Dies Meer hat keine Ufer

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Dies Meer hat keine Ufer
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Über den Autor
Über den Autor

Ulrich Holbein wurde 1953 in Erfurt geboren. Er wohnt in Hessen und ist Autor von rund 900 Publikationen in FAZ, FR, SZ, ZEIT, WDR, SWF u.v.a.; Ulrich Holbein veröffentlichte 24 Bücher, darunter ein Lexikon heiliger Narren, mit vielen Querbezügen zu persisch-arabischen Mystikern.

Zum Buch
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Entferne dich von dir selbst und komm!

In dieser neuen Sammlung der schönsten Sufi-Weisheiten werden erstmals gewisse Verstiegenheiten und abstruser Humor nicht unter den Perserteppich gekehrt. Geboten wird ein vielstimmiges Panorama und Stimmenkonzert, das Paradoxe und Seltsamkeiten weder glättet noch überbetont. So entsteht mit diesem Sammelbecken und Delta sufischer Aussprüche ein durchaus neues Gesamtbild muslimischer und auch anderer Mystik.

Seit über tausend Jahren wird jeder offizielle Islam von mystischen Dimensionen durchströmt, verfeinert, vertieft, abgewandelt, auch unterlaufen. Merkwürdige Derwische, Scheiche, Asketen, mystische Dichter, Ekstatiker, Qalandare (Wanderderwische), Theologen, Denker und Ketzer trugen zwischen 800 und 1300 n.Chr. zur Blütezeit des Islam bei. Von sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten wurden Anekdoten, Biographien, Aussprüche, Verse überliefert, hier nach Themengruppen sortiert und pro Kapitel chronologisch dargeboten. Ausgegraben aus vergriffenen, abgelegenen Quellen, zusammengetragen, großenteils neu übersetzt bis nachgedichtet, vieles erstmals auf deutsch, mit ausführlichem Nachwort, Zeittafel, Tabelle persisch-arabischer Fachausdrücke, Literaturverzeichnis.

Haupttitel

Impressum


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2011 Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH Bildnachweis: Sufi Tale Illustration, Aquarell von Peter Szasz, USA – Sausalito Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop eBook-Bearbeitung: Medienservice Feiß, Burgwitz Gesetzt in der Palatino Ind Uni – untersteht der GPL v2 ISBN: 978-3-8438-0051-8 www.marixverlag.de

Inhalt

Über den Autor

Zum Buch

Vorbemerkung

Berge gehen wie Wolken dahin

Weisheit aus verrückten Mündern

Bevor du abkratzt – stirb!

Euer Bauch ist ein Hund!

Wer um tausend Jahre zurückfällt

Die größte Sonne mit den kleinsten Sternen suchen

Sufismus ist Sanftmut

An Allah denken, bis Allah an mich denkt

Wer ist wahrhaft weise?

Abu Bakr Schibli sprach zu mir

Die ganze Welt für eine Lumpenmütze

Denn er glich sowieso den Engeln

Wir wollen nicht wollen

Lustgefühle und Lichter finden kein Ende

Wollust jenseits des Leibes

Wie Muscheln der Erleuchtung im Meer der Seele

Ein hungriger Narr geht in die Wüste

Kein süßeres Gesöff als dieses Gift

Dessen Herz wird gereinigt

Jedes Heizhaus hat ein Rosengärtchen

Falls du an mein Grab gepilgert kommst

Acht Paradiese anzünden und neun Höllen löschen

Wer Allahs Nähe sucht, ist kühn

O Allah, hasse uns nicht!

Entferne dich von dir selbst und komm!

Wer die Derwische wirklich sind

Manchmal kam Schibli zu Dschunaid

Meine Glieder sind verrückt

Ich bin als Mystiker Elefant, du bloß Mücke

Jede Nacht achtzig Tränenmeere vergießen

Strenge Suren, weiche Sufis

Eines Tages kam Ibrahim an einen Brunnen

Was nützt mir die Ka’ba?

Wir gingen von Gott zu Gott

Ihr metaphysischer Durst wurde nie gelöscht

Gläubige wie Ungläubige, getaucht in Blut

Wer das Kamel nicht bewältigen kann

Mein Esel trägt ein Ringlein hold

Ich ging ohne mich zu Allah

Sufi-Mystik – im Ozean göttlicher Scheinparadoxa

Zeittafel klassischer Sufis

Klassisches Sufi-Vokabular

Tasawwuf und takalluf

Literaturverzeichnis

Kontakt zum Verlag

Vorbemerkung

In der Goldenen Ära des Sufismus, zwischen 800 und 1300, scheinen zwischen Ägypten und Pakistan merkwürdige Scheiche, komische Derwische, Sufi-Heilige in einer Kopfzahl herumgelaufen zu sein wie im antiken Griechenland Wanderphilosophen, Vorsokratiker, Kyniker, im Vorderen Orient Gnostiker oder im christlichen Mittelalter Ketzer, Flagellanten und Wiedertäufer. Recht verschiedene Persönlichkeiten – Denktypen, Theologen, Asketen, bisweilen auch Spaßvögel – frönten allesamt der Neigung, sich in die vorgegebene Religion ihres jeweiligen Landes unmäßig engagiert hineinzuleben und auf dem Weg zu Gott in Verzückungszustände zu verfallen. Alle fanden ungefähr dieselbe Wahrheit, mit kleinen charakterbedingten Unterschieden. Wer von seinen Erkenntnissen nichts aufschrieb, hinterließ Sprüche, Antworten, Bruchstücke aus Lehrgebäuden, Verse, Weisheiten, auch biographische Fragmente, Episoden und Anekdoten.

Bisherige Sufismus-Darstellungen malen oft ein romantisch idealisiertes, allzu frommes oder biederes, mit christlichen Begriffen überlastetes, sprachlich ungenügendes, esoterisch verwässertes Sufi-Bild. In dieser neuen Kompilation werden erstmals gewisse Verstiegenheiten, abstruser Humor, Sexus, Obszönitäten, orientalische Grausamkeit nicht unter den Perserteppich gekehrt. Geboten wird ein vielstimmiges Panorama und Stimmenkonzert, das Widersprüche und Wahnwitz weder glättet noch überbetont. So entsteht mit diesem Sammelbecken und Delta sufischer Weisheiten und Unweisheiten ein durchaus neues Gesamtbild muslimischer und auch anderer Mystik, nach Themengruppen sortiert, und pro Kapitel chronologisch geordnet, ausgegraben aus vergriffenen, abgelegenen Quellen, vergleichbaren Übersetzungen zusammengetragen, teils neu übersetzt bis nachgedichtet, manches erstmals auf Deutsch, mit einem genaueren Blick auf den Beispiel-Sufi Bayezid al-Bastami, den »König der Mystiker«. Inklusive am Schluss ein Sufi-Glossarium, Zusatzmaterialien, Liste klassischer Scheiche zwecks Weiterstudium, Bibliographie sowie als eine Art Nachwort ein umfassend ausholender Traktat über islamische Mystik im Gesamtbild anderer und jeder Mystik.

 

Ulrich Holbein im August 2009

Berge gehen wie Wolken dahin

Prophetenworte als Keimzellen späterer Mystik und Dichtkunst

Und du siehst die Berge, die du für unbeweglich hältst, wie Wolken dahingehen.

Sure 27

Und wir zwangen die Berge und Vögel, uns mit David zu preisen.

Sure 21, 80

Hätten wir diesen Koran auf einen Berg herabkommen lassen, hättest du ihn aus Furcht vor Allah demütig zusammensinken und sich spalten gesehen.

Sure 59, 22

An diesem Tage wollen wir die Himmel zusammenrollen, so wie man ein beschriebenes Pergament zusammenrollt.

Sure 21, 106

– und die Menschen werden dir trunken scheinen, obgleich sie nicht berauscht sind.

Sure 22, 4

Diese Welt ist ein Zauberer und wir sind die Händler, die ihr die gemessenen Mondstrahlen abkaufen.

Hadith

Ana wa Aliyun min nurin wahidin (Ich und Ali bestehen aus einem einzigen Licht)

Hadith

Der Hass der Fledermäuse beweist, dass ich die Sonne bin.

Hadith

Die Absicht des Gläubigen ist besser als das Werk.

Von Sufis gern zitiertes Prophetenwort

Wenn Allah einen Menschen liebt, schaden ihm seine Sünden nicht.

Prophetenwort, auf das die Sufis sich stürzten und das sie in Umlauf brachten

Der Prophet hat gesagt: »Gar mancher Zerzauste, Staubbedeckte, mit zwei Fetzen Bekleidete, würde er Allah beschwören, so erfüllte Allah seinen Schwur. Al-Bara’ ist einer von ihnen.«

Sarradsch in seinem Kapitel »Widerlegung derer, die behaupten, die Sufis seien unwissende Leute und es gebe für die sufische Wissenschaft keinen Beweis aus dem heiligen Buch und der Überlieferung«, Kapitel 7 seines Werks »Kitab al-luma«

Wer mich im Traum sieht, sieht mich tatsächlich; denn der Teufel nimmt nicht meine Gestalt an.

Allah schuf die Engel, damit die Vernunft auf ihnen reite.

Ich habe Stunden, wo mich weder ein Engel fasst noch ein Cherub.

Wir haben den äußeren Feind besiegt, aber in uns wohnt ein viel schlimmerer Feind.

Die Tinte des Gelehrten ist heiliger als das Blut des Märtyrers.

Wenn ihr wüsstet, was ich weiß, ihr würdet viel weinen und wenig lachen.

Weint, und wenn ihr nicht weint, dann verhaltet euch wie Weinende.

Wer immer von euch Isa ibn Maryam (Jesus, den Sohn der Maria) trifft, soll ihm meine Grüße ausrichten.

Hadith

Schmähe nicht den Gockelhahn, denn er ruft dich zum Gebet!

Allah hat mir befohlen, den Schnurrbart zu stutzen und den Bart wachsen zu lassen.

Ein einziges kaschisch (Ziehen) Allahs kommt dem Streben von Menschen und Dschinnen gleich.

Gott gibt nicht das Diesseits, damit es zum Jenseits führe, er will nicht das Jenseits geben, damit es zum Diesseits führe.

Die zahlreichsten unter den Paradiesbewohnern sind die Narren.

Der Glaube des Menschen erreicht sein volles Maß erst dann, wenn man ihn für verrückt erklärt.

Prophetenwort, das Abu Sa’id auf sich bezog

Die Menschen schlafen, und wenn sie sterben, erwachen sie.

Vertraue auf Allah, aber binde zuerst dein Kamel fest.

Weisheit aus verrückten Mündern

Orientalische Sprichwörter

Die Wurzeln erzählen den Zweigen nicht, was sie denken.

Wenn das Huhn getrunken hat, blickt es auf zu seinem Gott.

Wer ein Kamel bewirtet, muss eine hohe Haustür haben.

Spiel nicht Laute vor einem brünstigen Kamel!

Ein Narr trägt sein Herz auf der Zunge, ein Weiser seinen Mund im Herzen.

Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.

Der Weise wird nicht satt an schönen Sprüchen.

Ich staune: Das Wort eines Weisen aus dem Mund eines Verrückten!

Eine Maus trat zum Islam über – weder vermehrte sie die Zahl der Musulmanen, noch verringerte sie die Zahl der Christen.

Ein Hund und ein Grindkopf sind eine schöne Gesellschaft zu einer gesegneten Pilgerfahrt.

Zuviel Flattern zerbricht die Flügel.

Ein Blinder sagt zu einem Blinden: »Ein schwarzer Tag, an dem wir zusammengetroffen sind.«

Die Dunkelheit ist angenehmer als die Blindheit.

Wenn dir einer sagt, er habe einen Berg versetzt, so kannst du ihm Glauben schenken. Aber wenn dir einer sagt, er hätte seinen Charakter geändert, so glaube das keinesfalls.

Ist auch der Dichter gestorben, seine Zunge verfault nicht.

Bevor du abkratzt – stirb!

Sufi-Regeln, Sufi-Mottos, Sufi-Kurzformeln

Hoffe mehr auf das, was du nicht erhoffen kannst, als auf das, was du erhoffst.

Spruch auf den Steintafeln alter Perserkönige, gern von Sufis zitiert und als Wahlspruch erkoren

Eine Person, die keinen einzigen Teil des Koran auswendig lernt, ist wie ein verlassenes Haus.

Hadith

Wer sich erkennt, der erkennt seinen Herrn.

Unauthentisches, angebliches Prophetenwort, das zurückgeht auf Klemens von Alexandrien »Paedagogus III«, in der islamischen Welt verbreitet durch Yahya ibn Mu’ad al-Razi

Faqri fakhri (meine Armut ist mein Stolz)

Angeblicher Prophetenspruch

Mutu qabla an tamtutu! Wach auf, bevor du geweckt wirst! Bzw. Sterbt, bevor ihr sterbt!

Auf ein Prophetenwort zurückgehender Lieblingsspruch – fast – aller Sufis; überliefert von Nadschmuddin al-Kubra; weitergedachte Variante: »Sterbt, damit ihr nicht sterbt!«

Wahdat ul-wudschud = Einheit des Seins

Viel gebrauchtes Schlagwort persischer Derwische

Fa-kulli bi-kulli l-kulli kullan bi kullihi. (Mein Alles ist in der Gesamtheit vollkommen vereinigt mit Seinem Alles.)

Al-Harkuschi

Wenn fakr (Armut) vollkommen wird, ist es Allah.

Sufi-Standardausspruch, keinem bestimmten Derwisch zuzuordnen

Wessen Herz bei Gebet und Andacht nicht anwesend ist, dem bleibt das Tor Allahs verschlossen.

Ibrahim ibn Adham

Ein Mund, der einmal den Namen Allahs ausgesprochen hat, darf nie mit verbotenen Getränken beschmutzt werden.

Ibrahim ibn Adham

Flieh vor den Menschen wie vor einer reißenden Bestie!

Ibrahim ibn Adham

Wenn du sündigen willst, ernähre dich nicht mit dem, was Allah gehört!

Maxime Nr. 1 von sechs unmöglich zu befolgenden Maximen Ibrahim ibn Adhams

Wenn du sündigst, such dir einen Ort außerhalb von Allahs Reich!

Maxime Nr. 2 von sechs unmöglich zu befolgenden Maximen Ibrahim ibn Adhams

Sündige so, dass Allah dich nicht sieht!

Maxime Nr. 3 von sechs unmöglich zu befolgenden Maximen Ibrahim ibn Adhams

Wenn der Todesengel zu dir kommt, bitte ihn, er möge dir Zeit geben, deine Missetaten zu sühnen.

Maxime Nr. 4 von sechs unmöglich zu befolgenden Maximen Ibrahim ibn Adhams

Wenn dir im Grab zwei Engel erscheinen und nach deinem Lebenslauf fragen, jage sie fort!

Maxime Nr. 5 von sechs unmöglich zu befolgenden Maximen Ibrahim ibn Adhams

Wenn man dich am Jüngsten Tag in die Hölle führt, gehe nicht hin!

Maxime Nr. 6 von sechs unmöglich zu befolgenden Maximen Ibrahim ibn Adhams

Betrübtheit in Demut ist besser als Heiterkeit im Hochmut.

Du n-Nun al-Misri

Wähle jenen zum Freund, der deinen Tadel nicht tadelt!

Du n-Nun al-Misri

Der Gläubige sollte dreierlei von dir erwarten dürfen: Dass du ihm nicht schadest, wenn du ihm schon nicht nützen kannst. Dass du ihn nicht traurig machst, wenn du ihn schon nicht fröhlich machen kannst. Dass du ihn nicht tadelst, wenn du ihn schon nicht lobst.

Yahya ibn Mu’ad al-Razi

Ana l-Haqq (Ich bin Gott bzw. ich bin die absolute Wahrheit)!

Berühmter, als ketzerisch missverstandener Ausspruch Mansur al-Halladschs

Dein Streben sei mit dir, ohne vorauszueilen und ohne hinterherzuhinken.

Abu Bakr Schibli

Einen Sufi gibt es nicht in der Welt, und wenn es einen Sufi gäbe, so wär’ er kein Sufi.

Kharaqani zugesprochen; sicher längst vorher vorhanden und im Umlauf; später auch von Rumi im »Mathnawi« zitiert, ohne Urheberangabe

Werdet weniger, dann seid ihr alles.

Abu Sa’id

Es geht nur um eins, schreib’s dir auf den Fingernagel: Schlachte dein Ich! Andernfalls gib dich nicht ab mit den Narreteien der Sufis! (Auch übersetzbar als: »Schlachte deine nafs (Triebseele)!«

Abu Sa’ids häufigster Appell, den er in fast alle Predigten einbaute

Jedes Haar eines Erkenners (Mystikers) wird zum Auge.

Sana’i

Eine Stunde Versenkung ist besser als ein Jahr Gottesdienst.

Sufispruch, der zwischen 8. und 13. Jahrhundert in vielen Varianten kursierte

Haltwat dar anschuman = Klausur in Gesellschaft, einsam in der Menge, ein sufisches Pendant zum inneren Exil

Eine der acht Richtlinien oder Schlagworte von Baha’uddin-i Naqschband

Koste nicht vom Diesseits!

Regel auch noch heutiger schiitischer Sufi-Orden

Spiele nicht mit Allah!

Regel auch noch heutiger schiitischer Sufi-Orden

Komm in Ehre! – Setze dich in Ehrenhaftigkeit! – Sprich mit Weisheit! – Gürte dich zum Dienen! – Geh mit dem Wirkungsvermögen! – Sei Gifttrinker! (D.h. ertrage die Bitternisse des Lebens in Geduld) – Sei Geheimnishüter! – Sei still!

Die acht Worte, die beim Eintritt neuer Adepten in den Haksar-Orden gesprochen werden

Euer Bauch ist ein Hund!

Sufi-Ansprachen, Sufi-Belehrungen, Sufi-Appelle

O mein Sohn, der du die äußerliche Wissenschaft lernst und die Geheimwissenschaft verlässt, du wirst dein Leben verlieren, ohne dass du es weißt.

Imam Dschaffar Sadek

Solange du nicht vor Furcht solchen Schmerz empfindest, als ob du alle Menschen in der Welt umgebracht hättest, bist du nicht würdig, ein Mann zu heißen.

Uweis al-Qarani

O Menschenkind, das Messer wird gewetzt, der Ofen geheizt und der Widder gemästet!

Hasan von Basra

O Menschenkind, tritt die Erde mit deinem Fuß; sie ist bald dein Grab!

Hasan von Basra

Die Seligen sollen während siebenmal hunderttausend Jahren in Verzückung verweilen und durch das Anschauen einer Schönheit, durch die Vereinigung verschlungen werden.

Hasan von Basra

Ich schwöre euch: Wenn den Heuchlern Schwänze wüchsen, fänden die Gläubigen keinen Platz, auf dem sie gehen könnten.

Malik ibn Dinar

Ich rufe euch als Zeugen an, dass ich nachtblind bin.

Malik ibn Dinar

Wer Allah erkennt, ist damit voll beschäftigt. Doch wehe dem, dessen Leben umsonst dahinschwindet.

Malik ibn Dinar

Lieber mit einem Hund zusammensitzen, als mit einem schlechten Gefährten.

Malik ibn Dinar

Mit Frommen Steine schleppen, nützt dir mehr, als mit Bösewichten Dattelpudding essen.

Malik ibn Dinar

O Brüder! Wahrlich, ich sage euch, wäre nicht der Pinkeldrang, so ginge ich nicht aus der Moschee hinaus!

Malik ibn Dinar

Euer Bauch ist ein Hund. Wirf dem Hund einen Brocken hin, dann gibt er Ruhe. Und macht aus eurem Bauch keinen dschuruban (Sack) für den Teufel, in den er hineintun kann, was er will.

Malik ibn Dinar

O ihr Menschen! Durch die Augen führt kein Weg zu Allah! Durch die Zunge erreicht ihr Ihn auch nicht. Das Ohr ist nur der peinvolle Weg der Redner, und Hände und Füße sind in Machtlosigkeit versunken. Es bleibt nur ein Mittel, und das ist dein Herz. Strebe danach, dass du dein Herz wach erhältst.

Rabi’a

Geh aus dem Diesseits hinaus, bevor man dich hinausträgt!

Ibrahim ibn Adham

Baqiy, sei Schwanz, sei nicht Kopf! Der Schwanz kommt davon, der Kopf kommt um!

Ibrahim ibn Adham

 

Gegen Allah darf man sich nicht auflehnen, aber auf andere als Ihn kann man nicht hoffen.

Ibrahim ibn Adham

Wenn du lange in den Spiegel der Umkehr schaust, zeigt sich dir die Entstellung durch die Hässlichkeit der Sünde.

Ibrahim ibn Adham

Keiner erreicht den Rang der Männer durch Ritualgebet, Fasten, dschihad (Krieg) und Wallfahrt, sondern nur dadurch, dass er weiß, was er in seinen Schlund steckt.

Ibrahim ibn Adham

Wenn du Allah nicht anbeten willst, sündige wenigstens nicht gegen Ihn.

Bischr al-Hafi

Wenn du dein ganzes Leben in Dank verbringst, hast du noch nicht genug dafür gedankt, dass Allah den Menschen Seinen Freund genannt hat.

Bischr al-Hafi

Im ersten Schritt auf dem Pfad zu Allah wirst du schon alles finden, was du suchst. Falls nicht, beweist das nur, dass du den ersten Schritt noch nicht getan hast.

Du n-Nun al-Misri

Nimm die Standhaftigkeit zum Kopfkissen, umarme die Armut, handle der Triebseele zuwider, bekämpfe den Trieb und sei mit Allah, wo immer du bist!

Du n-Nun al-Misri

Ihr habt Schlösser wie der Kaiser, Häuser wie in Khosrau, nicht wie Ali! Eure Gesichter sind pharaonisch, eure Sitten sultanisch, eure Hochzeiten pharaonisch, eure Trauergebräuche gebrisch – mit der Religion Muhammads habt ihr nichts zu tun!

Yahya ibn Mu’ad al-Razi

Lasst das Planen und Wählen, denn beides trübt den Menschen das freie Leben!

Sahl ibn Abdullah al-Tustari

Für das Musikhören sind drei Dinge nötig: die Zeit, der Ort und die Brüder.

Dschunaid

Wenn du siehst, dass ein murid (Schüler) das Musikhören liebt, so wisse, dass in ihm noch ein Rest nichtiger Interessen steckt.

Dschunaid

Der Mensch hat die Pflicht, seine Atemzüge im Vorüberziehen der Augenblicke zu behüten.

Dschunaid

Du gelangst nicht zur reinen Freiheit, solange du der Verwirklichung der Gottesknechtschaft noch etwas schuldig bist.

Dschunaid

Sei eigenschaftslos, dann begreifst du das Eigenschaftslose.

Unbekannter Zeitgenosse Dschunaids

Opfere dein Ich, und befass dich dann nicht mehr mit den Possen der Sufis!

Ruwaym

Zählt eure Atemzüge und Augenblicke, und damit genug!

Wasiti

Solang du hinweist, bist du kein Monotheist, bis Allah sich deines auf Ihn Hinweisens bemächtigt, indem Er dich dir fortnimmt, sodass weder ein Hinweisender zurückbleibt noch ein Hinweis.

Halladsch

Sprich nicht über Allah, um Ihn zu bestätigen, und neige dich nicht Seiner Verneinung zu. Und hüte dich vor dem Bekenntnis Seiner Einheit!

Halladsch

Tötet mich, o Freunde! In meiner Hinrichtung werd ich leben! In meinem Tod, da wohnt mein Leben! Ruhmreich will ich erlöschen; Schande wär’s, unrühmlich an diesem Leib zu kleben. Inmitten der Trümmer bin ich den Lebens übersatt – vergießt mein Blut, setzt diese Knochen in Brand!

Halladsch

Allah packt dich von dir weg und lässt dich los durch Sich und für Sich.

Ibn Ata

Euer Nu ist vom andern Nu abgeschnitten, mein Nu aber hat keine zwei Enden, und mein Meer hat keine Ufer.

Schibli

Es liebt dich mein Herz, solang ich lebe. Wenn ich sterbe, liebt dich ein morscher Knochen in der Erde.

Schibli

Wenn du betteln gehst, dann sieh weder die Leute noch dich selber.

Schibli

Hol zwei Säcke, mach sie ganz voll mit Erbarmen und bring sie mit! Sie sollen unser Anteil an der Wallfahrt sein, den wir unter den Ansässigen verteilen und den Besuchern als Willkomm reichen.

Schibli

Das beste Gedenken ist das Vergessen des Gedenkens in der Schau dessen, dessen du gedenkst.

Schibli

Ihr Leute! Ich gehe bis dahin, wo es kein Dahinter gibt. Und komm zurück und seh’ alles, was ich dort gesehen hab’, in einem einzigen Haar meines kleinen Fingers.

Schibli

Dies bisschen Zeit, das du hast, geh gut mit ihr um! Man muss sie nämlich von hier mitnehmen. Drüben gibt’s keine Zeit mehr.

Schibli

Halte dich an das Alleinsein, lösche deinen Namen unter den Leuten aus und kehre dich mit dem Gesicht zur Wand, bis du stirbst.

Schibli

Der Unterschied zwischen mir und euch ist nur einer, nämlich dass ihr zu mir sprecht und ich zu Ihm spreche; dass ihr von mir hört und ich von Ihm höre; dass ihr mich seht und ich Ihn sehe. Ansonsten aber bin ich ein Mensch wie ihr.

Abu l-Abbas-i Qassab von Amul

Sobald das halqiyat (Kreatursein) sich von dir trennt, lebst du mit Allah.

Kharaqani

Ihr hängt ja nur an den Freundlichkeiten Allahs, statt an Allah.

Predigt von Muhammad- Qassab-i Amuli an die Leute von Hare

Wer einen Weg zu Allah sucht, muss ihn über die Derwische nehmen, denn sie sind die Tür zu Allah.

Abu Sa’id

Durchlebe jeden der dreißigtausend Atemzüge einer Nacht im Bewusstsein, Allah zu gehören!

Abu Sa’id

Solange ein Stäubchen Bejahung noch in dir steckt, bleibt ein Hindernis. Bejahung gehört zum Herrn, Verneinung zum Knecht.

Abu Sa’id

Mein Bruder, sei immer wie eine Vertiefung vor dem Besen, nicht wie ein Berg hinter dem Besen!

Abu Sa’id

Was du im Kopf hast, lass fahren; was du in der Hand hast, wirf fort; was dir entgegenkommt, dem weiche nicht aus.

Abu Sa’id

Dein Ich ist dein Gefängnis. Verlässt du es, so kommst du in den ewigen Frieden.

Abu Sa’id

»Zwei« sagen ist unglaublich. Davor muss man sich hüten. Das ist dein Ich, das auf dich einredet und dich unter die Geschöpfe wirft.

Abu Sa’id

Alles ist Allah, und du bist nichts. Du sagst zwar schon jetzt: ich bin niemand. Aber wenn Allah eine Haarspitze vorstehen lässt, beginnst du zu schreien.

Abu Sa’id

Brüder, eine Gottesnot ist ausgebrochen! Früher gab’s Brotnot und Wassernot. Jetzt haben wir Gottesnot. Schaut mich an! Mit mir ist unsere Sache zu Ende! Nichts ist mehr da, und was noch da ist, ist auch schon dahingegangen.

Abu Sa’id

Solange du nicht deinem Ich absagst, glaubst du nicht an Allah. Der Gegengott eines jeden ist sein Ich, jenes Ich, das dich von Allah fernhält und dir zuraunt: Der und der hat dir Hässliches getan, und der und der hat dir Gutes getan. Alles das ist Vielgötterei.

Abu Sa’id

Das alles ist nur dein Ich. Tötest du es, dann gut. Sonst tötet es dich.

Abu Sa’id

Wenn diese Blätter und Grashalme behaupten würden, Abu Sa’id zu sein, glaub das ja nicht, wende dich ja nicht mir oder irgendeinem Abu Sa’id zu, sondern fasse ausschließlich Allah ins Auge!

Abu Sa’id

Dein Selbstbewusstsein und deine Ichheit sind Schleier. Wenn du die weghebst, bist du bei Allah angelangt.

Abu Sa’id

Wenn du mich siehst, siehst du Ihn, und wenn du Ihn siehst, siehst du mich.

Abu Sa’id

Hier geht es nicht darum, große Strecken zurückzulegen und Reisestrapazen zu erdulden. Entferne dich einen Schritt von dir selbst und du bist am Ziel.

Abu Ali ad-Daqqaq

Meine Verrücktheit kommt von der Heftigkeit meiner Gottesliebe; euer Normalzustand kommt vom Übermaß eurer gafla (religiösen Gleichgültigkeit).

Abu Bakr Schibli, ihm in den Mund gelegt von Hudschwiri

Nun aber macht den Platz schmutzig, damit die Engel fortgehen, denn jetzt ist Landwirtschaft fällig!

Ein Sufi namens Muhammad-i Bu l-Abbas in Gazwin-i Malin bei Hare, am Schluss hochtrabender Diskussionen über Mystik, überliefert von Abdullah Ansari: »Tabaqat us-sufiya«

Du willst ohne Liebe ans Ziel? Dann bist du nur eine Ameise, die von Indien nach Mekka will. Halte dich an die Liebe, dann bist du eine Ameise, die sich von einer Taube oder einem Königsfalken ans Ziel tragen lässt.

Ayn al-qudah al-Hamadani

Die zwei, drei Finsternisse der Welt verfinstern euch diese vielen Helligkeiten.

Baha’uddin Walad

Stelle alle deine Teilchen jedem einzelnen der Namen Gottes gegenüber und erkenne, dass jedes Teilchen die Eigenschaften Gottes teilt.

Baha’uddin Walad

Alle hagatha (Anliegen der Geschöpfe) sind Gotteskinder, aus Ihm geboren, also verlangen sie auch die Milch des Verlangens von Ihm, saugen sie aus Ihm und büßen ihre maza an Ihm. Substanzen und Körper sind wie Wiegen und Häuser. So lass denn immer die hagatha in allen Arten vor Allah zappeln und aus seinem Überfluss saugen, dann hast du Allah verehrt.

Baha’uddin Walad

Der Tag der Auferstehung ist mein Geist, da so viele Unterschiedlichkeiten in ihm jeden Tag erscheinen. So bleib denn stehen, betrachte diese Geister des Ostens und des Westens und sieh ihre Verschiedenheit, dann hast du die Auferstehung gesehen! Und schau, wie man sie tadelt!

Baha’uddin Walad

Sieh, wie viel tausend Arten von Wunderbarkeiten diese deine Teilchen erhalten haben, bis sie Teilchen des Menschen wurden! Bald waren sie grüne Pflanzen, bald schöne Menschen, bald Liebende, bald Bäche. Als sie Teilchen des Menschen wurden, schaute der Mensch viel tausend Wunderbarkeiten, und die Freude jeder Wunderbarkeit blieb auf den Zustand ihres Daseins beschränkt und verging dann wieder. Denn flössen auf einmal alle diese Quellen der Freuden, würden sie dich gänzlich aus dieser Welt hinwegspülen. Einen Vergleich zu bringen: Wenn Winde, Wasser, Donner und Blitz alle auf einmal kämen, wie könnte dann die Welt des Staubes standhalten?

Baha’uddin Walad

Verscherz das Scherzen nicht ganz, denn der Spaß der Spielereien ist der Ernst einer ernsthaft bemühten Seele.

Umar ibn al-Farid

O du, der Bilqis gleicht, erheb dich königlich wie Adham; setz dieses Königreich, das zwei, drei Tage dauert, schnell in Brand.

Rumi: »Mathnawi«, Buch 4, Vers 828

Wenn dein Verstand vor Staunen deinen Kopf verlässt, dann wird aus jeder deiner Kopfhaarspitzen ein neuer Kopf und Verstand.

Rumi: »Mathnawi«, Buch 4, Vers 1426

Durch deine Derwischmütze wirst du nicht zum Derwisch. Besäßest du hingegen Eigenschaften eines Derwischs, könntest du sogar Mongolenmützen tragen.

Saadi: »Dschulistan«, Buch 2, Geschichte 15

O Weiser, dein Bauch ist der Kerker des Blähwinds. Staut dieser sich auf, dann gib ihm die Freiheit. Und will ein Gast mit gerümpfter Nase deswegen das Gastmahl verlassen, so halte auch dessen Entweichen nicht auf!

Saadi: »Dschulistan«, Buch 2, Geschichte 29