Der blaue Hopsmajor

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Der blaue Hopsmajor
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Alexander Schug (Hg.)

Der blaue Hopsmajor

Die schönsten Hundefabeln und Geschichten von der Antike bis heute

Impressum

ISBN 978-3-86408-025-8 (epub) // 978-3-86408-026-5 (pdf)

© Vergangenheitsverlag, 2011 – www.vergangenheitsverlag.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Inhalt

Impressum

Einleitung

Klassische Fabeln und Erzählungen

Bestrafte Habgier (Aesop*)

Eines schickte sich nicht für alle (Aesop)

Pferd, Rind, Hund und Mensch (Aesop)

Das Lamm und der Wolf (Aesop)

Der getreue Hund (Phaedrus*)

Der Hund und der Hase (Babrios*)

Texte des Mittelalters

Von zwei Hunden (Spervogel*)

Der Wolf und der Hund (Ulrich Boner*)

Der Hund mit den Schellen (Ulrich Boner)

Vom Baurn und seinen Hunden (Burkhard Waldis*)

Texte der Neuzeit (16.-18. Jahrhundert)

Der Wolf und der Hund (Jean de la Fontaine*)

Der Esel und der Hund (Jean de la Fontaine)

Der Mann und der Hund (Gotthold Ephraim Lessing*)

Die Hunde (Gotthold Ephraim Lessing)

Der Hund und der Wolf (Johann Ludwig Gleim*)

Die Hunde und der Vogel (Heinrich von Kleist*)

Der Hund (Christian Felix Weiße*)

Der Hund (Christian Fürchtegott Gellert*)

Der Hirsch, der Hund und der Wolf (Friedrich von Hagedorn*)

Als der Hund tot war (Matthias Claudius*)

Texte der Moderne (ab 19. Jahrhundert)

Der alte Sultan (Jacob und Wilhelm Grimm*)

Der Hund und der Sperling (Jacob und Wilhelm Grimm)

Krambambuli (Marie von Ebner-Eschenbach*)

Hund und Katze (Wilhelm Busch*)

Der fremde Hund (Wilhelm Busch)

Der Hund Lilla (Heinrich Pröhle*)

Das Hündlein Angst (Heinrich Pröhle)

An den Hund des Todten (Justinus Kerner*)

Wo der Hund begraben liegt (Ludwig Bechstein*)

Der Hund des Jan von Nivelle (Ludwig Bechstein)

Nur ein Hund (Hermann Löns*)

Der große Hund (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben*)

Hund und Katze (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben)

Der treue Hund (Karoline Stahl*)

Der tugendhafte Hund (Heinrich Heine*)

Der Hund (Peter Altenberg*)

Katharine und der Hund (Peter Altenberg)

Das Märchen vom blauen Hund (Paul Scheerbart*)

Texte des 20. Jahrhunderts

Der Hund (Rainer Maria Rilke*)

Ballade (Joachim Ringelnatz*)

Der kleine Hund an der Ecke (Kurt Tucholsky alias Theobald Tiger*)

Traktat über den Hund, sowie über Lerm und Geräusch (Kurt Tucholsky)

Der Hund als Untergebener (Kurt Tucholsky alias Ignaz Wrobel)

Forschungen eines Hundes (Franz Kafka*)

Fabeln und Erzählungen von überall

Das Dokument der Hunde (Portugiesisches Märchen)

Warum Hund und Fuchs sich nicht leiden können (Finnische Sage)

Warum die Hunde nicht sprechen können (Japanisches Märchen)

Die Ratte und der Fliegende Hund (Märchen aus Polynesien)

Warum Hund und Katze einander feind sind (Chinesisches Volksmärchen)

Literaturverzeichnis

Endnoten

Einleitung

Dieses Buch versammelt Fabeln, Geschichten und Erzählungen von der Antike bis heute. Sie alle eint ein Thema: der Hund. Die Texte spiegeln, welche Eigenschaften die Menschen ihnen zuschreiben und was sie von ihnen erwarten. Lustige, traurige und geistreiche Geschichte berichten über das Verhältnis zwischen Mensch und Hund. Kein anderes Tier hat sich in den vergangenen Jahrtausenden so eng an den Menschen gebunden wie der Hund. Er ist zu einem Begleiter durch unser Leben geworden. Nicht immer war das Verhältnis harmonisch und nicht jede Geschichte handelt vom treu ergebenen Hund. Die hier beschriebenen Tiercharakter sind wesentlich differenzierter. Neben affektierten Hündchen, treten nimmersatte Bestien und gewitzte Vierbeiner auf. Der Hund erhält in dieser Zusammenschau von unterschiedlichen Perspektiven ein eigenes „Gesicht“ und zeigt seine individuelle Persönlichkeit – wie sie Schriftsteller aus verschiedenen Jahrhunderten beschrieben haben. Welche Vor- und Nachteile der Hund von seiner Domestizierung hat, und warum einige Tiere das mühselige Leben im Wald dem vermeintlich prächtigen Leben im Haus vorziehen - auch davon handeln die Erzählungen.

Aber es ging den Autoren nicht nur darum, den Charakter der Hunde aufzuzeigen, sondern anhand von Fabeln auch dem Menschen sein eigenes Spiegelbild vorzuhalten. In den belehrenden Geschichten Aesops taucht der Hund erstmals mit menschlichen Eigenschaften auf. Dies hat zu allen Zeiten viele Nachahmer gefunden. Die treue Ergebenheit der Hunde ihrem Herrn gegenüber diente zum Beispiel einigen Autoren als Bild für die fatale Abhängigkeit der unteren Schichten von ihren Landesherren. Oder die Gier des Hundes nach Fleisch symbolisierte das übermäßige Verlangen des Menschen nach Reichtum. Und wie steht es um das Verhältnis der Hunde untereinander und zu anderen Tieren? Das bekannte Sprichwort „Wie Hund und Katz“ kommt nicht von ungefähr.

Dieses Buch möchte Sie mitnehmen in die Welt der Hunde und seiner Weggefährten. Neben Geschichten bekannter Autoren aus dem europäischen Raum, berichten Märchen und Erzählungen aus fernen Ländern von verschiedenen Hundeerlebnissen.

Klassische Fabeln und Erzählungen

Bestrafte Habgier (Aesop*)

Ein Hund, der ein Stück Fleisch im Maul trug überschritt einen Fluß.

 

Dabei sah er seinen Schatten im Wasser und meinte, das sei ein anderer

Hund, der ein größeres Stück Fleisch habe. Sofort ließ er das eigene fahren

und fuhr auf das Spiegelbild los, um das Fleisch zu rauben. Aber dabei

kam nur heraus, daß er beides verlor, das fremde Fleisch, weil es überhaupt

nicht da war, und das eigene, weil es vom Wasser weggetrieben war.

Aus: Aesopische Fabeln, zus. gestellt und ins Dt. übertr. von August Hausrath, München 1940, S. 43.

*Aesop lebte um 600 v. Chr. in Griechenland

Eines schickte sich nicht für alle (Aesop)

Ein Herr besaß einen Esel und ein Malteser Schoßhündchen.

Der Esel mußte schwere Lasten schleppen und stand

sonst unbeachtet im Stall, mit dem Hündchen aber pflegte

der Herr zu spielen. Wenn er einmal auswärts speiste, brachte

er dem Hündchen etwas mit, das ihm fröhlich bellend

entgegensprang und ihn umwedelte. Da packte der Esel der Neid,

und auch er lief dem Herrn entgegen, wieherte fürchterlich

und wollte den Herrn mit seinen Hufen liebkosen. Der

aber rief den Dienern und befahl ihnen, den Esel zu verprügeln

und an die Krippe zu binden.

Aus: Aesopische Fabeln, zus. gestellt und ins Dt. übertr. von August Hausrath, München 1940, S. 47.

Pferd, Rind, Hund und Mensch (Aesop)

Als Zeus den Menschen schuf, gab er ihm nur kurze Lebenszeit. Der aber

brauchte seinen Verstand, und als der Winter herannahte, baute er sich ein

stattliches Gehöfte. Wie es nuneinmal sehr kalt wurde und Zeus den Regen vom

Himmel herabgoß, konnte das Pferd es Freien nicht mehr aushalten.

So kam es denn im Galopp zu des Menschen Behausung heran und bat um Aufnahme.

Der sagt: „Ich will dich aufnehmen, aber unter der Bedingung, daß du mir einen Teil deiner

Lebensjahre abtrittst.“ Das Pferd war es zufrieden und erhielt Stallung und Futter.

Kurz darauf kam das Rind und noch später der Hund, und mit beiden schloß der Mensch

den gleichen Vertrag. So kommt´s, daß der Mensch, solange er in den Jahren steht, die ihm

Zeus verliehen hat, unverdorben und gut ist. In den Jahren aber, die er vom Roß hat, ist er

hochmütig und üppig; in denen, die er vom Rind hat, ist er ein gewaltiger Schaffer und in

denen, die ihm der Hund abtrat, mürrisch und bissig.

Aus: Aesopische Fabeln, zus. gestellt und ins Dt. übertr. von August Hausrath, München

1940, S. 15.

Das Lamm und der Wolf (Aesop)

Zum gleichen Bache kam der Wolf einst und das Lamm, vom Durst getrieben.

Weiter oben stand der Wolf, das Lamm bachabwärts. Von dem nimmersatten

Schlund getrieben sucht der Räuber einen Grund zum Streit.

„Was trübst du mir das Wasser, das ich trinken will?“ beginnt er. Und die Unschuld

in dem Wollenkleid entgegnet zitternd: „Ach, wie soll das möglich sein?

Von dir herab zu meinen Lippen fließt das Naß.“ Und der bezwungen von der

Wahrheit Allgewalt fährt fort: „Haste vor sechs Monden du mich nicht

geschmäht?“„Nein“, spricht das Lamm, „denn damals lebte ich noch nicht.“

„Dann war´s dein Vater, der mich schmähte“, schreit der Wolf und würgt in

unverdientem Tod sein Opfer ab.

Aus: Aesopische Fabeln, zus. gestellt und ins Dt. übertr. von August Hausrath, München

1940, S. 61.

Der getreue Hund (Phaedrus*)

Wer auf einmal zu gütig ist, ist Dummen nur Willkommen;

die Erfahrne hintergeht er nicht. Ein Dieb warf einem Hund

ein Brodt zur Nachtzeit hin und wollt ihn durch den Fraß zum

Schweigen locken. Heh!, sprach der Hund, willst du dadurch das Maul

mir stopfen, daß ich für die Sache meines Herrn nicht bellen soll, so irrst

du sehr; denn eben die schnelle Gütigkeit befiehlet mir zu wachen, daß du

nicht durch meine Schuld gewinnst.

Aus: Phäders Aesopische Fabeln, teutsch in Reimfreyen Jamben übersetzt von J.G. Gericke,

Breslau 1785, S 23.

*Phaedrus lebte um 20/15 v. Chr. bis um 50/60 n. Chr. in Rom

Der Hund und der Hase (Babrios*)

Ein Hund, der einen Hasen vom Gebirg jagte,

Verfolgt ihn beißend, ob er ihn nicht fest packte;

Doch als der umsah, wedelte er ganz freundschaftlich.

Der Hase sprach: „So sei du Thier doch aufrichtig;

Als Freund sollst du nicht beißen, noch als Thier wedeln.“

(So ist der Sinn der Menschen oftmals zweideutig

Daß man ihm nicht recht trauen kann noch mißtrauen.)

Aus: Babrios, Fabeln, übers. von Wilhelm Hertzberg, Halle 1846, S. 41

*Babrios lebte im späten 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. vermutlich im Osten des römischen

Reichs

Texte des Mittelalters

Von zwei Hunden (Spervogel*)

Zwei hunde stritten um ein bein;

der schlecht´re stand da und that schrei´n.

Und half ihm all sein heulen noch?

das bein musst´ er entbehren doch;

dem andern, dem gelang es.

Er trug´s vom tische hin zur thür:

und stand vor dessen augen und verschlang es.

Aus: Lieder und Sprüche der beiden Meister Spervogel, mit Einleitung, Textkritik und

Übersetzung, hg. von Heinrich Gradl, Prag 1869, S. 27.1

*Spervogel lebte um 11702

Der Wolf und der Hund (Ulrich Boner*)

Von Freiheit und von Eigenschaft

Es gingen zween Gesellen gut,

Die hatten ungleichen Muth,

Auf der Straße durch einen Wald,

Ihr Kosen3 , das war mannichfalt;

Es war ein Wolf und ein Hund;

Sie kamen auf derselben Stund

Auf eine Wiese; da das geschach,

Viel schier der Wolf zum Hunde sprach:

Sag an, traut Geselle mein,

Was meinet deiner Haute Schein?4

Du bist so stolz und bist so glatt,

Du magst wol guter Speise satt

Ohne Sorge werden alle Tage.

Der Hund sprach: hör, was ich dir sage:

Mein lieber Meister speiset mich

Von seinem Tische, durch das ich

Behüt seinen Hof und auch sein Haus.

Wer etwas tragen will daraus,

Das künd´ ich, darum bin ich lieb.

Ich laß den Räuber noch den Dieb

Nichts aus dem Hause tragen,

Hiermit ich meine Speis´ bejagen.

Da sprach der Wolf: das ist viel gut,

So hast du oft ruhigen Muth,

Wenn ich muß in den Sorgen streben,

Wie ich gespeis´ mein armes Leben;

Und wär es an dem Willen dein,

Dein Geselle wollt ich gerne seyn,

Daß ich mein´ Speise möchte han

Ohn Sorge. Der Hund sprach: nun wol dann

Her, Wolf, in meines Meisters Haus

Mit mir, da treibt euch Niemand aus.

Der Wolf ward der Rede froh;

Mit einander giengen sie do.

Der Wolf des Hundes Kehle sach

Zu ihm er da viel balde sprach:

Sag an, traut Geselle mein,

Was meinet, daß die Kehle dein

Ist beschabet und beschorn?

Durch was hast du das Haar verlorn?

Der Hund sprach: das will ich dir sagen.

Des Tags muß ich einen Kolben tragen,

Und muß an einem Seile stahn

Gebunden; nirgend mag ich gahn;

Ich muß stetlich genfangen seyn,

Das leid ich um die Speise mein.

Da diese Rede also geschach,

Der Wolf da zu dem Hunde sprach:

Nein, du traut Geselle mein,

Durch nichts will ich gefangen seyn;

So leid ist mir noch nicht mein Leben,

Daß ich um Speis´ auf wolle geben

Meine Freiheit, das glaube mir;

Deine gute Speise hab du dir,

Und hab auch manchen langen Tag;

So will ich essen, das ich mag

Haben, mit freiem Muthe;

Das kommt mir baß zu Gute.

Ich will den freien Willen mein

Nicht geben um die Speise dein.

So lief der Wolf zu Walde;

Der Hund ist heim viel balde.

Aus: Boner´s Edelstein in Hundert Fabeln, mit Varianten und Worterklärungen, hg. von

Johann Joachim Eschenburg, Berlin 1810, S. 187-180.5

*Ulrich Boner ist wahrscheinlich um 1280 geboren

Der Hund mit den Schellen (Ulrich Boner)

Von schalkhafter Freude

Von einem Hund liest man das,

Daß er gar bös und schalkhaft was,

Seine Gebehrde waren nicht gleich

Den Werken, wann er sanftiglich

Gebehrd´te, und war doch Schalkheit voll.

Deß ward gewahr viel Mancher wol;

Den er biß in seine Waden,

Der hatt den Spott und auch den Schaden.

Dieß trieb er lang und manchen Tag,

Daß er kein Unseld6 nie verlag.

Heimlich gieng er den Leuten nach,

wenn er biß, so ward ihm gach7

Zur Flucht; dieß ward viel oft geseit

Dem Meister sein; es war ihm leid,

Eine Schelle er ihm anhieng

An seinen Hals; wo er da gieng,

Daß man ihn hörte, wo er was,

Und man sich hütete desto baß

Vor seiner großen Schalkheit.

Deß ward der böse Hund gemeit,

Und freute sich sehr, daß sein Leben

Verdient hat, daß man ihm sollt geben

Eine Schelle an seinem Leib.

Die Hochfahrt ihn in großen Keib8

Bracht wider sein Geschlechte do.

Der Schellen war der Hund viel froh.

Ein alter Hund gegangen kam,

Dem war wol kund, warum der Mann

Dem Hund die Schellen hat geben,

Daß man dran kennt sein böses Leben.

Zu ihm sprach er: weß freust du dich?

Daß du Thor verschmähest mich,

Und dein Geschlecht, das wird dir leid.

Viel besser ist der, der nicht treit

Eine Schelle, die dir ist gegeben,

Daß man erkenne dein schalkhaft Leben,

Die du durch Ehre meinst zu tragen.

Deine Bosheit sollst du lieber klagen.

Die Schelle die bezeuget wol,

Daß du bist aller Schalkheit voll.

Wer um sein Schalkheit Ruhm begehrt,

Das Rühmen das ist Scheltens werth.

Wer sich von Hochfahrt übertreit,

Wird der zu Spott, wem ist das leid?

Wer sich freut, so er übel thut,

Der hat einen teuflischen Muth.

Welcher Mensch alleine will gut wesen,

Der läßt seins Gleichen kaum genesen.

Wer wähnt, daß er der Beste sey,

Dem wohnt ein Gauch9 nahe bei

So hat auch dieser Hund gethan,

Deß mußt er mit der Schelle gahn,

Die ihm um Schalkheit war gegeben;

Die Schelle bezeugt sein böses Leben.

Sollten die Bösen Schellen han,

Mit Schellen säh man manchen Mann,

Der nun viel kostbar meint zu seyn,

 

Deß Bosheit der Welt würde Schein:

Aus: Boner´s Edelstein in Hundert Fabeln, mit Varianten und Worterklärungen, hg. von

Johann Joachim Eschenburg, Berlin 1810, S. 209-211.10

Vom Baurn und seinen Hunden (Burkhard Waldis*)

Weit ab von den leuten wont ein Baur;

In einem Wald ließ ers jm saur

Mit hauen und mit spalten werden,

mit hacken, reutten in der Erden,

Das er jm richt ein Acker zu.

Wie er lang het gearbeit nu,

Zerran jm an Speiß und an Brodt,

In drang die anstehende not.

Wolt er des hungers sich erwehren,

Hub an, sein Lemmer zu verzeren,

Darnach die Ziegen, Bck vnd Schaf;

Zuletst das loß die Ochssen traff:

Dern hub er einen an zu schlachten.

Als das sahen sein Hundt, sie dachten,

Besprachen sich: „was wln wir than?

Weil er die Ochssen jetzt greifft an,

Di jn teglich helffen ernehren,

Und jm allzeit den Acker ehren,

Weil er derselben nicht verschont,

Und jn jetzund der massen lont,

Was wolt geschehn und armen Hunden?

Unser leben nicht reten kunden;

Drumb ist nichst bessers, das wir fliehen,

Nicht lenger hie bey jm verziehen.

Denn wenn es solt die meinung han,

Unsers gebeins kem nicht darvon.―

Es seind viel Herren, den man dient,

Das man bey jn offt gnade findt;

Ir diener ifft geiessen lan,

Der trew, die sie bey jn gethan.

Dagegen man auch teglich heut,

Findt gar viel ungeschickter leut,

Die jhrer diener treuen rath

Ihren fleiß und alle wolthat

Mit Tyrannen abgunst vnd schelten

In allem bsen widergelten,

Stellen dem offt nach Leib und Gut,

Der jn all treu von hertzen thut.

Solchs mgn vor die Augen stellen

All, die eim andern dienen wllen,

Das sie ein solchen Herren treffen,

Der nicht gedencket, sie zu aessen.

Wenn er jr treue soll belohnen,

Thut er sie schmehen vnd behohnen,

Das straffet Gott zu seiner zeit:

Verdienter lohn im Himmel schreit.

Aus: Esopus von Burkhard Waldis. Erster Theil, hg. v. Heinrich Kurz, Leipzig 1862, S. 95-

96.11

*Burkhard Waldis lebte um 1319-1380

Texte der Neuzeit (16.-18. Jahrhundert)

Der Wolf und der Hund (Jean de la Fontaine*)

Ein Wolf war nichts als Haut und Knochen,

Die treuen Hunde waren schuld daran.

Wie er nun einst so matt des Wegs gekrochen,

Traf er die schönste, stärkste Dogge an,

Die sich vom Herrenhof verlaufen hatte.

Der Hund war solch ein fester, wohlgenährter Klotz,

Daß neben ihm der Wolf nur eine hagre Latte.

So gern der's auch getan, so schien's ihm leider Gotts

Höchst ungeraten, diesen Burschen anzuspringen,

Denn solch ein Gegner war so leicht nicht zu verschlingen.

So also sprach voll Demut unser Wolf ihn an

Mit Komplimenten über seine Wohlgestalt.

Da sprach der Hund: „Mein schöner Herr, liegt Euch daran,

So fett zu sein wie ich, nun, so verlaßt den Wald,

In dem nur arme Schlucker lungern.

Ihr lebt ja nur, um zu verhungern,

Habt Tag und Nacht nicht Ruh und nichts zu schnabulieren;

Folgt mir, Ihr werdet ein vergnügtres Leben führen.“

Da sprach der Wolf: „Was hätte ich dafür zu leisten?“

Der Hund: „Fast nichts! Nur Leute zu verjagen,

Die Bettelsäcke oder Stöcke tragen,

Dem Hausgesind zu schmeicheln, und am meisten

Dem Herrn. Als Sold bekommt Ihr schöne Rester,

Hühner- und Taubenknochen – ja, mein Bester! –

Und manches Kosewörtchen obendrein.“

Der Wolf glaubt schon im Paradies zu sein.

Er weint vor Glück und will den Hund begleiten.

Da sieht am Hundehals er eine Stell,

Wo abgeschabt erscheint das schöne Fell.

„Was ist das?“ fragt er. – „Nichts!“ – „Wieso?“ – „Ach, Kleinigkeiten!“ –

„Nun was denn?“ – Drauf der Hund:

„Das Halsband meiner Kette rieb mich wund.“ –

„Wie? Was? In Ketten dienet Ihr?

Lauft nicht, wohin Ihr wollt?“ –

„Nicht immer. Doch was tut's?“ – „Es tut so viel, daß mir

Die Lust vergeht nach Eurem schönen Sold.

Ich ging nicht mit um eine ganze Kuh!“

Und Meister Wolf hat sich getrollt

Und läuft noch immerzu.

Aus: Fontaine, Jean de la, Fabeln, übers. von Theodor Etzel, Berlin 1923, S. 9-10.

*1621-1695