Psychotherapie und Coaching mit PEP

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Aus der Reihe: Reden reicht nicht!?
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Psychotherapie und Coaching mit PEP
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Meinen Workshopteilnehmerinnen

und -teilnehmern gewidmet,

ohne deren kritische Fragen, Anregungen

und Bestätigungen

ich PEP nicht hätte entwickeln können.

Michael Bohne

Psychotherapie und Coaching mit PEP

Prozess- und Embodimentfokussierte

Psychologie in der Praxis

2021


Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: Heinrich Eiermann

Umschlagfoto: © pixabay

Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten

PEP-Illustrationen: Marcus Zimmermann /

www.pep-wird-sichtbar.de

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2021

ISBN 978-3-8497-0388-2 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8277-1 (ePub)

© 2021 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

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Tel. + 49 6221 6438-0 Fax + 49 6221 6438-22

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Inhalt

Besonderer Hinweis

Geleitwort von Peter Fürstenau

Vorwort

1.Es war einmal im alten China, oder: Once upon a time in America … Historische Wurzeln der Klopftechniken

2.Die Energetische Psychologie – eine kollektive Hypnotisierung?

3.Die Säkularisierung der Klopftechniken und die Wiedereinschaltung des eigenen Gehirns

4.PEP – Von der Zusatztechnik zur Methode

5.Stören Sie mich bitte nicht, ich behandle Sie gerade lege artis – Prozessorientierte Grundhaltung

6.Von der Unmöglichkeit, alles zu berücksichtigen: Komplexitätsreduktion und Simplicity – Oder: die binokulare (zweiäugige) Brille

7.Mögen Sie es maßgeschneidert oder lieber von der Stange? – Prozessorientierte Intervention

8.Nehmen Sie Haltung an – oder doch lieber lockern? Auch die innere Haltung des Therapeuten und Coachs prägt den Prozess

9.Lösungsmittel für rigide Über-Ich-Strukturen und Bedeutsamkeitseskalationen – Humor und Leichtigkeit

10.Der Körper ist die Bühne für Gefühle – Verstörung para-/dysfunktionaler Emotionen durch Selbstbeklopfen von Körperpunkten

11.Ein Friedensangebot an sich selbst – Von der Selbstakzeptanzübung bei para-/dysfunktionalen Kognitionen und Beziehungsmustern zur Selbstbestätigungsübung

12.Die besten Konservierungsmittel für seelisches Leid: Die »Big-Five«-Lösungsblockaden

Selbstvorwürfe

Vorwürfe anderen gegenüber

Erwartungshaltung

Altersregression

Para-/Dysfunktionale Loyalitäten

13.Anklage gegen sich selbst und andere – Spezialfall Vorwürfe

14.Beim Klienten spielt die Musik – Prozessfokussierte Diagnostik mittels PEP

Sportliche Reizkonfrontation: SUD/HUD

Um in der Tiefe scharf sehen zu können, braucht man zwei Augen – Die binokulare Brille der PEP

An niemandem lässt es sich so vorzüglich leiden wie an sich selbst – und natürlich an den anderen – Beziehungsdiagnostik mittels der Big-Five-Lösungsblockaden

Tiefenbohrung ins psychodynamische Konfliktfeld – Psychodynamische Turboanalyse mittels KKT

Analyse blinder Passagiere auf dem Selbstwertschiff – Selbstwerttraining mit PEP

15.Was man über die Wirkung munkelt – Wirkhypothesen und Forschungsergebnisse

Neurobiologische Wirkhypothese

Embodimentfokussierte (haptisch-taktile) und neurohumorale Wirkhypothese

Wirkhypothese der kortikalen Mehrdurchblutung

Wirkhypothese Habituation

Wirkhypothese der reziproken Hemmung

Positive Kontroll- und Selbstwerterfahrung sowie Selbstwirksamkeitserfahrung

Befriedigung verschiedener Grundbedürfnisse

Das Meridiansystem, die klassische energetische Wirkhypothese

16.Was muss ich als Klient meinem Therapeuten erzählen, damit wir klopfen oder es lassen? Indikation – Kontraindikation

 

17.Vorsicht, PEP! Die Arbeit könnte leichtfallen und (wieder) Spaß machen – Psychohygiene und Prophylaxe gegen Burn-out und Traumatisierung

18.Wie geht’n das nun? Praktischer Teil: PEP als Selbsthilfetechnik

Die acht Schritte des emotionalen Selbstmanagements mittels Klopfen

Problemaktivierungshilfe

Die acht Schritte

Kurzform des emotionalen Selbstmanagements mittels Klopfen

Wenn das emotionale Selbstmanagement mittels Klopfen nicht ausreichend funktioniert

Strategien zur Steigerung des Wohlgefühls

Damit es sich noch etwas besser anfühlt

Die Aktivierungspunkte

19.Wo geht’s hin? – Die Zukunft der Klopftechniken

Literatur

Über den Autor

Besonderer Hinweis

Dieses Buch informiert über eine neue Stressreduktions- bzw. Psychotherapiestechnik, die Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie (PEP®)1, die eine Weiterentwicklung der sogenannten Klopftechniken darstellt und deren Stärke u. a. darin liegt, dass sie auch als Selbsthilfetechnik genutzt werden kann. Die beschriebenen Übungen haben sich in der Praxis als sicher und effektiv bewährt. Natürlich kann es immer passieren, dass das Klopfen und die Selbstbestätigungsübungen nicht wirken, da man bei der Selbstanwendung etwas nicht bedacht hat, man sich nicht auf den für das belastende Thema relevanten Aspekt eingeschwungen hat oder da eine vielschichtigere Problematik vorliegt, bei der die beschriebenen Tools als Selbsthilfeverfahren allein nicht ausreichen.

Wer mittels der beschriebenen Übungen und Klopftechniken eigene Anliegen behandelt, tut dies natürlich auf eigene Verantwortung hin. Der Autor beabsichtigt nicht, individuelle Diagnosen zu stellen oder dezidierte Therapieempfehlungen zu geben. Die hier beschriebenen Techniken und Übungen sind nicht als Ersatz für eine professionelle Behandlung bei gesundheitlichen Problemen oder behandlungsbedürftigen psychischen Störungen zu verstehen, sondern sollen es ermöglichen, erste eigene Anwendungserfahrungen mit den Klopftechniken zur Stressreduktion zu machen.

Wer professionell Patienten oder Klienten mittels einer der Klopftechniken oder PEP behandeln möchte, sollte sich trotz der bisweilen einfach anmutenden Techniken unbedingt darin von einem erfahrenen Ausbilder ausbilden lassen.

1Um PEP® vor Missbrauch zu schützen und aus Gründen der Qualitätssicherung musste PEP® patenrechtlich geschützt werden.

Geleitwort von Peter Fürstenau

In der Psychotherapie ist ein Stein ins Rollen gekommen – zunächst langsam und still, mit der Zeit aber immer schneller und stürmischer: das Interesse, zu erkunden, auf welchen verschiedenen Wegen sich das Erleben und Sichverhalten von Klienten verändern lässt. Lange ging man davon aus, dass sich erlebnisbedingtes Leid vor allem mittels Gesprächs, Bearbeitung von Problemen und Konflikten oder Anleitung zum Lernen lindern oder heilen lässt. Jetzt erkennen wir immer deutlicher, dass der vielbeschworene psychosomatische Zusammenhang noch ganz andere Chancen therapeutischer Einflussnahme bereithält, die es zu entdecken, zu erkunden und auszuprobieren gilt.

Eine erste Entdeckung in diesem Feld entsprang der Beobachtung, dass bestimmte Augenbewegungen bei einem Menschen, der mit ihn belastenden Erlebnissen, Gefühlen innerlich beschäftigt ist, eine Veränderung im Sinne der Abschwächung der Intensität des quälenden Erlebens bewirken. Das führte zur Entwicklung der EMDR-Technik, die sich auf das aktuelle Erleben konzentriert.

Seit einiger Zeit sind Entdeckungen und Erfahrungen aus dem US-amerikanischen Physiotherapiebereich, der Kinesiologie, in den Blickpunkt der Psychotherapie gerückt. Erste Systematisierungen wurden in einem esoterischen Gewand, verbunden mit abschreckender Umständlichkeit der Vorgehensweise, der irritierten fachlichen Öffentlichkeit präsentiert, was Akzeptanz und Verbreitung stark einschränkte.

Es ist Michael Bohne zu danken, dass er den in Dunkelheit und Zwielicht verhüllten Schatz ins klare Licht der europäisch-amerikanischen Psychotherapie-Kultur gestellt hat. Er hat den energetischen Ansatz Schritt für Schritt von mannigfaltigem Ballast befreit und eine praktikable Interventionsarchitektur geschaffen, die der Medizin und der Psychotherapie ein weiteres Instrument bereitstellt, aktuell belastende, bedrängende Gefühle und Gemütszustände ebenso zu behandeln wie dysfunktionale Beziehungsmuster und damit zusammenhängende Überzeugungen. Durch Klopfen an bestimmten Körperstellen und einige zugehörige Übungen werden im Gehirn bei gleichzeitiger Problemexposition Prozesse ausgelöst, die eine Verstörung, Aufweichung pathologischer Fixierungen bewirken und eine gesündere Reorganisation und bessere Integration des Erlebens anstoßen

Diese Interventionstechnik lässt sich in unterschiedlichste Psychotherapieverfahren integrieren. Besonders hervorzuheben ist, dass diese Interventionsweise auf Selbstaktivierung der Klienten setzt und damit eins der wirkstärksten Heilmittel moderner Psychotherapie in den Mittelpunkt stellt.

Prof. Dr. Peter Fürstenau

Düsseldorf, im November 2020

Vorwort

Im Jahre 2006 erschien das erste Fachbuch deutschsprachiger Autoren2 zu den Klopftechniken, das sich explizit an ein Fachpublikum wandte (Bohne et al. 2006) und in dem von einem Autorenteam ein erster Versuch unternommen wurde zu beschreiben, wie diese sogenannten Klopftechniken, die sich aus der Applied Kinesiology (AK) entwickelt haben und die meist Energetische Psychologie oder auch Klopfakupressur3 genannt werden, in die Psychotherapie integriert werden können. Für mich als Mitherausgeber des Buches fühlt es sich so an, als seien seitdem Dekaden vergangen. 2009 erschien dann das von mir herausgegebene Buch Klopfen mit PEP, und auch seit dieser Zeit ist viel passiert und PEP hat sich massiv weiterentwickelt. In dem Buch gab es einen zweiten Teil mit Anwendererfahrungen, der aus heutiger Sicht nicht mehr dem State of the Art von PEP entspricht. Vieles ist seitdem anders.

Vieles von dem, was ich 2006 geschrieben habe und was 2009 in dem Buch Klopfen mit PEP von den Coautoren beschrieben wurde, würde ich heute so nicht mehr sehen, geschweige denn schreiben, und auch deshalb war und ist es nötig, die aktuelle Entwicklung in dem vorliegenden Buch darzustellen. Dabei ging es auch darum, das Buch zu verschlanken und die immer wieder zu hörende und zu lesende Kritik, dass die Praxisberichte nicht mehr auf der Höhe der aktuellen PEP-Entwicklung standen, ernst zu nehmen. Nachdem 2019 ein aktuelles Buch Synergien nutzen mit PEP herauskam, in dem die »integrative Kompetenz der Prozess- und Embodimentfokussierten Psychologie in Psychotherapie, Beratung und Coaching« dargestellt wurde, lagen damit aktualisierte Anwendungserfahrungen von 19 erfahrenen PEP-Anwendern in verschiedenen Bereichen vor. Da es innerhalb der verschiedenen Klopftechniken sehr unterschiedliche und teils fragwürdige Ansätze, praktische Durchführungen, Wirkhypothesen und proklamierte Grenzen gab und gibt, wird es in dem vorliegenden Buch immer auch um Abgrenzung gehen müssen. Dabei soll nicht vergessen werden, dass den innovativen Gründungsvätern der Energetischen Psychologie, George Goodheart, Roger Callahan, John Diamond, Fred Gallo, um nur einige zu nennen, meine große Anerkennung und mein Dank gelten, auch wenn man mittlerweile vieles von dem, was sie beschrieben haben, so nicht stehen lassen kann, es kritisch hinterfragen, ja bisweilen deutlich infrage stellen muss. Aber wie war das doch gleich mit den Zwergen auf den Schultern der Riesen?

Die Klopftechniken begannen ab dem Jahr 2001 in Deutschland im psychotherapeutischen Feld gerade etwas bekannter zu werden, es begann sich abzuzeichnen, dass es sich nicht um eine psychotherapeutische Eintagsfliege handelte, sondern dass sich mehr hinter diesen zunächst ungewöhnlich anmutenden Techniken verbirgt. Einige Kollegen hatten bereits von ihnen gehört, einige andere hatten Kurse besucht, doch viele der Letzteren hatten das Gefühl, die sehr techniklastigen und bisweilen auch esoterisch anmutenden Interventionsstrategien nicht gut in ihre Arbeit integrieren zu können. Zu sehr wirkten sie, bei aller außer Frage stehenden beobachteten Wirksamkeit dieser Ansätze, wie Fremdkörper, zu sehr waren die Erklärungen und Bezeichnungen wie von einem anderen Stern (siehe auch S. 27). Auch die energetische Wirkhypothese (siehe S. 94) erreichte viele der wissenschaftlich sozialisierten Kollegen nicht.

Auch deshalb hatte ich 2008 das Buch Einführung in die Praxis der Energetischen Psychotherapie im Carl-Auer Verlag geschrieben, in dem ich darstelle, was sich hinter den Klopftechniken verbirgt und wie man die unterschiedlichen Interventionstools aus psychotherapeutischer Sicht und aus Sicht der Hirnforschung erklären könnte. In diesem ersten Carl-Auer-Buch zeichnete sich schon die Weiterentwicklung in die prozessorientierte Richtung ab. Zunächst bildete ich ja noch die sogenannte Gallo-Technik, also EDxTM (EDxTM = Energy Diagnostic and Treatment Methods von Fred Gallo), aus. Dies lag nah, da ich die Energetische Psychologie bei Fred Gallo kennen- und auch schätzen gelernt hatte. Da jedoch viele Seminarteilnehmer, egal ob sie nun bei mir oder bei Fred Gallo einen Kurs gemacht hatten, entweder Probleme unterschiedlichster Art mit dem Muskeltest hatten, EDxTM insgesamt als zu technik- und protokolllastig empfanden oder ihnen EDxTM als zu komplex erschien, begann mir klar zu werden, dass die Zukunft des Klopfens nicht in den technikorientierten Verfahren liegen konnte. Hinzu kam, dass viele Konzepte der Energetischen Psychologie, wie z. B. die psychische Umkehrung, das Switching, der Muskeltest, die Ein- und Mehrpunktprotokolle oder die energetischen Toxine (siehe Bohne 2020a), aus einer völlig anderen als der psychotherapeutischen Denkwelt entstammten, in sich selbst zwar schlüssig waren, jedoch nur einen sehr mühsamen Anschluss an bestehendes abendländisches psychotherapeutisches Wissen fanden. Viele Anwender kritisierten auch, dass sich EDxTM einfach nicht gut in die psychotherapeutische Arbeit integrieren ließ. Allmählich war es für mich als Ausbilder, trotz aller Loyalität, die man als Schüler bisweilen zu seinem Lehrer hat, an der Zeit, nicht mehr die Seminarteilnehmer und Anwender infrage zu stellen, sondern das System, das ich bei Fred Gallo erlernt hatte – mit dem wir zwar zunächst gute klinische Ergebnisse erlangten, welches sich aber in der Praxis als zu schwerfällig und zu wenig flexibel erwies, als dass es sich gut in die tägliche Praxis hätte integrieren lassen.

Parallel zu der Konzeption des ersten Carl-Auer-Buches und zu diesen Überlegungen fand in Heidelberg eine Tagung zum Thema Energetische Psychologie statt. Ich freute mich, viele amerikanische Experten aus dem Bereich der Energetischen Psychologie zu sehen, und war ganz gespannt auf die Kollegen aus Übersee und ihre Erkenntnisse und Anwendungserfahrungen. Was sich mir und anderen Teilnehmern auf dieser Tagung dann vonseiten vieler amerikanischer Kollegen bot, war jedoch entweder nichts Neues, oder aber es handelte sich teils um extrem suspekte Anwendungsbeispiele. Da testeten Therapeutinnen mittels Muskeltest, ob man in einem ehemaligen Leben eine Hexe oder ein Heiler war, oder der Muskeltest wurde dazu benutzt, die wirklich wahren Wurzeln zur Genese der aktuellen Störung zu finden. Ganz nach dem Motto: »Jetzt testen wir mal, ob du nicht als Kind missbraucht worden bist.« Es war mir plötzlich peinlich, zu solch einer Gemeinschaft dazugehören zu sollen, und ich bemerkte eine innere Zerrissenheit. Einerseits hatten viele Klopfanwender, meine Workshopteilnehmer und ich Hunderte, ja Tausende von guten Erfahrungen mit der Anwendung der Energetischen Psychologie gemacht, andererseits fand ich vieles, was ich dort sah, suspekt und unseriös. Mein latent ungutes Gefühl bei der Anwendung des Muskeltests bestätigte sich, und mir war nun vollends klar, dass man den gesamten terminologischen und fragwürdigen inhaltlichen Ballast sowie die meisten Begriffe und Erklärungskonzepte der Energetischen Psychologie infrage stellen, ja über Bord werfen müsste, wenn man wollte, dass sich in Deutschland auch weite Kreise seriöser Psychotherapeuten mit den Klopftechniken beschäftigen können – und das wollte und will ich.

 

Bei all den aus fachlicher Sicht durchaus bedenklichen und fragwürdigen Beobachtungen, die man innerhalb der Klopfanwender-Community machen konnte und kann, wozu auch unreflektierte Heilsversprechen und esoterische Erklärungen zählen, kann jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klopftechniken in der Anwendung tatsächlich häufig und problemlos funktionieren und ja vielleicht gerade deshalb manch einen dazu verleiten, die eigenen Grenzen und die Grenzen der Technik zu übersehen.

Während also das Klopfen in den ersten Jahren nach 2001 im psychotherapeutischen Feld erst langsam bekannt wurde, haben heute die meisten psychotherapeutisch arbeitenden Kollegen schon irgendetwas über das Klopfen gehört. Sei es von Kolleginnen, sei es auf Tagungen, in Supervisionsgruppen oder durchs Fernsehen oder durch eine der mittlerweile unzählig anmutenden Buchpublikationen. Oder vielleicht auch durch die zunehmende Erwähnung in den Printmedien, wie z. B. in der Süddeutschen Zeitung (Lutz 2009), die über das Phänomen desk rage, also Wutausbrüche im Büro, berichtete und die interviewte Expertin fragte, was sie denn im Falle von ungünstigen Emotionen im Büro empfehle. Sie empfahl jedem Mitarbeiter und jeder Führungskraft, ein paar gute Stressmanagementtechniken zu erlernen, und erwähnte dann anschließend ausschließlich eine Klopftechnik, nämlich EFT (Emotional Freedom Techniques). Auch im Spiegel (Großekathöfer u. Hacke 2009) ließ sich lesen, wie eine bekannte Sportlerin das Klopfen nutzt. Die deutsche Schwimmerin Britta Steffen erzählt in dem Interview, wie sie vor ihren Wettkämpfen mittels Selbstakzeptanzaffirmationen der Energetischen Psychologie und Klopfen vorhandene Ängste und Stress reduziert, so z. B. ihre Angst, dass der Schwimmanzug beim Sich-nach-vorne-Beugen auf dem Startblock reißen könnte. Sie beschreibt ihre Erfahrung wie folgt:

»Dann habe ich meine Handballen gegeneinandergeklopft und den Satz gesagt: ›Ich liebe und akzeptiere mich, auch wenn ich nackig auf dem Startblock stünde.‹ Ich habe das wie immer dreimal gemacht. Und plötzlich: Buff! Alle Nervosität war weg. Ich finde es krass, wie effektiv so eine einfache Übung ist.«

Mittlerweile fragen immer häufiger auch Klienten bei Therapeuten nach, ob sie denn auch mit dem Klopfen arbeiten würden, und mittlerweile hat sich viel verändert hinsichtlich der Integrationsmöglichkeit des Klopfens und der vermuteten Wirkhypothesen.

Die Aufgabe des vorliegenden Buches liegt darin, darzustellen, was das Klopfen eingebettet in der Prozess- und Embodimentfokussierten Psychologie, also PEP, auszeichnet. Insgesamt kann man sagen, dass sich PEP gut in die Behandlung verschiedenster Probleme, Symptome, Erkrankungen und in die unterschiedlichsten Behandlungssettings integrieren lässt (siehe auch Bohne u. Ebersberger 2019). Prozessorientiertes Arbeiten in der Psychotherapie ist lange bekannt; ich habe den Versuch unternommen, die wirklich nützlichen und überzeugenden Wirkelemente der Energetischen Psychologie aus ihrem technischen und teils esoterischen Korsett zu befreien, um sie besser in andere Ansätze integrierbar und einer wissenschaftlichen Betrachtungsweise zugänglich zu machen. In der PEP werden die wirksamsten Interventionstools aus der Energetischen Psychologie genutzt und weiterentwickelt. Weniger gut integrierbare oder starre Tools wurden über Bord geworfen bzw. verändert und mit psychodynamischen, hypnotherapeutischen, verhaltenstherapeutischen und systemischen Tools verbunden, sodass nun eine für einige Kontexte und Anwender gut integrierbare Zusatztechnik bzw. für andere Kontexte und Anwender eine kompakte Methode zur Verfügung steht, die sich mühelos in alle bekannten Psychotherapiemethoden und Ansätze integrieren bzw. mit ihnen kombinieren lässt.

Die Leichtigkeit in der Anwendung und die oft erstaunlich schnelle Wirksamkeit der Klopftechniken und der PEP sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch weiterhin ein profundes klinisches und diagnostisches Wissen der Anwender sinnvoll, nützlich und bei einigen Indikationen unabdingbar ist. So sollte man im Bereich der komplex traumatisierten Patienten und der Patientinnen mit dissoziativen Identitätsstörungen (DIS) auch weiterhin die bekannten und von den Traumagesellschaften vorgeschlagenen Behandlungsempfehlungen beachten. Auch empfiehlt es sich nicht, ohne Erfahrung mit dieser Klientel, sie mit PEP oder dem Klopfen allgemein zu behandeln. Wie sich PEP gut in die Behandlung von komplexen Traumafolgen integrieren lässt, hat Anke Nottelmann (2019) in Synergien nutzen mit PEP dargestellt.

In dem vorliegenden Buch soll die prozessorientierte Weiterentwicklung des Klopfens (PEP) beschrieben werden. Wie PEP dezidiert in die verschiedenen anderen Methoden integriert werden kann und welchen Nutzen und Zugewinn PEP dort hat, ist in Synergien nutzen mit PEP nachzulesen.

Die prozessorientierte Weiterentwicklung zeigt sich auch in ihrem Namen, denn auch dieser weist darauf hin, dass das Ganze lange Zeit im Fluss war. Zunächst stand PEP für Prozessorientierte Energetische Psychologie, hierbei war mir vor allem eine Abgrenzung zu den technik- und protokolllastigen Ansätzen wichtig. Da jedoch viele Anwender Schwierigkeiten mit den energetischen Implikationen hatten und haben und überdies wenig dafür spricht, dass es sich um rein energetische Wirkfaktoren handelt, die am Werke sind, hat sich eine eher wissenschaftlich orientierte, die Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper würdigende Terminologie angeboten, nämlich der Begriff des Embodiments (siehe auch Storch et al. 2006).

Embodiment verwendet man in der Psychologie (besonders der Sozialpsychologie und Klinischen Psychologie) zunehmend, um die Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche zu betonen. Nicht nur drücken sich psychische Zustände im Körper aus, und zwar nonverbal als Gestik, Mimik oder Körperhaltung, sondern es zeigen sich auch Wirkungen in umgekehrter Richtung: Körperzustände beeinflussen psychische Zustände. Beispielsweise haben Körperhaltungen, die aus irgendeinem Grund eingenommen werden, Auswirkungen auf die Kognition (z. B. Urteile, Einstellungen) und Emotionalität4, wie sie z. B. auch der amerikanische Psychologe Paul Ekman in vielen Studien beschrieben hat.5 Was mich noch dazu inspiriert hat, den Begriff »Embodiment« zu nutzen, ist ein Beitrag des Neurobiologen Gerald Hüther in dem Buch Embodiment (Storch et al. 2006). Hier beschreibt der Autor, wie wesentlich es aus neurobiologischer Sicht ist, den Körper bei emotionalen Veränderungsprozessen mit einzubeziehen. Dieses Wissen ist jedoch nicht neu. Schon Wilhelm Reich hat vor ca. 100 Jahren mit seiner Arbeit die Grundlagen für viele körperpsychotherapeutische Methoden gelegt. Die Klopftechniken nutzen augenscheinlich auch die Beeinflussung des Körpers, der Begriff »Körperpsychotherapie« würde jedoch die Klopftechniken nicht wirklich treffend beschreiben, da sich Körperpsychotherapien weit umfangreicher mit dem Körper beschäftigen und da das Klopfen ja nur eine Intervention ist. Deshalb lag es auf der Hand, einen neuen, noch unverbrauchten Begriff zu nutzen, um zu beschreiben, was in der PEP gemacht wird und wie man sich die Wirkungsweise erklärt. »Embodimentfokussierung« meint, dass der Fokus bei der Diagnostik, der Behandlung und bei der Ressourcenaktivierung eben zu einem großen Teil auf dem körperlichen Netzwerk liegt. Deshalb wurde PEP zur Prozess- und Embodimentfokussierten Psychologie, wobei mir bewusst ist, dass Embodiment in anderen Bereichen auch eine andere Bedeutung hat bzw. zur Erklärung anderer Phänomene genutzt wird. Dennoch beschreibt »Embodiment« auf eine klare Art, dass der Körper bei der Beeinflussung der emotionalen und kognitiven Zustände genutzt wird, und zwar in beide Richtungen. Stress und dysfunktionale Kognitionen werden in den Klopftechniken immer unter Stimulation des Körpers verändert. Durch die Diagnostik mittels Kognitions-Kongruenz-Test wird in der PEP u. a. auf somatische Marker, also Körperreaktionen, geachtet, und bei der Entwicklung positiver Affirmationen wird besonderer Wert darauf gelegt, dass die gefundenen Affirmationen sich kongruent (also auch körperlich stimmig) anfühlen und sie eine positive physiologische (also körperliche) Reaktion verursachen.

Der Name PEP wird von vielen Anwendern und Klienten zudem positiv konnotiert, da PEP nun eben auch peppig klingt. Menschliches Leid wiegt häufig schwer genug, so sollten doch zumindest die Leidensveränderungsmaßnahmen (also z. B. Psychotherapie) auch Freude machen dürfen, und auch Leichtigkeit, Zuversicht und wertschätzender Humor sollten ihren Raum haben. Für mich gilt deshalb – und dies auch aus eigener Klientenerfahrung:

»Man kann Leichtigkeit, Zuversicht und Humor gar nicht ernst genug nehmen.«

Da die Teilnehmer meiner Workshops immer wieder explizit erwähnen, dass ihnen die Leichtigkeit, die Zuversicht und der Humor (auch bei sogenannten schweren Themen) so guttäten, habe ich mich dazu entschlossen, auch diesen beiden Aspekten in diesem Buch Raum zu geben. Bei all jenen, die sich mehr Ernsthaftigkeit, Bedeutsamkeit und einen wissenschaftlicheren Stil wünschen, möchte ich mich schon hier entschuldigen.

Meine Absicht ist es nicht, der wissenschaftlichen Gemeinschaft mit diesem Buch ein in der Sprache der Wissenschaft abgefasstes, nüchternes und mit der für wissenschaftliche Publikationen gehörigen Zurückhaltung verfasstes Buch vorzulegen oder mit diesem Buch die skeptischsten Zeitgenossen zu überzeugen. Ich selbst bin Praktiker und will gar nicht verhehlen, dass ich nach wie vor fasziniert bin von dem, was ich an Erfahrungen mit der PEP in der psychotherapeutischen und der Coachingpraxis mache und was mir von mittlerweile mehr als 3500 Seminarteilnehmern und Kollegen berichtet wurde. Natürlich begrüße ich es sehr, dass sich mehr und mehr Kollegen auch an Hochschulen des Themas aus wissenschaftlicher Sicht annehmen. Dieses vorliegende Buch jedoch ist für Praktiker geschrieben und will aufzeigen, was sich hinter dieser zunächst ungewöhnlich anmutenden Methode PEP verbirgt und wie sie sich in verschiedenste Arbeitsweisen prozessorientiert integrieren bzw. damit kombinieren lässt.

Aus wissenssoziologischer Sicht gibt es aber noch ein paar Beobachtungen, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen. Das Autorenteam um Geßner-van-Kersbergen, Aalberse und Andrade hatte 2012 ein sehr umfangreiches Buch zu den Klopftechniken (Aalberse u. Geßner-van-Kersbergen 2012) vorgelegt, in dem es auch diesen Autoren ein Anliegen ist, die positiven Erfahrungen der Klopftechniken vor allem neurobiologisch zu erklären. Andrade ist Arzt und Psychoneuroimmunologe und hat eine Fülle von spannenden Ergebnissen aus der Akupunkturforschung und eigenen Untersuchungen vorgelegt, die hier gar nicht im Einzelnen erwähnt werden können. Das Buch ist eine echte Bereicherung im Feld der Klopftechniken, und das Autorenteam hat einen Begriff geprägt, der Psychotherapiegeschichte schreiben könnte – sie sprechen von bifokal-multisensorischen Aktivierungen/Stimulationen bzw. bifokal-multisensorischen Interventionsstrategien/-techniken (BMSI). Hiermit war zunächst ein neuer Begriff für bestimmte Klopftechniken eingeführt worden. Auch diese Terminologie lässt die energetischen Wirkhypothesen hinter sich und fokussiert auf neurobiologische Wirkmechanismen. Die Terminologie lässt sich aber auf alle Bottom-up-Techniken anwenden, die zunächst ein belastendes Thema aktivieren und dann gleichzeitig (also bifokal, unter Herstellung einer geteilten Aufmerksamkeit) multisensorische Stimuli wie z. B. Augenbewegungen, haptisch-taktile Stimuli wie Klopfen setzen, oder die mit Gerüchen, dem Geschmackssinn oder Geräuschen arbeiten.