Gefährliche Liebschaften

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Gefährliche Liebschaften




Erotische Bibliothek



Band 23



Gefährliche Liebschaften



Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos



Erstmals erschienen 1782 unter dem Titel





Les Liaisons dangereuses





Aus dem Französischen von Franz Blei 1909



© Lunata Berlin 2019




Inhalt





Vorwort des Sammlers dieser Briefe







Erster Teil





1.

Erster Brief



2.

Zweiter Brief



3.

Dritter Brief



4.

Vierter Brief



5.

Fünfter Brief



6.

Sechster Brief



7.

Siebenter Brief



8.

Achter Brief



9.

Neunter Brief



10.

Zehnter Brief



11.

Elfter Brief



12.

Zwölfter Brief



13.

Dreizehnter Brief



14.

Vierzehnter Brief



15.

Fünfzehnter Brief



16.

Sechzehnter Brief



17.

Siebzehnter Brief



18.

Achtzehnter Brief



19.

Neunzehnter Brief



20.

Zwanzigster Brief



21.

Einundzwanzigster Brief



22.

Zweiundzwanzigster Brief



23.

Dreiundzwanzigster Brief



24.

Vierundzwanzigster Brief



25.

Fünfundzwanzigster Brief



26.

Sechsundzwanzigster Brief



27.

Siebenundzwanzigster Brief



28.

Achtundzwanzigster Brief



29.

Neunundzwanzigster Brief



30.

Dreissigster Brief



31.

Einunddreißigster Brief



32.

Zweiunddreißigster Brief



33.

Dreiunddreißigster Brief



34.

Vierunddreißigster Brief



35.

Fünfunddreißigster Brief



36.

Sechsunddreissigster Brief



37.

Siebenunddreissigster Brief



38.

Achtunddreissigster Brief



39.

Neununddreissigster Brief



40.

Vierzigster Brief



41.

Einundvierzigster Brief



42.

Zweiundvierzigster Brief



43.

Dreiundvierzigster Brief



44.

Vierundvierzigster Brief



45.

Fünfundvierzigster Brief



46.

Sechsundvierzigster Brief



47.

Siebenundvierzigster Brief



48.

Achtundvierzigster Brief



49.

Neunundvierzigster Brief



50.

Fünfzigster Brief



51.

Einundfünfzigster Brief



52.

Zweiundfünfzigster Brief



53.

Dreiundfünfzigster Brief



54.

Vierundfünfzigster Brief



55.

Fünfundfünfzigster Brief



56.

Sechsundfünfzigster Brief



57.

Siebenundfünfzigster Brief



58.

Achtundfünfzigster Brief



59.

Neunundfünfzigster Brief



60.

Sechzigster Brief



61.

Einundsechzigster Brief



62.

Zweiundsechzigster Brief



63.

Dreiundsechzigster Brief



64.

Vierundsechzigster Brief



65.

Fünfundsechzigster Brief



66.

Sechsundsechzigster Brief



67.

Siebenundsechzigster Brief



68.

Achtundsechzigster Brief



69.

Neunundsechzigster Brief



70.

Siebzigster Brief



71.

Einundsiebzigster Brief



72.

Zweiundsiebzigster Brief



73.

Dreiundsiebzigster Brief



74.

Vierundsiebzigster Brief



75.

Fünfundsiebzigster Brief



76.

Sechsundsiebzigster Brief



77.

Siebenundsiebzigster Brief



78.

Achtundsiebzigster Brief



79.

Neunundsiebzigster Brief



80.

Achtzigster Brief



81.

Einundachzigster Brief



82.

Zweiundachtzigster Brief



83.

Dreiundachtzigster Brief



84.

Vierundachtzigster Brief



85.

Fünfundachtzigster Brief



86.

Sechsundachtzigster Brief



87.

Siebenundachtzigster Brief



88.

Achtundachtzigster Brief



89.

Neunundachtzigster Brief



90.

Neunzigster Brief





Zweiter Teil





91.

Einundneunzigster Brief



92.

Zweiundneunzigster Brief



93.

Dreiundneunzigster Brief



94.

Vierundneunzigster Brief



95.

Fünfundneunzigster Brief



96.

Sechsundneunzigster Brief



97.

Siebenundneunzigster Brief



98.

Achtundneunzigster Brief



99.

Neunundneunzigster Brief



100.

Hundertster Brief



101.

Hunderunderster Brief



102.

Hundertundzweiter Brief

 



103.

Hundertunddritter Brief



104.

Hunderundvierter Brief



105.

Hundertundfünfter Brief



106.

Hundertundsechster Brief



107.

Hundertundsiebenter Brief



108.

Hundertundachter Brief



109.

Hundertundneunter Brief



110.

Hunderundzehnter Brief



111.

Hundertundelfter Brief



112.

Hunderundzwölfter Brief



113.

Hunderunddreizehnter Brief



114.

Hundertundvierzehnter Brief



115.

Hundertundfünfzehnter Brief



116.

Hundertundsechzehnter Brief



117.

Hundertundsiebzehnter Brief



118.

Hundertundachtzehnter Brief



119.

Hundertundneunzehnter Brief



120.

Hundertundzwanzigster Brief



121.

Hundertundeinundzwanzigster Brief



122.

Hundertundzweiundzwanzigster Brief



123.

Hundertunddreiundzwanzigster Brief



124.

Hundertundvierundzwanzigster Brief



125.

Hundertundfünfundzwanzigster Brief



126.

Hundertundsechsundzwanzigster Brief



127.

Hundertundsiebenundzwanzigster Brief



128.

Hundertundachtundzwanzigster Brief



129.

Hundertundneunundzwanzigster Brief



130.

Hundertunddreissigster Brief



131.

Hundertundeinunddreissigster Brief



132.

Hundertundzweiunddreissigster Brief



133.

Hundertunddreiunddreissigster Brief



134.

Hundertundvierunddreissigster Brief



135.

Hundertundfünfunddreissigster Brief



136.

Hundertundsechsunddreissigster Brief



137.

Hundertundsiebenunddreissigster Brief



138.

Hundertundachtunddreissigster Brief



139.

Hundertundneununddreissigster Brief



140.

Hundertundvierzigster Brief



141.

Hundertundeinundvierzigster Brief



142.

Hundertundzweiundvierzigster Brief



143.

Hundertunddreiundvierzigster Brief



144.

Hundertundvierundvierzigster Brief



145.

Hundertundfünfundvierzigster Brief



146.

Hundertundsechsundvierzigster Brief



147.

Hundertundsiebenundvierzigster Brief



148.

Hundertundachtundvierzigster Brief



149.

Hundertundneunundvierzigster Brief



150.

Hundertundfünfzigster Brief



151.

Hundertundeinundfünfzigster Brief



152.

Hundertundzweiundfünfzigster Brief



153.

Hundertunddreiundfünfzigster Brief



154.

Hundertundvierundfünfzigster Brief



155.

Hundertundfünfundfünfzigster Brief



156.

Hundertundsechsundfünfzigster Brief



157.

Hundertundsiebenundfünfzigster Brief



158.

Hundertundachtundfünfzigster Brief



159.

Hundertundneunundfünfzigster Brief



160.

Hundertundsechzigster Brief



161.

Hundertundeinundsechzigster Brief



162.

Hundertundzweiundsechzigster Brief



163.

Hundertunddreiundsechzigster Brief



164.

Hundertundvierundsechzigster Brief



165.

Hundertundfünfundsechzigster Brief



166.

Hundertundsechsundsechzigster Brief



167.

Hundertundsiebenundsechzigster Brief



168.

Hundertundachtundsechzigster Brief



169.

Hundertundneunundsechzigster Brief



170.

Hundertundsiebzigster Brief



171.

Hundertundeinundsiebzigster Brief



172.

Hundertundzweiundsiebzigster Brief



173.

Hundertunddreiundsiebzigster Brief



174.

Hundertundvierundsiebzigster Brief



175.

Hundertfünfundsiebzigster Brief



176.

Hundertundsechsundsiebzigster Brief



177.

Nachwort des Herausgebers





Über den Autor







Die erotische Bibliothek







Vorwort des Sammlers dieser Briefe



Dieses Werk oder vielmehr diese Zusammenstellung, die der Leser vielleicht noch zu umfangreich finden wird, enthält doch nur die kleinere Anzahl der Briefe, welche die gesamte Korrespondenz bilden.



Von den Personen, an die diese Briefe gerichtet waren, mit deren Ordnung beauftragt, habe ich als Lohn für meine Mühe nur die Erlaubnis verlangt, alles, was mir unwichtig erschien, weglassen zu dürfen, und ich habe mich bemüht, nur jene Briefe zu geben, die mir zum Verständnis der Handlung oder der Charaktere wichtig erschienen. Dazu noch einige Daten und einige kurze Anmerkungen, die zumeist keinen andern Zweck haben, als die Quellen einiger Zitate anzugeben oder einige Kürzungen zu motivieren, die ich mir vorzunehmen erlaubt habe – dies ist mein ganzer Anteil an dieser Arbeit. Alle Namen der Personen, von denen in den Briefen die Rede ist, habe ich unterdrückt oder geändert.



Ich hatte größere Änderungen beabsichtigt, die sich meist auf Sprache oder Stil bezogen hätten, in welch beiden man manche Fehler finden wird. Ich hätte auch gewünscht, die Vollmacht zu haben, einige allzu lange Briefe zu kürzen, von denen mehrere weder unter sich noch mit dem Ganzen in rechtem Zusammenhange stehen. Diese Arbeit wurde mir jedoch nicht gestattet; sie hätte gewiß dem Buche keinen neuen Wert hinzugefügt, aber sie hätte zum mindesten einige seiner Mängel beseitigt.



Es wurde mir erklärt, die Beteiligten wollten die Briefe, wie sie sind, veröffentlicht haben, nicht aber ein Werk, das auf Grund dieser Briefe verfaßt sei; daß es ebenso gegen die Wahrscheinlichkeit wie gegen die Wahrheit selbst verstoßen würde, daß die acht bis zehn Personen, die diese Briefe schrieben, den gleichen korrekten Stil hätten. Und auf den Einwand, daß unter den Briefen kein einziger sei, der nicht grobe Fehler enthalte, und daß die Kritik nicht ausbleiben würde, bekam ich die Antwort, daß jeder verständige und wohlgesinnte Leser erwarten werde, Fehler in einer Sammlung von Briefen zu finden, die Privatpersonen einander schrieben, und daß sämtliche bisher veröffentlichten Briefe – selbst jene geschätzter Autoren und Mitglieder der Akademie nicht ausgenommen – in dieser Beziehung nicht einwandfrei wären. Diese Gründe haben mich nun keineswegs überzeugt; ich finde sie leichter vorgebracht, als sie gebilligt werden können; aber ich war nicht Herr dieser Angelegenheit und gab nach. Ich habe mir nur vorbehalten, dagegen Einspruch zu tun und zu erklären, daß ich die Ansicht meiner Auftraggeber nicht teile, was hiermit geschieht.



Was den Wert betrifft, den dieses Buch haben kann, so kommt es mir vielleicht nicht zu, mit meiner Ansicht die anderer zu beeinflussen. Die vor Beginn einer Lektüre wissen wollen, was sie von ihr erwarten können, mögen hier weiterlesen; die andern tun besser, an die Briefe selbst zu gehen, von denen sie nun ja genug wissen.



Dies muß ich noch sagen: Wenn ich auch diese Briefe herausgab, so bin ich doch weit entfernt, ihren Erfolg zu hoffen, und ist diese meine Aufrichtigkeit keine falsche Bescheidenheit des Autors; denn ebenso aufrichtig erkläre ich: hielte ich diese Arbeit nicht der Veröffentlichung wert, hätte ich mich nicht mit ihr abgegeben. Das scheint ein Widerspruch; ich will ihn zu lösen versuchen.



Ein Brief ist nützlich oder unterhaltend oder er vereint beides. Aber der Erfolg, der nicht immer den Wert beweist, ist oft mehr abhängig vom Gegenständlichen als von dessen Gestaltung, mehr vom Inhalt als von dessen Form. Diese Sammlung enthält Briefe verschiedener Personen mit verschiedenen Interessen, welche Verschiedenheit vielleicht das eine Interesse des Lesers nicht erhöht. Dann sind auch die Gefühle und Empfindungen, die diese Briefe aussprechen, gefälscht, geheuchelt oder verstellt, und können sie so wohl die Neugier reizen, aber das Herz nicht fesseln und rühren. Und das Bedürfnis des Herzens steht über der Neugierde, und das Herz ist ein nachsichtigerer Richter als die Neugierde, die leichter die Fehler bemerkt, die sie in ihrer Befriedigung stören.



Die Fehler werden vielleicht von einer Eigenschaft des Buches aufgewogen, die in seiner Natur liegt: ich meine die Wahrheit seines Ausdrucks, ein Verdienst, das sich hier von selbst einstellte und das die Langweile der Einförmigkeit nicht aufkommen lassen wird. Der eine und andere Leser wird auch durch die neuen oder wenig bekannten Beobachtungen, die dort und da in den Briefen sind, auf seine Kosten kommen, – das ist aber auch alles Vergnügen, das man von dem Buch erwarten darf, auch dann, wenn man es mit größter Gunst hinnimmt.



Den Nutzen des Buches wird man vielleicht noch stärker in Zweifel ziehen als dessen Annehmlichkeit, aber er scheint mir doch leichter zu beweisen. Mich dünkt, man erweist der Sittlichkeit einen Dienst, wenn man die Mittel bekannt gibt, deren sich die Sittenlosen bedienen, um die Sittlichen zu verderben; diese Briefe können sich Wohl in diesen Dienst stellen. Man wird in ihnen auch den Beweis zweier wichtiger Wahrheiten finden, die man verkannt glauben möchte, so wenig werden sie geübt: die eine ist, daß jede Frau, die einen schlechten Menschen in ihrer Gesellschaft duldet, sicher früher oder später dessen Opfer wird. Die andere ist: daß es zum mindesten eine Unvorsichtigkeit der Mutter bedeutet, wenn sie duldet, daß eine andere als sie selber das Vertrauen ihrer Tochter besitzt. Auch können die jungen Männer und Mädchen hier lernen, daß die Freundschaft, die ihnen schlechte Individuen gern und reichlich zu schenken scheinen, immer nur eine gefährliche Falle ist, gleich verhängnisvoll für ihr Glück wie für ihre Tugend.

 



Jedoch: der Missbrauch des Guten ist dem Guten sehr nahe und er scheint mir hier zu befürchten. Weit davon, dieses Buch der Jugend zu empfehlen, scheint, es mir vielmehr nötig, es von ihr fernzuhalten. Der Zeitpunkt, da dieses und ähnliche Bücher aufhören, gefährlich zu sein und nützlich werden, scheint mir von einer vortrefflichen Mutter, die Geist und rechten Geist hatte, sehr richtig bestimmt worden zu sein. Sie hatte das Manuskript dieses Buches gelesen und sagte: »Ich würde meiner Tochter einen großen Dienst damit zu erweisen glauben, daß ich ihr dieses Buch an ihrem Hochzeitstag gebe.« Dächten alle Mütter so, würde ich mich immer glücklich schätzen, diese Briefe veröffentlicht zu haben.



Doch alle diese günstigen Voraussetzungen angenommen, dürfte das Buch doch wenigen gefallen. Die depravierte Gesellschaft wird ein Interesse daran haben, ein Buch zu verlästern, das ihr schaden kann; und da es ihnen in diesem Stücke an Geschicklichkeit nicht fehlt, so bekommen sie am Ende auch die rigorosen Leute in ihr Lager, deren Eifer darüber aufgebracht ist, daß man solche Dinge darzustellen sich nicht scheute.



Was aber die angeblichen starken Geister betrifft, so werden sie sich kaum für eine fromme Frau interessieren, die ihnen eben deshalb höchst albern vorkommen wird, während die Frommen sich daran stoßen werden, die Tugend unterliegen zu sehen; und sie werden sich auch darüber aufhalten, daß die Religion sich mit zu wenig Macht zeige.



Die Leute von feinem Geschmack werden den Stil mancher Briefe zu simpel und fehlerhaft finden, und die Mehrzahl der Leser wird, von dem Gedanken verführt, daß alles Gedruckte Erfindung sei, in andern Briefen wieder eine Manieriertheit des Verfassers zu erkennen meinen, der sich hinter den Personen, die er sprechen läßt, verberge.



Schließlich ist es vielleicht das allgemeine Urteil, jede Sache gelte nur an ihrer rechten Stelle was; und wenn auch der allzu gefeilte Stil der Autoren privaten Briefen ihren Reiz raube, dieser Briefe Nachlässigkeiten doch zu wirklichen Fehlern würden, die sie im Drucke unerträglich machten.



Ich gebe ehrlich zu, daß alle diese Vorwürfe ihr Recht haben mögen, wenn ich auch glaube, ihnen antworten zu können, auch ohne die gewöhnliche Länge eines Vorwortes zu überschreiten. Aber man wird meine Meinung teilen, daß ein Buch, das allen gerecht würde, keinem taugen könne. Hätte ich allen nach Gefallen schreiben wollen, hätte ich so Buch als Vorrede nicht geschrieben.





Erster Teil





1

Erster Brief

Cécile Volanges an Sophie Carnay, bei den Ursulinerinnen zu ...



Du siehst, liebe Freundin, daß ich Wort halte und daß der Toilettentisch mir nicht meine ganze Zeit raubt, – er wird mir immer welche für Dich übrig lassen. Ich habe an diesem einzigen Tag mehr Schmuck gesehen, als in den vier Jahren, die wir zusammen verlebt haben, und ich hoffe, daß die eingebildete Tanville, meine Mitpensionärin, sich bei meinem nächsten ersten Besuche mehr ärgern wird als sie annahm, daß wir uns ärgern, jedesmal wenn sie uns in ihrem vollen Staat besuchte. Mama spricht jetzt über alles mit mir: ich werde gar nicht mehr wie ein Schulmädchen behandelt. Ich habe meine eigene Kammerzofe, meine zwei eigenen Räume und einen sehr hübschen Schreibtisch, an dem ich Dir schreibe, und dessen Schlüssel ich habe, und alles darin einsperren kann, was mir beliebt. Mama sagt mir, daß ich sie jeden Tag am Morgen sehen werde, daß es genügt, wenn ich bis zum Diner frisiert bin, weil wir beide immer allein sein werden, und dann wird sie mir die Stunde jedesmal angeben, zu der ich am Nachmittag mit ihr ausgehe. Die übrige Zeit gehört mir allein. Ich habe meine Harfe, meine Zeichensachen und die Bücher ganz wie im Kloster, nur ist Mutter Perpetua nicht hier, um mich auszuzanken, und ich kann faulenzen so viel ich will: aber da meine Sophie nicht bei mir ist, um mit mir zu lachen und zu schwatzen, so ist's mir lieber, mich zu beschäftigen.



Es ist noch nicht fünf Uhr und ich soll erst um sieben Uhr mit Mama zusammensein, hab also Zeit genug, wenn ich Dir etwas zu erzählen hätte. Aber man hat noch über gar nichts mit mir gesprochen; und wenn ich nicht all die Vorbereitungen sehen würde und das Massenaufgebot von Schneiderinnen, die meinetwegen bestellt sind, ich würde nicht glauben, daß man mich verheiraten will, sondern daß das ganze nur so ein Geschwätz von unserer guten Pförtnerin Josephine war. Aber meine Mama sagte oft, daß ein junges Mädchen bis zu ihrer Verheiratung im Kloster bleiben soll; da sie mich herausgenommen hat, so muß doch Schwester Josephine Recht gehabt haben.



Soeben hält ein Wagen unten am Tor, und Mama läßt mich bitten zu ihr zu kommen. Ich bin nicht angezogen, – wenn es dieser Herr wäre!? Mein Herz klopft stark, und meine Hand zittert! Als ich meine Zofe fragte, wer bei Mama wäre, lachte sie und sagte: Herr G.



O! ganz bestimmt, er ist es. Ich werde Dir dann alles erzählen, – jetzt kennst Du immerhin schon seinen Namen, und ich will nicht länger auf mich warten lassen. Adieu, bis nachher!



Wie wirst Du Dich über die arme Cécile lustig machen! O wie war ich auch dumm! Aber sicher wäre es Dir genau so gegangen. Also wie ich bei Mama eintrat, stand dicht neben ihr ein Herr ganz in Schwarz. Ich begrüßte ihn so artig wie ich konnte und blieb, ohne mich vom Platz zu rühren, stehen. Du kannst Dir denken, wie ich ihn mir anschaute! »Gnädige Frau«, sagte er zu meiner Mutter und grüßte mich, »sie ist entzückend, und ich fühle vollauf den Wert Ihrer Güte.« Das klang so bestimmt, und ich begann zu zittern, daß ich mich nicht mehr aufrecht halten konnte; ich fand einen Stuhl in meiner Nähe, auf den ich mich verwirrt und ganz rot geworden niederließ. Kaum saß ich, so lag dieser Mann auch schon zu meinen Füßen. Ich verlor nun völlig den Kopf und war, wie Mama behauptete, ganz verwirrt. Ich stand auf mit einem Schrei, ganz so einem Schrei, wie damals, weißt Du, als das starke Donnerwetter anhub. Mama lachte laut und sagte: »Was hast du denn? setz dich nieder und reiche dem Herrn deinen Fuß.« Und wirklich, meine liebe Freundin, – der Herr war ein Schuster! Es ist mir nicht möglich, Dir zu beschreiben, wie beschämt ich mich fühlte, – glücklicherweise war nur Mama anwesend. Wenn ich verheiratet bin, werde ich gewiß nicht mehr bei diesem Schuster arbeiten lassen.



Jetzt sind wir, ich und Du, nicht klüger als zuvor! Lebe wohl, – meine Kammerzofe sagt, ich müsse mich jetzt anziehen, es ist bald sechs Uhr. Adieu, ich liebe Dich noch gleich stark wie im Kloster, meine liebe, liebe Sophie.



P. S. Da ich nicht weiß, durch wen ich meinen Brief schicken soll, werde ich warten bis Josephine kommt.





Paris, den 3. August 17..







2

Zweiter Brief

Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont im Schlosse zu ...



Kommen Sie, mein lieber Vicomte, kommen Sie zurück! Was machen Sie, was können Sie denn bei einer alten Tante machen, deren Vermögen Ihnen doch schon sicher ist? Ich brauche Sie, reisen Sie also unverzüglich. Ich habe eine vortreffliche Idee, mit deren Ausführung ich Sie betrauen will. Diese wenigen Worte sollten Ihnen genügen, und Sie sollten sich von meiner Wahl so sehr geehrt fühlen, daß Sie herbeieilen müßten und kniend meine Befehle entgegen nehmen. Aber Sie mißbrauchen meine Güte, selbst seitdem Sie sie nicht mehr brauchen. Zwischen einem ewigen Haß und einer übergroßen Güte trägt zu Ihrem Glücke doch wieder meine Güte den Sieg davon. Ich will Sie nun von meinem Projekte unterrichten. Aber schwören Sie mir zum voraus, daß Sie als mein treuer Kavalier sich in kein anderes Abenteuer einlassen, ehe dieses nicht zu Ende geführt ist, – es ist eines Helden würdig: Sie werden dabei der Liebe und der Rache dienen, und Sie werden sich seiner in Ihren Memoiren rühmen können, in diesen Memoiren, von denen ich möchte, daß sie einst gedruckt werden – ich will es auf mich nehmen, sie zu schreiben. Aber zu unserer Sache!



Frau von Volanges verheiratet ihre Tochter: es ist noch ein Geheimnis, das ich aber gestern von ihr selbst