Belastungserleben von angehenden Lehrpersonen der Sekundarstufe II in der Schweiz und in Deutschland

Herausgeberinnen und Herausgeber, Autorinnen und Autoren

Vorwort

Die vorliegende Festschrift ist Prof. Dr. Franz Eberle anlässlich seiner Emeritierung an der Universität Zürich auf Ende Januar 2019 gewidmet. Schon allein die Anzahl der Beiträge und die institutionelle Herkunft der Autorinnen und Autoren macht deutlich, welche Wertschätzung Franz Eberle in Wissenschaft, Schulpraxis und Bildungspolitik erfahren hat – und sicherlich auch noch in Zukunft erfahren wird. In inhaltlicher Hinsicht spiegeln die meisten Beiträge die beiden wesentlichen erziehungswissenschaftlichen Bezüge seiner Arbeit wider: die Gymnasialpädagogik und die Wirtschaftspädagogik. Zu beiden Bereichen hat Franz Eberle – insbesondere, aber nicht nur, für die Schweiz – wegweisende Arbeiten vorgelegt; insofern sind die Verweise auf seine Arbeiten in den verschiedenen Beiträgen unumgänglich.1

1Biografisches vor der Zürcher Zeit: Wechselspiel von Theorie und Praxis

Die wissenschaftlichen Interessen von Franz Eberle lassen sich gut aus seiner Biografie herleiten: Geboren wurde er 1955 in Flums, wo er auch die Volksschule besuchte. Eine erste, für ihn wegweisende Entscheidung wurde 1961 durch das St. Galler Volk getroffen, in welcher – im Übrigen sehr knapp – der Einrichtung einer Kantonsschule in Sargans zugestimmt wurde. Am Sarganser Gymnasium erwarb Franz Eberle im Jahre 1974 seine Matur, und nach seinen eigenen Worten hätte er ohne die Einrichtung dieser Schule vermutlich nie den akademischen Weg beschritten, denn seiner Familie wären angesichts der deutlich weiter gelegenen Option St. Gallen «Kosten und Ertrag» recht unverhältnismäßig erschienen. Nach der Matura ging er dann doch nach St. Gallen, um Wirtschaftspädagogik an einem der hierfür renommiertesten Standorte zu studieren, der maßgeblich von Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Rolf Dubs geprägt wurde. Nach dem Abschluss im Jahre 1980 als Mag. oec. HSG wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Wirtschaftspädagogik von Rolf Dubs. Im Jahre 1986 wurde er mit einer empirischen Arbeit zum Thema «Unterschiede in schulleistungsrelevanten Merkmalen zwischen Wirtschaftsgymnasiasten und Gymnasiasten anderer Maturitätstypen» promoviert. Betont werden muss, dass Franz Eberle praktisch die gesamte Felderhebung – getestet und befragt wurden immerhin rund tausend Schülerinnen und Schüler – selbst durchgeführt hat. Für seine Dissertation erhielt er den Amicitia-Preis für das beste Doktorat des akademischen Jahres 1986/87. Diese Arbeit kann sowohl in inhaltlicher als auch in methodischer Hinsicht als Grundsteinlegung für spätere Großprojekte wie EVAMAR II, die Studie OEKOMA und das Leading House LINCA angesehen werden.

Ganz entscheidend für die Praxisfundierung der Forschungsaktivitäten von Franz Eberle sind seine Tätigkeiten als Lehrer. War er schon während seines Studiums im Rahmen von Lehraufträgen und Vertretungen in verschiedenen Schultypen tätig, so wechselte er 1987 als Hauptlehrer für Wirtschaft und Recht (inklusive Informatik) für vier Jahre an die Kantonsschule Zug und damit gänzlich in die Schulpraxis. Trotz vergleichsweise geringer vorheriger Schulpraxis und Nicht-Zuger Herkunft wurde er hier innert kürzester Zeit Präsident des Lehrerkonvents und Mitglied des Kantonsschulrats als Vertreter der Lehrerschaft. Seine Bezüge zu St. Gallen verlor er jedoch nie ganz, und schon 1990 wurde er an der HSG – mit halbem Pensum – Dozent für Wirtschaftspädagogik und Betriebswirtschaftslehre. Durchaus im Sinne einer Heimkehr trat er 1991 – ebenfalls mit halbem Pensum – eine Stelle als Hauptlehrer für die Wirtschaftsfächer und Informatik an der Kantonsschule Sargans, «seinem» Gymnasium, an. Und auch hier wurde er schnell bildungspolitisch aktiv, war er doch Mitglied in einer kantonalen Projektgruppe zur Umsetzung des neuen Maturitätsanerkennungsreglements 1995 (MAR im Kanton St. Gallen, 1995).

 

Angesichts dieser multiplen Herausforderungen ist es ausgesprochen außergewöhnlich, in welch kurzer Zeit Franz Eberle schon im Jahre 1996 seine Habilitationsschrift mit dem Titel «Didaktik der Informatik bzw. einer informations- und kommunikationstechnologischen Bildung auf der Sekundarstufe II» vorlegte und damit an der Universität St. Gallen die Venia Legendi für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik zugesprochen bekam. Mit seiner Arbeit widmete er sich zugleich schon damals einem Thema, das heute – unter dem Stichwort «Digitalisierung» – aktueller kaum sein könnte. Nach der Habilitation blieb er der HSG drei weitere Jahre erhalten. Im Jahre 1999 erfolgte dann die Berufung nach Zürich auf eine Professur für Gymnasialpädagogik mit wirtschaftspädagogischem Schwerpunkt, die zunächst ein halbes Pensum ausmachte, die zweiten 50 Prozent blieb er weiterhin Hauptlehrer in Sargans. Ganz ohne Zweifel ist diese Kombination aus Forschung, universitärer Lehre und schulischer Praxis eine ganz besonders gute Voraussetzung für die Ausübung einer Professur für Gymnasialpädagogik. Nach zwei Jahren erfolgte dann die Überführung der Professur in ein Vollamt und nach weiteren sechs Jahren in eine ordentliche Professur. Obwohl er im Jahr 2001 seine schulische Lehrtätigkeit aufgab, hat Franz Eberle weiterhin systematisch Bezug auf die schulische Praxis genommen, und insbesondere die Studierenden profitierten hiervon durchgängig. So greift er auf ein reichhaltiges Repertoire an Beispielen aus der eigenen Unterrichtspraxis zurück, sodass seine Lehrveranstaltungen stets von hoher Authentizität, Anschaulichkeit und belebenden Bezügen zur Schulpraxis geprägt waren. Es ist ihm darüber hinaus bis heute ein wichtiges Anliegen, die allgemeindidaktischen Lehrveranstaltungen mit der fachdidaktischen Lehre am Institut fortwährend zu verzahnen und optimal aufeinander abzustimmen und damit die Qualität der Lehrdiplomausbildung über die eigenen Lehrveranstaltungen hinaus stetig zu verbessern. Zugleich führt seine Praxiserfahrung nicht nur in den abgeschlossenen, sondern laufenden bildungspolitischen Projekten zu großer Anerkennung aufseiten aller Beteiligten.

2Das Wirken von Franz Eberle an der Universität Zürich und sein zunehmender Einfluss auf die Bildungspolitik

Anders als aus St. Gallen gewohnt, war seine Zürcher Professur nicht an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät verortet, sondern zusammen mit den Lehrstühlen der für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung verantwortlichen Professorinnen und Professoren am damaligen Höheren Lehramt Mittelschulen (HLM) am alten Standort am Beckenhof. Damit war Franz Eberle der Philosophischen Fakultät zugehörig. Um den Anschluss an die Fachwissenschaft schon strukturell zu erhalten, erwirkte er allerdings zusätzlich eine Kooptierung an die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, was auch als Ausdruck der von ihm wahrgenommenen Bedeutung des Faches als solches zu verstehen sein sollte.

Die sogenannten Nullerjahre und der Beginn der 2010er Jahre waren durch Debatten um die grundsätzliche Bedeutung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung an der Universität Zürich geprägt und damit auch um die strukturelle Verortung des HLM bzw. von dessen Nachfolger, dem Institut für Gymnasial- und Berufspädagogik (IGB). Letztlich gelang dank dem Zusammenschluss mit dem Institut für Erziehungswissenschaft (IfE) und der Einrichtung einer Abteilung für Lehrerinnen- und Lehrerbildung Maturitätsschulen (LLBM) der Eintritt in ein ruhigeres Fahrwasser für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung, an dem gerade Franz Eberle als (erster) Abteilungsleiter in der Transitionsphase ganz entscheidend mitwirkte. Inzwischen ist die Lehrerinnen- und Lehrerbildung sogar mit einem eigenen Paragrafen im Universitätsgesetz verankert, sodass sich grundsätzliche Fragen nach ihrer Zugehörigkeit zur Universität nicht mehr stellen sollten.

War sein Team anfänglich noch vergleichsweise klein, so wuchs es mit der Zeit vor allem durch den Erfolg bei der Einwerbung von Forschungsgeldern. Das erste größere eingeworbene Projekt war die SNF-Studie «Anwendungs- und problemorientierter Unterricht» (APU), aus der eine Vielzahl an Veröffentlichungen resultierte. Fast zeitgleich warb Franz Eberle mit der im Sommer 2005 durch Bund und EDK finanzierten zweiten Evaluationsphase der gesamtschweizerischen Evaluation des MAR 95 (EVAMAR II) ein Projekt ein, das bis zu seiner Emeritierung maßgeblich und inhaltlich wegweisend für seinen Lehrstuhl sein sollte. In EVAMAR II lag der Fokus auf der objektivierten Erfassung des Ausbildungsstandes und der Studierfähigkeit von Schülerinnen und Schülern am Ende des Gymnasiums in Mathematik, Erstsprache, Biologie sowie im überfachlichen Fähigkeitsbereich. Mit der Vorlage des Abschlussberichts im Jahre 2008 begann in der Schweiz eine umfassende, in Teilen öffentlich geführte Diskussion um die Studierfähigkeit der Maturandinnen und Maturanden, die Franz Eberle aufgrund seiner Projektleitung von EVAMAR II und seiner mit klarem Anspruch auf gleichzeitige Sensibilität für die Wahrnehmungen aller Beteiligten verfassten Empfehlungen aus EVAMAR II für die nächste Dekade beeinflusste. Ganz wesentlich äußert sich dies im späteren Auftrag von EDK und SBFI, die «basalen fachlichen Kompetenzen für allgemeine Studierfähigkeit in Mathematik und Erstsprache» zu ermitteln. Dazu führten Franz Eberle und sein Team ein umfassendes Projekt durch, das nun eindeutig weniger wissenschaftlich, sondern eher bildungspolitisch motiviert war. In der Konsequenz führte das Projekt unter anderem zu einer Ergänzung des Rahmenlehrplans für Maturitätsschulen, welche die Beschreibung des Könnens und Wissens in der Erstsprache und Mathematik betrifft, die für viele Universitätsstudien vorausgesetzt werden.

Auch durch seine zentrale Rolle bei der Klärung der Frage nach der Studieneignung und dem Umgang mit dieser Herausforderung nahm Franz Eberle in diversen Kommissionen Einsitz bzw. leitete diese. Folgende Gremien seien an dieser Stelle – im Sinne einer Auswahl – genannt: Von 2007 bis 2016 war Franz Eberle Mitglied der EDK-Kommission für die Anerkennung der Lehrdiplome für Maturitätsschulen, ab 2017 deren Präsident; ab 2013 war er Mitglied der Schweizerischen Maturitätskommission; zudem Mitglied des Beirats der Schweizerischen Universitätskonferenz (SUK) für den Eignungstest für das Medizinstudium (EMS; 2011–2017) sowie seit 2017 ständiger Gast der wissenschaftlichen Begleitgruppe für das Zulassungsverfahren zum Medizinstudium. Er hatte diverse weitere Ämter inne, die hier nicht weiter aufgeführt werden.

Neben der gymnasialpädagogischen Forschung hat Franz Eberle in Zürich wesentliche Beiträge zur Wirtschaftspädagogik geleistet, die im In- und Ausland stark wahrgenommen wurden. Zentral war insbesondere die Untersuchung der Frage nach der Ausprägung und dem Zustandekommen ökonomischer Kompetenzen der Lernenden auf der Sekundarstufe II. Ein Meilenstein war hierbei die SNF-Studie OEKOMA, in der diese Kompetenzen von Maturandinnen und Maturanden erstmals systematisch im letzten Jahr des Gymnasiums und der Berufsmaturitätsschule in der Deutschschweiz untersucht wurden. Praktisch nahtlos an diese Studie schloss sich das vom SBFI geförderte Projekt «Modellierung und Messung wirtschaftsbürgerlicher Kompetenz» an, das in diverse deutsche Projekte im Verbund COBALIT im Rahmen der BMBF-Initiative ASCOT zur technologiebasierten Erfassung der Kompetenzen von Lernenden in der beruflichen Erstausbildung eingebunden war. Mit den Ergebnissen konnten erstmals systematisch vergleichende Befunde zwischen der Schweiz und Deutschland vorgelegt werden.

Das prominenteste, wissenschaftlich und methodisch anspruchsvollste Projekt in der wirtschaftspädagogischen Domäne war jedoch ohne Zweifel das vom SBFI geförderte Leading House «Lehr-Lernprozesse im kaufmännischen Bereich» (LINCA). In diesem längsschnittlichen Projekt wurde erstmals die Entwicklung der kaufmännischen und wirtschaftsbürgerlichen Kompetenzen einer Kohorte angehender Kaufleute über den gesamten Ausbildungsverlauf erfasst. Darüber hinaus gaben Lernende und ihre Lehrpersonen Auskunft zu ihrer Wahrnehmung der Unterrichtsqualität in «Wirtschaft und Gesellschaft». Eine Videostudie ergänzte die umfangreichen und komplexen Datenerhebungen und Datenanalysen. Ein besonderes Verdienst von Franz Eberle war, dass Facetten der professionellen Kompetenz von Lehrpersonen in kaufmännischen Berufsfachschulen der Deutschschweiz erstmals erhoben werden konnten, denn mit seiner Bekanntheit und fachlichen Versiertheit gelang es ihm, mehr als 150 Lehrpersonen zur Teilnahme an der Befragung zu mobilisieren. Erwähnt werden sollte, dass er nicht nur in diesem Projekt, sondern auch in anderen Projekten den wissenschaftlichen Nachwuchs förderte.

Forschung ist für Franz Eberle nie Selbstzweck. Es war für ihn neben dem nuancierten Praxisbezug selbstverständlich, die eigenen Forschungsbefunde in seine Lehre einfließen zu lassen. Damit trug er zur Valorisierung von Forschungsergebnissen bei. Ein weiteres großes Anliegen war ihm die Förderung einer konstruktiven Haltung und eines differenzierten Blicks von Studierenden und seinen Mitarbeitenden, wenn Forschungsergebnisse in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Die Verzahnung von Forschung und Lehre gelang unter anderem dadurch, dass er gemeinsam mit Prof. Dr. Philipp Gonon maßgeblich und kontinuierlich zum Ausbau des Profils «Berufs- und Wirtschaftspädagogik» innerhalb der Erziehungswissenschaft beitrug und damit dessen Bedeutung an der Universität Zürich steigerte.

3Franz Eberle als Mensch

In beruflicher Hinsicht darf ein zentraler Puzzlestein zur Erklärung seiner oben skizzierten Erfolgsgeschichte nicht unerwähnt bleiben: Franz Eberle handelt immer als menschlicher Kollege, der gut und genau zuhört und sich aufgrund einer begründeten Sachlage eine Meinung bildet. Platzhirschverhalten, Aktionismus und Interventionismus sind ihm unbekannt – gerade dadurch erfährt er allerhöchsten Respekt und prägte auf diese Weise ein positives und unterstützendes Klima für sein Team und für das gesamte Institut.

Sicherlich ist eine Festschrift nicht der Ort, in dem private Aspekte in Tiefe ausgebreitet werden. Dennoch sei es erlaubt, einige Dinge anzusprechen, die Franz Eberle als Mensch auszeichnen: Dass er ein «Bergmensch» ist, dürfte all denjenigen bekannt sein, die Gelegenheit hatten, ihn persönlich kennenzulernen. Nicht nur, dass er seit vielen Jahren in einem wunderschönen Haus weit oberhalb des Walensees wohnt, sondern auch die Tatsache, dass er ein passionierter Berggeher und Alpinist ist, ist erwähnenswert. Die Berge sind für ihn identitätsstiftend, und trotz seiner sehr zeitintensiven beruflichen Tätigkeit hat er sich immer die Freiheit genommen, die nahe und ferne Bergwelt zu erkunden. Neben weiten Reisen mit seiner Frau Anna-Katharina nach Nepal oder zum Kilimandscharo unternimmt er regelmäßig Ski- oder Alpintouren, die ob ihrer Schwierigkeit den meisten Menschen zeitlebens versagt bleiben werden. Und die Kraft und Ruhe für den Alltag hat er sich allwöchentlich durch Bergläufe auf seinen – Zitat – «nur» 2000 Meter hohen Hausberg, den Gulmen, geholt.

Franz Eberle hat in seinem privaten und beruflichen Leben viele Berge erklommen und sicherlich auch das eine oder andere Tal durchschritten. Es bleibt ihm zu wünschen, dass er nach seiner Pensionierung noch zur einen oder anderen Bergtour ansetzen wird – der Eintrag im «Gipfelbuch» der Schweizerischen Gymnasial- und Wirtschaftspädagogik ist ihm jedoch sicher!

Doreen Holtsch, Maren Oepke, Stephan Schumann

St. Gallen, Zürich und Konstanz im November 2018

Perspektiven auf das Schweizer Bildungssystem und Herausforderungen an das Lehren und Lernen