Langsam kommt man auch ans Ziel

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Langsam kommt man auch ans Ziel
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Monika Laatsch

LANGSAM KOMMT MAN AUCH ANS ZIEL

Fußpilgererlebnisse auf dem

Caminho Português

von Porto bis ans „Ende der Welt“

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2013

Bibliografische Information durch die

Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

Fotos © Monika Laatsch

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Über die Autorin

Titel

Impressum

Vorwort

Freitag, 24. August

Samstag, 25. August

Sonntag, 26. August

Montag, 27. August

Dienstag, 28. August

Mittwoch, 29. August

Donnerstag, 30. August

Freitag, 31. August

Samstag, 1. September

Sonntag, 2. September

Montag, 3. September

Dienstag, 4. September

Mittwoch, 5. September

Donnerstag, 6. September

Freitag, 7. September

Samstag, 8. September

Sonntag, 9. September

Montag, 10. September

Dienstag, 11. September

Mittwoch, 12. September

Donnerstag, 13. September

Resümee

Danksagung

Langsam kommt man auch ans Ziel

Fußpilgererlebnisse auf dem

Caminho Português

von Porto bis ans „Ende der Welt“

– in Tagebuchform –

für Jung und Alt

Monika Laatsch ist 1949 in Berlin geboren. Sie ist verheiratet und wohnt mit Mann und Hund im Süden Berlins.

Ein Telefongespräch ist der Auslöser für den Aufbruch gewesen. Zusammen mit einem Bekannten macht sie sich auf diesen sehr schönen Jakobsweg und genießt dabei die Natur.

Kritisch, emotional und selbstkritisch, aber auch sehr humorvoll beschreibt sie ihre Zeit als Neu-Pilgerin. Vom Pilgervirus erfasst, nimmt sie die Herausforderung an, die sie täglich aufs Neue bereichert.

Auch wenn sie nicht konfessionell gebunden ist, hat ihr der Caminho/Camino viele neue Erfahrungen und Erkenntnisse gebracht.

Sie ist sich sicher, dass sie sich wieder auf einen Weg begeben wird.

Berlin, im April 2013

Es hat – wie fast alles im Leben – ganz harmlos angefangen:

An den Sommerwochenenden bewohnen mein Mann Herwig, unsere Jack-Russell Hündin „Micki“ und ich ein kleines Gartenhäuschen auf dreihundertfünfzig Quadratmetern Pachtland in einer Kleingartenanlage im Süden Berlins. So sind wir außerhalb der Reisezeiten in frischer Luft und können im Frühjahr pflanzen und im Herbst ernten. Nette Nachbarn haben wir zum Plausch am Gartenzaun und zum Tratschen und Basteln gibt es eine Frauengruppe, die sich einmal im Monat trifft.

Wenn nicht gerade Unkraut zu jäten ist, nutze ich diese beschauliche Zeit auch sehr gern zum Lesen. Reiseberichte haben es mir seit jeher angetan und auch Abenteuerberichte. Durch Zufall stoße ich in einer Buchhandlung auf das Werk von dem Herrn, der „…dann mal weg!“ ist. Wie schön muss es doch sein, sich einmal ganz allein auf ein überschaubares Abenteuer einzulassen, nur mit Rucksack auf Wanderschaft zu gehen, schwärme ich so für mich.

Im Spätsommer, nachdem im Garten nicht mehr viel zu tun ist, verreisen wir – wie fast jedes Jahr – entweder in die Berge oder ans Meer, und fast immer zum jeweils gleichen Quartier. Seit über dreißig Jahren! Manchmal unternehmen wir auch Kurztouren mit dem Auto, bei denen wir nicht wirklich viel laufen, weil mein lieber Gatte nichts vom Laufen hält. Im Winter geht’s zum Skifahren. Das ist natürlich auch sehr schön, aber der Tagesablauf ist immer vorprogrammiert. Ich habe nichts gegen Familienleben, aber mal alleine wegfahren muss auch sehr schön sein. Ja, es ist alles in schönster Ordnung, wenn nur das „aber“ nicht wär’! –

Rosemarie, die ich aus der Frauengruppe in unserer Gartenkolonie kenne, ruft mich Anfang Februar wegen eines Sketches an, den wir einmal zu einer Weihnachtsfeier gespielt hatten. Sie möchte gerne den Text haben. Ganz nebenbei erzählt sie davon, dass ihr Mann Jürgen plant, einen ähnlichen Weg zu gehen, wie ihn Hape Kerkeling vor ein paar Jahren gegangen ist.

„Was? Wie bitte?“, frage ich.

Seitdem ich das Buch von Hape Kerkeling gelesen habe, geht mir der Gedanke, einen Jakobsweg zu gehen, nicht mehr aus dem Kopf.

Auch das Buch einer Bekannten inspiriert mich seit geraumer Zeit. Sie schreibt, dass man es unbedingt wagen soll zu pilgern. Es sei so toll, der Hektik des Alltags auf diese Weise entfliehen zu können.

Ich habe mir schon mehrere Outdoor-Handbücher und Reiseführer über das Thema Pilgerwege besorgt und ausgiebig im Internet gesurft.

Von Rüdiger Nehberg habe ich ein Survivalbuch gelesen, was sicher für dieses Vorhaben nicht von Nöten gewesen ist. Aber schaden kann es bestimmt auch nicht, wenn man so ein paar Überlebenstricks kennt, habe ich mir gedacht.

Der Camino Francés ist ja der am meisten gegangene Jakobsweg und muss sehr interessant sein. Ich traue mir aber nicht zu, einen solch langen Weg als Frau alleine zu gehen, weil ich keinerlei Erfahrung mit dem Pilgern habe.

Zuerst ziehe ich eine Gruppenreise in Erwägung, verwerfe den Gedanken aber schnell wieder: Wenn schon pilgern, dann richtig!

Schon seit meiner Kindheit durfte ich mit meinen Eltern ins Gebirge fahren. Ein kleiner Fiat Topolino Baujahr 1934 und später ein VW Käfer brachten uns auf abenteuerliche Weise in die deutschen oder österreichischen Alpen. Mit meinem Vater bin ich in den Bergen oft von Hütte zu Hütte unterwegs gewesen, bin also immer viel gewandert. Auch in letzter Zeit hat es mich mit meiner Familie öfter ins Salzburger Land gelockt. Ich habe zusammen mit Einheimischen mehrere Berggipfel erklommen.

Es gab zwar auch manchmal Matratzenlager, aber meistens doch richtige Zimmer zum Übernachten. Lange Touren über einige Wochen hinweg habe ich jedoch noch nie unternommen.

Das Pilgern ist also Neuland für mich. Zu gern möchte ich mich damit einmal selbst testen. Wie mir diese andere Art von Wandern zusagt, das ständige Unterwegssein mit nur wenigen Kleidungsstücken im Gepäck, wie mir das Übernachten in größerer Gemeinschaft über längere Zeit hinweg gefällt, und wo meine Grenzen sind, möchte ich herausfinden. Ich möchte mich nach meinem eigenen Empfinden treiben lassen und Leichtigkeit finden.

Ganz nebenbei kann ich dabei auch herausfinden, ob ich gerne mehrere Wochen ohne meinen Mann verbringen möchte. Nach über dreißig Ehejahren kann das ja vielleicht mal ganz erfrischend sein. Das wird uns Beiden sicher gut bekommen. Soll ja die Liebe auffrischen. Wer weiß?

Am Nachmittag nach dem Telefonat kommt Jürgen vorbei.

Er erzählt mir, dass er den portugiesischen Weg, den Caminho Português, ab Porto gehen will. Dieser soll im Sommer nicht so überlaufen sein und sei mit seinen ungefähr zweihundertfünfzig Kilometern auch entschieden kürzer, und gerade für Pilgerneulinge geeignet.

 

Jürgen hat sich schon seit geraumer Zeit mit seinem Vorhaben befasst und bringt entsprechend viel Informationsmaterial mit.

Ich habe vom Caminho Português nur flüchtig etwas gelesen und mich bisher noch nicht weiter für diese Variante interessiert. 1987 sei dieser Caminho zum ersten europäischen Kulturweg erhoben worden.

Jürgen, der auch noch nie gepilgert ist, möchte, bevor er Siebzig wird, auf jeden Fall einmal einen Pilgerweg gehen. Einige Leute aus seinem Bekanntenkreis habe er schon gefragt, ob sie mit ihm gehen würden. Auch in seiner Kirchengemeinde hatte er einen Aushang angebracht, es seien aber keine Rückmeldungen gekommen.

Schnell bin ich begeistert von der Idee und von Jürgens Schilderungen. So sind wir uns ruck zuck einig, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen wollen; er scheint uns auch in unserem fortgeschrittenen Alter machbar.

Äußerlich sind wir allerdings sehr unterschiedlich: Jürgen ist bestimmt fünfunddreißig Zentimeter größer als ich, ziemlich beleibt und entsprechend schwer. Ich, als kleine Frau, mit meinen gerade mal Hunderteinundfünfzig Zentimetern und meinen vierundfünfzig Kilogramm komme mir dagegen vor wie ein Zwerg.

Man könnte uns mit „Asterix und Obelix“ vergleichen.

Trotz unserer äußerlichen Unterschiedlichkeit buchen wir in den nächsten Tagen schon gleich die Flüge.

Jetzt sind sie ja noch billiger zu bekommen. Wir haben uns für die Reisezeit von Ende August bis Mitte September entschieden. Das Wetter soll in dieser Zeit in Portugal und in Spanien am beständigsten sein. Auch die heißeste Jahreszeit ist dann sicher vorbei.

Einige Male treffen wir uns, um anstehende Fragen zu klären.

Jürgen bereitet alles akribisch vor und plant schon viele Etappen im Voraus, was mir eigentlich gar nicht so gut gefällt. Ich will lieber nur eine grobe Planung haben und alles weitere eher auf mich zukommen lassen. –

Von nun an durchforste ich meinen Kleiderschrank, um nach passenden Klamotten zu suchen.

Schnell wird klar, dass die Dinge, die ich besitze, alle eher für Kurztouren in den Bergen taugen. Ich finde noch eine alte Goldmünze, die ich zur Konfirmation von meinen Großeltern bekommen habe. Ungeachtet liegt diese Münze in einer Schachtel. Außerdem habe ich noch den Pelzmantel einer verstorbenen Tante, den ich sowieso nicht mehr trage. Da ich meine Reise allein finanzieren und unser Konto nicht belasten will, verkaufe ich diese Dinge spontan.

Ich will ja ohnehin mein ziemlich konservativ dahin plätscherndes Leben etwas verändern, also: weg damit!

Von dem Geld kaufe ich mir einen tollen, superleichten Daunenschlafsack und ein paar wunderbare, wasserdichte, mit neuestem Komfort ausgestattete Wanderschuhe, die sich sofort wie Hausschuhe an meine Füße anschmiegen.

Der Hinflug Berlin/Porto und der Rückflug Santiago/Berlin sind damit auch gesichert und es bleibt noch Geld für einen sechsunddreißig Liter fassenden Trekkingrucksack und für einen atmungsaktiven Pilger-Regenponcho mit speziellem Rucksackplatz.

So habe ich bald meine – wie ich finde – gute Wanderausrüstung zusammengestellt.

Da ich ja meiner über achtzig jährigen Mutter öfter mal im Haushalt helfe und sie mir immer Geld dafür zusteckt, habe ich bald für die restlichen Anschaffungen, wie Notfallmedikamente und anderen Kleinkram, das nötige Geld zusammen.

In einem Kaufhaus erstehe ich in der Buchabteilung einen gelben Outdoor-Reiseführer über den Caminho Português und einen Sprachhörkurs „Urlaubskurs Spanisch ganz leicht“ mit zwei CDs und fange also an, etwas Spanisch zu lernen.

So „ganz leicht“ lerne ich Spanisch aber nicht. Es will nicht richtig was hängen bleiben. Englisch, Französisch und Italienisch zu lernen ist mir früher leichter gefallen. Der Zahn der Zeit nagt wohl schon ganz schön an meinen grauen Zellen! Das muss sich ändern! –

Ende März 2012 unternehmen wir bei nasskaltem Schmuddelwetter mit Hagel und Schneegestöber eine gemeinsame Pilgerwanderung in unserem Brandenburger Umland. Es geht von Göricke nach Bad Wilsnack. Diese Strecke ist fünfundzwanzig Kilometer lang, wird von der Brandenburger Pilgergemeinschaft organisiert und ist sozusagen als Test für unser beider Tauglichkeit für eine längere Unternehmung gedacht.

Weil ich es ja mal wieder übertreiben muss, nehme ich zur Probe auch gleich noch meinen neuen Rucksack mit, den ich extra voll gepackt habe, um auf das Gewicht von sieben Kilo zu kommen.

Alle anderen Teilnehmer auf dieser Wanderung haben kleine, leichte Rucksäckchen dabei oder gar nichts.

Einige schauen mich verwundert von oben bis unten an. Sie fragen mich irritiert, was ich noch so vorhabe und wohin ich noch laufen will.

Zu Anfang der Tour bin ich ehrgeiziger Weise auch immer an der Spitze bei der Wanderführerin. Jürgen ist immer hinten und unterhält sich gemütlichen Schrittes mit einigen Leuten. So warte ich schließlich auf ihn, damit wir gemeinsam die Strecke hinter uns bringen können.

Die Wunderblutkirche in Bad Wilsnack ist leider verschlossen und so löst sich die Pilgergruppe bald auf.

Jürgen fährt mit einem Herrn zurück zum Ausgangspunkt, um sein Auto zu holen. Wir haben nämlich beschlossen, dass wir uns in der wunderschönen Therme hier eine Massage gönnen und es uns bis in den späten Abend gut gehen lassen wollen.

Nach dieser für uns ungewohnt langen Laufstrecke sind wir – vor allem ich – völlig erschöpft.

In der Therme falle ich regelrecht fix und fertig auf eine Liege. Nach einem längeren Aufenthalt in dem wohlig warmen Salzwasser schlafe erst einmal ein.

Mein rechter Oberschenkel schmerzt bedenklich, als ich danach wieder aufstehen will. Ich lass’ das mit der Massage sein, denn ich kann nur noch humpeln.

Ein Glück, dass ich nicht mit dem Auto nach Hause fahren muss. Jürgen fährt mich netterweise bis vor die Haustür.

In den folgenden Wochen werden die Schmerzen im Oberschenkel weniger, gehen aber nicht weg, so dass ich doch einen Sportarzt konsultiere. Dieser diagnostiziert einen alten Muskelfaserriss, der verklebt ist. „Warum sind Sie nicht eher zu mir gekommen?“ fragt er.

Jetzt muss ich also zweimal in der Woche zur Physiotherapie gehen.

Die ist zwar sehr schmerzhaft, wirkt aber Wunder. Ich bin bald wieder schmerzfrei und kann laufen wie ein Wiesel!

Von der Brandenburger Pilgergemeinschaft erhalten wir gegen Zahlung von sechs Euro fünfzig unseren – für unser Vorhaben im Sommer – sehr wichtigen Pilgerausweis.

Wer in Portugal und Spanien in Herbergen übernachten will, muss ihn dort immer vorzeigen und bekommt als Bestätigung dann einen Stempel in den Ausweis hinein.

Nur wer am Ende in Santiago seine entsprechenden Stempel vorzeigen und somit belegen kann, dass er wenigstens die letzten einhundert Kilometer zu Fuß unterwegs war, bekommt schließlich seine Compostela oder die Authentica, also seine Urkunde, ausgehändigt. Sie zeichnet ihn als wahren Pilger aus. –

Die Monate vergehen wie im Fluge. Je näher der Abreisetermin rückt, desto stärker wird mein Reisefieber. Regelmäßig gehe ich jetzt zum Joggen. Auch versuche ich, möglichst viele Dinge zu Fuß zu erledigen, Schwimmen zu gehen und mich so oft wie möglich sportlich zu betätigen.

Wenn meine gut bürgerlichen Bekannten und Verwandten von meinem Vorhaben hören, stoße ich bei denen auf die unterschiedlichsten Reaktionen. Sie reichen von Unverständnis wie: „… Na, wenn Du das nötig hast?“ – über: „… Geh’ doch ins Kloster, wenn Du Ruhe brauchst, dann brauchst Du wenigstens nicht zu laufen!“ bis Ansporn: „… Toll, dass Du so was in Deinem Alter wagst!“ und „… Ich bewundere Dich dafür!“

So unterschiedlich sind halt die Menschen. Viele haben aus Bequemlichkeit auch das Laufen regelrecht verlernt, denke ich.

Außerdem: Als so spektakulär empfinde ich meinen Plan gar nicht. Es gehen doch so viele Menschen auf weit abenteuerlichere Reisen!

Also, auf geht’s!


Freitag, 24. August

Es ist jetzt halb acht Uhr am Morgen. Ich liege noch verschlafen in meinem Bett und döse vor mich hin. Weil unsere Hündin mich in der Nacht ein paar Mal wach gemacht hat, bin ich noch nicht bereit aufzustehen.

Mit einem Mal schießt es mir durch den Kopf: Heute geht es ja los, heute ist es endlich so weit, heute geht es auf den Jakobsweg von Porto nach Santiago de Compostela und weiter zum Cap Finisterre – „ans Ende der Welt“! – Worauf lasse ich mich da ein?

Ich habe mit einem Mal Bedenken, ob ich das alles auch bewältigen werde und bekomme Bauchschmerzen. Werde ich die körperlichen und psychischen Anstrengungen aushalten?

Wie reagiere ich, wenn ich die nur wenigen Sachen vielleicht mal nicht waschen kann und mehrere Tage müffelnd vor mich hin laufen muss? Und wie sieht es aus mit dem Verzicht auf Bequemlichkeit und gewissen Luxus? (Das „Monchen“ ist nämlich etwas verwöhnt!)

All das will ich herausfinden, das ist der eigentliche Grund! Ich will mich testen!

Einmal wirklich raus aus der Betriebsamkeit und der Hektik des Alltags, sich die Dinge bewusster machen, und sich dabei auch mal ein bisschen treiben lassen.

In Gedanken gehe ich noch einmal meine Reiseliste durch. Habe ich auch alles eingepackt und nichts vergessen? Ich wusele dabei etwas geistesabwesend durch die Wohnung. Die Blumen werden noch einmal gegossen. Das Essen, das ich vorgekocht habe, ist portioniert eingefroren und reicht bestimmt für sechs Wochen.

Hundefutter ist auch da. Es wird schon keiner verhungern und mein lieber Mann Herwig wird auch einmal ein paar Tage ohne mich klarkommen.

Ungeduldig und zunehmend nervöser warte ich darauf, dass wir um dreizehn Uhr die Wohnung verlassen und Jürgen und Rosi abholen. Unser zuverlässiger Sohn Mario ist auch pünktlich zum „Tschüss“ sagen gekommen. Herwig fährt uns alle zum Flughafen Schönefeld.

Um nicht sentimental zu werden, sagen wir uns dort ziemlich schnell Lebewohl und gehen rasch durch die Sicherheitskontrollen.


Beim Einchecken haben wir Glück und dürfen unsere Rucksäcke als Handgepäck mit in die Maschine nehmen. Das ist uns lieber, weil wir ja in Lissabon noch zwischenlanden werden. So haben wir gleich alles bei uns. Natürlich müssen wir dann doch noch unsere Rucksäcke öffnen. Der nette Zollbeamte will nachsehen, wo wir irgendwelche Plastikflaschen haben, und in welcher Größe wir sie mitführen.

Ein Blick in den jetzt etwas durchwühlten Rucksack und alles ist okay. Jürgen wird allerdings sein Taschenmesser los, weil die zugelassene maximale Klingengröße von neun Zentimetern überschritten wird.

Er kann sein Messer nach seiner Rückkehr wieder abholen.

Dann begeben wir uns in den Flieger, der auch planmäßig startet.

Herrlich ist es, in 11.000 Metern über den Wolken zu schweben! Vieles verliert doch hier oben an Bedeutung, alles wird – frei nach Reinhard Mey –: „… wirklich nichtig und klein.“

Bis auf ein wenig Ohrenschmerzen im linken Ohr war der Flug hierher nach Lissabon ganz gut. Auf einem Monitor haben wir verfolgen können, wo wir uns bereits befinden.

Die Ohrstöpsel, zu denen mir mein Sohn geraten hat, haben wirklich geholfen. Auch die Nasentropfen zum Abschwellen, die mir der Apotheker empfohlen hat, haben ihre Wirkung nicht verfehlt, und ich hatte nicht – wie sonst – so einen fürchterlichen Druck auf den Ohren.

Wir sitzen jetzt auf dem Flughafen von Lissabon und warten auf den Anschlussflug nach Porto. Dort soll es regnen.

Na toll!

Ich bin schon ziemlich müde, denn der Tag war lang.

Micki, unsere Jack-Russell-Hündin, hatte mich nämlich schon um halb fünf aus dem Bett geholt. Sie musste dringend Gassi gehen und wollte unbedingt in Ruhe schnüffeln. Richtig schlafen war da hinterher nicht mehr so wirklich drin.

Ich frage mich jetzt die ganze Zeit, was ich von meinen Sachen aus dem viel zu schweren Rucksack eventuell wegwerfen könnte. Zirka siebeneinhalb Kilogramm schleppe ich mit mir mit. Für meine Größe und mein Gewicht ist das ziemlich viel.

 

Aber zu Anfang brauche ich doch alles, wegwerfen kommt erst später dran, zum Ende der Reise. Ich habe schon extra eher ältere Kleidung mitgenommen, von der ich mich später eventuell trennen kann.

Jürgen bietet mir an, dass er noch etwas bei sich verstauen würde. Ich gebe ihm dankbar etliche Müsliriegel, und meine alten weißen Turnschuhe kann er auch noch bei sich im Rucksack unterbringen. So habe ich schon bestimmt ein halbes Kilo weniger Last zu tragen. Das macht doch ganz schön was aus, man sollte es nicht glauben! –

Der Flug nach Porto verzögert sich. Zuerst saßen wir ewig lange im Flughafenbus, der uns zur Maschine bringen sollte, und dann dauerte es nochmals gut eine Dreiviertel Stunde ehe wir abfliegen konnten.

In Portugal angekommen gilt es, erst einmal unsere Uhren wegen der Zeitverschiebung um eine Stunde zurückzustellen. Vom Flughafen in Porto müssen wir noch in die Bahn umsteigen, um in die Innenstadt in unser Hotel zu gelangen.

Wir stellen uns ziemlich blöd bei den Fahrkartenautomaten an und müssen jemanden fragen. Ein Bahnangestellter ist sehr nett und geduldig. Er erklärt uns alles mehrmals in Ruhe. Solches Personal würde man sich für unsere Berliner Verkehrsbetriebe wünschen, das verliert doch mit wenigen Ausnahmen schnell die Geduld und wird schnippisch. Der Bedienstete hier muss auch denken: Was für dumme Berliner, kommen aus einer Großstadt und stellen sich so an!

Wir bewundern den schönen, ziemlich neuen und sehr gepflegten Bahnhof und die Sauberkeit überall.

Der Zug kommt bald, wir fahren die zirka zwölf Stationen und müssen noch ein paar hundert Meter laufen. Die Straßen sind zwar nass, aber es regnet nicht. Die Luft ist angenehm lau und riecht sommerfrisch.

Unser Hotel befindet sich in einer kleinen Nebenstraße. Als ich mir so die Fassade ansehe, bezweifele ich, dass sich dahinter ein seriöses Etablissement befindet. Jürgen geht mutig vor. Aber es ist alles okay, für meine Begriffe etwas zu plüschig und mit sehr vielen künstlichen Blumen, aber tipptopp.


Freundlich werden wir um ein Uhr nachts begrüßt, bekommen mitten in der Nacht von der Besitzerin noch ein Glas Portwein zur Begrüßung, und dann schleichen wir aufs Zimmer im zweiten Stock. Der Raum hat etwa die Größe einer Gefängniszelle, vielleicht so neun Quadratmeter, ist aber sauber und ordentlich und mit Dusche/WC.

Ich dusche noch den „Reiseschmutz“ ab und falle dann, zu keinen weiteren Gesprächen mehr bereit, halb tot ins Bett.

Gute Nacht!

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