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BACKSTAGEPASS

Ein Leben voller Musik

Anekdoten aus dem Backstage

von Peter O. Bischoff

Bärensong Musikverlag e.K.

Danksagungen / Credits

Der Autor bedankt sich bei Lilian Bischoff, Andrea Bischoff, Mike Wrage, Gaby Meyer, Geff Harrison, Tom Wendt, Inken Diercks (ICD-Grafik), Julia Freudenthal, Gerd Gruß, Birgit Hoffmann (H6 Agentur), Hanns Landa und Ernst Kahl.

Alle Fotos sind von Peter Bischoff persönlich aufgenommen oder in seinem Besitz außer: S.142/175/181 I. Diercks; S.110 H. Landa privat; S.176 A. Bischoff und S. 188 B. Hoffmann.

Umschlag, Bildbearbeitung, Grafiken, Layout: ICD-Grafik – Inken Diercks

Originalausgabe August 2013 Alle Rechte vorbehalten Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

ISBN 978-3-98159952-7

Copyright (c) 2013 Bärensong Musikverlag e.K.

Eulenstr.48

22765 Hamburg

bearsong@t-online.de

Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Ich steh‘ auf Berlin

50er Jahre Berlin

60er Jahre

70er Jahre Hamburg

80er Jahre

90er Jahre

2000er Jahre

Literaturverzeichnis

Index

Vorwort

Als mir Peter von seinem Buch erzählte war ich erstmal sehr überrascht. Doch als ich das Manuskript in den Händen hielt wurde ich neugierig und las es in einem Rutsch durch. Ich bekomme ja viel auf den Tisch und gebe oft schon nach den ersten Seiten auf. Anders hier: Ich kannte die Musiker und Clubs nur zu gut. Habe mich in einigen der Lokalitäten ja auch gern von der Muse küssen lassen.

Der „Jung-Autor“ Bischoff springt im Galopp durch die Jahrzehnte, schmeisst mit Künstlernamen nur so um sich. Schon fast vergessene Bands spielen vor dem geistigen Auge und die dazugehörige Zeit wird wieder lebendig: Die Gelben vom Ei, Die Trinkende Jugend oder die alten Rolling Stones. Von AC/DC bis Zappa, von Annette Humpe bis ZZTop, ein illustrer Reigen.

Ergänzt wird diese Zeitreise mit vielen Bildern, z.B. einigen exklusiven Bowiefotos aus den 70ern.

Bevor ich nun noch weiter ins Schwärmen gerate, wünsche ich viel Spaß auf den folgenden Seiten.

Heinz Damnatz

Hamburg im August 2013

Ich steh‘ auf Berlin (Ideal)

Bowie fragte mich, ob Edgar auch noch kommen würde. Ich musste noch mal nachhaken, mein Englisch war damals, 1977, noch nicht so gut. Schulenglisch eben. Nun fragt mich der englische Superstar, ob Edgar Froese von Tangerine Dream noch kommen würde. Klar, es war dessen Übungsraum, der alte Filmvorführraum von Adolf Hitler in Tempelhof auf dem alten UFA Gelände. Später hatte ich den Raum daneben für mein Schlagzeug gemietet. Für wenig Kohle. Das Gelände gehörte damals der Deutschen Post.

Wenn mir jemand Anfang der Siebziger prophezeit hätte, ich würde später mal bei David Bowie zu Hause sein, von Iggy Pop die Tür geöffnet bekommen, Udo Lindenberg in meinem 200/8 Mercedes durch die Gegend chauffieren, wenn mir jemand gesagt hätte, ich würde mal Verleger einer Inga Rumpf CD sein, Sarah Brightman würde mir ein Stück leckeren Kuchen in meinem Büro servieren, ich hätte ihn wohl für verrückt erklärt.

Aber der Reihe nach...

Gehn‘ Sie Mit Der Konjunktur (Hazy Osterwald)

Meine musikalische Früherziehung bekam ich durch das Radio & TV-Programm der 50er und den Plattenschrank meiner Eltern. Papa mochte Elvis und Mama Perry Como. Nicht zu vergessen die deutschen Schlager von Bill Ramsey „Zuckerpuppe“, Chris Howland „Häuptling der Indianer“, Billy Mo „Tiroler Hut“ plus deutschem Fernsehballett und die Kessler-Zwillinge Alice & Ellen. Am liebsten aber mochte ich die lustige Truppe von Hazy Osterwald. Insbesondere den englischen Drummer. Live sah ich Hazy erst bei einem Konzert von Joja Wendt. Da war er Special Guest. Leider konnte er keine Klarinette mehr spielen, dazu war er schon zu betagt. Zum Vibrafon aber reichte es noch.

La Paloma (Hans Albers)

Mein allererstes Konzert war 1959 mit meinen Eltern im Berliner Sportpalast. Einer jener bunten Nachmittage mit verschiedenen Künstlern. Unter anderen trat auch Brigitte Mira auf. Hauptattraktion: Hans Albers. Er sang ein, zwei Lieder und bekam danach eine Flasche Wein, die er dem Orchester überließ. Genüsse dieser Art hatte der Arzt ihm verboten. Es nützte nicht viel, denn dies war einer seiner letzten Auftritte vor seinem Tod 1960. La Paloma Adé!

Kennedy in Berlin

Als John F. Kennedy die legendären Worte „Ich bin ein Berliner“ sprach, stand ich mit meinem Vater in der Menschenmenge vor dem Schöneberger Rathaus. Der Satz wird oft aus dem Zusammenhang gerissen. Kennedy sagte nämlich eigentlich: „Dass jeder freie Mensch in Zukunft wieder stolz sagen kann „Ich bin ein Berliner“. Später standen mein Vater und ich auf dem Dach unserer Aral, der ältesten Tankstelle Berlins und bestaunten die Autokolonne des Präsidenten mit Adenauer und Willy Brandt, davor die blitzblanke Polizei-Motorradstafette.

Ein Jahr zuvor wollten wir noch gemütlich durch das Brandenburger Tor nach Ost Berlin. Es war der 13. August 1961. Man ließ nichts und niemanden mehr durch.

Let There Be Drums (Sandy Nelson)

Ja, ich wollte schon früh Drummer werden. Lange lag ich meinen Eltern damit in den Ohren. Mit 16 Jahren bekam ich endlich ein Schlagzeug der Marke Tromsa von meiner großherzigen Mutter geschenkt.

Zur Freude der Nachbarn übte ich in meinem Zimmer. Sozialer Wohnungsbau Friedenau, hellhörige dünne Wände. Ich hatte nie Schlagzeugunterricht. Alles selbst beigebracht oder abgeschaut bei anderen.

Peter Bischoff 1969

Immer viel geübt und viel gespielt. Wenn irgendwo Not am Drummer war, sprang ich ein. Eins zwei drei...welchen Song spielen wir jetzt eigentlich? Der Bassist Ralph „Trotta“ Schmidt (Interzone) sagte bei so einer Probe mal zu mir: „Is nich‘ so wichtich, klingt aber besser, wenn du die Betonung mitspielst.“ Ich trommelte das erste Mal bei Capitol. Drummer Fränk Hämmerle konnte den Abend nicht. Später spielte ich immer wieder bei anderen Bands und konnte meine Leidenschaft mit anderen teilen. Die ersten Übungsräume waren selbstverständlich weder in der Nähe unserer Wohnungen noch warm und trocken. Meist rochen sie feucht und muffig oder waren verqualmt. Hinterlassenschaften der anderen Bands, die die Nacht davor dort mehr gekifft als geübt hatten, in der Hoffnung, irgendwann mal reich und berühmt zu werden.

Einmal spielte ich bei Klaus Lages Band „BRE“ vor. Das passte aber nicht.

Mit meinem Bluesrocktrio The Witch trat ich dann sogar im angesagten Quasimodo auf. Aber aus Berlin kam ich als Musiker nie raus.

Ich war froh, wenn ich Mitstreiter fand, die nicht nur ihr Instrument beherrschten, sondern auch pünktlich zur Probe erschienen und diszipliniert die Songs spielen konnten. Einem Gitarristen zog ich mal den Stecker raus, weil er nicht aufhören wollte zu kniedeln, obwohl wir gerade etwas besprechen wollten. Hatte ich mal keine feste Band, so ging ich zu Sessions oder man traf sich in Jugendclubs und spielte vor Publikum einfach so drauflos. Einmal kam beim Aufbauen ein Steppke auf unseren Gitarristen zu und fragte ihn kess: „Du sollst der beste Gitarrist Berlins sein, stimmt das?“ „Kann schon sein“ meinte Bernd Gärtig cool.

Bernd machte dann später Karriere mit Lake. Für mich war er der Carlos Santana aus Friedenau. Spielte wie der Satan, aber meine Mutter sagte immer, wenn er bei uns zu Hause anrief: „Der freundliche Bernd ist dran.“

Bernd war irgendwie ein kleiner Daniel Düsentrieb. Er bastelte mit Vorliebe an seiner Gitarre rum und verbesserte sie, indem er zum Beispiel die Bünde auskehlte, um die Saiten länger ziehen zu können. Die kabellose Gitarre mit Sender war auch von ihm. Und nicht zu vergessen der elastische Gitarrengurt. Ich werde nie vergessen, wie im WDR Rockpalast der Gitarrist von Mothers Finest plötzlich mit Bernds elastischem Gitarrengurt spielte. Er ähnelte dabei einer Kopie von Bernd mit seinen Bewegungen und den langen blonden Haaren. Bernhard Kurzke von No.1 hatte das gedeichselt und sich um die Patentrechte gekümmert. Bernd hatte später in Hamburg das Gartenhäuschen neben dem Haupthaus von Udo Lindenberg und Gottfried Böttger in Blankenese, in direkter Nachbarschaft zum Anwesen von Axel Springer. Ich habe da einmal übernachtet, morgens klingelte der Wecker und automatisch gingen die Vorhänge auf, die Kaffeemaschine lief los und das Radio spielte Musik. Bernd war schon immer ein Tüftler. Auf dem Foto ist zwar sein Haus nicht gut zu sehen, aber links davor steht sein alter VW Kasten.

 

Haus Falkensteiner Ufer – Hamburg

Bernd Gärtig

Mein erstes Rockkonzert war Ton Steine Scherben im Westberliner Quartier Latin 1970. Rio Reiser sang voller Inbrunst seinen Szene-Hit „Macht kaputt was euch kaputt macht“. Dazu war ich leider zu kaputt.

Ich bin danach zu Fuß nach Hause. Als Auszubildender hatte ich kein Geld für Taxi und Nachtbusse gab‘s noch nicht. Das erste Auto bekam ich ein Jahr darauf zum Führerschein von meinen Eltern geschenkt. Einen 59er Käfer, der satte 80 km/h fuhr. Mein Vater hatte ihn gedrosselt, damit ich nicht durch die Stadt rasen konnte. Eigentlich wollte ich ja den Karman Ghia von meinem Arbeitskollegen kaufen. Aber Papa war dagegen: „Zu schnell für dich!“ Als ob ich mit dem simplen VW Motor von Karman hätte Rennen veranstalten können. Also gab es den Käfer von Mama. Der wurde nun blau gespritzt.

Sah echt gut aus dann. Mit dem eingebauten Radio gab es einen für damalige Verhältnisse ganz anständigen Sound. Der Lautsprecher direkt hinter dem Lenkrad hatte einen ganz schönen Wumms.

Ein riesiges Konzertereignis war das Festival unter dem Namen Pop Progressive Peace Concert am 30.3.1970 im Berliner Sportpalast mit Spencer Davis Group, Hardin & York, Deep Purple, The Nice, Keef Hartley Band, Alexis Korner und Wonderland. Am Schluss, nachdem die meisten Besucher die Halle schon verlassen hatten, gab es noch eine Session mit allen beteiligten Musikern, darunter war auch Tourneeveranstalter und Mitglied von Wonderland, Frank Dostal, den ich später in meiner Zeit im Logo als Produzent von Rosy Rosy und den Crackers kennenlernte. Während Deep Purple spielte, konnte ich direkt an die Bühne gehen (Absperrgitter und Ordner vor der Bühne gab es damals noch nicht) und aus nächster Nähe Richie Blackmoore dabei beobachten, wie er nacheinander zwei Fender Gitarren in seine Boxen bohrte. Ich war beeindruckt. Was für eine Power!

Die Eintrittpreise waren viel niedriger als heute. Ich zahlte 9,80 DM im Vorverkauf, also keine 5,- €. Was für mich als Lehrling mit 130,- DM Lohn trotzdem eine Menge Geld war. Die Mitglieder von Wonderland sollte ich später in Hamburg übrigens alle noch persönlich kennenlernen:

Dicky Tarrach mit den Rattles, Kalle Trapp als Produzent für eine der Bands, die ich als Manager vertrat, Claus Robert Kruse spielte mit Känguru oft bei mir in der Hamburger Fabrik und Achim Reichel fand sich bei Konzerten seiner Labelkünstler (Ahorn) bei mir im Logo ein. Mein Traum vom ersten eigenen Auftritt wurde dann irgendwann wahr.

Als wir im Spätsommer 1973 mit einem ausgemusterten Polizei-VW-Bus aus einer Versteigerung der Berliner Polizei zu unserem Auftritt bei einem Festival in Neukölln durch die Stadt fuhren, fielen wir wegen dem Bus und unserer langen Haare an jeder Ampel auf. Bei dem Festival „Artmeeting 73“ spielten nur kleine lokale Bands wie z.B. Rockcypfel und Tontransport. Vor jedem Auftritt wurde ein kurzes Filmchen der Band aus dem jeweiligen Übungsraum gezeigt. Da wir auf der Empore einer Kirche in Kreuzberg geprobt hatten, boten wir mit Abstand die beste Filmkulisse. Leider hörten und sahen uns dann nur die wenigsten, da wir als erste Band schon um 15 Uhr auftraten.

Dafür bekamen wir von den ca. 50 Leuten recht wohlwollenden Applaus. Wenig später stellten wir fest, dass sogar ein Bootleg-Tape von unserem Auftritt existierte. Unsere hoffnungsvolle Band hieß übrigens Hope.

Hope: Klaus Wolf und Peter Bischoff

Wir verstanden uns als Hobbymusiker ohne größere Ambitionen. Nur unser Bassist Eddy war später bei Bands wie The Twins (für deren Vorläufer-Band Chippendale ich mit ihm mal vorgespielt hatte). Seine damalige Freundin Beate Bartel zupfte später auch den Bass, gründete Mania D, Einstürzende Neubauten und Liaison Dangereuses.

Beate Bartel

Bei Sessions in Neukölln und Kreuzberg trafen wir Alex Conti und Bernd Gärtig; die gingen später nach Hamburg und spielten beide u.a. bei Neil Landon, Rudolf Rock und die Schocker und Lake. Eddy legte mal bei einer Session mit den beiden seinen Bass beiseite und kam völlig fertig zu mir ans Schlagzeug. Er könne nicht spielen, wenn die beiden „so geil Gitarre ablassen“.

Alex wurde von Inga Rumpf zu Atlantis nach Hamburg geholt. Später bei Lake, während der USA-Tournee als Vorgruppe von Lynyrd Skynyrd, versuchte die Band Chicago ihn anzuwerben. Er lehnte ab. Als das Angebot eines US-Agenten kam, anschließend 365 Tage in den USA allein zu touren, dachte Lake etwas zu lange darüber nach. „OK dann nicht“, sagte der Agent.

Zurück in Hamburg fehlte Alex nach durchzechter Nacht das Geld fürs Taxi. Kurzentschlossen überließ er dem verdutzten Fahrer seine teure Rolex Uhr. Alex wohnte in einer WG in Pöseldorf im Haus von Uli Salm (Rudolf Rock). Als er einmal Damenbesuch hatte, brauchte sein Mitbewohner Bernhard Kurzke (Music Center No.1) dringend das einzige Telefon der Wohnung, welches sich unter Alex‘ Bett befand. Leise öffnete Bernhard die Tür zum Schlafgemach und zog vorsichtig an der Telefonschnur, um das Ding behutsam herauszuziehen. Alex war ja mit dem Groupie beschäftigt und bekam nichts mit. Plötzlich fiel der Hörer von der Gabel und Alex schimpfte unflätigst Richtung Tür. Schnell nahm Bernhard das Telefon und schloss eiligst die Tür. Gut so, denn Alex warf jetzt mit seinen Stiefeln nach ihm.

Jim Rakete lehnte später ähnlich dumm wie zuvor Lake das US-Tourangebot für Nena ab. Nach ihrem Nr. 1 Hit „99 Luftballons“ meinte er: „Bei der nächsten Nr. 1 kommen wir.“ Das ist erfahrungsgemäß so unwahrscheinlich wie mehrmals einen Sechser im Lotto. Man muss bedenken, dass bis dato nur Bert Kämpfert, Kraftwerk und Silver Convention als deutsche Künstler einen Nr. 1 Hit in den USA hatten. Danach in den 80ern nur noch einmal der Wahl-Hamburger Taco mit „Puttin on the Ritz“.

Seitdem hat es keiner von hier mehr geschafft.

Moment! Eine deutsche Band feierte auch im Ausland große Erfolge: Tangerine Dream aus Berlin Schöneberg.

Wish You Were Here (Pink Floyd)

Chris Franke von Tangerine Dream interviewte ich für die Berliner Zeitung „Nur Musik“ im Audio Tonstudio. Mit meinem Uher-Tonbandgerät machte ich davon einen Mitschnitt. Chris berichtete von den Aufnahmen des Albums, bei dem sie Nick Mason, den Drummer von Pink Floyd, als Produzenten dazu holten, aber bald wieder nach Hause schickten, weil es sie nicht wirklich weiterbrachte.

In der Toilette traf ich Georg Danzer, der hatte auf dem Spiegel mit Filzstift „Danzer was here“ hinterlassen und grinste mich beim Rausgehen triumphierend an. Der Studiobesitzer Jörg verriet mir einiges über die Aufnahmen, die David Bowie dort gemacht hatte, bevor er ins Hansa Studio wechselte:

„Let‘s make a hit tonight“ soll Bowie gesagt haben. Dort entstanden also die ersten Demos zu Heroes.

Danach in unserem Jugendheim war ich regelmäßig bei der Band A 33 (Buslinie in Berlin), später Firma 33, im Übungsraum und guckte mir die ersten Tricks am Schlagzeug ab. Die spielte überwiegend Titel nach und war perfekt im Beatles nachsingen. Der Schlagzeuger Rüdiger Selle besaß eine Stimme wie Paul und John zusammen. Ich half bei einigen Auftritten beim Aufbau, war also schon Roadie, bevor ich wusste was das bedeutete.

Später machte ich eine Zeitlang den Aushilfsroadie bei Tangerine Dream, transportierte die riesigen Synthesizertürme durch Berlin, Peter Baumanns amerikanischen Straßenkreuzer LTD, bei dem der Auspuff fehlte und der wie ein Panzer klang, durfte ich in die Werkstatt fahren (zur Sicherheit fuhr der Truck hinter mir), man ließ mich Edgar Froeses‘ Garage ausmisten usw. Ich machte das, was für‘ n Aushilfsroadie eben so anfiel.

Bei dem Garagenjob machte ich einen Fehler, den ich heute noch bereue. Da standen ein alter Sessel und ein paar Lautsprecherboxen aus dem Besitz von John Lennon, die mir Chefroadie Roli anbot. Weshalb ich da nicht zuschlug, weiß ich bis heute nicht. Wahrscheinlich fehlte mir das nötige Kleingeld.

Bei einem Auftritt von Tangerine Dream in der Philharmonie fotografierte ich den kompletten Aufbau der beindruckenden Anlage.

Peter Baumann 1978

Where Are We Now? (David Bowie)

Einige Tage später kam der Auftrag, Equipment aus Bowies Wohnung in der Hauptstraße 155 in Berlin Schöneberg abzuholen und zum Übungsraum von TD nach Tempelhof zu transportieren. Roli und ich fuhren hin und klingelten unten.

Coco Schwab und David Bowie – Hauptstraße Berlin

David Bowie – Hauptstraße Berlin

Ein leicht angetrunkener Ami öffnete und stellte sich als Jimmy vor. Es war Iggy Pop (James Osterberg). Der wohnte bei Bowie. Später hatte er eine eigene Wohnung im Hinterhaus.

Im 1. Stock begrüßte uns ein blonder Engländer mit Schnauzbart: „Hello, I‘m David“. Er trug blaue Jeanshose und schwarze Lederjacke, schwarze Clogs und eine graue Schiebermütze. Sah überhaupt nicht aus wie ein Popstar. David war sehr nett und zeigte uns die Anlage, die wir mitnehmen sollten. Wir luden seine Sachen aus der 6-Zimmer-Wohnung in den Truck und fuhren Richtung Übungsraum nach Tempelhof. Übungsraum ist leicht untertrieben: Es handelte sich um einen Saal von ca. 1000 qm. Heute befindet sich an dieser Stelle ein Teil der UFA Fabrik. Später probte Iggy hier mit seiner Band für die Welttournee mit Bowie am Piano. Später kam dann noch Brian Eno dazu. Bei der Session mit ihm war ich leider nicht mehr dabei. Hatte ‘nen Termin beim Zahnarzt. Auch schöne Musik.

Da ich nun wusste, wo Bowie wohnte, lauerte ich ihm eines Tages so lange vor der Haustür auf, bis es mir gelang, nachfolgende Schnappschüsse zu machen. Ich postierte meinen VW Bus gegenüber des Hauseingangs und hatte das Glück, dass Bowie bald mit seiner Assistentin Coco Schwab, die heute noch für ihn arbeitet, herauskam und geradewegs auf mich zulief. Meine Canon AE1 mit Winder ratterte los. Sie gingen dicht an meinem Auto vorbei und kamen kurze Zeit später auf der anderen Straßenseite zurück. Beide trugen fast die gleichen Klamotten: blaue Jeans, schwarze Clogs und graue Schiebermütze. Bowie in kurzer schwarzer Lederjacke und hellem Hemd. Unauffälliger gings nicht.

Coco Schwab und David Bowie

Die Fotos verkaufte ich später an den Musik Joker, um mein eigenes kleines Fotolabor zu finanzieren. Als das publik wurde, nannten einige mich nur noch Lokalmafia.

Natürlich besuchte ich auch Bowies Konzerte in der Berliner Deutschlandhalle. Mit Gratistickets von der Plattenfirma, dank meiner Tätigkeit in der Schallplattenabteilung bei Montanus am Kurfürstendamm. Es war die Station to Station Tour, wo Bowie, angestrahlt von weißem Neonlicht, auf der Bühne stand, bei dem es einen kleinen Zwischenfall gab.

David Bowie – Deutschlandhalle Berlin 1976

Während eines Gedrängels vor der Bühne unterbrach Bowie das Konzert. Nachdem sich alles beruhigt hatte, setzte er den Song noch mal an, brach dann abermals ab, kam nicht mehr rein. Dieser Zwischenfall hatte ihn aus der gewohnten coolen Fassung gebracht. Mit „Rebel Rebel“ gings dann weiter.

Riesig das Interesse an Bowie hier in Berlin. Eines Tages erhielt ich sogar einen Anruf aus London vom Melody Maker, die alles Mögliche über ihn von mir wissen wollten. Der Musik Joker hatte meine Fotos geschickt. Sogar Bowie-Edel-Groupie Sarah aus Berlin rief bei mir an, um mich auszuquetschen.

David Bowie 1978

Ich erlebte Bowie dann noch mal Backstage bei einem Zappa-Konzert in der Deutschlandhalle, wo er und Iggy Pop die ganze Zeit hinter der Bühne saßen, während vorne Zappa sich in einem Song über den „white english popstar“ ausliess und Bowie kräftig durch den Kakao zog. Niemand vorne wusste, dass Bowie anwesend war.

David Bowie und Iggy Pop Backstage beim Zappa-Konzert

Dieses Foto hatte ich mit meiner kleinen Agenten-Kamera gemacht: die Neu-Berliner Iggy und Bowie auf der Hinterbühne. Nach dem Konzert standen sie vor Zappas Garderobe: Presse, Freunde, Bowie, Iggy warteten darauf ins Allerheiligste gebeten zu werden. Kurze Zeit später linste John Smuthers – Zappas glatzköpfiger Leibwächter – durch die Tür und winkte Iggy rein. In Bowies Gesicht war die Enttäuschung geschrieben. Ich weiß nicht, ob das vielleicht der Grund dafür war, weshalb er Zappas Gitarristen Adrian Belew für seine nächste Tour abwarb.

 

John Smuthers hatte während des Konzerts jemanden zusammengeschissen, weil der seinen Backstage-Pass nicht sichtbar trug. Er zeigte auf mich und sagte, dass man das Ding so zu tragen hätte. Ich hatte ihn professionell, wie es sich gehört, gut sichtbar auf den Oberschenkel meiner Jeans geklebt und fühlte mich jetzt außerordentlich gebauchpinselt.

Ich hatte Zappa mit Supergroupie Sarah am Flughafen abgeholt und mir bei der Gelegenheit ein Autogramm geben lassen. Er kam als erster durch das Gate, links eine aufgeschlagene Illustrierte, rechts das Handgepäck. Seine Band dackelte hinter ihm her. Dann ins Hotel – Sarah und ich im VW Variant vorne weg. Er mit Band im Kleinbus hinterher.

Frank Zappa 1978

Ein Soundcheck ist für alle Beteiligten und auch für Nicht-Beteiligte das Langweiligste und zuweilen Nervigste, was man sich vorstellen kann. OK, es gibt Ausnahmen. Beim Zappa-Konzert wurde der Saal für das Publikum schon beim Soundcheck geöffnet, und das platzte mitten hinein.

„Welcome to the Mothers of Invention Soundcheck“ begrüßte er alle. Nach ca. 20 Minuten verließen er und Band die Bühne, um dann präzise 20 Uhr mit dem Konzert loszulegen.