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Arena Eins: Die Sklaventreiber

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Aus der Reihe: Trilogie Des Überlebens #1
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Arena Eins: Die Sklaventreiber
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MORGAN RICE
AUSGEWÄHLTE STIMMEN ZU DEN BÜCHERN VON MORGAN RICE

„Hat mich von Anfang an gefesselt und es hörte nicht auf … Diese Geschichte ist ein erstaunliches Abenteuer, von Anfang an voller Tempo und Action. Nicht ein Moment Langeweile.“

–-Paranormal Romance Guild {über Turned}

„Ein großartiger Plot und genau diese Art Buch, die man nachts nicht weglegen kann. Das Ende ist ein so spektakulärer Cliffhanger, dass man sofort das nächste Buch kaufen will, um herauszufinden, was als nächstes passiert.“

–-The Dallas Examiner{über Loved}

„Ein Buch, das Locker mit Bis(s) zum Morgengrauen und den Vampire Readings mithalten kann. Man will einfach bis zur letzten Seite weiterlesen! Wenn Sie Abenteuer, Liebe und Vampire lieben, ist dieses Buch das Richtige für Sie!“

–-vampirebooksite.com {regarding Turned}

„Eine ideale Story für jüngere Leser. Morgan Rice ist gut darin, einem Buch, was ein typisches Vampirmärchen hätte werden können, einen originellen Twist zu verleihen. Der erfrischende und einzigartige Roman hat die klassischen Elemente übernatürlicher Storys für junge Erwachsene.“

–-The Romance Reviews {regarding Turned}

„Rice ist einfach fantastisch darin, Dich von Anfang an in die Geschichte hineinzuziehen. Seine Beschreibungen gehen weit über das bloße Ausmalen von Szenen hinaus … Nett geschrieben und liest sich extrem schnell. Ein guter Anfang für eine neue Vampirserie, die sicher ein Hit bei allen Lesern wird, die leichte und zugleich unterhaltsame Kost mögen.“

–-Black Lagoon Reviews {über Turned}

„Voller Action, Romantik, Abenteuer und Spannung. Das Buch ist eine wundervolle Ergänzung für die Serie. Man will sofort mehr von Morgan Rice lesen.“

–-vampirebooksite.com {über Loved}

„Morgan Rice beweist sich wieder einmal als extrem talentierte Geschichtenerzählerin … Das Buch gefällt sicher vielen Lesern, auch jüngeren Fans des Vampir-/Fantasygenres. Der unerwartete Cliffhanger lässt einen schockiert zurück.“

–-THE ROMANCE REVIEWS{über Loved}

Über Morgan Rice

Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller Serie DER WEG DER VAMPIRE, eine elfteilige Serie für junge Leser. Ihrer Feder entstammt auch die Nr. 1 Bestseller Serie TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptischer Thriller-Serie aus derzeit zwei Büchern (man darf auf das Dritte gespannt sein) und die epische Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, das derzeit aus dreizehn Büchern besteht und die Bestsellerlisten anführt.

Morgans Bücher gibt es als Audio oder Print-Editionen die in vielen Sprachen erschienen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch – mehr Sprachen werden folgen.

GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire) und QUESTE DER HELDEN (Band #1 im Ring der Zauberei) stehen jetzt zum kostenlosen Download auf zur Verfügung!

Morgan freut sich, von ihren Lesern zu hören, darum besuchen Sie bitte www.morganricebooks.com um sich für Email-Updates zu registrieren. Erhalten sie ein kostenloses Buch, Geschenke, laden sie die kostenlose App herunter und erhalten sie exklusiv die neusten Nachrichten. Oder folgen Sie Morgan auf Facebook und Twitter. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!

Bücher von Morgan Rice
DER RING DER ZAUBEREI
QUESTE DER HELDEN (Band #1)
MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)
LOS DER DRACHEN (Band #3)
RUF NACH EHRE (Band #4)
SCHWUR DES RUHMS (Band #5)
ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)
demnächst auf Deutsch erhältlich
A RITE OF SWORDS – RITUS DER SCHWERTER (Band #7)
A GRANT OF ARMS – GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)
A SKY OF SPELLS – HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)
A SEA OF SHIELDS – MEER DER SCHILDE (Band #10)
A REIGN OF STEEL – REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)
A LAND OF FIRE – LAND DES FEUERS (BAND #12)
A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)
DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS
ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)
demnächst auf Deutsch erhältlich
ARENA TWO –  ARENA ZWEI (Band #2)
DER WEG DER VAMPIRE
GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)
VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)
BETROGEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)
BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)
BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)
demnächst auf Deutsch erhältlich
BETROTHED – VERMÄHLT (Band #6)
VOWED – GELOBT (Band #7)
FOUND  – GEFUNDEN (Band #8)
RESURRECTED  – ERWECKT (Band #9)
CRAVED  – ERSEHNT (Band #10)
FATED  – BERUFEN (Band #11)

Hören Sie sich den Ring der Zauberei im Audiobuch-Format an!

Copyright © 2012 von Morgan Rice


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Dieses Werk ist fiktional. Namen, Figuren, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle entstammen entweder der Imagination des Autors oder werden fiktional verwendet. Jede eventuelle Ähnlichkeit zu realen Personen, lebendig oder tot, ist rein zufällig.

TEIL I

 
„War ich gestorben, eine Stunde nur,
Eh dies geschah, gesegnet war mein Dasein!
Von jetzt gibt es nichts Ernstes mehr im Leben.“
 
--Shakespeare, Macbeth


EINS

Dieser Tag heute ist noch unversöhnlicher als die meisten. Der Wind peitscht unablässig, fegt den Schnee in Klumpen von den schweren Kiefern und direkt in mein Gesicht, während ich mich den Berghang hinaufkämpfe. Meine Füße, in um eine Größe zu kleine Wanderschuhe gequetscht, verschwinden in fünfzehn Zentimetern Schnee. Ich rutsche und schlittere, es fällt mir schwer, Fuß zu fassen. Der Wind weht in Böen, so kalt, dass ich keine Luft mehr bekomme. Ich fühle mich, als ob ich in eine lebendige Schneeweltkugel hineinginge.

Bree erzählt mir, es wäre Dezember. Sie mag es, die Tage bis Weihnachten herunterzuzählen, jeden Tag kratzt sie die Zahlen von einem alten Kalender ab, den sie gefunden hat. Das macht sie mit soviel Enthusiasmus, dass ich es nicht übers Herz bringe, ihr zu sagen, dass noch ganz lange nicht Dezember ist. Ich werde ihr nicht erklären, dass ihr Kalender drei Jahre alt ist, und nicht, dass wir nie einen neuen bekommen werden, weil sie an dem Tag, als die Welt endete, die Produktion eingestellt haben. Ich werde ihr ihr Fantasiebild nicht rauben. Dafür sind große Schwestern eben da.

Ohnehin klammert sich Bree an ihre Überzeugungen, und sie hat immer geglaubt, dass Schnee Dezember bedeutet. Selbst, wenn ich es ihr sagte, würde es vermutlich nichts an ihrer Meinung ändern. So sind eben Zehnjährige.

Was Bree sich zu erkennen weigert, ist, dass der Winter hier oben früh anfängt. Wir sind hier hoch oben in den Catskills, und hier ticken die Uhren anders, die Jahreszeiten wechseln in einem anderen Rhythmus. Hier, drei Stunden nördlich von dem Ort, der einmal New York City war, fallen die Blätter schon Ende August und verteilen sich über die Höhenzüge, soweit das Auge reicht.

Einst war unser Kalender aktuell. Ich erinnere mich noch, wie ich bei unserer Ankunft vor drei Jahren den ersten Schnee sah, wie ich ihn genauer begutachtete, weil ich es nicht glauben konnte. Ich verstand nicht, wie auf der Kalenderseite Oktober stehen konnte. Ich nahm an, dass dieser frühe Schneefall nur eine Laune der Natur war. Aber ich lernte schnell, dass dem nicht so war. Diese Berge waren einfach hoch genug, einfach kalt genug, dass der Winter den Herbst grausam verschlingen konnte.

Wenn Bree nur einmal im Kalender zurückblättern würde, würde sie das alte Jahr dort stehen sehen, in großen, kitschigen Ziffern: 2117. Ganz offensichtlich drei Jahre alt. Ich rede mir selbst ein, sie wäre einfach zu sehr in ihrer vorfreudigen Aufgeregtheit gefangen, um genauer nachzusehen. Das hoffe ich zumindest. Aber in letzter Zeit beginnt ein Teil von mir, den Verdacht zu hegen, dass sie es tatsächlich weiß, dass sie es nur bevorzugt, sich ihrem Fantasiebild hinzugeben. Ich kann es ihr nicht übelnehmen.

 

Selbstverständlich haben wir schon seit Jahren keinen funktionstüchtigen Kalender mehr. Auch kein Handy, keinen Computer, keinen Fernseher, kein Radio, kein Internet und keinerlei andere Technologie – ganz zu schweigen von Strom oder fließend Wasser. Dennoch haben wir es irgendwie geschafft, nur wir beide, drei Jahre lang auf diese Weise. Die Sommer waren erträglich, wir mussten an weniger Tagen hungern. Zumindest können wir im Sommer angeln, und die Bergbäche scheinen immer Lachse zu führen. Beeren gibt es auch, und sogar ein paar wilde Gärten mit Apfel- und Birnbäumen, die noch immer Früchte tragen, nach all dieser Zeit. Gelegentlich schaffen wir es sogar, ein Kaninchen zu fangen.

Die Winter dagegen sind unerträglich. Alles ist erfroren, oder tot, und jedes Jahr bin ich mir sicher, dass wir es nicht schaffen. Aber dieser Winter ist der schlimmste von allen. Dauernd sage ich mir, dass es schon werden wird, aber jetzt haben wir schon seit Tagen nicht mehr anständig gegessen, und der Winter hat gerade erst angefangen. Wir sind beide vom Hunger geschwächt, und jetzt ist Bree auch noch krank. Das verheißt nichts Gutes.

Während ich mich mühsam den Berg hinaufschleppe, auf der Suche nach unserer nächsten Mahlzeit dieselben freudlosen Schritte wie gestern erneut gehe, macht sich das Gefühl in mir breit, dass uns unser Glück verlassen hat. Nur der Gedanke an Bree, wie sie dort zuhause liegt und wartet, treibt mich voran. Ich höre auf, mich weiter zu bemitleiden, und halte mir ihr Gesicht vor Augen. Ich weiß, dass ich keine Medizin finden kann, aber ich hoffe, es ist nur ein Fieber, das vorübergehen wird, und dass ein gutes Essen und etwas Wärme alles sind, dessen sie bedarf.

Was sie wirklich bräuchte, ist ein Feuer. Aber ich entfache nie mehr eine Flamme in unserer Feuerstelle, ich kann den Rauch nicht riskieren, nicht den Geruch, der einen Sklavenschlepper auf unsere Spur bringen könnte. Aber heute werde ich ihr eine Überraschung bereiten und das Risiko eingehen, nur für eine kurze Weile. Für ein Feuer würde Bree alles tun, das wird ihre Lebensgeister heben. Wenn ich dann wenigstens noch eine Mahlzeit dazu auftreiben kann – und sei es so etwas Kleines wie ein Kaninchen – wird sie vollkommen genesen. Nicht nur körperlich. In diesen letzten Tagen habe ich gespürt, wie sie beginnt, die Hoffnung zu verlieren – ich kann es in ihren Augen sehen – und ich empfinde die dringende Notwendigkeit, dass sie stark bleibt. Ich weigere mich, mich zurückzulehnen und ihr dabei zuzusehen, wie sie entschwindet, wie es mit Mama geschehen ist.

Ein neuer Windstoß trifft mich im Gesicht, und dieser ist so lang und kräftig, dass ich meinen Kopf senken und warten muss, bis er vorbei ist. Der Wind dröhnt in meinen Ohren, und ich würde alles für einen richtigen Wintermantel geben. Ich trage nur einen abgetragenen Kapuzenpullover, einen, den ich vor Jahren am Straßenrand gefunden habe. Ich glaube, er hat einmal einem Jungen gehört, aber das ist gut, deswegen sind die Ärmel lang genug, um meine Hände zu bedecken, und können fast Handschuhe ersetzen. Mit 1,67 m bin ich nicht mehr wirklich klein, wer auch immer diesen Kapuzenpullover getragen hat, muss also auch schon recht groß gewesen sein. Manchmal frage ich mich, ob es ihn stören würde, dass ich seine Kleidung trage. Aber dann wird mir bewusst, dass er wahrscheinlich tot ist. Genau wie alle anderen.

Meine Hosen sind nicht viel besser. Es ist mir peinlich, das festzustellen, aber ich trage immer noch dasselbe Paar Jeans, das ich an hatte, als wir vor all diesen Jahren aus der Stadt entkommen sind. Wenn es eines gibt, was ich bedauere, dann, dass wir so hektisch aufgebrochen sind. Ich vermute, ich habe angenommen, ich würde hier oben irgendwo Kleidung finden, dass vielleicht noch ein Geschäft geöffnet hätte, oder es eine Heilsarmee gäbe. Das war dumm von mir: Natürlich waren alle Geschäfte längst geplündert worden. Es war, als ob sich die Welt über Nacht von einer Welt des Reichtums in eine Welt der Kargheit verwandelt hätte. Ich hatte immerhin ein paar Kleidungsstücke gefunden, die in Schubladen im Haus meines Vaters herumgelegen hatten. Diese hatte ich Bree gegeben, ich war froh, dass wenigstens ein paar von seinen Sachen, seine warme Unterwäsche und seine Socken, sie warmhalten konnten.

Endlich hört der Wind wieder auf und ich hebe den Kopf und beeile mich, bevor er wieder beginnen kann, ich verdoppele meine Geschwindigkeit, bis ich das Plateau erreiche.

Als ich oben ankomme, schwer atmend, meine Beine brennend, sehe ich mich langsam um. Hier oben stehen weniger Berge, und in der Ferne gibt es einen kleinen Bergsee. Er ist gefroren wie alle anderen, und die Sonne darauf blendet so sehr, dass ich blinzeln muss.

Sofort sehe ich zu meiner Angel hinüber, der, die ich am Vortag dort gelassen habe, eingeklemmt zwischen zwei Felsen. Sie steht schräg über dem See, eine lange Schnur daran hängt in das kleine Loch im Eis. Wenn die Rute gebogen ist, heißt es, dass Bree und ich heute Abendessen haben werden. Wenn nicht, weiß ich, dass es nicht funktioniert hat – wieder nicht funktioniert hat. Ich eile zwischen ein paar letzten Bäumen hindurch, durch den Schnee, und sehe genauer nach.

Die Rute ist gerade. Natürlich.

Mir schwindet der Mut. Ich überlege, ob ich rausgehen soll aufs Eis, meine kleine Axt benutzen und woanders ein Loch bohren. Aber ich weiß schon, dass das nichts ändern wird. Das Problem ist nicht die Position – das Problem ist der See. Der Boden ist zu gefroren, als dass ich Würmer ausgraben könnte, und ich wüsste nicht einmal, wo ich nach ihnen suchen sollte. Ich bin kein geborener Jäger oder Fallensteller. Hätte ich gewusst, dass ich hier oben enden würde, hätte ich meine ganze Kindheit bei den Pfadfindern verbracht und Überlebenstechniken gelernt. Aber nun stelle ich fest, dass ich fast nichts kann. Ich weiß nicht, wie man Fallen stellt, und meine Angeln fangen selten etwas.

Als Tochter meines Vaters, eines Marines, gibt es nur eine Sache, in der ich gut bin – ich weiß, wie man kämpft – aber das ist hier oben nutzlos. Ich  könnte mich gut gegen Zweibeiner verteidigen, aber gegen das Tierreich bin ich hilflos. Schon als ich ganz klein war, bestand mein Vater darauf, dass ich seine Tochter war – also die Tochter eines Marines – und war stolz darauf. Er wollte in mir auch den Sohn sehen, den er nie hatte. Er brachte mir Boxen bei, Wrestling, alle möglichen Kampfsportarten … Ich hatte endlosen Unterricht darin, wie man ein Messer genutzt, wie man ein Gewehr abschießt, wie man Druckpunkte findet, wie man schmutzig kämpft. Vor allem aber bestand er darauf, dass ich hart sein sollte, dass ich keine Angst zeigen sollte, und dass ich niemals weinen sollte.

Ironischerweise hatte ich nie die Gelegenheit, auch nur irgendetwas von dem zu verwenden, was er mir beigebracht hatte, und hier oben nutzt es mir noch weniger. Es ist niemand anderes zu sehen. Was ich wirklich wissen muss, ist, wie man Essen findet – nicht, wie man jemanden schlägt. Und wenn ich jemals jemanden treffen sollte, werde ich ihn nicht angreifen, sondern um Hilfe bitten.

Ich denke angestrengt nach und mir fällt ein, dass es hier oben noch einen anderen See gibt, einen kleineren. Ich habe ihn einmal im Sommer gesehen, als ich abenteuerlustig war und den Berg weiter hochgewandert bin. Es sind steile vierhundert Meter, und ich habe seit dem nicht hoch einmal dort hochgegangen.

Ich sehe auf und seufze. Die Sonne geht schon unter, ein verdrießlicher Winter-Sonnenuntergang in einem rötlichen Farbton, und ich bin schon schwach und müde und durchgefroren. Ich werde meine Kraft noch brauchen, um den Berg wieder herunterzukommen. Das letzte, was ich will, ist, noch höher zu klettern. Aber eine kleine Stimme in mir drin drängt mich, weiter zu klettern. Je mehr Zeit ich in diesen Tagen alleine verbringe, desto lauter wird die Stimme seines Vaters in meinem Kopf. Ich verabscheue das und will sie abstellen, aber ich kann es irgendwie nicht.

Hör auf, rumzuheulen und geh weiter, Moore!

Papa mochte es immer, mich mit dem Nachnamen anzureden. Ich mochte das nicht, aber das war ihm egal.

Wenn ich jetzt zurückgehe, hat Bree heute Abend nichts zu essen. Der See da oben ist die beste Chance, die ich noch habe, noch etwas zu essen zu bekommen. Außerdem will ich, dass Bree ein Feuer hat, und das Holz hier unten ist alles durchnässt. Dort oben ist der Wind stärker, da kann ich vielleicht genug trockenes Holz finden. Noch einmal sehe ich den Berg hinauf und entschließe mich, es zu versuchen. Ich senke den Kopf und mache mich auf den Weg, die Angel nehme ich mit.

Jeder Schritt schmerzt, eine Million scharfer Nadeln scheint in meine Oberschenkel zu stechen, die eisige Luft bohrt in meinen Lungen. Der Wind wird stärker und der Schnee peitscht wie Sandpapier in mein Gesicht. Hoch oben kreischt ein Vogel, als würde er sich über mich lustigmachen. Gerade, als ich das Gefühl habe, ich könnte keinen Schritt mehr weitergehen, erreiche ich das nächste Plateau.

Dieses hier oben ist anders als all die anderen: Dicht mit Bäumen bewachsen, so dass man kaum weiter als drei Meter sehen kann. Der Himmel ist über ihrem riesigen Zelt verborgen, und der Schnee ist mit grünen Nadeln übersät. Die riesigen Bäume schaffen es auch, den Wind abzuhalten. Ich fühle mich, als hätte ich ein kleines privates Königreich betreten, abgeschnitten vom Rest der Welt.

Ich halte an und drehe mich um, um die Aussicht aufzusaugen: Die Aussicht ist faszinierend. Ich hatte immer gedacht, dass wir vom Haus meines Vaters aus schon eine herrliche Aussicht hatten, von hier aus, ganz oben, ist sie einfach spektakulär. Berggipfel erheben sich auf allen Seiten, und dahinter, in der Ferne, kann ich den Hudson River glitzern sehen. Ich sehe auch die Straßen, die sich durch die Berge schlängeln, bemerkenswert unversehrt. Wahrscheinlich, weil so wenig Menschen jemals hier hochkommen. Tatsächlich habe ich hier noch nie ein Auto oder ein anderes Fahrzeug gesehen. Trotz des Schnees sind die Straßen frei. Die steilen, kurvigen Straßen leuchten in der Sonne, leiten die Flüssigkeit perfekt ab, erstaunlicherweise ist der Schnee wirklich fast weggeschmolzen.

Plötzlich besorgt mich das eher. Ich bevorzuge es, wenn die Straßen mit Schnee und Eis überzogen sind, wenn sie für Fahrzeuge unpassierbar sind, denn die einzigen Menschen, die heutzutage Autos und Benzin haben, sind die Sklaventreiber – gnadenlose Kopfgeldjäger, die arbeiten, um die Arena Eins zu versorgen. Sie patrouillieren überall, suchen nach Überlebenden, kidnappen sie und bringen sie als Sklaven in die Arena. Dort, so habe ich es gehört, müssen sie dann zur Unterhaltung der Leute tödliche Kämpfe ausfechten.

Bree und ich hatten Glück. In den Jahren hier oben haben wir keine Sklaventreiber gesehen – aber ich glaube, das liegt nur daran, dass wir so weit oben leben, so abgeschieden. Einmal habe ich den Motor eines Sklaventreibers aufheulen hören, in weiter Ferne, auf der anderen Seite des Flusses. Ich weiß, dass sie da unten sind, irgendwo, und patrouillieren. Und ich gehe kein Risiko ein – ich sorge dafür, dass wir nicht auffallen, wir verbrennen nur Holz, wenn es nötig ist, und ich passe immer genau auf Bree auf. Meistens nehme ich sie auch zur Jagd mit – ich hätte sie auch heute mitgenommen, aber sie ist zu krank.

Ich wende mich wieder dem Plateau und dem kleineren See zu. Fest gefroren glänzt er in der Nachmittagssonne, scheint wie ein verlorener Juwel, versteckt hinter den Bäumen. Ich nähere mich dem See, gehe vorsichtig ein paar Schritte auf das Eis, um sicherzugehen, dass das Eis nicht bricht. Sobald ich sicher bin, gehe ich die nächsten Schritte. Ich finde eine Stelle, nehme die kleine Axt von meinem Gürtel und schlage zu, mehrmals. Ein Riss entsteht. Ich nehme mein Messer, knie mich hin und steche direkt ins Zentrum des Risses. Mit der Messerspitze arbeite ich so lange, bis ich ein kleines Loch gebohrt habe, gerade groß genug, dass ein Fisch hindurchpassen würde.

Ich eile zurück ans Ufer, rutsche und schlittere wieder, dann klemme ich die Angelrute zwischen zwei Äste, wickle die Schnur an und renne zurück und lasse sie in das Loch sinken. Ich zupfe ein paar Mal daran, in der Hoffnung, dass das Glitzern des Metalls ein paar lebende Wesen unter dem Eis anziehen wird. Aber ich kann nichts gegen das Gefühl tun, dass es ein nutzloses Unterfangen ist, dass, was auch immer in diesen Bergseen gelebt hat, schon lange tot ist.

Hier oben ist es sogar noch kälter. Ich kann nicht einfach hier stehen und die Angel anstarren. Ich muss mich bewegen. Ich gehe vom See weg, meine abergläubische Seite sagt mir, ich werde wahrscheinlich genau dann einen Fisch fangen, wenn ich nicht hinsehe. Ich laufe kleine Kreise um die Bäume herum, reibe mir die Hände, versuche, warm zu bleiben. Das hilft etwas.

 

Da fällt mir das trockene Holz wieder ein. Ich sehe hinab und suche nach etwas, das sich anzünden ließe, aber es ist sinnlos. Der Boden ist mit Schnee bedeckt. Ich sehe in die Bäume hoch, aber auch die Stämme und Äste sind fast komplett mit Schnee bedeckt. Nur in der Ferne kann ich ein paar Bäume sehen, von denen der Wind den Schnee heruntergeweht hat. Ich mache mich auf den Weg und inspiziere die Borke, mit den Händen. Ich bin erleichtert, dass einige Zweige trocken sind. Ich nehme meine Axt heraus und hacke einen der größeren Zweige ab. Alles, was ich brauche, ist eine Armvoll Holz, und dieser Ast ist perfekt.

Ich fange ihn auf, als er herunterfällt, damit er nicht im Schnee landet, lehne ihn gegen den Baumstamm und zerhacke ihn in zwei Hälften. Das mache ich wieder und wieder, bis ich einen kleinen Haufen Anzündmaterial zusammen habe, gerade so, dass ich ihn noch mit meinen Armen tragen kann. Ich setze mich in eine Nische zwischen den Ästen, trocken und geschützt vor dem Schnee unten.

Ich sehe mich um und inspiziere die anderen Baumstämme. Als ich genauer hinsehe, fällt mir etwas auf. Ich nähere mich einem der Bäume, schaue noch genauer hin und stelle fest, dass die Borke anders ist als bei den anderen Bäumen. Ich sehe hoch und stelle fest, dass es keine Pinie ist, sondern ein Ahorn. Ich bin überrascht, so weit hier oben einen Ahorn zu finden, und noch überraschter, dass ich ihn tatsächlich erkenne. Tatsächlich ist ein Ahorn wahrscheinlich das Einzige in der freien Natur, das ich erkennen würde. Eine Erinnerung kommt zurück:

Einmal, als ich klein war, hatte mein Vater sich in den Kopf gesetzt, mich nach draußen in die Natur zu bringen. Gott weiß warum, aber er nahm mich mit, um Ahorne anzuzapfen. Wir fuhren stundenlang in einen gottverlassenen Teil des Landes, ich trug einen Metalleimer, er ein Rohr, und dann verbrachten wir Stunden damit, die mit einem Führer Wälder zu durchwandern, auf der Suche nach dem perfekten Ahorn. Und ich erinnere mich an den Ausdruck von Enttäuschung in seinem Gesicht, als er den ersten Baum angezapft hatte, aber nur eine klare Flüssigkeit in unseren Eimer lief. Er hatte Sirup erwartet.

Unser Führer lachte ihn aus und erklärte ihm, dass Ahorne keinen Sirup produzierten, sondern Saft. Der Saft musste erst zum Sirup eingekocht werden. Der Prozess dauerte Stunden, sagte er. Man brauchte über fünfzig Liter Saft, um einen Liter Sirup herzustellen.

Mein Vater sah sich den überfließenden Eimer Saft in seiner Hand an und wurde rot, als ob jemand ihm schlechte Ware angedreht hätte. Er war der stolzeste Mann, den ich je getroffen hatte, und wenn er irgendetwas noch mehr hasste, als dumm dazustehen, war es, wenn man sich über ihn lustig machte. Als der Mann lachte, warf er seinen Eimer nach ihm, verpasste ihn knapp, er nahm meine Hand und wir stürmten davon.

Danach nahm er mich nie wieder in die freie Natur mit.

Mir machte das nichts aus – mir hatte der Ausflug tatsächlich gefallen, auch wenn er noch den ganzen Rückweg über stinksauer im Auto saß. Ich hatte es geschafft, eine kleine Tasse von dem Saft einzupacken, bevor er mich mitgenommen hatte, und ich erinnere mich noch daran, dass ich auf der Autofahrt zurück heimlich daran getrunken habe, als er nicht hinsah. Ich mochte den Saft, er schmeckte wie Zuckerwasser.

Nun, wo ich hier vor diesem Baum stehe, erkenne ich ihn deshalb. Diese Sorte, so hoch oben, ist dünn und mager, und ich wäre überrascht, wenn der Baum überhaupt Saft hätte. Aber ich habe nichts zu verlieren. Ich nehme mein Messer heraus und steche in den Baum hinein, wieder und wieder an derselben Stelle. Dann bohre ich mit dem Messer tiefer und tiefer, hin und her, um das Loch zu erweitern. Ich denke nicht, dass wirklich etwas passieren wird.

Demensprechend überrascht bin ich, als ein Tropfen Saft austritt. Ich nehme ihn mit dem Finger auf, berühre ihn und hebe ihn hoch. Ich fühle den Zuckerschock sofort und erkenne den Geschmack. Genau, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Ich kann es kaum glauben.

Der Saft tritt jetzt schneller aus, und ich verliere viel davon, weil er den Stamm hinunterläuft. Verzweifelt sehe ich mich nach etwas um, um ihn einzufangen – ein Eimer oder etwas Ähnliches – aber da ist natürlich keiner.

Dann fällt mir meine Thermoskanne wieder ein.  Ich ziehe meine Plastikkanne aus meinem Taillenbund und leere ihn aus. Frisches Wasser kann ich immer bekommen, so lange so viel Schnee liegt – aber dieser Saft ist wertvoll. Ich halte die leere Thermoskanne gegen den Baum, wünschte, ich hätte ein vernünftiges Rohr. Ich schiebe das Plastik so dicht an den Stamm, wie ich kann, und schaffe es, viel aufzufangen. Die Kanne füllt sich langsamer, als ich es gerne hätte, aber innerhalb von ein paar Minuten habe ich immerhin die halbe Kanne voll.

Der Saftstrom hört auf. Ich warte ein paar Sekunden, ob er noch einmal anfängt, aber das macht er nicht.

Ich sehe mich um und sehe einen weiteren Ahorn in etwa drei Metern Entfernung. Ich eile hinüber, setze aufgeregt erneut mein Messer an und steche dies Mal hart zu, stelle mir schon vor, wie ich die Kanne ganz füllen kann, stelle mir die Überraschung auf Brees Gesicht vor, wenn sie ihn kostet. Vielleicht ist der Saft nicht nahrhaft, aber er wird sie sicher glücklich machen.

Dieses Mal aber, als mein Messer auf den Stamm trifft, ertönt ein scharfes, splitterndes Geräusch, das ich nicht erwartet hatte, danach knirscht das Holz. Ich sehe, wie der ganze Baum sich beugt, und mir wird klar, zu spät, dass dieser Baum, bedeckt von einer Eisschicht, schon tot ist. Mein Messer war das letzte Bisschen, was er noch brauchte, um umzufallen.

Einen Moment später stürzt der ganze Baum, mindestens sechs Meter hoch, um und kracht auf den Boden. Er wirbelt eine ungeheure Wolke aus Schnee und Kiefernnadeln auf. Ich krümme mich zusammen, weil ich Angst habe, dass ich jemanden auf mich aufmerksam gemacht haben könnte. Ich bin wütend auf mich selbst. Das war unvorsichtig und dumm. Ich hätte den Baum zuerst gründlicher untersuchen müssen.

Einige Momente später jedoch normalisiert sich mein Herzschlag und mir wird klar, dass hier oben sonst niemand ist. Ich kann wieder klar denken und ich erkenne, dass Bäume im Wald ständig von alleine umfallen, daraus könnte man nicht schließen, dass da ein Mensch ist. Als ich auf den Platz schaue, wo bis eben noch der Baum gestanden hat, muss ich deshalb zwei Mal hinschauen, als ich etwas entdecke, so ungläubig bin ich.

Da hinten in der Ferne, hinter ein paar weiteren Bäumen, direkt in den Berghang hineingebaut, steht ein kleines Steinhäuschen. Es ist winzig, perfekt quadratisch, etwa viereinhalb Meter breit und tief, etwa dreieinhalb Meter hoch, die Wände bestehen aus alten Steinblöcken. Ein kleiner Kamin erhebt sich über dem Dach, und in die Wände sind kleine Fenster eingebaut. Die Holztür, in Bogenform, ist angelehnt.

Dieses kleine Häuschen ist so gut verdeckt, passt sich so perfekt in seine Umgebung ein, dass ich es sogar, während ich es schon anschaue, kaum ausmachen kann. Das Dach und die Wände sind mit Schnee bedeckt, und der freiliegende Stein passt sich perfekt an die Landschaft an. Das Häuschen sieht uralt aus, als wäre es vor Hunderten von Jahren gebaut worden. Ich habe keine Ahnung, warum es hier steht, wer es gebaut haben könnte oder warum. Vielleicht ein Mitarbeiter eines State Parks. Vielleicht ein Einsiedler oder ein Verrückter.

Es sieht aus, als wäre jahrelang niemand dort gewesen. Ich sehe mir den Waldboden genau an, aber das sind weder menschliche Fußspuren noch Spuren von Tieren. Ich erinnere mich, dass der Schnee schon seit Tagen fällt, und rechne nach: Hier kann seit mindestens drei Tagen niemand hinein- oder hinausgegangen sein.

Mein Herz pocht beim Gedanken daran, was in dem Häuschen sein könnte. Essen, Kleidung, Medizin, Waffen, Material – alles wäre ein Geschenk des Himmels.

Vorsichtig bewege ich mich über die freie Fläche, sehe über meine Schulter nach, um sicherzugehen, dass mir niemand folgt. Ich bewege mich schneller, hinterlasse große und auffällige Spuren im Schnee. Als ich an der Tür ankomme, drehe ich mich noch einmal um, dann lausche ich einige Sekunden lang. Ich greife nach meiner Axt und schlage mit ihrem Stiel fest gegen die Tür, ein lautes und nachhallendes Geräusch, als letzte Warnung an alle Tiere, die vielleicht drinnen sein könnte.

Keine Reaktion.

Schnell schiebe ich die Tür auf, drücke den Schnee zurück und trete ein.

Es ist dunkel hier drinnen, das einzige Licht ist der letzte Sonnenschein des Tages, der durch die kleinen Fenster eindringt, meine Augen brauchen einen Moment, um sich daran zu gewöhnen. Ich warte mit dem Rücken zur Tür, auf der Hut für den Fall, dass doch Tiere diesen Ort als Rückzugsraum nutzen. Aber nach einigen weiteren Sekunden haben meine Augen sich an das Schummerlicht gewöhnt und es ist klar, dass ich alleine bin.