LebensLichtSpuren

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LebensLichtSpuren
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Nanaja Meropis

LEBENSLICHTSPUREN

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2021

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Idee der LebensLichtSpuren und Herausgeber: Peter Völker

Copyright (2021) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte bei den Autoren*innen und Übersetzern*innen

Coverfoto © Klaus-Peter Kubik (KPK)

http://kpk-photography.de

Vignetten © Gexam [Adobe Stock]

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH

INHALTSVERZEICHNIS

Cover

Titel

Impressum

Geleitwort

Vorwort

Quadratisches Meer

Worte prägen

Ackerfreuden

Mit einem Vogel im Bauch

Kindheitsnest

Mundraub

Das Gehirn

Musikdusche

Eine Hand voll Rosinen

Die alten Hausrezepte

Eisbruch

Die Erzählungen meiner Oma

Sauerkraut

Eingeweide der Dunkelheit

Glaswand

Primelwiese

Das Weiße des Universums

Die Sprache der Freundschaft

Vorkosten

Architektinnen

Der Eintrag

Hahnentod

Schwebend zwischen Sternen

Mitten in der Hölle

Auswandern für immer

Hahnschlagen

Die Mauer

Großvater

Wespenstiche

Masern

Wie groß ist das Meer?

Mäuseretten

Bücher

Lachen oder weinen

Schläge

Korrekturlesen

Mit einem Riesen spielen

Stillzeit

Meine Lieblingsmärchen

Aufwachen

Auf dem Schulhof

Flug über das Tor

Gitter des Tages

Lieblingsschriftsteller

Schmetterlinge im Bauch

Das neue Fahrrad

Farben der Illusion

Im Nebel

Gordana

Ein bisschen höher

Die gute Fee in unserem Haus

Ein trockener Badetag

Der Hafen

Richtig argumentieren

Sexismus

Eine heilige Handlung

Jahre des Wanderns

Waldgänger

Schwänzen beim Religionsunterricht

Türkis

Sternschnuppen-Nacht

Mopedunfall

Unsere Hausbibliothek

Leere Schale

Musikbox

Lichter

Unruhen in meiner Heimat

Liebesbriefe

Orion

Musik und Gesang

Lesen

Schäferstochter

Sonne in mir

Schelmenmarkt

Die Schreibtischlampe

Wilde Hunde

Am Meer

Einprägsame Augen

Schwebende Schneeflocke

Begegnung

Nüchternheit

Bienenstreicheln

Verhaftung

Auftauchen ins Leben

Der Unfall

Fischbuden-Homage

Gefühlsverständnis

Verfolgung

Künstlerfest

Zu spät

Diagonole der Wasserblase

 

Schweigen herrscht in einem Land

Immer nur lächeln

Landungsbrücken

Abschied

Die Angst, die ich in mir aufbewahre

Monemvasia

Wohnungsvergrößerung

Sehnsüchtig

Logbuch

Strandperle

Wenn das Leben aus Zwängen besteht

Sturm und Drang

Wunderbare Begegnung

Eros und Thanatos

Terzo Mondo

Die neue Heimat

Prügelnde Polizei

Leben und Sterben auf Facebook

Wusstest du

Schwamm drüber

Ewige Liebe

Apfelbaum

Glaube

Abwesenheit von mir

Besuch der alten Heimat

Blutmond

Zurück in die Zukunft

Sehnsüchtiges Wiedersehen

Briefe

Sehnsucht

Ich bin nur nicht da

Du

Ende und Neubeginn

Meine Stürmische Seele

Griechenland

Pünktlich unpünktlich

Die neue Mitbewohnerin in mir

Das Lied

Hexengarten

Kontaktpause

Melancholie

Allianz

Nachtfahrt

Zweimal zur Grenze

Heimweh

Der Planet im Bauch

Marathonlesung

Neuer Hafen

Besuch

Perfektion der Unvollkommenheit

Weggabelung

Wohlstand

Weininsel

Sehnsucht nach dir

Die Flucht

Exil

Schreiben

Wenn ich Gott bin

Bartheke

Im Zug

Die Zimmerdecke

Ausflug

Nicht vergessen

Versäumtes

Fliege

Mut zum Lachen

Vergiss den Gesang des Augenblicks nicht

Glückliches Ende

Illusion

Lyrikfestival

Hassliebe

Liebeserkenntnis

Vorname

Nichts ist so stimmig, wie es scheint

Milonga

Abschied

Lebenstraum

Die Stärke eines Spinnengewebes im Wind

Morgenstunde

Gemeinsame Gene

Ende der Milchzähne

Leben und Sterben

Otto-Dix-Haus

Spuren deiner Liebe

Kalter Sommer

Geliebte

Dichtung und Wahrheit

Abschied für immer

Wilde Stille

Zuletzt

Die allmenschliche Sprache der Poesie

СВЕЉУДСКИ ЈЕЗИК ПОЕЗИЈЕ

Biografische Notizen der Autorinnen und Autoren von „LebensLichtSpuren“

Fantasie-Autorin für die Titelseite

Danksagung und Selbstbetrachtung

GELEITWORT

Es ist ein schöner Gedanke, bewegende Lebensszenen von miteinander wohlvertrauten Literaten zu einem gemeinsamen Werk zu vereinen. Das ist wörtlich zu nehmen, denn die Beiträge der Autorinnen und Autoren sind alle nach einem sorgfältig ausgeklügelten Plan zunächst anonym miteinander „vermischt“ – ein Mix. Daraus ist in der Tat ein echtes Experiment mit verschiedenen schriftstellerischen bzw. poetischen Eingangsgrößen entstanden. Liegt somit eine Art kulturanthropologischer Neu(er)findung von Literatur in unserem Zeitalter der zunehmend globaler werdenden Welt vor? Auf die Bedeutung dieser Frage für die Dichtung von gestern und heute geht in seinem Essay der Schriftsteller Stevan Tontić am Ende dieses Buches ein.

Mit dem experimentellen Charakter dieser literarischen Kompositionen wird echtes Neuland auch in psychologischer Hinsicht betreten. Ja, es wird das Wagnis auf sich genommen, die herkömmlichen Schranken („Grenzen“) von poetischen Gewohnheiten und Ambitionen zu sprengen zugunsten des harmonischen Zusammenwirkens von verschiedenen Repräsentanten aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen. Lässt sich auf eine solche Weise der Grundgedanke des griechisch-deutschen Denkers Peter Coulmas einlösen mit dessen kosmopolitischer Erfahrungswelt, im Bemühen um ein sozial-kultures Weltbürgertum – jetzt mit den Mitteln des künstlerischen Schaffens von Literaten? Vielleicht.

Seinerzeit hat Max Wertheimer im nordamerikanischen Exil mit dem Klassiker „Produktives Denken“ neue Wege aufgezeigt, um festgefahrene negative Gewohnheiten und unbewusst-rigide Einstellungen („Vorurteile“) aufzubrechen mit dem Ziel eines möglichst produktiven Zusammenwirkens von Motivationen und Geisteskräften sehr verschiedener Persönlichkeiten – das also heißt möglichst kreativ miteinander umzugehen. Über dieses im jeweiligen Alltag schwer einzulösende Anliegen hat auch sein Sohn, Michael Wertheimer (USA) – ebenfalls ein Psychologe – immer wieder nachgedacht (dabei das Thema des Denkens und Verhaltens speziell von Nichtjuden versus Juden in Europa und in aller Welt berührend). Und vor einiger Zeit habe ich meinerseits auf der Insel Samos ein Buch von Karl Popper aufgeschlagen – mit dem Blick auf die nahe türkische Festlandsküste – und dabei über die Welt der Vorsokratiker Parmenides, Xenophanes und Heraklit nachgedacht, die psychologisch-philosophische Relativität unseres Wahrnehmens und Strebens reflektierend. Vielleicht lassen sich solche und andere Gedanken mit dem Anliegen verknüpfen, welches die Dichtung in dem vorliegenden Werk zum Ausdruck bringen will? Sehen Sie selbst, liebe Leserin und lieber Leser, was dieses experimentelle Poesiebändchen für Sie bedeutet.

Viktor Sarris

Frankfurt a. M., Dezember 2020

VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

Sie haben Interesse an dem Buch „LebensLichtSpuren“, darüber freuen wir uns. Es ist als weltumspannendes Experiment geschrieben worden. Wir bitten Sie: Lassen Sie sich auf das Geheimnis dieser LebensLichtSpuren ein und lesen Sie das Werk zunächst unvoreingenommen, ohne im hinteren Teil zu suchen, wer sich hinter den zahlreichen Szenen verbirgt.

Wir alle wissen, dass diese Welt und die darin lebenden Menschen von künstlich gesetzten Grenzen, Dogmen und Konventionen behaftet sind und das Andere, das Fremde, oft angstbesetzt erscheint. Dagegen wollen wir mit „LebensLichtSpuren“ ein Zeichen setzen. Wir wissen, dass es diesen von Menschen gesetzten Rahmen gibt, aber wir sind fest davon überzeugt, dass er nur eine kalte Hülle für die Menschen auf dieser Erde ist, egal, wo sie sich aufhalten.

Aber es gibt eine andere Sichtweise. Das warme Leben kennt nur die Vielfalt der Kulturen und die Einzigartigkeit von jedem von uns. Dies ist ein Schatz für die Völker und das gelebte Leben des einzelnen Menschen, und in dieser Betrachtung wird die Begegnung mit dem Fremden, dem Anderen, zum inneren und äußeren Reichtum der Individuen.

 

Wenn Sie sich beim Lesen auf diesen Pfad begeben, hoffen wir, dass Sie entdecken, welche und wie viele Leben sich hier offenbart haben. Vielleicht entsteht für Sie eine Weltseele, die in den bewegenden Elementen des Lebens keine künstlichen Barrieren kennt, sondern das Einfache, Wertvolle, Abenteuerliche im Alltag in sich vereint und dem Fremden, dem Anderen, zugeneigt ist. Dann wären die interessengeleiteten Grenzen, Dogmen und Konventionen überwunden, eine Brücke zwischen den Kulturen und den Mitmenschen wäre gebaut. Bauen Sie bitte beim Lesen an dieser Brücke mit. Danke!

Autorinnen, Autoren und Verlag

QUADRATISCHES MEER

Das erste Mal, als ich das Meer sah, war es quadratisch und es lag am Ende der Straße. Meine Mutter, zwei Tanten, meine Schwester, meine älteren Cousins und ich trugen Stühle, Regenschirm und Matten. Als die Straße ihr Ende erreichte, erstreckte sich das Meer vor mir. Ich trat auf den Strand, und das Meer wurde noch größer. Seine rechte Seite war von einem Berg begrenzt, die linke Seite verschwamm mit der Stadt in einem heißen Nebel, ganz hinten spaltete es den Horizont. Das Meer schien mit seinem fettleibigen Bauch nach oben zu liegen. Meine Mutter und meine Tanten pflanzten den Regenschirm in den Sand, klappten ihre Stühle auf und setzten sich. Meine ältere Schwester lief mit meinen beiden Cousins ins Wasser. Ich ging hinterher. Doch als ich das unbekannte Terrain betrat, zögerte ich. Die Wellen, die sich an meinen Beinen brachen, schienen mich auf den Grund zu ziehen, der Schaum verwirrte mich. Ich wollte nicht weitergehen. Aber meine Schwester und meine Cousins waren schon weit vor mir. Die Angst, nicht zu wissen, was dies war, hielt mich zurück.

Niemand erklärte mir, was für eine Kraft an meinen Beinen zog, und ich stieg wieder aus dem Wasser. Lieber wollte ich stundenlang mit Eimer und Schaufel im Sand spielen. Der Sand würde mich nirgendwohin ziehen, nicht gegen meinen Willen. Aber das Meer bewegte sich die ganze Zeit, die Wellen kamen und gingen, immer unterschiedlich voneinander. Manchmal waren sie nett, manchmal aggressiv, unbeugsam, und ich verstand nicht, was dahinter steckte und warum nur ich diese Angst hatte. Dort drüben war der dicke Bauch des Meeres größer als ich. Und der Horizont schien sich nicht darum zu kümmern. Meine Mutter unterhielt sich mit meinen Tanten und meine Schwester und meine Cousins waren weg. Ich war ganz allein mit den Wellen und der Kraft des Wassers. Auf dem sicheren Boden des Sandes grub ich ein großes Loch, in das sie alle hineinfallen konnten, das ganze Meer und auch der Horizont.

WORTE PRÄGEN

In unserem Haus wohnte auch die Schwester meines Großvaters. Bei ihr verbrachte ich täglich – nicht nur, wenn meine Eltern berufsbedingt keine Zeit für mich hatten – mehrere Stunden meiner Kindertage. Damals gab es noch keine flächendeckenden Kindergärten, und nicht einmal im letzten Jahr vor meinem Schuleintritt besuchte ich einen solchen regelmäßig, obwohl dies viele Pädagogen und auch manche Pseudopädagogen als sehr hilfreich anpriesen.

Aus einer viel früheren Zeit rührt meine erste Lebenserinnerung: als ich mit knapp zwei Jahren erlebte, dass meine Großmutter gestorben war. Man brachte mich zu meiner Tante, von deren Wohnung aus man ideal in den Hof blickte konnte, was sie auch viele Stunden am Tag praktizierte.

„Jetzt tragen sie deine Großmutter hinaus!“, sagte sie mit lauter, aber keinesfalls trauriger Stimme zu mir, und irgendwie prägte sich dieser Satz bis zum heutigen Tag fest in meinem Gedächtnis ein.

Vielleicht war es von meiner Tante genau so gewollt, entscheidende Lebensschnittstellen mit großer Entschiedenheit weiterzugeben, wie das schon die Ureinwohner vieler Stämme taten, ohne jemals auf Geschriebenes oder auf Film, Internet und andere moderne Medien zugreifen zu können. Dieser Gedanke allein führt mich zu der Erkenntnis, dass meine Tante eine sehr weise Frau mit großer Lebenserfahrung gewesen sein muss.

Auch wenn meine Familie große Festvorbereitungen tätigte, „durfte“ ich zu meiner Tante gehen, was ich auch immer mit Begeisterung tat. Ich liebte es, bei ihr zu sein und ich liebte sie. Bei ihr durfte ich Kind sein, wie ich es wollte, ohne Einschränkungen.

So verbrachte ich auch einmal einen Heiligen Abend bei ihr, als meine Eltern an diesem Tag, für mich völlig unverständlich, beschäftigt waren. Es schneite, als meine Tante sich plötzlich aus ihrem Lehnstuhl erhob, zum Fenster ging und mit leiser, aber fester Stimme sagte: „Schau, jetzt fliegt das Christkind vorüber!“

Ich sah zum Fenster hinaus und sah tatsächlich das Christkind! Seit jenem Tag glaube ich an das Christkind, wenngleich in den Folgejahren immer mehr Freunde und Mitmenschen diese Tatsache energisch bestritten. Meine Tante war doch eine weise Frau.

ACKERFREUDEN

Das Spielen auf dem Felde, wenn die Erwachsenen die Ernte einfuhren, gehörte zu den schönsten Freuden meiner Kindheit. Brütende Hitze des Hochsommers hängt über dem Land, die Luft flirrt über den vom Wind gestreichelten Ähren. Sechs Mäher mit Sensen, bekleidet mit Cordhosen, Leinenhemden und Halstüchern, stöhnen bei jedem Schnitt vor dem dicht stehenden Korn. Ihre Köpfe schmücken Strohhüte, in deren Bünden Feldblumen stecken. Hinter ihnen laufen Frauen mit Schürzen, rechen und binden die Getreidehalme zu großen Garben. Sechs oder sieben solcher Garben werden zu einer Dieme zusammengestellt, die an ein Indianerzelt erinnert. Für uns Kinder ein idealer Schattenplatz.

Neben mir sitzt meine kleine Freundin. Ein pralles, von blonden Locken umspieltes Gesicht mit einem meist verschmitzten Ausdruck. Wir blinzeln durch die Ritzen zwischen den Garben und beobachten die Erwachsenen, wie sie sich auf dem Felde abmühen. Plötzlich nehmen wir vor unseren Füßen einen winzigen Feldhamster wahr, der wohl seine Mutter vermisst. Sein Fell leuchtet selbst im Schatten der Dieme edel, als er Männchen macht und sich die Barthaare putzt. Unendlich langsam schiebe ich meine offene Hand auf ihn zu, bis er darauf sitzt und präsentiere ihn stolz meiner Freundin. Verzückt streichelt sie ihm mit dem Zeigefinger gegen den Fellstrich über den Rücken. Wenig später setze ich ihn ab, und er verkriecht sich in einer Garbe. Wir strahlen uns an, fühlen eine tiefe Nähe zwischen uns und zu dem kleinen Wesen. Meine Freundin hat wässerige blau-grüne Freudenaugen.

MIT EINEM VOGEL IM BAUCH

Einmal stand ich hinter der Mauer unseres Hinterhofs und beobachtete einen Jungen, der einen von ihm selbst hergestellten Drachen hin und her in der Luft bewegte. Die Jungs auf der Straße spielten oft mit Drachen. Er zog den Drachen hoch, nahm die Spannung von der Schnur, wickelte sie in die Dose auf, ließ die Schnur los, bewegte die Arme, lockerte die Hände oder drückte an der Schnur. Der Drachen bewegte sich am Himmel hin und her und machte Kurven. Plötzlich näherte er sich mir. „Willst du es versuchen?“ Meine Eltern hatten mir verboten, mit Jungs zu spielen, mit ihnen zu reden oder so zu spielen wie sie spielen. Ich nickte. Ich wusste, dass ich etwas Verbotenes tat und ich musste aufpassen, dass mich niemand sah. Er gab mir die Schnur zum Halten. „Nimm sie!“

„Warte!“ Ich hielt ihn fest. „Nein, nicht so. Du musst dich bewegen, zieh die Schnur zur Seite!“ Ich war überrascht von der Kraft des Windes, die durch die Schnur ging. Es war, als ob ich die Zügel eines Tieres in der Hand hielt. Ich zog sie zurück, dann zur Seite. „Wenn du ihn nicht mit dem Wind bewegst, fällt der Drachen.“ Er sah aus wie ein fliegender Vogel in meiner Hand, die Kraft des Windes war wie das Gefühl der Freiheit, die am Ende der Drachenschnur mit schweren Flügeln flatterte. Der Drachen beschrieb eine Kurve, aber nicht so, wie er sollte, er drohte zu fallen. Der Junge nahm ihn mir wieder aus der Hand, und ich rannte ins Haus. Mein Herz schlug schneller, mein Bauch schmerzte vor Glück. Damals waren die Tage so lang wie Kaugummi, den man mit der Hand aus dem Mund zieht.

KINDHEITSNEST

Bilder aus meiner Kindheit, Fantasiefarben, tanzende Erinnerungen, Glück, Geborgenheit. Wir sind fünf Kinder, die mit meinen Eltern in einer kleinen Wohnung leben. Mitten in der Hauptstadt leben wir in einem großen Haus zusammen mit sechs anderen Familien, die auch kinderreich sind. Der große Teich mitten im Hof des Hauses ist der Schauplatz unserer Kinderspiele und die Begegnungsstätte der Frauen, die immer am Waschen oder Vorbereiten anderer Besorgnisse für ihre täglichen Hausarbeiten sind. Eine Schar Kinder erfährt täglich wunderbare, einzigartige Erlebnisse, wie sie uns keine anderen Gelegenheiten schenken, kein Gedanke daran, ob es außerhalb unserer Welt auch eine andere gibt. Wir sind unbefangen und sorglos. So nisten wir uns in einer schönen Welt ein und erfassen unser Glück.