Columbans Revolution

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Aus der Reihe: Edition IGW #1
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Columbans Revolution
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PETER R. MÜLLER

Columbans Revolution

Wie irische Mönche Mitteleuropa mit dem Evangelium erreichten — und was wir von ihnen lernen können


Dieses Buch als E-Book:

ISBN 978-3-86256-729-4, Bestell-Nummer 588 664E

Dieses Buch in gedruckter Form:

ISBN 978-3-937896-64-9, Bestell-Nummer 588 664

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar

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Inhalt

Danksagung

Vorwort von Peter Aschoff

1. Warum ist dieses Thema ein Thema?

Zur Methodik

2. Die Welt, aus der die Iren kamen

2.1 Die Kelten

2.2 Irische Kultur und irisches Mönchtum

2.2.1 Nachfolger der Druiden

2.2.2 Netzwerke: Starke Verflechtung mit der Gesellschaft

2.2.3 Mönche gehörten zur politischen Oberschicht

2.3 Die Spiritualität irischer Mönche

3. Die Welt, in die die Iren kamen

3.1 Gallisch-römische Kultur

3.2 Die Germanen

3.3 Aus Gallien wird das Reich der Merowinger

3.3.1 Die Kirche im Merowingerreich

3.3.2 Das Merowingerreich wird christlich

4. Columbans Revolution

4.1 Columbans Lebensweg

4.2 Klostergründungen schaffen geistliche Zentren

4.3 Unterstützung durch Machthaber

4.3.1 Evangelisation als politische Aufgabe

4.3.2 Das Entstehen des irofränkischen Mönchtums

4.4 Geistliches Leben

4.4.1 Die irofränkischen Klosterbewegung verhilft der Benediktinerregel zum Durchbruch

4.5 Predigt und Lehre

4.5.1 Predigt

4.5.2 Kulturelle Leistungen

4.6 Heilung, Zeichen und Wunder

4.7 Power Encounters – Machtvolle Begegnungen

4.8 Die Mitte

4.8.1 The Flaw of the Excluded Middle

4.8.2 Die Mitte als wichtiges Entscheidungskriterium

4.9 Kairos

5. Wirkmechanismen

5.1 Hatten die irischen Mönche eine Wirkung?

5.1.1 Es entstanden lebensfähige einheimische Gemeinschaften

5.1.2 Es wurde evangelisiert

5.1.3 Entsendete Missionare (Multiplikation)

5.1.4 Kulturelle Adaption des Evangeliums

5.2 Welche Wirkmechanismen lagen vor?

5.2.1 Faktor 1: Strukturelle Lösungen für Herausforderungen in Gallien

5.2.2 Faktor 2: Kulturelle Übereinstimmung zwischen Iren und Franken

5.2.3 Faktor 3: Langfristiges Denken, Handeln und Engagement

5.2.4 Faktor 4: Zusammenwirken mit Machthabern

6. Abschluss und Ausblick

Strukturen für eine neue Welt

Sprich mit mir – der Kultur in die Augen schauen

Langsamkeit und Langfristigkeit

Gedanken zu Kirche und Macht

Veränderung mitgestalten

Bibliografie

Neufeld Verlag

Danksagung

Ein afrikanisches Sprichwort lautet: „Wenn du schnell gehen willst, gehe alleine. Wenn du weit gehen willst, gehe gemeinsam.“ Nicht nur für die Iren waren ihre Netzwerke entscheidend – dieses Buch ist erst durch die Mitwirkung einer ganzen Reihe von Leuten zu dem geworden, was Sie nun schön gebunden in den Händen halten.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei IGW für ein flexibles und modernes Studienprogramm bedanken. Dieses Buch ist das Ergebnis von sieben gemeinsam gegangenen Jahren. Besonderen Dank schulde ich Fritz Peyer-Müller, der mich als mein Studienleiter und Begleiter während dieser Zeit mit vielen Anmerkungen immer wieder herausgefordert und ermutigt hat.

Michael Girgis brachte mich auf die Idee, Peter Aschoff als Mentor für das Schreiben der Arbeit zu fragen. Der hat zugesagt und in einer Reihe von langen Telefonaten viele Ideen und kritische Rückfragen eingebracht, die diesem Buch zu mehr Tiefe verholfen haben.

Ein Dankeschön auch an Miriam Brunner und Eva Allmendinger für das Korrekturlesen des Manuskripts und jede Menge Anmerkungen zur Lesbarkeit des Textes sowie an Cla Gleiser von IGW für das Lektorieren. Klaus Wetzel von der Akademie für Weltmission, Korntal, hat mich mit einer sehr hilfreichen E-Mail aus einer vertrackten methodischen Sackgasse herausgeführt: auch ihm meinen Dank.

Auf der eher etwas technischen Seite danke ich meinem Sohn Felix: vielen Dank für das Fotokopieren verschiedener Quellen. Steve Jobs für die Erfindung eines Computers, ohne den die Welt heute ganz anders aussähe, und der mir treue Dienste beim Schreiben geleistet hat: dem Mac. Und Wil Shipley von Delicious Monster für seinen wirklich innovativen Omini Outliner; dieses kleine, aber feine Stückchen Software hat mir geholfen, den riesigen Schwarm an Zitaten und Quellen in eine nachvollziehbare Form zu bringen. Sehr flexibel, so wie ich es mag.

 

Mathias Burri von IGW und David Neufeld für die sehr konstruktive Zusammenarbeit im Herstellungsprozess dieses Buches. Ein riesiges Dankeschön der Stiftung für Bildung und Forschung, die den Druck dieses Buches überhaupt erst ermöglicht hat.

Und schließlich danke ich Ihnen, geschätzter Leser, für Ihre Neugierde. Sie interessieren sich für unsere europäischen Wurzeln und wie die Geschichte auf unserem Kontinent wohl weiter gehen könnte. Vergessen Sie nicht, dass Sie selbst ein Teil dieser Geschichte sind, so wie Columban, Gallus und seine Freunde. Sie sind nicht allein.

Peter R. Müller

Kaufering, im April 2008

Vorwort von Peter Aschoff

Der Begriff „Mission“ erlebt zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein überraschendes Comeback. Nachdem lange Zeit nur fromme Exoten davon sprachen und häufig angestaubte Konzepte damit verbanden, ist das Thema nun auf die Tagesordnung der großen Kirchen zurückgekehrt. In meinem Stadtteil von Erlangen – kirchlich gesehen noch eine ziemlich intakte Region – verzeichnet die Statistik über 45 Prozent „Sonstige“: Konfessionslose oder Anhänger anderer Religionen. Wie geht man mit dieser Situation um, die in anderen Landstrichen noch extremer ist?

Da kann ein Buch, das sich mit der Mission eines heidnischen Europas mit christlichen Restbeständen befasst, zumindest Hoffnung wecken – selbst wenn diese Geschichte schon viele Jahrhunderte alt ist. Christen können auch als Minderheit eine beachtliche Wirkung entfalten. Mehr noch als die Erweckungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts, die Kirchlichkeit und Glaubenswissen voraussetzen konnten und nur den persönlichen Glaubenseifer der Einzelnen neu beleben mussten, mussten die keltischen Mönche um Columbanus den Germanen in Mitteleuropa erst einmal plausibel machen, warum sie um des Evangeliums willen ihre Götter und Traditionen zurücklassen sollten. Ich selbst habe diese Geschichten als zutiefst ermutigend und bereichernd empfunden.

Peter Müller hat diese Bewegung einfühlsam und verständlich nachgezeichnet. Während es im angelsächsischen Sprachraum eine Fülle aktueller Literatur über das keltische Christentum und seine missionarische Wirkung gibt, klaffte im deutschen hier eine bedauerliche Lücke. Doch es ist nicht nur die historische Darstellung, sondern auch die bewusste Verbindung mit missiologischer Reflexion, die dieses Buch so wertvoll macht: Es ist gut zu wissen, dass früheren Generationen kleine und große Durchbrüche gelungen sind. Und natürlich kann man das heute nicht naiv imitieren und eine Anleitung in vier Schritten daraus stricken. Wir können uns aber inspirieren lassen für einen beherzten und kreativen Ansatz christlicher Gemeinschaftsbildung in unserer Zeit rasender Veränderung und üppiger Vielfalt der Weltanschauungen und Lebenskonzepte.

Die Denkanstöße, die Peter Müller hier gibt, reichen von Fragen der kirchlichen Struktur über das Verhältnis von Glaube und Kultur hin zu Überlegungen, dass ein langfristiges Denken, Planen und Agieren wichtiger ist als überdrehter Aktionismus. Und er stellt schließlich die heikle Frage nach dem Umgang mit Macht und Einfluss aus der Perspektive des Reiches Gottes: Wie bringen Christen den Einfluss und die Herrschaft Gottes in dieser Welt zur Geltung, ohne sich selbst missbräuchlich Macht anzueignen?

Ich wünsche allen Lesern dieses Buches, dass sie aus der Beschäftigung mit diesem spannenden Stück Kirchengeschichte ermutigt und mit neuen Ideen hervorgehen. Und wenn es Ihnen dann so ergeht, machen Sie es wie die irischen Mönche: Behalten Sie die Dinge nicht für sich, teilen Sie die Impulse mit anderen und leben Sie gemeinsam aus, was Ihnen wichtig geworden ist.

Peter Aschoff

Erlangen, im April 2008

1. Warum ist dieses Thema ein Thema?

An einem Freitagnachmittag, dem 2. Oktober 1992, ging ich auf dem Weg nachhause durch die Augsburger Annastraße, vorbei am ehemaligen Annakloster, wo schon Martin Luther zu den heißen Zeiten der Reformation logiert hatte. Auf diesem Weg hallten zwei Worte in meinem Kopf: kulturelle Relevanz. Laut wie ein Hammer, der gegen eine Glocke schlägt. Es war, als würde jemand neben mir herlaufen und mich die ganze Zeit anschreien: „Kulturelle Relevanz! Kulturelle Relevanz! Kulturelle Relevanz!“ Ich erinnere mich, wie ich schließlich zuhause ankam und mich verstört und verwundert fragte, was diese Worte eigentlich bedeuten – kulturelle Relevanz.

Einige Jahre zuvor hatte ich mich für Jesus entschieden, leitete nun die Jugendarbeit einer charismatischen Freikirche in Augsburg. Aus diesem merkwürdigen Erlebnis heraus begann ich ein Unbehagen zu entwickeln über unsere Schwierigkeiten, mit der Gesellschaft um uns herum in einen wirklichen Austausch zu gelangen. Mir fiel auch auf, dass ich keine Idee hatte, wie wir aus unserem frommen Ghetto herauskommen könnten.

Die Frage hat mich nie mehr losgelassen. Einige Jahre später saß ich mit Bert Simon auf dem Sofa, als er durch Landsberg kam. Eine schillernde Gestalt, wollte er doch für karitative Zwecke die Distanz zwischen Erde und Mond laufen. Oft hatte er bei Kirchen Quartier gefunden. Wir unterhielten uns über – kulturelle Relevanz. Er meinte: „Bei vielen Freikirchen würde doch keiner in der Stadt bemerken, wenn es sie plötzlich nicht mehr gäbe. Sie sind völlig irrelevant für die Menschen in ihrer Umgebung.“ Die Kirchen, so seine Ansicht, füllten keine „Marktlücke“ aus. Auch darüber habe ich immer wieder nachgedacht.

Während meines Studiums in den USA schrieb ich eine Arbeit über die irische Kirche mit ihren berühmten Missionaren – Columban dem Älteren, Brendan, und wie sie alle hießen. Ihr evangelistisches Feuer, ihre kompromisslose Hingabe und ihre missionarische Wirksamkeit hinterließen eine bleibende Faszination in mir. So entstand das Thema dieser Arbeit.1 Die Frage, die ich mir stellte: Wie kann es sein, dass diese irischen Mönche im Frühmittelalter einen solch religions- und kulturhistorischen Einfluss hatten, während die Freikirchen, die ich kennen gelernt habe, heute praktisch oft bedeutungslos für die sie umgebende Gesellschaft sind? Was hatten diese Mönche, das wir heute nicht haben? Was war ihre „Marktlücke“?

Es begann für mich eine spannende Reise in die Zeit des Frühmittelalters. Hatte ich bisher damit eine dumpfe, irgendwie langweilige Epoche der Geschichte verbunden, so entdeckte ich nun eine faszinierende Zeit voller dramatischer Umbrüche. Ich staunte darüber, wie viele Parallelen zu unserer heutigen Welt sich mir aufdrängten. Sehr bald machte sich allerdings auch Ernüchterung über meine „Helden“, die irischen Mönche, breit. Ich lernte von ihren Bündnissen mit Machthabern und begann mich erst einmal zu fragen, ob sie wirklich Helden oder nicht einfach nur korrupt gewesen waren. Doch je mehr ich mich in das Thema hineingrub und sie in ihrer eigenen Zeit zu verstehen versuchte, desto mehr wuchs der Respekt vor dem, was Columban & Co. bewirkt haben.

Zur Methodik

Technisch gesehen stellt dieses Buch eine missiologische Fallstudie dar. Es beschreibt, wie eine bestimmte Kultur mit dem Evangelium erreicht wurde – in diesem Fall die germanisch-keltische – im ehemals römischen Gallien und dem, was heute der deutschsprachige Raum ist. Eine Schwierigkeit dabei war die dünne Quellenlage. Es gibt aus dieser Zeit im Frankenreich kaum schriftliche Aufzeichnungen. Ich habe mich darum auf Fachliteratur gestützt, die zum Großteil aus der Kirchengeschichte und Geschichte stammt. Diese Arbeiten versuchen, aufgrund von Aufzeichnungen, archäologischen Daten, anthropologischen Einsichten und anderen Indizien ein Bild von den Vorgängen der damaligen Zeit zu zeichnen – also eine Art Puzzle, in dem man die Lücken so klein wie möglich halten möchte. Mein erstes Ziel war es, aus diesen verschiedenen Veröffentlichungen in den Kapiteln 2 bis 4 ein möglichst lebendiges, dreidimensionales Bild der damaligen Geschehnisse zusammenzufügen. Ich habe dabei bewusst versucht, viele Brücken in unsere heutige Zeit zu bauen, um die Übertragbarkeit zu erhöhen.

In Kapitel 5 untersuche ich, ob und wie es durch die irischen Mönche zu einer missionarischen Wirkung gekommen ist. Aus den Ergebnissen formuliere ich mit Vorsicht und großem Respekt abstrakte Prinzipien. Eine der wichtigen Einsichten, die ich gewonnen habe, ist die Unwiederholbarkeit dessen, was damals geschah. Wir können nicht einfach aus der Beobachtung der Geschehnisse der damaligen Zeit Methoden „herausholen“ und sie dann als Wundermittel für den Gemeindebau heute einsetzen. Wie bei missiologischen Fallstudien üblich, können wir aber sensibilisiert werden für bestimmte Faktoren, die im richtigen Kontext die Evangelisation und den Gemeindebau kraftvoller und fruchtbarer machen. Mein Wunsch für diese Arbeit ist, dass genau das geschieht.

Ich überlasse es dem Leser, der um Perspektiven für das Wachstum des Reiches Gottes in unserer heutigen Zeit ringt, mit wachen Sinnen die Einsichten dieses Buchs auf seine aktuelle Fragestellung zu übertragen. Mein Anliegen war es, eine „offene Schnittstelle“ zu schaffen, die dem heutigen Leser einen Zugang zu dieser für die europäische Entwicklung so entscheidenden Zeit ermöglicht.2 Meine Hoffnung ist, dass dieses Wissen für Gemeindebau und die Remissionierung Europas frische, praktische und besonders auch europäische Hilfen gebären hilft.

Peter R. Müller

Anmerkungen

1 Den entscheidenden Anstoß gab übrigens Thomas Cahill mit seinem wunderbar spannenden und inspirierenden Beststeller Wie die Iren die Zivilisation retteten, den ich im Frühjahr 2006 zu lesen begonnen hatte.

2 Die gleiche Intention verfolgt George Hunter III. mit The Celtic Way of Evangelism. Hunter ist Professor für Gemeindewachstum und Evangelisation am amerikanischen Asbury Seminary. Das aufwändig recherchierte Buch verfügt über viele gute Einsichten, gerade auch zur Übertragbarkeit in die heutige Zeit. Sein Bild der Iren scheint mir stellenweise etwas zu idealistisch; dennoch eine empfehlenswerte Lektüre, die stark das irische Wirken in Schottland und England im Blick hat.

2. Die Welt, aus der die Iren kamen
2.1 Die Kelten

Die Geschichte Europas beginnt im diffusen Nebel einer schriftlosen Kultur. Etwa 4 500 v. Chr. entwickelten die Menschen den Ackerbau. Bereits Jahrhunderte vor den Pyramiden bauten sie gigantische Steinanlagen, wie etwa das berühmte Stonehenge, die ein sehr detailliertes astronomisches Wissen verraten. Etwa gegen 800 v. Chr. erwähnen erstmals griechische und römische Autoren diese Kultur und bezeichnen sie als Kelten (Oliphant 1992:80 ff.).

Die Kelten waren kein Volk im eigentlichen Sinne, sondern können besser als eine Gruppe von Völkern verstanden werden, die eine ähnliche Sprache und eine gemeinsame Kultur verband. Sie unterhielten lebhafte Handelsbeziehungen untereinander und auch in die antike Welt (Oliphant 1992:84). Von den Griechen und Römern erhielten sie den Namen Galatoi/Keltoi, Kelten, was möglicherweise vom Wort für „kämpfen“ kommt (Dillon Chadwick 2004:11). Kämpfen konnten die Kelten jedenfalls. Nackt stürmten sie wie Berserker in die Schlacht (Cahill 1995:82 ff.). Die Römer fürchteten sie und konnten sie letztlich nur durch ihr geschlossenes, strategisches Vorgehen besiegen. Denn eine große Schwäche der Kelten war ihr leicht zu entflammendes Temperament und ihre innere Zersplitterung in sich streitende Stämme und Parteien, wie etwa Julius Caesar in seinem Werk über die Gallier – der Name Gallien leitet sich von den dort lebenden Kelten ab – feststellt. Er heuerte einfach einzelne Stämme an, die ihm dann beim Erobern der anderen Gallier halfen (Olsen 2003:22).

 

Abbildung 1: Keltische Ausbreitung, die mit der La-Tène-Kultur ihren Höhepunkt fand.

Keltische Christen gab es bereits im zweiten Jahrhundert. Der Kirchenvater Irenaeus (130–200)3 etwa arbeitete missionarisch unter den Kelten. Beim Konzil von Arles im Jahr 314 sind vier britische und 16 von 36 gallischen Bischöfen anwesend (Olsen 2003:44 f.). Wann das Christentum das keltische Irland erreichte, ist nicht ganz so klar. Wahrscheinlich gegen Ende des vierten Jahrhunderts, denn im Jahr 431 entsendet Papst Coelestin I. den Palladius als Bischof nach Irland zu den gläubig gewordenen Iren (Angenendt 1990:204). Die Bekehrung der Insel als Ganzes findet etwa ab 450 statt, als der Brite Patrick in einem Traum einen „Mazedonien-Ruf“ (vgl. Apostelgeschichte 16,9–10) empfängt und nach einer theologischen Ausbildung dort zu missionieren beginnt.

Etwa zur gleichen Zeit dürften auch Gelehrte vom europäischen Festland nach Irland gekommen sein, die vor den im Zuge der Völkerwanderung einbrechenden Hunnen, Goten und Vandalen flohen; im Gepäck hatten sie antike Bücher in Griechisch und Latein (Löwe 1982:1015). So entwickelte sich in der bis dahin schriftlosen Kultur4 ein blühendes Bildungswesen. Während im Alten Europa die Bibliotheken von den Barbaren niedergebrannt wurden, kopierten die Iren die antike Literatur, einschließlich der Bibel.

563 verließ der Abt Columcille (Columba oder auch Columban der Ältere) Irland und gründete vor der schottischen Küste auf der Insel Iona ein Kloster. Innerhalb weniger Jahre gewann er mit seinen Mönchen die keltischen Stämme der Pikten zum Glauben. Von Iona wird 635 Aidan ausgesandt, um dem Wunsch des Königs Oswald nach einem Prediger zu entsprechen. Er gründete auf der Insel Lindisfarne ein Kloster, von dem aus Nordengland missioniert wurde (Olsen 2003:117).

Das antike Europa versank im Chaos der Völkerwanderung, während sich unbehelligt von Rom in Irland und später auf der britischen Insel ein ganz eigenes, keltisches Christentum entwickelte, das nicht vom römischen Hierarchiedenken geprägt war. Überall entstanden Klöster, in denen Mönche in der Askese Gott suchten, aber auch intensiv in die Gesellschaft hineinwirkten. Sie bildeten nicht einfach nur christliche Zentren. Um die Klöster siedelten sich Bauern und Handwerker an, der Adel schickte seine Söhne und Töchter dort zur Ausbildung, Menschen kamen, um Heilung, Segen und Schutz zu erhalten. Einige dieser Klöster wuchsen zu den ersten städtischen Zentren im sonst ländlichen Irland.

In der Zeit von 500 bis 800 verließen irische Mönche ihr Zuhause, um Heiligung in der Fremde zu suchen (Bitel 1990:223). Columban (Columba der Jüngere) war der wohl einflussreichste von ihnen, wie wir noch sehen werden. Mit diesen Mönchen kam nicht nur das Christentum zurück in das inzwischen von Germanen überrannte nördliche Römische Reich, sondern später, zur Zeit Karls des Großen (König von 786 bis 814), auch eine große Reform der Bildung, in der Iren als Lehrer und Vordenker eine wichtige Rolle spielen sollten (Löwe 1982:1 026 f.). In dieser Zeit wurden allerdings auch die Normannenüberfälle auf Britannien und Irland heftig und regelmäßig. Klöster wurden niedergebrannt, Mönche und Bevölkerung abgeschlachtet oder versklavt. Der Strom irischer Mönche und Pilger auf den Kontinent trocknete aus und kam zum Erliegen.