Die phantastische Reise eines Zimmermanns

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Die phantastische Reise eines Zimmermanns
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Die phantastische Reise eines Zimmermanns

1. Auflage, erschienen 2-2021

Umschlaggestaltung: Romeon Verlag

Text: Michael Zimmermann

Layout: Romeon Verlag

ISBN (E-Book): 978-3-96229-840-1

www.romeon-verlag.de

Copyright © Romeon Verlag, Kaarst

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MICHAEL ZIMMERMANN

Die phantastiche Reise eines Zimmermanns

Das Zimmermannshandwerk der Vergangenheit trifft Gegenwart

Einleitung

In den letzten Jahren schritt ich Baustellen neugierig entgegen. Fragte staunend: „Hm, wie arbeiteten wir früher? Was ist das für ein Material, oben in luftiger Höhe?“ Auf unterschiedlichsten Wegen hielten die Augen fortan Szene für Szene fest - und das Gedächtnis sprang geistig, 23 Jahre nach meinen letzten Nägeln, von den beobachteten Bildern zu vergangenen Zeiten, um grundlegend herauszufiltern, was sich verändert hatte.

Fröhlich blickend, verfolgte ich die aufmerksam arbeitenden Zimmerer. Sicherheit wurde sichtlich großgeschrieben. Die bedachten Bewegungsabläufe, ohne mit hohem Risiko übers Dach zu tanzen, schienen vorbildlich.

Manche Gerätschaften wie Akku betriebene Säge und Schrauber ließen Erlebtes aufflammen. Pressluftschlauch oder Kabeltrommel zogen die Zimmersleut glücklicherweise nicht den lieben langen Tag hinter sich her, was bei dem Gedankengang, als hätte mein Erinnerungsspeicher per Knopfdruck das Signal erhalten, ein Video des Schreckens in mir abzuspielen, auslöste. Ein Kollege wurde, bildlich gesehen, wie auf dem elektrischen Stuhl durchgeschüttelt, da es den lieben langen Tag wie aus Eimern schüttete und das Gerüst über die nassen Verlängerungskabel unter Strom geriet. Beide Hände umklammerten die Gerüststange, sodass der Stromkreis den lieben Kollegen, von unsichtbarem Magneten angezogen, nicht von der Metallstange abließ. Auf dem Gerüst sitzend, in Schockstarre versetzt, vergingen Sekunden, ehe ich aufsprang und schließlich gegen die Kabeltrommel trat, bis der Stecker des Verlängerungskabels herausflutschte und die unfreiwillige Folter ein Ende fand. Glücklicherweise verletzte sich der ranghöhere Geselle nicht. Die Steckverbindungen ins Trockene verlegt, gingen wir, gesundheitlich voll auf der Höhe, ohne ein Wort zu verlieren weiter ans Werk.

Ein besonderer Helfer:

Am imposantesten nahm ich eine Zimmererfirma wahr, die mit einem Kran an der LKW-Anhängerkupplung vor ein Haus fuhr. Eine zweifelsohne phänomenale Errungenschaft.

Die jauchzenden Muskeln und Gelenke verstummten beim Anblick der fortschrittlichen Gerätschaft.

„Wie viel Tonnen an Material und Werkzeuge wir, über die Jahre gesehen, am Gerüst hoch/runter reichten/trugen?“

Nebenkommentar:

„Auf dem Dach saß ich früher“, rutscht es mir heute noch über die Lippen.

Ferienjob/Praktika/Lehre:

Im Jahre 1984 lernte ich die Kunst des Zimmerergewerbes kennen. Nach Ferienjobs, in der Zimmerei des Onkels, stand als nächstes Kapitel das Schulpraktikum auf dem Plan. Die Arbeit als Zimmerer bereitete mir total viel Spaß, sodass ich - ohne mit der Wimper zu zucken - entschied, in Eppingen das Zimmermanns-Brauchtum anzunehmen. Die Anfahrt aus Mühlbach gelang mit dem, aus dem Ferienjob finanzierten, motorisierten Drahtesel. Die Arbeit in der Zimmerei ging, aufgrund der einschlägigen Erfahrungen, selbstbewusst – freudig von der Hand. Erneut mit dem Werkstoff Holz arbeiten zu dürfen, brachte glückliche, erfüllte Tage.

Beim Onkel schusterten die Gesellen mit meiner Wenigkeit für eine Firma aus der Stadt Bretten ein Fertighaus zusammen. Komplette Wandteile aneinanderstellen und verschrauben gelang mit Kran, schwerem Hammer und Gabelschlüssel. Die Holzbalken der Erdgeschossdecke hingegen wurden einzeln geschultert. Vier Mann, zwei hinten, zwei vorn. An der Hauswand des Erdgeschosses stand eine Holzleiter, die der Kräftigste mit dem Holzungetüm auf der Schulter hochstieg. „Hauruck, hauruck, hauruck“, hallte es im Neubaugebiet. Der Zimmerer auf der Leiter hob den Balken ein Stück, und der mehrere 100 kg schwere Brocken rutschte nach dem rhythmischen Kommando, bis er am Auflager-Punkt für immer ruhte. Meine Schultern spürten schmerzlich die Last der, gefühlt tonnenschweren, Holzbalken. Die Wirbelsäule, Hüfte, Knie, von der erdrückenden Last aufs Äußerste zusammengestaucht, stemmten beschwerlich, mit eisernem Willen, die steinschweren Pakete. Undenkbare Auswirkungen geisterten im Hirn umher, sollte ein Mannespfeiler wegbrechen und das Gebilde der übrigen drei Schlepper, wie aneinandergereihte Dominosteine angetippt, der unaufhaltsamen Kettenreaktion zum Opfer fallen und möglicherweise Unheil über die überforderten Schlepper hereinbrechen.

Der heiße Sommertag wirkte kräftezehrend auf den Körper, der um 9 Uhr, zur Vesperzeit, jammernd nach Flüssigkeit und Schatten schrie. Nach zwei Wochen stand das Haus, und das Richtfest versüßte die Mühen.

Die Arbeit während des Schul-Praktikums verlangte einem geistig und körperlich einiges an Herausforderungen ab, notwendige Arbeitsschritte anzupassen. Ein Stahl-Gerüst aufbauen, welches wir im Lager der Zimmerei mit den Händen auf die LKW-Pritsche verladen hatten; der erste Knochenjob. Am folgenden Tag erleichterten flinke Hände und bewegliche Hüften, bis zur 9 Uhr Pause, die erste Hälfte des Satteldaches, von den Dachziegeln - und Latten.

Die Dachpfannen pfefferte das Team vom Dach direkt auf den Traktoranhänger. Ausgebreitete Strohballen federten die Wurfgeschosse und dämpften die im Sekundentakt trommelnde Ton-Metall-Musik der Hänger-Pritsche. Ein zweiter Hänger stand bereit, der den zweiten Wurfdurchgang erfolgreich, ohne Pause, sicherte. Bis der letzte Tonziegel in der Hofeinfahrt hallend zerschmetterte, schmerzten die Kniescheiben, die Wirbelsäule jauchzte muskelverkrampft von der unnatürlichen Haltung, und die Kehle lechzte nach Wasser. Die verstaubte Zimmererkluft, von Schweiß durchdrungen, fühlte sich in der Hitze an, als hätten sich die Taschen mit Bleikügelchen gefüllt, und die Schwerkraft zog den scheuernden Hosenbund, immer wieder aufs Neue, über meine dürren Hüften.

Nächster Arbeitsschritt, nach der herbeigesehnten Pause:

Die den Ziegelnasen Halt bietenden, morschen Dachlatten vom First abwärts entfernen. Höchste Konzentration war gefordert. Der Blick in den Dachboden schürte Angst, sodass die Fußzehen in den Sicherheitsschuhen die dünnen Latten verkrampft zu umklammern versuchten. „Ein Augenblick unaufmerksam, und du krachst auf Schrank, Bücherstapel oder in die Kisten unter dir, und mehr Schaden entsteht, als dass dir lieb ist“, kreiste im Kopf und steigerte den Willen, standhaft, auf der kleinen Sparrenfläche (Auflagepunkt der Dachlatten) und den Latten unter der Schuhsohle, sicher zu stehen und zu knien.

Das Gebälk mit dem Besen abgefegt, wartete der nächste Schritt: Holzbohlen an der Seite der innenliegenden Giebelwandsparren anbringen. Auf Höhe der Firstpfette (3), der Mittelpfette (2) und der Schwelle (1) (siehe nachfolgende Skizze) wurde eine Schnur an speziell dafür eingeschlagenen Nägeln befestigt und quer übers Dach gespannt, um die nachfolgenden Bohlen punktuell auf exakter Höhe fixieren zu können. Unser Chef und die Gesellen platzierten, auf Schwelle, Mittelpfette und First stehend, die dicken Bretter. Was es bedeutet, 100er Nägel (Länge 100 mm) von der Seite durch die Holzbohlen in die Sparren zu dreschen, je Hammerlänge drei an der Zahl, bekam meine knochige Statur zu spüren. Die ersten Versuche mehr krumm als recht; bis das Visier geschärft - und die sensomotorischen Bewegungsabläufe trainiert, zu mehr Erfolg verhalf, war alsbald die Armmuskeln schmerzhaft gelähmt, und der Zimmererhammer verfehlte den Nagelkopf dutzendfach. Ich glich einem Sträfling, der in seiner Zelle, müde und verzweifelt gegen die Gittertür trommelt, um seine Unschuld zu bekunden. Der Hammer wechselte rapide, ein ums andere Mal die Hand, um halbseitig verschnaufen zu können. Die krumm gehauenen Nägel mit dem Zimmererhammer (auch Latthammer/Spitzhammer genannt) herausziehen oder gerade biegen beschämte mich, denn nichtssagende Blicke der Mitstreiter trafen mein Ego; die im Vergleich zu meinem jämmerlichen Bild die Nägel wie geölt, in gleichmäßig schallendem Takt, wie mein Gehör erfasste, nahezu ins Holz schossen.

Am Feierabend des Abbau- bzw. - Abrisstages, stand der Dachstuhl im Licht der grellen Sonne, ohne schützende Dachhülle vor uns, weshalb wir Abdeckplanen zum Schutz vor den im Radio gemeldeten Hitzegewittern über die geöffnete Dachflächenhälfte zogen.

 

Skizze des Satteldaches zur Texterläuterung - kleine Terminologie:


Zwischen der Mittelpfetteschnur und Firstschnur, sowie Schwelleschnur und Mittelpfetteschnur, wurde mit sicherem Auge über die Kante der Holzbohle geschaut, sodass die fetten Bohlen insgesamt eine neue ebene Dachfläche gewährleisteten. Entsprechend der späteren Brettlänge schlossen wir den Arbeitsschritt mit einer zweiten Bohle am gedachten Längenstoß ab. Bei einem kleineren Wohnhaus reichte ein Stoß in der Hausdachmitte, und die Bretter mit einer maximalen Länge bis 5,50 m bedeckten die Innenräume gänzlich. Bei einer Trauflänge über 10,50 m nahmen wir 3,50 m - 4,75 m lange Bretter und sahen zwei Sparren als Stoß vor.

Dämmung:

Teilweise befand sich unter der offenen Dachfläche Wohnraum. Jene Sparrenfelder wurden von der Dachseite mit neuer Glaswolle befüllt. Die Dämmung gab’s in verschiedenen Stärken, die, in der Verpackung zusammengerollt, ähnlich wie die Bauern heute teilweise das Heu oder Stroh zum Rundballen pressen, mit einer aus Aluminiumpapier bestehenden Dampfsperre-Seite. Wenn mich das Gedächtnis nicht trübt, geschah dies am zweiten Tag, nach dem Anbringen der Holzbohlen.

Verschalung:

“Frisch“ aus dem Sägewerk-Tauchbecken gelieferte, 24 mm grün- salzimprägnierte Bretter (sägerau) ans Gerüst gestellt und kräftezehrend hochgehangelt, um der Dachfläche eine Haut zu verleihen, hieß die folgende Tat. „Warum frisch? Wehe eine offene Wunde, egal wie winzig, gewährte dem “blöden Salz-Zeug“ Zugang ins Blut, so brannte die Wunde wie eine Peperoni auf der Zunge.“ Die grün leuchtende Holzschutzfarbe färbte die Handflächen und Finger so dermaßen, dass so mancher Raucher mit seinen stinkigen Griffeln vor Neid erblasst wäre. Eine spezielle Seife wurde vonseiten des Herstellers nicht mitgeliefert. Die Hosen, Hemden, vom Salz angeknabbert, offenbarten Tage später Loch für Loch und mussten zwangsläufig unter die Nähmaschine oder wurden mit Nadel und Garn gestopft. In brüchigem Zustand nähte meine Mutti Manchesterstoff-Flicken über die löchrige Kluft.

Gerade Flucht:

Das erste Brett, entlang des Traufpunktes, den später die Dachrinne schmückte, wurde mit einer gut gespannten Schnur, quasi kerzengerade angenagelt. Anschließend legten wir eine Lage (circa 1 m breit) des gelieferten Bretterstapels über den Sparren aus, und die zum Teil flitzebogenkrummen Bretter erforderten den Einsatz der Bauklammer- und der Hartholzkeile, um die klaffenden Fugen zwischen den Brettkanten aneinanderzupressen.

Skizze:

Traufpunkt

Stahlbauklammer/Hartholzkeile zum Zusammenkeilen der 24 mm Bretter (circa 8 cm bis zu 26 cm breit). Zu beachten galt: “Immer die rechte Brettseite (Herzseite) nach oben; siehe Jahresringe.“

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