Aly und die Frauen

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Aly und die Frauen
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Aly und die Frauen

Buch 3: Wunderbare erste Erfahrungen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Aly und die Frauen

Impressum neobooks

Aly und die Frauen
Buch 3: Wunderbare erste Erfahrungen

Buch 1: Wie alles begann (veröffentlicht am 16.1.2013)

Buch 2: Zaghafte Annäherungen (veröffentlicht am 27.1.2013)

Eines Tages sagte mein Vater, dass in der „Marburger Presse“ ein Friseur einen Friseurlehrling sucht. Wir sollten am kommenden Sonntag, um 15 Uhr in Neustadt am Bahnhof in der Gaststätte sein. Ich freute mich auf diese Begegnung. Inzwischen hatte mein Vater mit dem Friseur korrespondiert. Als ich das Schreiben las, war ich erleichtert. Ich brauchte dort nicht weiter zu lernen. Mein Vater machte mich darauf aufmerksam, dass ich die Probezeit noch nicht beendet und keinen Lehrvertrag unterschrieben habe.

Als wir die Gaststätte betraten, stand ein Herr auf und begrüßte uns. Mein Vater stellte mich vor: „das ist mein Sohn Aloys.“ Es gab hier keine Cola. Vater spendierte mir ein Malzbier, das ich aber nicht anrührte. Ich saß auf „heißen Kohlen“, ich wollte ins Kino gehen. Ich schaute andauernd auf die Uhr. Ich dachte, „jetzt fängt der Hauptfilm an.“ Schließlich erlaubte mir Vater ins Kino zu gehen.

Der Herr, der mir vorgestellt wurde, war gehbehindert. Er benutzte einen Gehstock. Er erzählte, dass er kurz nach dem Krieg von einem amerikanischen Soldaten angefahren wurde. Das linke Bein musste amputiert werde. Er bekam ein Holzbein. (Ersatzbein). Mein Vater unterhielt sich mit meinem zukünftigen Lehrmeister. Herr Faderl, so hieß der Friseurmeister, fragte mich, was ich denn schon kann.

„Ich kann vorschneiden, und Dauerwelle abwickeln. Ich kann das Rasieren vorbereiten: heiße Kompresse anlegen, Messer abziehen und einseifen zum Rasieren. Zum Haare waschen alles vorbereiten.“

Er staunte: „Und das hast du alles in zwei Monaten gelernt, da warst du aber fleißig, Aleus.“

„Ich durfte mich in diesem Salon den ganzen Tag durchgehend nicht hinsetzen.“

„Ja, ihr Vater hat mir alles erzählt, was sie dort erlebt haben, Aloys. Was hat sich der Mann wohl dabei gedacht? In meinem Salon haben wir täglich 1 Stunde Mittagspause. Wir schließen um 18:30 Uhr. Am Samstag um 15:00 Uhr.“

Vater unterbrach, und sagte: „Na, dann geh mal mein Sohn. Wie heißt denn der Film?“

„Das weiß ich gar nicht, Vater“, sagte ich, als ich schon an der Ausgangstür stand. Ich machte einen Dauerlauf. Es waren nur 300 Meter.

Ich war so glücklich, dass ich durch Vater eine schöne Lehrstelle bekommen hatte. Vom Film habe ich nichts mitbekommen, weil meine Gedanken bei Rosi waren. Sie wird sich freuen, wenn ich ihr das alles erzählen werde. Nach dem Film fuhr ich nach Hause. Zum Abendbrot aß ich zwei Schnitten Brot und Kuchen. Meine Mutter freute sich über meinen Appetit. Meine Schwester Magda war auch da. Sie gab mir Anweisungen, wie ich mich im Salon vorzustellen habe.

Pünktlich, um 8:30 Uhr betrat ich den Salon, bei Herrn Faderl. Es empfing mich ein junger Mann. Ich sagte:

„Darf ich mich vorstellen. Ich bin Aloys, der neue Lehrling. Ich freue mich, sie kennen zu lernen.“

„Mein Name ist Rudolf, ich bin im zweiten Lehrjahr. Meine Freunde nennen mich Rudi.“

„Ich kann schon vorschneiden, Rudi.“

Frau Faderl unterbrach unser Gespräch. Sie ist meine Chefin. Ich erschrak, als ich sie sah. Ich ließ mir aber nichts anmerken. Rudi erzählte mir, dass sie durch ein Nervenleiden so hässlich im Gesicht geworden ist. Ich stellte mich selber vor. Sie lachte und sagte, dass sie ein so nettes sich selbst vorstellen noch nie erlebt hätte. Sie ging mit mir in den Damensalon: „Sag deinen Spruch“, Aloys.“ Ich stellte mich zwei netten Friseurinnen vor. Alle lachten und freuten sich. Die eine war schon etwas älter. Die andere war noch sehr jung. Ich schätzte sie auf 18 Jahre. Plötzlich machte die Türglocke „ding-dong.“ Ein alter Herr mit Hut betrat den Salon.

Rudi sprang auf und sagte: „Guten Morgen, Herr Professor. Heute rasieren und den Kopf auch rasieren, und Kopfmassage.“

„Natürlich, Junge, aber dalli.“

„Jawohl Herr Professor.“

Mein Chef winkte mir zu, er sagte: „Aloys, du musst dir das erst einmal alles anschauen, und mit deinen Augen „stehlen“, ja?““

„Ja Herr Chef.“

„Denn später wirst du das alles tun müssen, deshalb lernst du es ja.“

Der Professor schaute zu mir. „Ah, ein neuer Lehrling, na, dann pass `mal gut auf, das du was lernst.“

„Jawohl, Herr Professor“, antwortete ich.

Rudi zeigte mir dann, wie ich die heiße Kompresse eine Minute halten muss. In der Zwischenzeit wetzte er das Messer am Abzieh-Riemen, bis es scharf war. Dann fing er an, den Kopf zu rasieren. Ich war total begeistert. Dann führte er eine Kopfmassage durch. Anschließend durfte ich die heiße Kompresse zum Rasieren anlegen, und sie 1 Minute auf dem Gesicht halten. Ich durfte das Gesicht einseifen.

Rudi rasierte so gründlich und so sicher, dass es eine Wonne war ihm zuzuschauen. Ich bekam 0,20 DM Trinkgeld und Rudi 0,30 DM. Der Chef kassierte 1,60 DM . Ich sprang schnell zur Tür und hielt sie auf, bis der Herr den Salon verlassen hatte. Mein neuer Chef lächelte wohlwollend. Er sagte nur: „Ahaa.“ Von 13 -14 Uhr hatten wir Mittagspause. Ich hatte meinen „Henkelmann“ mit meinem Kottelet der Chefin schon morgens gegeben. Es schmeckte mir sehr gut. Nach dem Essen gingen wir alle in den Park spazieren. Wir erzählten einander unsere Geschichten.

Am Nachmittag kamen die Damen zur Lockwelle. Meine Kollegin hatte eine Dauerwelle gemacht. Der Chef kassierte DM 15.-, mit Schnitt, Pflege, und Aufdrehen auf Flachwellwickler. Die Dame war sehr zufrieden. Der Chef erzählte, dass die Dauerwelle im Salon „Limbacher“ (auf dem Steinweg, in Marburg, direkt gegenüber vom Cinema-Kino,) komplett 29.- DM kostet. Für seine Begriffe war der Preis überzogen. Von 17:30 - 18:00 Uhr war kein Kunde gekommen. Ich fragte den Chef, ob ich schon um 18:15 Uhr gehen könnte, weil mein Zug um 18:45 schon fährt. Er fragte mich, wann der nächste Zug fährt. Ich sagte, dass der nächste Zug 1 Stunde später fährt.

„Du kannst jetzt gehen, Aloys“, sagte er in seinem leichten Münchner Akzent.

Rudi fragte, ob ich morgen Abend einen Zug später fahren könnte, er möchte mit mir, nach Feierabend durch die Marburger Altstadt gehen. Ich sagte ihm, dass ich meine Eltern fragen werde. Zu Hause erzählte ich freudestrahlend, dass es mir im Salon sehr gefällt. Die Eltern freuten sich über meinen Bericht. Sie erlaubten mir, am nächsten Tag einen Zug später nach Hause zu kommen.

Der zweite Tag war wieder hervorragend. Rudi zeigte mir an einem Übungskopf, zuerst ohne Haare, wie man mit Kamm und Schere umgeht. Ich lernte das Manuelle sehr schnell. Abends sahen Rudi und ich den Abenteuerfilm „ Cancacero.“ Die Musik aus dem Film begeisterte uns. Wir stellten uns in der Altstadt zwischen die alten Häuser in die schmalen Gassen und sangen so laut wir konnten: OoooLeeeoooo-caancaaceroo.“ Es war herrlich. Die Reaktion der Leute war für mich sehr lustig. Einige Leute riefen: „Halbstarke.“ Andere riefen: „Ruhe. Mein Mann hat Nachtschicht.“

Wir haben die Mädchen geärgert, indem wir pfiffen wie die „GI´s" (amerikanische Soldaten). Pünktlich um 21 Uhr war ich zu Hause. Ich habe geträumt ich kann fliegen. Jedes Mal, wenn ich ein Mädchen anfassen wollte, fiel ich in ein tiefes Loch und wachte auf. Dieses Mal war ich „unten“ nicht nass. Rudi zeigte mir jeden Tag etwas Neues. Wir hatten nicht so viel zu tun.

Der Chef hatte einen „Spezi.“ Das ist ein Kunde, der nur vom Chef bedient werden wollte. Der Chef setzte sich hinter seinen Kunden auf einen „fahrbaren“ Hocker. Man konnte den Hocker in der Höhe verstellen. Der Chef teilte die Haare im Nacken ab, wie beim Damenhaarschnitt und schnitt sie im Stehen stufig bis zum Oberkopf. Um die Seitenhaare zu schneiden, setzte er sich wieder hin. Ich war begeistert. Plötzlich flüsterte Rudi mir ins Ohr:

„Den Handspiegel und den Nackenpinsel in deine Hand nehmen.“

Ich stellte mich so hin, dass mein Chef mich sehen konnte. Er nahm dann den Handspiegel und den Nackenpinsel aus meinen Händen und zeigte dem Kunden seinen Haarschnitt von hinten. Mit dem Nackenpinsel säuberte er den Hals des Kunden von herunter gefallenen Haaren.

„Meisterhaft“, sagte der Kunde. Ich war total begeistert.

Die ältere Friseuse lehrte mich die Haare waschen. Im Damensalon war ich sehr oft um zu zuschauen, wie eine Lockwelle gewickelt wurde. Bei der Dauerwelle reichte ich gerne die Wickler an. Und schaute beim Ondulieren zu. Es machte mir viel Freude zuzuschauen. So gingen die Monate dahin. Alle hatten Kunden. Dann kam ein junger Mann in den Salon. Er sagte:

„Guten Tag, ich hätte gerne einen Fasson-Schnitt.“ Ich ließ ihn auf dem dritten Bedienungsstuhl Platz nehmen.

Ich flüsterte mit Rudi: „Kann ich schon vorschneiden?“

„Frage den Chef.“

„Darf ich dem Herrn die Haare vorschneiden?“

„Ja Aloys, fang mal an, Rudi macht dann später weiter.“

Ich nahm die Haarschneidemaschine und wollte gerade loslegen. Rudi kam und sagte: „Lege den Haarschneidekamm unter die Maschine.“

 

Das tat ich dann. Oh, mein Gott, das geht ja hervorragend, mit dem Kamm unter der Maschine. Auch die Seiten habe ich so gut bearbeitet. Mein Chef kam und schaute sich das an.

Er sagte: „Gut, Aloys, jetzt schneidest du die Konturen mit der „Effilierschere.“ Auf einmal zitterte ich nicht mehr. Der junge Mann, ca. 20 Jahre alt, lächelte. Ich gab ihm eine Zeitschrift, aber er las nicht. Er tat nur so, als ob er liest. Aus meinen Augenwinkeln sah ich das in Sekunden. Rudi schaute sich das an: „Gut, Aloys.“ Er nahm die Haarschneideschere und schnitt die Haare auf dem ganzen Kopf stufig. Mit dem Kamm teilte er die Haare ab. Das machte er so schnell, ich konnte kaum folgen. Plötzlich sagte er zu mir: „Ich teile ab und schneide jetzt eine Strähne in Zeitlupe.“ Der junge Mann amüsierte sich köstlich. Dann verfeinerte er den Haarschnitt. Er zeigte und sagte mir, welchen Unterschied es bei einem Fasson-Schnitt und bei dem Rundschnitt gibt:

„Also, beim Fasson-Schnitt wird mit der Maschine ab Haaransatz ein Übergang geschnitten. Beim Rundschnitt wird mit der Maschine im Nacken „abgekantet“ und später mit dem Rasiermesser diese Kante verfeinert.“

Der junge Mann verabschiedete sich von uns. Er gab mir 1.-DM Trinkgeld. Er erzählte, dass er Mathematik studiert. Er bewunderte meine Begeisterung für meinen Beruf: „Ich habe Ihre Begeisterung beobachtet. Ich werde bestimmt wieder zu ihnen kommen.“

„Ich würde mich sehr freuen“, sagte ich.

Als er gegangen war, sagte Rudi: „Seit einiger Zeit wird der Rundschnitt mit dem Rasiermesser nicht mehr rund, sondern viereckig geschnitten. Aber das zeige ich dir später. In vier Monaten komme ich in das dritte Lehrjahr.“

„Waas? Ich dachte du bist Geselle?“

„Nein, Aloys, du brauchst keine Angst zu haben. Ich zeige dir alles, was ich schon gelernt habe.“

Ich war baff und begeistert von Rudi. Ich schaute ihn mir genau an. Er hatte naturblonde Haare. Er schmierte jeden Tag Frisiercreme „Brisk“ in seine Haare. Sie waren von der Stirn bis in den Nacken total lang und nicht stufig geschnitten. Seltsam sah das aus. Der Chef kam in den Herrensalon.

„Wenn wieder ein junger Mann kommt, schneidest du ihm die Haare, und der Rudi schaut zu, wie du das machst, ja?“

„Ja Chef.“

Der Chef lag in der Küche auf dem Sofa und las die Zeitung. Wir zogen die Rasiermesser ab. Also, wir machten sie für den nächsten Tag scharf. Ich durfte die Messer am Abziehriemen abziehen. Plötzlich hörten wir das Lied gesungen von Mario Lanza: „Heut ist der schönste Tag in meinem Leben“…usw.

Ich musste in den Damensalon. Die junge Friseurin grinste mich an. Sie sagte: „Das ist Kitsch, Aloys. So ein Schmalz.“

„Psst. Das Lied gefällt mir sehr, hören sie mal den Text. Gott sei Dank singt er das nicht englisch.“

Sie lachte herzlich. Plötzlich sagte der Sprecher im Radio:

„Liebe Hörer, ein neuer Schlager ist soeben aus den Staaten herüber geschwappt. Es singt der schwarze Sänger Harry Belafonte. Auf Platz 1 der amerikanischen Schlager. Halten sie sich fest, liebe Hörer, es geht los: “Six foot, seven foot, eight foot bunch. Daylight come and me wan' go home …”

Dem Chef gefiel diese Musik auch, er drehte das Radio auf. Wir lachten alle sehr über das Wort „Bums.“ Heißt auf Deutsch „bumsen.“ Die Kunden und die Kolleginnen kamen aus dem Lachen nicht raus. Damals waren diese Worte und diese Art von Unterhaltung „tabu“ Themen. Als der Schlager zu Ende war, hörten wir immer noch die Damen unter der Trockenhaube lachen. An diesem Tag hatten wir alle Hände voll zu tun. Auch im Damensalon. Endlich war Feierabend. Ich hatte 1,90 DM Trinkgeld. Ich freute mich so sehr, dass ich auf der Straße, einem Herrn zurief: „Ich kann schon vorschneiden. Heut ist der schönste Tag in meinem Leben.“

„Das freut mich für dich, Junge. Ach, ich verstehe, du lernst Friseur, dort am Friedrich Platz? Aber mit meinem Haar kannst du nichts verdienen.“ Er nahm seinen Hut ab. Er hatte eine Glatze. Wir lachten beide. Zu Hause erzählte ich wieder freudestrahlend alles meinen Eltern. Ich war ja so glücklich.

Manchmal traf ich mich mit Rosi aus Kirchhain. Wir gingen dort tanzen oder wir fuhren nach Marburg und gingen ins Kino knutschen.

Jeden Montag hatte ich Berufsschule in Marburg. Ich dachte „schon wieder Schule.“ Ich dachte, das wäre vorbei. Mein Vater sagte: „Wenn die Menschen einen Beruf erlernen, müssen sie die Theorie in einer Schule lernen. Zum Beispiel ist Rechnen wichtig. Zum Beispiel was verdient man, wenn man etwas verkauft. Richtiges Rechnen ist das Zweitwichtigste in deinem Leben.“

Neuerdings nahm ich einfach zwei Wasserwellklammern von meiner Mutter, und drückte abends, bevor ich ins Bett ging, eine große mit Wasser befeuchtete Welle auf die Stirnhaare. Morgens hatte ich eine große Welle in den Stirnhaaren. Ich war ganz stolz auf mich, weil es mir gelungen ist, eine Welle zu haben. So eine Naturwelle hatte der Freund von Zielchen auf dem Oberkopf. Ich war total begeistert von dieser Welle. Ich merkte allerdings nicht, dass dadurch mein schmales Gesicht noch länger wurde. Diese Veränderung mit meinen Haaren machte ich zwei Jahre lang, einmal in der Woche.

Jeden Monat bekam ich meine Ausbildungsbeihilfe von 25.- DM im ersten Lehrjahr. Im zweiten Lehrjahr standen mir 35.- DM zu und im 3. Lehrjahr 45.- DM. Ich war sehr oft im Damensalon und reichte die Wickler an und schaute zu. Der älteren Friseuse musste ich eines Tages die Haare waschen. Die jüngere Friseuse zeigte mir, wie ich das machen musste. Ich bekam einen roten Kopf, weil sie mich so anhimmelte, glaubte ich.

Weil ich von Natur her sehr neugierig war, fragte ich Rudi, warum die Frauen manchmal „da unten“ bluten. Er sagte, dass die Frauen dann sagen „sie haben ihre Tage bekommen.“

Das verstand ich nicht. „Was für Tage?“ flüsterte ich.

„Ich habe in einem Gesundheitsbuch gelesen, dass es ein Zyklus ist, der bei Frauen alle vier Wochen auftritt. Es hat mit der Gebärmutter zu tun. Manche Frauen haben Schmerzen während der Blutung, andere nicht. In der Regel dauert dieser Zustand sieben Tage. Sie müssen eine Binde vor die Scheide legen, sonst fließt das Blut in den Schlüpfer. Die Binde nennt man „Kamelia“ Binde. Am besten du liest es auch in einem Gesundheitsbuch. Darin wird alles medizinisch erklärt.“

„Ich habe bei uns zu Hause in der Badewanne eine Binde liegen sehen. Das Wasser war ganz rot. Die Binden hingen über der Badewanne zum Trocknen. Ich habe ja vier Schwestern und meine Mutter, die alle damit zu tun haben. Ich hörte meine Mutter einmal sagen:

„Kinder, wir müssen mit den Binden sparsam umgehen. Wir müssen sie waschen und sie über der Badewanne trocknen und sie öfter benutzen.“

Meine armen Schwestern, die müssen viel ertragen alle vier Wochen. Endlich hatte ich mit jemanden darüber sprechen können. Endlich hatte ich es erfahren. Dann verstand ich Zielchen, warum sie manchmal nicht zum Baden mitfahren konnte. Sie sagte dann:

„Heute kann ich nicht mitkommen zum Baden.“

Damals dachte ich sie wäre zu faul zum Schwimmen. Später hatte ich das begriffen. Das Wasser wär nicht nur rot, es wäre unhygienisch.

Im ersten Lehrjahr bin ich mit meinem Freund Dieter „schrotteln“ gegangen. So hatte ich auch später immer Geld. Ich setzte es immer gleich um: Tanzen gehen, Mädchen den Eintritt bezahlen, Süßigkeiten, Zigaretten und neuerdings Klamotten kaufen. Z. B. kaufte ich von unserem Schneider aus dem Dorf einen Trenchcoat und den passenden Hut. Ich fiel in dieser Garderobe sofort auf. Einige Leute schauten mir komisch hinterher. Selbst meine Mutter sagte mir knallhart, „Aloys, der Mantel kleidet dich nicht und für den Hut bist du zu jung.“ Ich habe mich sofort davon getrennt, außerdem war der Mantel viel zu lang.

Dieter wollte auch am Sonntag schrotteln gehen.

„Bist du verrückt, das ist doch verboten.“

Er lachte, „seit wann das denn?“

„Das ist eine Sünde, am Sonntag zu arbeiten. Weißt du was, ich frage sofort meinen Vater.“ Mein Vater korrigierte im Wohnzimmer Schulhefte.

„Papa, ist es eine Sünde, am Sonntag zu arbeiten?“

„Eigentlich nicht. Aber wir sind eine Lehrerfamilie, da schickt es sich nicht zu arbeiten. Warum fragst du, brauchst du Geld? Du hast noch nie Taschengeld von mir verlangt. Ich gebe dir jetzt 10.- DM.“

Er griff in seine Geldbörse und gab mir das Geld.

„Wenn du schlau bist, dann geh jetzt arbeiten, heute ist erst Samstag.“

„Aber Papa, ich geh mit Dieter schrotteln.“

„Gut, mein Sohn, aber sei um 18:30 Uhr zurück, du weißt ja, wenn du unpünktlich bist, schimpft die Mutti.“

„Ja Papa.“

Dieter wartete draußen. Er wollte nicht mit reinkommen, weil Mutti ihn mal zurechtgewiesen hatte. Er hatte, mit seinen Händen in der Hosentasche, etwas Abfälliges gesagt und ist mit Händen in der Hosentasche weggelaufen.

„So ein Lorbass kommt mir nicht in unser Haus, mein Sohn.“

Dieter und ich haben für 20.- DM Alteisen zufällig gefunden. Es war schwer zu transportieren. Zum Glück hatte ich zwei Spaten mitgenommen. Wir mussten viel graben. Aber es hatte sich gelohnt. Wir fanden einige Bleiplatten. Die waren sehr schwer, aber die brachten das meiste Geld.

Wir teilten brüderlich. Ich hatte nun 20.- DM und Dieter 10.-DM. Ich erzählte ihm nicht, das Papa mir 10.-DM Taschengeld gegeben hatte.

Ich freute mich jeden Tag auf meinen Beruf als Friseurlehrling.

Ich ging ins Kino und schaute mir den Film an „Verdammt in alle Ewigkeit“, mit Montgomerie Clift und Burt Lancaster. Es war der beste Film, den ich je gesehen hatte. An einen Satz erinnere ich mich noch: „Mensch, die hat Musik in der Bluse.“

Plötzlich hörte ich ein Lachen, das mir sehrt bekannt vorkam. Ich drehte mich um. Ich erblickte meinen Vater, der mit meinem Schulfreund Lutz Wollstein hinter mir saß.

„Papa, du hier? Ich werde wahnsinnig.“

„Psst“ machte mein Vater. Mensch. Mein Vater im Kino. So etwas konnte ich nicht glauben. Diesen Film habe ich in 50 Jahren bestimmt fünfmal im Kino gesehen und später im Fernsehen mindestens zehnmal.

Später sah mein Vater, dass ich rauchte. Manchmal sagte er: „Nicht so viel rauchen, das ist gesundheitsschädlich.“ Er hat es mir nicht verboten.

Mein 16. Geburtstag war an einem Wochentag. Es waren Sommerferien. Vater gratulierte mir zum Geburtstag. Er sagte: „Du rauchst jetzt mit mir eine Geburtstagszigarre.“ Seltsam, Mutti war bei den Lehrerfrauen zum Kaffee eingeladen. Als ich die Zigarre umständlich mit Streichhölzern anzündete, paffte ich darauf los. Ich bekam einen Hustenanfall, der aber wieder wegging. Mir wurde so schlecht, dass ich eine halbe Stunde auf der Toilette saß. Komisch. Mein Vater hatte seine Zigarre gar nicht angemacht. Er hatte sie noch in der Hand. Es fiel ihm auf, dass ich ganz blass war, als ich von der Toilette zurückkam. Zu meinem Vater sagte ich:

„Vater, ich rauche nie wieder.“

Er blieb ernst und sagte:

„Du darfst auch nicht bei einer Zigarre einen Lungenzug machen.“

„Ach so, aber ich rauche auch keine Zigarette mehr. Nur der blöde Dieter, der raucht so viel.

Als ich eines Tages von der Arbeit nach Hause ging, sah ich einen weißen Cadillac Cabrio. Er hatte zwei große Heckflügel und weiße Ledersitze. Der ältere Bruder von meinem Freund saß in diesem „Straßenkreuzer.“ Es standen viele Neugierige um diesen Wagen. Sie bestaunten das Fahrzeug wie ich. Der Ami saß am Steuer. Lässig hing sein Arm aus dem Fenster. Die angerauchte Zigarette schnippte er hochnäsig auf die Straße. Keiner der Zuschauer lief hin, um sich diese Kippe zu schnappen und sie zu rauchen.

Das Wirtschaftswunder fing langsam an: der Kurs war sehr hoch. Der Dollar war so stark, dass die Amis sehr viel Geld in deutscher Währung erhielten. Für einen Dollar bekamen die Amis DM 4.-

Ich erzählte darüber meinen Eltern. Mein Vater sagte: „Das sind die Sieger.“

Meine Mutter sagte: „Armes Deutschland.“

„Na so schlimm, ist es doch nicht mehr. Uns geht es doch wieder gut. Der Bundeskanzler Dr. Adenauer korrespondiert sogar mit den Russen, damit die restlichen deutschen Kriegsgefangenen endlich nach Hause kommen“, erzählte Papa.

Draußen regnete es und es war kalt. Die Kunden blieben aus. Die ältere Friseuse schlief im Sessel im Salon. Rudi setzte sich auf den Fußboden davor. Manchmal bückte er sich, dann sah er den weißen Schlüpfer, den sie trug. Sie war für ihr Alter sehr attraktiv. Doch mir wurde es langsam langweilig. Ich wandte mich an ihn:

 

„Rudi komm, zeige mir, wie man mit Kamm und Schere Haare schneidet.“

„Bei der nächsten Gelegenheit kannst du mich fragen“, antwortete er mir.

Eines Tages kam dann die Gelegenheit. Ich musste bei einem älteren Herrn mit Kamm und Schere einen Übergang schneiden. Mit der Effilierschere verfeinerte ich den Schnitt. Dann zeigte Rudi mir, wie man am Oberkopf mit dem Kamm die Haare abteilt, sie mit der Haarschneideschere schneidet und wie die Konturen geschnitten werden müssen. Rudi und ich bekamen einen roten Kopf. Plötzlich war der Chef bei uns. Er schaute sich unsere Arbeit an und nickte mit dem Kopf. Zum Schluss sagte er in seinem Münchner Dialekt: “Joo, des is fei guaat, Aleus.” Ich bekam Gänsehaut. Den Schnitt hatte ich zum ersten Mal selber ausgeführt. Der Kunde gab mir 50 Pfennig Trinkgeld. Ach, ich war ja soo glücklich. Rudi sagte: „Es ist nicht so leicht, jeden Haarschnitt gleich zu schneiden. Du wirst es erleben, jeder Mensch ist anders und reagiert anders. Auch jedes Haar ist anders.“

Mein Berufsschullehrer Herr W. kam auch zu uns zum Haare schneiden.

Ich habe jedes Mal zugeschaut. Als er vor Weihnachten wiederkam, sagte der Chef:

„Aleus, du schneidest jetzt dem Herrn Lehrer die Haare.“

Während ich dem Kunden den Umhang umhängte, flüsterte mir Rudi zu:

„Zuerst mit der Maschine vorschneiden, den Haarschneide-Kamm unter die Maschine legen, und langsam Kamm und Maschine hochschieben. Ja genauso ist es richtig.“

Ich zitterte heftig. „Ganz ruhig, Aloys“ sagte der Berufsschullehrer. Die Maschine war sehr laut. Für den Nacken stellte ich die Maschine um auf 1/10 mm. Für die Seiten nahm ich das gleiche Maß. Mit der Schere schnitt ich das Haar einfach so, wie es mir Rudi am Holz-Übungskopf gezeigt hatte. Er flüsterte:

„Du machst das ganz toll. Alles richtig. Du hast einen schönen Übergang geschnitten, und vor allen Dingen keinen Rundschnitt, toll.“

Die Ohren und die Seitenhaare schnitt ich stufig. Rudi rasierte mit dem Rasiermesser im Nacken und die Seitenhaare aus. Die positiven Aussagen von Rudi gaben mir Sicherheit. Ich bedankte mich bei ihm.

„Weißt du was, ich werde heute einen Zug später fahren. Meinen Eltern werde ich die Wahrheit sagen, dass wir in der Altstadt in Marburg in den engen Gassen unsere Lieder singen. Freust du dich, Rudi?“

„Ja Aloys, das wird toll. Ich kenne einen neuen Schlager von Viko Torriani.“

„Wie heißt er?“

„Das sage ich dir, wenn wir dort sind.“

Als wir endlich Feierabend hatten, gingen wir sofort in die Altstadt.

„Jetzt komm und sing schon Rudi, mach` schon Rudi.“

Er stellte sich in Position, die Beine etwas breit, er sang:

„jamboliajaiamolaia, singt der Senor und dann küsst er, die er küsst, die vergisst er. Jambolaija-jaambolaaaaija-.“

„In Peru, in Peru in den Anden knüpfst auch du knüpfst auch du deine „Banden“

tschambooolaaaia….Ich war total begeistert. Vor allem gefiel mir, dass er laut sang, wir sangen im Duett. Wir hatten viel Spaß. Wir gingen von einer Gasse in die andere. Wir sangen es mindestens 20-mal. Immer in einer anderen Gasse. Es schallte wider. Das gefiel uns. Es war herrlich.

Freudestrahlend erzählte ich es meinen Eltern und Geschwistern. Leider waren nicht immer alle zu Hause. Aber Zielchen war meistens da. Sie freute sich mit mir. Sie erzählte mir, dass sie große Sorgen hat. Ihr Freund, der Fußballer, wollte sie unbedingt heiraten. Er traute sich nicht, um ihre Hand bei meinen Eltern anzuhalten.

Wieder ging ein Jahr zu Ende. Rosi aus Kirchhain hatte ich aus den Augen verloren. Meine Lehre hatte mich total gefangen. Zu Weihnachten schenkten mir meine Eltern eine elektrische Haarschneidemaschine und alles, was dazu gehört. Ich war baff.

Im Frühjahr 1954 traute ich mich, meinem Vater und meinem Bruder die Haare zu schneiden. Mein Vater trug immer noch einen kurzen Fassonschnitt. Meine Mutter sagte:

„Aloys, schneide dem Papa die langen „Zultern“ aus der Stirn, (masurischer Ausdruck für lange Haare), so, dass sie nicht in die Augen fallen. Und schneide ihm diese „Haarkante“ rundherum ab, das sieht ja furchtbar aus.“

„Ja, Mutti.“

Ich erinnerte mich an Rudis Worte. „Schneide die Kanten erst mit der Effilierschere, so, dass keine Kante stehen bleibt.“ Die Modellierschere gab es erst viel später. Dann schnitt ich die Oberkopfhaare stufig und die Wirbelhaare am Hinterkopf ließ ich etwas länger.

Ich hatte die Idee des Jahrhunderts: Ich machte die Haare etwas nass, und siehe da, die Haare „gehorchten“ mir. Ich konnte sie jetzt kämmen, wie ich wollte. Dann schnitt ich mit der Maschine im Nacken einen Übergang bis zum Haaransatz, Ich war von mir begeistert. Papa wollte immer aufstehen und schauen. Ich sagte ihm, dass es eine Überraschung sein soll. Den Föhn hatte ich von Magda zu Weihnachten bekommen und eine halbrunde Haarbürste. Ich hatte lange vorher geübt, Rudis Haare zu föhnen. Ich stellte den Föhn auf „halbe Kraft.“ Mein Vater sah total verändert aus. Ach so, beinahe hätte ich das Ausrasieren im Nacken mit dem Rasiermesser vergessen. Ich hatte das bei Rudi geübt .So, dann föhnte ich die Haare und war fertig.

„Jetzt kannst du aufstehen, Papa.“

„Du bist der geborene Friseur, mein Sohn. Du bist ein Naturtalent. Ich werde es dem Lehrerkollegium erzählen, das mein Sohn diesen Haarschnitt gemacht hat.“

Meine Mutter stand plötzlich im Bad, ich sah sie vorher nicht.

„Mein Sohn, was hast du nur aus Papa gemacht, ich erkenne ihn ja nicht wieder.

So toll geschnittene Haare hast du noch nie gehabt.“

Mein Vater gab mir 10 DM Trinkgeld.

„Und ich“, fragte Theo.

„Du bekommst einen „Mecki“ Haarschnitt.“

„Was ist denn das, Alo?“

„Steh-Haare, Theo. Die Haare stehen alle hoch.“

„Das kenne ich, Alo. Mein Schulfreund im Internat hat morgens immer Stehhaare, wenn er aufsteht. Aber meine Haare sind viel zu lang, Alo.“

„Deswegen schneide ich dir die Haare so kurz, das sie Tag und Nacht stehen bleiben. Man nennt den Schnitt „Igel“, Theo.“

„Na gut, jetzt weiß ich, wie du das meinst. Ich weiß aber nicht, ob mich dieser Haarschnitt kleidet.“

„Lass dich überraschen, Theo.“

Ich schnitt die Oberhaare mit der Schere trocken über die Finger, bis sie 4 cm kurz waren. Dann machte ich die Haare nass. Meine Eltern standen staunend hinter mir.

Wahrscheinlich glaubten sie, sie träumen, dachte ich. Dann schnitt ich mit der Maschine den Fasson mit dem Übergang. Die Haare zum Oberkopf machte ich noch einmal nass. Zum Schluss habe ich die ungleichen Haare mit der Schere so geschnitten, dass alle Haare die gleiche Länge hatten. Dann machte ich auf meine Hände etwas „Brisk“ Frisiercreme von „Wella“ und strich es auf die Haare - fertig. Theo stand auf, und sagte:

„Ist ja toll, Alo“

„Das ist Ehrensache, Bruderherz.“

Diesen Satz habe ich mir gemerkt. Ich kannte ihn aus dem Kino. Mein Bruder sagte einen Satz, den ich bis heute nicht vergessen habe: „jetzt weiß ich, warum du so gerne Haare schneidest, weil dir die Haare aufs Wort gehorchen, indem du sie nass schneidest.“ Ich werde nie vergessen, wie sich meine Eltern amüsierten. Meine Eltern gingen nach unten. Ich hörte die Worte meiner Mutter:

„Hast du gesehen, wie krumm Aloys steht?“

„Er schneidet ja nicht 24 Stunden an einem Stück“, sagte mein Vater.

„Hast du die Begeisterung und seine Konzentration gesehen? Er begeistert sich für alles, was ihm gefällt.“

„Wohl wahr, das tue ich heute noch – haha.“

„Was soll das wieder heißen?“

„Dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt.“

„Mach` das Radio aus, Papa, sie kommen“, sagte Mutti.

„Wer kommt, Mutti?“

„Psst Aloys.“

Mein Vater nahm die Zeitung und las. Ich lachte, er hielt sie verkehrt rum. Die Gesichter meiner Eltern waren sehr ernst. Mein Körper zuckte von dem Lachen, ich musste mich krampfhaft zurückhalten.

Klopf, klopf. „Herein“, sagte mein Vater. Die Wohnzimmertür öffnete sich. Es erschienen der Fußballspieler Werner und Zielchen mit ganz ernstem Gesicht. Ich konnte mich nicht mehr halten vor Lachen. Es brach einfach aus mir heraus. Und trotzdem schaffte ich es doch, beide Hände vor den Mund zu pressen, damit meine Eltern nicht böse wurden.

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