Hörbuch und Self-Publishing

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Hörbuch und Self-Publishing
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Peter Eckhart Reichel

Hörbuch und Self-Publishing

Selbstverleger als Hörbuchproduzenten

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Einführung

Informationen zum aktuellen E-Book- und Hörbuchmarkt

Die Entwicklung hin zum hybriden Hörbuch

Manuskripte für Audioproduktionen einrichten

Sprecher

Die wichtigsten Regeln der deutschen Standardaussprache und einige Übungsbeispiele

Tonstudio und Aufnahmeraum

Sprachaufnahmen

Studios

Postproduktion

Digitale Vertriebsmöglichkeiten

Selbstvermarktung

Schlussbemerkung

Über den Autor

Quellenangaben

Impressum neobooks

Einführung

Ein Hörbuch zu veröffentlichen erweitert den Kreis Ihrer Leserinnen und Leser und erschließt neue Absatzmärkte. Immer mehr Verlage vermarkten seit Jahren ihre gedruckten Buchtitel sehr erfolgreich als Hörbücher und erzielen über diese Zweitverwertung beachtliche Umsätze. Selfpublisher, kleinere und mittlere Verlage scheuen dagegen dieses Thema noch immer. Der Grund: Häufig übersteigen die Produktionskosten eines Hörbuches das Budget eines Autors oder die finanziellen Möglichkeiten eines kleinen Verlages. Dass es auch anders geht, soll dieser Ratgeber verdeutlichen.

Dieses Buch bietet allen Interessierten eine kompetente und fundierte Hilfestellung und beantwortet die wichtigsten Fragen über professionelle und zugleich kostengünstige Studioaufnahmen. Die Leser erhalten Insidertipps direkt vom Fachmann über alle relevanten Themen der Hörbuchproduktion, über Texteinrichtung, die Suche nach den richtigen Sprechern, Qualitätsmerkmale bei Tonstudios, verschiedene Techniken bei Wortaufnahmen, Regie und Postproduktion, Buchhandel und Vertrieb, bis hin zu geeigneten Selbstvermarktungsstrategien. Profunde Informationen aus der Verlagswelt runden das Angebot ab.

Die Hörbuchbranche ist nach wie vor ein höchst interessanter Umsatzbringer für den Buchhandel und auch für Verlage eine willkommene Erweiterung ihres Programms. Darüber hinaus scheint auch das Interesse an der Herstellung und Verbreitung audiogeeigneter Inhalte durch die flächendeckende Verbreitung des Internets stark angewachsen zu sein. Private Podcasts, Blogs und Internetplattformen wie SoundCloud oder YouTube bieten neben Videos auch zunehmend Audioinhalte an. Viele Hörbuchproduzenten stellen Studioaufnahmen her, die nur als Download angeboten werden. Eigene Hörbücher im Home-Recording-Verfahren aufzunehmen und zu produzieren sind heute im digitalen Zeitalter keine große Herausforderung mehr. Aber viele Hobby-Produzenten stoßen hierbei schnell an die Grenzen des Machbaren. Oftmals scheitern solche Produktionen bereits an der Qualität der Sprachaufnahmen. Dieser Ratgeber ist deshalb als praktische Hilfe für die Vorbereitung eines professionellen Hörbuchprojekts zu verstehen, das allen Interessierten einen unmittelbaren Einstieg in die aktive Audioproduzententätigkeit ermöglichen soll. Mit einem induktiven, sukzessive erkennenden „Herantasten“ an das Thema Hörbuch macht es dem Leser die grundlegenden Gestaltungsmittel bewusst und sensibilisiert nachhaltig für die spätere auditive Umsetzung der eigenen Werke. Alle hier unterbreiteten Beispiele und praktischen Hilfen sollen eventuelle Wissenslücke schließen und dem Leser, beispielsweise Autoren oder Sprechern, Selbst- oder Miniverlegern, aber auch Schulen, Unternehmen und allen anderen, die an die Realisation einer Sprachaufnahme denken, die Vorbereitung und Durchführung einer eigenen Hörbuchproduktion erleichtern.

In den nachfolgenden Kapiteln werden alle wichtigen Themen, wie beispielsweise Texteinrichtung, Sprecherauswahl, Sprachaufnahmen, Regieführung und Tonmischung, bis hin zum fertigen Hörbuch in einzelnen Abschnitten so praxisnah wie möglich erklärt. Dieser Ratgeber wird Ihnen dabei helfen, eine erste Hörbuchproduktion so professionell wie möglich zu realisieren.

Peter Eckhart Reichel, Berlin im Juni 2016

Informationen zum aktuellen E-Book- und Hörbuchmarkt

Das Selfpublishing per E-Book ist mittlerweile zum Phänomen geworden. Die Branche der Selbstverleger boomte in den vergangenen Jahren, und sie wächst weiter rasant. Dabei setzt das Selbstverlegen eine Menge fachlicher Kenntnisse voraus, Selfpublishing ist kein Selbstläufer.

Einige wenige ihrer unabhängigen Protagonisten verdienen mit Bestsellern sehr viel Geld, die Mehrheit der selbstpublizierenden Schriftsteller aber erwirtschaftet allerdings nur wenige Euro im Monat. Gegenwärtig tummeln sich nach Schätzungen des Medienexperten Matthias Matting etwa 75.000 Autoren und Schriftstellerinnen auf dem deutschsprachigen E-Book-Markt. Veröffentlicht werden pro Jahr ca. 40.000 neue Titel quer Beet durch alle Genres. Allerdings kann nur ein niedriger dreistelliger Anteil dieser Urheber vom Schreiben allein leben. Dieses Schicksal teilen übrigens die meisten selbstverlegenden Autoren mit den Schriftstellerkollegen, die bei etablierten Publikumsverlagen unter Vertrag stehen.

„Die wenigsten Autoren können vom Schreiben leben“, stellte Dietger Pforte in einem ZEIT- Artikel fest. [1] Pforte ist Vorsitzender der Deutschen Schillerstiftung, einer Organisation, die sich um die Förderung von Autoren kümmert. „Großverdiener wie Günter Grass sind die absolute Ausnahme.“ Die große Masse verdient ihren Lebensunterhalt in anderen Berufen. Es trifft vielleicht auf zehn Prozent, die sich tatsächlich schreibend über Wasser halten können, mit etwa 2000 Euro brutto im Monat. Von einem Buch erhält ein Verlagsautor im Schnitt zehn Prozent. Bei einem Verkaufspreis von ca. 20 Euro sind das gerade 2 Euro. Solange ein Buch im Gespräch und im Handel ist – und das ist es etwa ein Jahr lang –, kann sein Autor auch durch Lesereisen und Auftritte bei Veranstaltungen zusätzlich etwas Geld verdienen. Wenn sein Buch gut läuft, wird es vielleicht nachgedruckt und geht in die Neuauflage, wenn es sehr gut läuft, folgt eine Taschenbuchausgabe. Entwickelt sich aber daraus ein Bestseller, entsteht erst dann vielleicht eine Hörbuchfassung. Die Urheber haben auf diese Vorgänge, Abläufe oder Verlagsentscheidungen allerdings keinerlei Einfluss. In diesem wichtigen Entscheidungsbereich sind Selfpublisher ganz klar und eindeutig im Vorteil. Ist eines ihrer E-Books erfolgreich und verkauft sich über Monate oder sogar Jahre gut, bzw. sogar sehr gut, dann sollte der Autor oder die Schriftstellerin ernsthaft darüber nachdenken, ob es unter dieser Voraussetzung sinnvoll wäre, auch zusätzlich eine Hörbuchfassung von diesem Werk zu produzieren, um damit einen noch breiteren Interessentenkreis sprichwörtlich anzusprechen.

Geschichtenhören ist so alt wie die Sprache selbst

Die großen Buchverlage haben diesen Trend längst erkannt, sie veröffentlichen inzwischen die Neuerscheinungen ihrer Erfolgsautoren als Printausgaben zeitgleich mit den dazugehörigen Hörbuchfassungen.

Der amerikanische Werbeslogan „Double your time“ ist längst in unserer Realität angekommen und hält die Menschen dazu an, das Maximum aus ihrer freien Zeit herauszuholen. Neben dem Bildungsbedürfnis, der Freude an Unterhaltung und Entspannung, gewinnt der Begriff „Zeitmanagement“ beim Thema Hören zunehmend immer mehr an Bedeutung. In der Verlagsbranche wird deutlich auf diesen Trend reagiert. Ein immer größer werdender Kundenkreis innerhalb des Lesepublikums entscheidet sich immer öfter für Hörbuchfassungen der neuen Romane ihrer Lieblingsautoren, da die literaturinteressierten Konsumenten heutzutage ein Zeitproblem haben. Immer mehr Menschen hören sie im Auto, meist auf dem Weg zu oder von ihrer Arbeitsstelle, auch werden längere Wartezeiten, Bahn- und Busfahrten, Dienstreisen oder die Urlaubsreise genutzt, um Hörbücher, Audioguides oder Podcast-Serien zu konsumieren. Selbstverständlich gibt es da auch noch den „klassischen Hörer“, der zu Hause vor seiner HiFi-Anlage oder über Kopfhörer vertonte Literatur hochkonzentriert genießt. Auch schätzen viele Menschen immer mehr die ablenkende Wirkung des Zuhörens beim Joggen oder auf dem Hometrainer, und manch einer lernt auf diese Weise sogar Vokabeln einer Fremdsprache. Es werden auch häufig bei Routinearbeiten im Haushalt ganze Romane angehört, die man sonst vielleicht niemals lesen würde, vielleicht auch deshalb, weil dazu die notwendige Zeit fehlt.

 

Gerade bei den großen Verlagen besteht deshalb die Tendenz, das Medium Hörbuch als reine Zweitverwertung, im Sinne des Merchandisings zu verstehen. Die Programmplanungen werden fast ausschließlich nach rein wirtschaftlichen Aspekten und kommerziellen Überlegungen ausgerichtet, dadurch werden fast nur noch Titel realisiert, denen von vornherein bestmögliche Verkaufschancen eingeräumt werden. Die neuen Werke von Hape Kerkeling, Marc-Uwe Kling, Eckart von Hirschhausen & Co haben also auch im Hörbuchformat eine extrem große Chance, die Bestsellerlisten im Sturmschritt zu erobern. Werke unbekannter Autoren dagegen erhalten bei Publikumsverlagen nur selten eine Chance in das Hörbuchprogramm aufgenommen zu werden. Der Trend im literarischen Audiobereich geht nun mal eindeutig in Richtung Bestsellerzweitverwertung. Tatsächlich sind Hörbuchverkaufserfolge bis zu einem gewissen Grad vorherseh- bzw. planbar. Dabei spielen natürlich das Genre, der Bekanntheitsgrad der Akteure (Autor, Sprecher), auch das Thema, vor allem aber die Höhe des Werbebudgets eine ausschlaggebende und manchmal sogar entscheidende Rolle. Sebastian Fitzeks Krimivertonung „Das Joshua-Profil“ wurde schlagartig zu einer profitablen Einnahmequelle für den Verlag, dementsprechend hoch dürfte im Vorfeld auch das Werbeetat für diese Hörbuchproduktion kalkuliert worden sein. Aber natürlich gelingen nicht immer nur Bestsellerproduktionen aus Kalkül.

Während die großen etablierten Hörbuchverlage sehr stark auf die Massentauglichkeit prominenter Schauspielernamen setzen, spielt der Bekanntheitsgrad der Literaturinterpreten bei kleineren Verlagen oftmals nur eine untergeordnete Rolle. In diesem Umfeld bewegt sich sogar das Massenphänomen Audible. Kleine und mittelgroße Hörbuchverlage konzentrieren sich dagegen fast ausschließlich auf wesentlich überschaubarere Zielgruppen. Sie produzieren kaum für die große Masse, sondern beschränken sich auf sogenannte Nischen. Hier aber wird es für aufstrebende Autoren interessant. Einige der Selfpublisher haben sich kleinere Hörbuchverlage gesucht, die das Risiko nicht scheuen, größere Summen in neue, relativ unbekannte Schriftsteller und ihre Werke zu investieren. Aber bisher sind das leider immer noch Ausnahmen. Dieser Ratgeber soll deshalb vor allen den selbstpublizierenden Autoren aber auch unabhängigen Hörbuchverlagen Mut machen, die Möglichkeiten für eigene Hörbuchproduktionen kennenzulernen und neue Vermarktungsstrategien auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.

In einem am 13.04.2015 publizierten FAZ-Artikel [2] über die aktuellen Tendenzen am deutschsprachigen Hörbuchmarkt wird ein Geschäftsführer eines in Berlin beheimateten Hörbuchverlages (an dem verschiedene öffentlich-rechtliche Anstalten sowie der SPIEGEL beteiligt sind) mit der Einschätzung zitiert, von den 40.000 momentan in Deutschland verfügbaren Hörbüchern und Hörspielen hätten sich lediglich nur 400 Titel im Jahr 2014 mehr als 5.000 mal verkauft. Die Marke von 50.000 Verkäufen übersprangen sogar nur 13 Titel, wobei es an der Spitze auch noch eine enorme Ballung gab. Unter den von der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) ermittelten 10 meistverkauften Hörbüchern des Jahres 2014 befanden sich gleich drei “Känguru”-Titel von Marc-Uwe Kling (auf den Plätzen 1, 2 und 6) sowie zwei „Drei-Fragezeichen“-Folgen – jeweils natürlich allesamt im selben Verlag erschienen. Überhaupt dominieren seit Jahren die großen Verlagskonzerne Bonnier, Random House und Holtzbrinck laut FAZ auch bei Hörbüchern das Geschäft. Für unabhängige Verlage sah die Geschäftslage dagegen sehr eng aus. Das beflügelte dennoch einige “Indie-Verlage” und Selfpublisher, ihre eigenen Audioproduktionen der im Download-Bereich dominierende Amazon-Tochter Audible als Content anzubieten, und zwar exklusiv. Die bekannteren Autoren unter ihnen, um nur einige Namen zu nennen, wie beispielsweise Gisa Pauly „Die Tote am Watt“, Marcus Hünnebeck „Wenn jede Minute zählt“ oder Nika Lubitsch „Der 7. Tag“, haben ihre größten Verkaufsschlager als Hörbücher produzieren lassen, wobei Nika Lubitsch ihren Krimi sogar in einem Studio selbst eingesprochen hat. Auch Poppy J. Anderson „Auszeit für die Liebe“ gab exklusiv ihre Bücher an Audible ab. Anderson gilt als die erste Amazon-Millionärin auf dem deutschen Markt. Die vor allem für ihre Liebesromane im Football-Milieu bekannte Autorin erzielte eigenen Angaben zufolge mit E-Books und Taschenbüchern die Stückzahl von einer Million verkauften Exemplaren. Dabei waren Verlagstitel (etwa die bei Rowohlt erschienenen Taschenbücher) noch nicht mal mitgerechnet.

Was aber veranlasste all diese erfolgreichen Autoren und Selfpublisher im Hörbuchbereich sich exklusiv an Audibel zu binden, obwohl gerade dieser Anbieter kurz zuvor seine Konditionen herabgesenkt hatte?

Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach. Amazon hat im E-Book-Bereich längst eine ähnlich dominante Position wie im Hörbuchgeschäft. Die Amazon-Tochter Audible ist in Deutschland der führende Anbieter von Hörbuch-Downloads. Audible zählt auch zu den größten Produzenten von Hörbüchern in Deutschland. Laut Börsenverein werden in Deutschland mehr als 90 Prozent aller Hörbuch-Downloads über die Onlineplattformen von Amazon und Audible sowie über Apples iTunes-Store getätigt, dessen exklusiver Zulieferer Audible ist. Doch am 3. März 2014 passierte folgendes: Audible kündigte an, die Umsatzbeteiligungen für Verlage und Indie-Autoren zu reduzieren, die ihre Rechte und produzierten Hörbücher über die hauseigene Plattform ACX (Audiobook Creation Exchange) distribuierten.

Über ACX können Autoren, Agenten, Verleger und weitere Rechteinhaber brach liegende Hörbuch-Rechte auswerten und sich mit Sprechern, Produzenten und Verlegern vernetzen, um Lizenzen zu verkaufen oder Titel produzieren zu lassen. Alternativ können die Rechteinhaber mit Hilfestellung von Audible ihre Hörbücher selbst aufzeichnen und produzieren. ACX fungiert nur als Distributor, die Rechte bleiben bei den jeweiligen Rechteinhabern. Zum Hörbuch-Marktplatz ACX hatte Audible bisher mit Umsatzbeteiligungen von bis zu 90% gelockt.

Für exklusiv über Audible, Amazon und den angeschlossenen Partner iTunes distribuierte Hörbücher, werden aber seit dem 12.03.2014 nur noch 40 Prozent der Umsätze ausgeschüttet. Bei nicht-exklusivem Vertrieb werden sogar nur noch pauschal 25 Prozent statt umsatzabhängig 25-70 Prozent ausgeschüttet. Auf der ACX-Website [3] deutete Amazon auf diese „wichtige Aktualisierung der ACX-Vergütungen“ hin.

Amazon hat selbstverständlich ein sehr großes Interesse daran, die selbstaufgebauten Autoren weiterhin an sich zu binden. Die finanziellen Einbußen trafen deshalb hauptsächlich die größeren Verlage. Während sich Audible beim Launch von ACX im Jahr 2011 noch stark an Verlage gewendet hatte und Partnerschaften mit HarperCollins, John Wiley and Sons, Pearson Education und sogar Random House aufwarten konnte, hatte sich der Marktplatz in den vergangenen Jahren zunehmend an Selfpublisher gewandt, berichtete der Blog „GigaOm“. [4] „Die Maßnahme bei ACX erinnere daran, dass Amazon auch seine Marktmacht im Selfpublishing-Bereich ausnutzen und die Konditionen für Kindle-Selfpublisher verschlechtern könnte“, warnte die damalige Redaktionsleiterin des Blogs Laura Hazard Owen. „Denn Einführungspreise seien nun mal nicht in Stein gemeißelt.“

Auch in Deutschland breitete sich Verunsicherung aus. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch hier die Daumenschrauben angezogen werden und die derzeitige 70-Prozent-Vergütung Geschichte ist“, warnte damals Johannes Haupt, der Herausgeber und Geschäftsführer des Online-Magazins lesen.net. „Das sollten gerade diejenigen Indie-Autoren im Hinterkopf haben, die aktuell exklusiv bei Amazon.de publizieren und damit (und mit ihrer Entscheidung für hartes DRM) den Kindle-Kosmos noch stärker und auch aus Autorensicht unverzichtbarer machen. Trotz Tantiemen-Senkung, wie bei Audible, könnte sich Amazon auch bei der Kindle-Plattform eine Reduzierung der Vergütungen erlauben, ohne einen Contentschwund befürchten zu müssen – „aufgrund der Marktmacht führt aus wirtschaftlicher Sicht kein Weg am Unternehmen aus Seattle vorbei.“ (3.3.2014/lesen.net)

Bis heute ist diese Prognose allerdings noch nicht eingetreten. Dafür wird aber der Wettbewerb unter den Vertriebsplattformen immer größer. Längst existieren Internetforen für ein möglichst erfolgreiches Selfpublishing. Es gibt zahlreiche Ratgeber und Regeln und die Ansprüche an die Qualität der Werke steigen – auch bei den Autoren selbst. Es werden etliche Workshops zum verlegerischen Handwerk angeboten, die darauf ausgerichtet sind, wie aussagekräftige Cover gestaltet werden oder wirkungsvolle Klappentexte verfasst werden sollen. Auch wird schon viel über die Themen Buchmarketing, über wirksame PR-Strategien und über die zunehmende Bedeutung sozialer Medien debattiert. Im Umfeld der Selfpublisher entstehen derweil weitere neue Geschäftsmodelle. Die anfängliche Wildwuchs-Szene ist längst auf dem Weg, sich zu professionalisieren. Autoren engagieren Lektoren für ihre Texte, Grafiker für ihre Cover, Audioproduzenten für ihre Hörbuchaufnahmen und auch immer öfter Agenten, die ihre Rechte vertreten. In der Verwertungskette: E-Book - Taschenbuch - nimmt das Medium Hörbuch immerhin den drittwichtigsten Platz ein.

Auch die Erfolgsautorin Hanni Münzer lässt sich von einer Agentin vertreten. „Und zwar bereits seit 2006, als alle Verlage noch ihre Bücher verschmähten. Jetzt wird sie von ihnen umgarnt. Die ersten Angebote hatte sie jedoch alle abgelehnt, weil sie ihre E-Book-Rechte nicht verkaufen wollte. „E-Book-Rechte sind sehr begehrt, weil Verlage daran am meisten verdienen“, sagte sie. „Die wollen natürlich am liebsten ein fertiges und schon erprobt erfolgreiches Buch mit allen Rechten kaufen: Buchrechte, E-Book-, Film- und Hörbuchrechte. Nach Abzug aller Provisionen und Steuern bleiben dem Autor bei einem Taschenbuchpreis von 9,90 Euro am Ende keine 45 Cent brutto übrig.“ (Tagesspiegel 11.07.2014) [5]

„Amazon hat nicht nur den Markt der Selbstverleger aus seinem Schattendasein befreit und professionalisiert, sondern auch die Autorität der Buchbranche in Frage gestellt“, konstatierte die FAZ in ihrer Ausgabe am 29. Mai 2016. [6]

„Der E-Book-Markt-Anteil beträgt maximal fünf Prozent am gesamten Buchhandel“, rechnete Hanni Münzer vor, Autorin des Bestsellers „Honigtot“, dessen Kindle-Version sich bisher über 300.000 Mal verkauft hat und über 1700 Mal bei Amazon bewertet wurde. Münzers neuer Verlag hat ihren Bestseller bisher in zehn Länder verkauft; mit vielen weiteren Lizenznehmern wird noch verhandelt. Im April 2015 wurde „Honigtot“ vom Piper Verlag als Taschenbuch neu veröffentlicht. Münzer gehört sozusagen zu jenem Phänomen, das seit einigen Jahren die Verlags- und Buchbranche in Aufregung versetzt: Autoren und Schriftstellerinnen, die jahrelang in ihren stillen Kämmerlein Romane und Erzählungen geschrieben haben, dann ihre Manuskripte immer wieder an Verlage und Lektoren eingereicht und doch nur von allen Absageschreiben erhielten. Für solche Autoren brachte Amazon im Frühjahr 2011 sein Kindle Direct Publishing (KDP) auf den deutschen Markt. Damit begann eine neue Zeitrechnung. Auch Hanni Münzer lud Ende Januar 2013 versuchsweise eins ihrer alten und von Verlagen abgelehnten Manuskripte auf KDP hoch. Kurze Zeit später konnte sie ihren Job bei einer Autovermietung kündigen und widmete sich nur noch ihrer Schriftstellerei. Der Download ihres E-Book-Bestsellers kostet auf Amazon zurzeit 7,99 Euro, davon verdient sie 70 Prozent. Das sind über 1.677.900 Euro, nur für die E-Book-Ausgabe von „Honigtot“, eine schier unfassbar hohe Summe. Die Einnahmen für ihre anderen Bücher, die Taschenbuch- und Hörbuchausgaben sind dabei noch nicht mitgerechnet. 2015/2016 wird dieser Bestseller in vielen weiteren Ländern erscheinen, darunter Italien, Spanien, Polen, Holland, Türkei, Ungarn, China, Slowenien, Kroatien. Eine Verfilmung als Mehrteiler ist in Planung. Eine Hörbuchfassung, gelesen von Anne Moll, erschien bei Hörbuch Hamburg. Dass ausgerechnet dieser Titel genau diesem Hörbuchverlag erschien ist, ist ein Beleg dafür, dass die großen deutschen Hörbuchverlage in aller Regel Zweitverwertungsinstrumente sind.

Die wenigsten Hörbuchlizenzen werden auf dem freien Markt gehandelt, sondern überwiegend per Erstoption von Buchverlagen an Hörbuchverlage weitergegeben, die zum selben Konzern gehören. Hörbuch Hamburg ist beispielsweise ein Geschäftszweig der Bonnier-Media Gruppe, an die auch die Verlage Piper-, Carlsen oder der Ullstein-Verlag angedockt sind. Hörbuchverlage, die über keine feste Anbindung an große Verlagshäuser verfügen, haben von vornherein geringere Chancen im stationären Buchhandel wahrgenommen zu werden. Sie können nur herausbringen, was an Rechten übrig bleibt. Diese Behauptung mag zwar absurd anmuten, aber genau darin sehe ich die größte Chance für selbstproduzierte Hörbücher.

 

Sehr viele Hörbuchkäufe werden spontan getätigt. Nach wie vor gilt, nur wer als Kunde ein Hörbuch auf dem Ladentisch sieht, kann es auch kaufen. Allerdings wird in den letzten Jahren das Hörbuchgeschäft durch eine ständige Verkleinerung der Verkaufsflächen im Buchhandel besonders stark tangiert. Davon profitiert wie kein anderer der Versandhandel Amazon, aber auch alle weiteren Vertriebsportale im Internet. Im Buchhandel wächst derzeit nur der Verkauf über das Internet.

Um den heutigen Hörbuchmarkt besser analysieren zu können, sollte wir zunächst einen Blick zurück auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre werfen.

Die Entwicklung der Jahresumsätze am Hörbuchmarkt

1990 gelang es dem Goldmann Verlag zusammen mit dem WDR, Krimihörspiele in einer Auflage von bis zu 30.000 Exemplaren zu veröffentlichen. Damit gelang dem Medium Hörbuch der lang erhoffte Durchbruch. Es wurde erstmals öffentlich von einer breiteren Masse wahrgenommen. Aber erst drei Jahre später schlossen sich mehrere bekannte belletristische Verlage zusammen (darunter Suhrkamp, Hanser, Rowohlt) und gründeten den Hörverlag (DHV) in München, der mit einem Jahresumsatz von 16,5 Millionen Euro (2004) neben dem ebenso in München ansässigen Verlag Random House Audio, die führende Position der Hörbuchverlage in Deutschland einnahm.

Inzwischen können auch freie Autoren und Selfpublisher ihre Werke in Form von eigenfinanzierten Hörbuchproduktionen im Selbstverlag (oder in eigens dafür gegründeten Labels) verlegen und auf den wichtigsten Distributionsplattformen online vertreiben. Mit ISBN gelangen diese Hörbücher auch in den klassischen Buchhandel.

Verstärkte Marketingbemühungen führten mit der Weiterentwicklung der Abspielgeräte dazu, dass sich der Hörbuchumsatz zwischen 1998 und 2004 von 15 Millionen auf 60 Millionen Euro steigern konnte, wobei die Hälfte der Verkäufe 2004 der Belletristik und ein Viertel dem Kinder- bzw. Jugendbuchbereich zugerechnet wurden.

Während der Gesamtumsatz des Buchhandels 2004 lediglich um 0,7 Prozent anstieg, konnte die Warengruppe Hörbuch enorm zulegen. So steigerte sich der Umsatz dieses Segments von 2002 auf 2003 um 10,3 Prozent und von 2003 auf 2004 um 14,7 Prozent.

Der Börsenverein schätzte 2006, dass der Hörbuchumsatz 2005 bei 100 Millionen Euro lag. Das waren 40 Millionen mehr als im Vorjahr. 2006 konnten die Audiobücher laut Media Control GfK International ein sattes Plus von 17,4 Prozent in Deutschland erzielen, das entsprach einem Umsatz von 120 bis 180 Millionen Euro.

2007 wurden mit Hörbüchern in Deutschland dann schon rund 200 Millionen Euro umgesetzt. Damals kursierte der Begriff Hörbuchboom.

Danach waren allerdings die Zeiten zweistelliger Zuwachsraten in der Hörbuchsparte vorbei. Während es zuvor vor allem Hörbücher für Erwachsene waren, gewannen nun die Hörbücher für Kinder und Jugendliche immer mehr Anteile, diese machten im Jahr 2008 bereits ein Drittel des Umsatzes aus, der rund 200 Millionen Euro betrug.

Der Anteil der Audiobücher am Branchenumsatz lag 2008 bei 4,8 Prozent. Für das Jahr 2009 wurde immerhin noch ein leichtes Umsatzplus von 0,5 Prozent verzeichnet.

2009 wurden in Deutschland ca. 239 Millionen Euro mit Hörbüchern umgesetzt (Börsenblatt 2010), allerdings mit einem leichten Rückgang im Vergleich zu 2008. Während das Segment Belletristik dabei mit 47 Prozent relativ stabil blieb, erhöhte sich der Anteil der Kinder- und Jugendbücher auf 33 Prozent.

Ein Grund für die schwache Zuwachsrate im Jahr 2009 war die wachsende Zahl an billigen Angeboten der Verlage. Ein anderer Grund war (und ist seitdem) die rasante Zunahme der Internetangebote und die damals beginnende Wirtschaftskrise. Zudem konzentrierte sich der stationäre Buchhandel zunehmend auf den Verkauf von Novitäten und Bestsellern, was natürlich den Abverkauf von Backlisttiteln erheblich erschwerte.

Abgesehen von der Übernahme des Hörverlags durch Random House Ende 2010 (Börsenblatt 2010b) hatte sich bei den Konkurrenten auf den obersten Rängen der erfolgreichsten Hörbuchverlage bis dato wenig geändert (Börsenblatt 2010) – an den Umsätzen hingegen schon.

Der Umsatz am Hörbuchmarkt ging im Jahr 2010 um 4,3 Prozent zurück. Zugleich wurden in Deutschland mit 14 Millionen Exemplaren so viele Hörbücher verkauft wie nie zuvor. „Hauptgrund für diese Diskrepanz ist der zunehmende Preisverfall in der Warengruppe Hörbuch“, meldete damals der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Demnach sank der Durchschnittspreis für ein Hörbuch von 12,92 auf 12,48 Euro. Zum Vergleich: 2008 lag der Durchschnittspreis noch bei 13,45 Euro, sank aber kontinuierlich weiter. Der Durchschnittspreis lag 2009 bereits knapp unter 10 Euro, „auch weil für Hörbücher keine Buchpreisbindung besteht“ (Börsenverein 2009).

Der Gesamtumsatz der Warengruppe Hörbuch über alle Vertriebswege hinweg belief sich 2010 auf geschätzte 265 Millionen Euro.

Im Jahr 2013 lag die Anzahl der Hörbuchkäufer in Deutschland bei rund 3,4 Millionen. In diesem Jahr wurden mit fast 15 Millionen Exemplaren so viele Hörbücher auf CDs verkauft, wie nie zuvor. [7]

Der Umsatz im physischen Hörbuchmarkt stieg im gleichen Zeitraum um 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt lag der Anteil von Hörbüchern an den Gesamtumsätzen im Buchmarkt bei 4 bis 5 Prozent. Die größten Erlöse erzielten die Hörbuchverlage erneut in den Kategorien Belletristik und Kinder- und Jugendbücher. Dahinter folgen Ratgeber, Sachbücher und die Sparte Geisteswissenschaften, Kunst und Musik.

Im Jahr 2014 sollen rund 80 Prozent aller Hörbücher auf CD verkauft worden sein, in den Vorjahren gab es eine ähnliche Verteilung. Insgesamt gingen 14,3 Millionen Hörbücher auf physischen Tonträgern über die Ladentheken. Das waren etwas mehr als im Jahr zuvor, 2013 waren es 14,1 Millionen. Der Umsatz-Anteil von Hörbücher-CDs im Buchmarkt belief sich auf 4,2 Prozent und war damit vergleichsweise nur minimal geringer als der von E-Books. Dennoch wird der Hauptabsatzweg der Hörbücher auf CD über den stationären Buchhandel in den kommenden Jahren voraussichtlich an Bedeutung verlieren, denn der immer wichtiger werdende Vertriebskanal Download und die Anzahl der Streaming-Angebote steigen kontinuierlich an.

Im Jahr 2014 war das Kinder- und Jugendbuch das beliebteste Genre. 44,3 Prozent aller verkauften Hörbücher entfielen auf diese Kategorie, gefolgt von der sogenannten klassischen Belletristik mit „nur“ 43,5 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Printausgaben entfielen auf die Kategorie Kinder- und Jugendbuch im Jahr 2014 lediglich 17,4 Prozent aller Umsätze.


Abbildung 1: Die Umsatzentwicklung des Hörbuchmarktes in Deutschland ab 1998 bis 2013. Ab 2001 nach eigenen Berechnungen. Angaben in Tausend.


Die Entwicklung der Jahresumsätze am Hörbuch-Downloadmarkt


Es wird deutlich, dass die Verbreitungsgeschichte des Hörbuchs eng mit der Entwicklung der technischen Rahmenbedingungen verknüpft ist: Erst mit der Etablierung mobiler Abspielgeräte entstand überhaupt ein nennenswerter Digitalmarkt für Hörbücher.

2006 waren es in diesem Bereich nur 5,9 Millionen Euro (3,6 Prozent), so entfielen 2007 auf Downloads bereits 7,3 Millionen Euro Umsatz, das entsprach einem Marktanteil von 4,2 Prozent. Und der Download-Anteil stieg weiter an.

Über die Download-Vertriebskanäle wurden laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Jahr 2008 geschätzte 8 Millionen Euro für Hörbuchdateien ausgegeben. Nach einer Erhebung des Verbands mit dem Marktforschungsinstitut GfK haben die Deutschen im Jahr 2010 etwa 2,7 Millionen Hörbücher aus dem Internet auf ihre PCs geladen. Der Umsatz sei um ein Fünftel gestiegen, auf 27 Millionen Euro (plus 18 Prozent), wobei die Abonnements 69 Prozent der Downloadumsätze ausmachten. Damit wurde bereits jedes siebte Hörbuch über das Internet verkauft. Ein Grund für diesen Höhenflug war damals die zunehmende Verbreitung von schnellen Smartphone und Tablet-PCs, die das rasche Herunterladen ermöglichten.

Top-Thema beim Vertrieb waren im Jahr 2011 Audible & Co.: Bei Lübbe etwa erreichten in diesem Jahr Downloads einen Umsatzanteil von 15 Prozent, bei Hörbuch Hamburg stiegen die Downloadumsätze zweistellig, und auch Random House Audio (RHA) machte die überproportional gewachsenen Absätze im digitalen Bereich für seine Zuwächse verantwortlich. Der Anteil am Umsatz des Hörbuchmarkts lag 2011 laut Bitkom bei ca.14 Prozent. Zum Vergleich: In den USA wurden mit Downloads 29 Prozent des Audiobook-Gesamtumsatzes bestritten (Audio Publishers Association). Bei Hörbüchern auf physischen Datenträgern sanken in den USA die Umsätze dagegen um 8,1 Prozent. Am gesamten Download-Markt hatten Hörbücher in Deutschland im Jahr 2011 einen Anteil von 8 Prozent. Tendenz steigend. Der Anteil der Downloads an den ca. 200 Mio. Euro Gesamtumsatz mit Hörbüchern stieg seit 2005 auf ca. 4 bis 5 Prozent. Laut der Allensbacher Computer- und Technik-Analyse stieg die Anzahl der Käufer, die kostenpflichtige Hörbuchdownloads herunterladen, in den letzten Jahren stetig an. Fast 1,5 Millionen Deutsche kauften 2013 Hörbücher oder andere gesprochene Inhalte über Downloadplattformen.