Wovon leben wir?

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Wovon leben wir?
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Marcel Roman

Wovon leben wir?

Die zwei Bäume im Paradies

von Eden bis Corona

GloryWorld-Medien

1. Auflage 2021

© 2021 Marcel Roman

© 2021 GloryWorld-Medien, Xanten, Germany, www.gloryworld.de

Alle Rechte vorbehalten

Bibelzitate sind, falls nicht anders gekennzeichnet, der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1985, entnommen. In Klammern gesetzte Ergänzungen stammen vom Autor. Weitere Bibelübersetzungen: Lutherbibel, Revidierte Fassung von 2017 (LUT).

Das Buch folgt den Regeln der Deutschen Rechtschreibreform. Die Bibelzitate wurden diesen Rechtschreibregeln angepasst.

Satz: Manfred Mayer

Umschlaggestaltung: Bärbel Engler, www.kukwerkstatt.de

Bildnachweis U1: freepik.com

ISBN (epub): 978-3-95578-489-8

ISBN (Druck): 978-3-95578-389-1

INHALT

Einleitung

1 Der Baum der Erkenntnis

2 Die Früchte dieses Baumes in der Antike

3 Die Früchte dieses Baumes in der neueren Geschichte

4 Die Früchte dieses Baumes in unserer Zeit

5 Der Baum des Lebens

6 Wovon sollen wir leben?

Einleitung

Konflikte gibt es fast so lange wie die Menschheit selbst. Von einem Konflikt spricht man, wenn einzelne Personen oder ganze Gruppen mit unterschiedlichen Interessen, Zielen oder Werten aufeinanderprallen. Wenn wir uns diese kurze Definition einmal durch den Kopf gehen lassen, werden wir feststellen, dass unsere Welt bis zum Rand voll von Konflikten ist. Ja, wir könnten sogar den Eindruck bekommen, dass sie nur aus Konflikten zu bestehen scheint. Ein Konflikt entsteht dadurch, dass zwei Parteien keinen gemeinsamen Standpunkt finden, sondern unterschiedliche Positionen einnehmen und diese notfalls mit immer härteren Mitteln verteidigen. Leider gibt es auch unter Christen viele Konflikte und Kontroversen, und oft stehen sich Christen aufgrund ihrer Meinungen und Ansichten mindestens genauso unversöhnlich gegenüber wie die Menschen in der Welt.

Dabei gibt es einen Grundkonflikt, der seinen Ursprung schon im Garten Eden hat und der sich durch die gesamte Geschichte der Menschheit bis in unsere momentane Zeit zieht. Obwohl dieser Konflikt im Laufe der Geschichte tausend verschiedene Gesichter hatte, ist die Wurzel immer dieselbe gewesen. Interessanterweise glaubten die Menschen zu allen Zeiten und tun es bis heute, dass die eine Sache, für die sie kämpfen, eine ganz besondere und einzigartige und auch die einzig richtige Sache ist. In Wirklichkeit ist jeder Konflikt, der auf dieser gemeinsamen Wurzel aufbaut, nur die x-te Wiederholung in neuem Gewand und ihre Akteure nur kleine, austauschbare Teilchen darin. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir als Christen diesen jahrtausendealten Konflikt kennen sollten, damit wir nicht oder zumindest nicht länger Teil davon sind.

Kapitel 1: Der Baum der Erkenntnis

Wie gesagt, finden wir den Ursprung und die Quelle dieses Konfliktes schon im Garten Eden. Bevor Satan in Form der Schlange auftrat und den Menschen verführte, waren Gott und die Menschen total eins. Es gab keine Parteiungen und Positionen. Nur ein Gebot hatte Gott dem Menschen gegeben: „Von jedem Baum des Gartens darfst du essen, aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen, davon darfst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst, musst du sterben!“ (1 Mose 2,16b-17). Zuvor lesen wir in Vers 9, wie Gott die Bäume des Gartens schuf: „Und der HERR, Gott, ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen, begehrenswert anzusehen und gut zur Nahrung, und den Baum des Lebens in der Mitte des Gartens, und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen.“

Doch leider verführte die Schlange den Menschen zur Auflehnung gegen Gottes Gebot. Mit lügnerischen Worten wandte sich die Schlange in 1. Mose 3,1 an Eva und sagte: „Hat Gott wirklich gesagt: Von allen Bäumen des Gartens dürft ihr nicht essen?“, wobei sie genau wusste, dass Gott dies nicht gesagt hatte. Denn sie sollten nur von einem Baum nicht essen! Eva ging jedoch auf diese verworrenen Worte ein und antwortete: „Von den Früchten der Bäume des Gartens essen wir; aber von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Ihr sollt nicht davon essen und sollt sie nicht berühren, damit ihr nicht sterbt!“ Interessanterweise haben wir eben gelesen, dass eigentlich der Baum des Lebens in der Mitte des Gartens stand. Auch hatte Gott dem Menschen nichts vom Berühren der Früchte des Baumes der Erkenntnis gesagt. Eva geht auf die verdrehten Fragen der Schlange ein und antwortet ebenso merkwürdig, als sei sie durch die Worte der Schlange bereits verwirrt worden.

Nun widerspricht die Schlange Gottes Worten ganz eindeutig: „Keineswegs werdet ihr sterben! Sondern Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses.“ Eva ließ sich von diesen Worten hinreißen und aß, da sie sah, „dass der Baum begehrenswert war, Einsicht zu geben.“ Nachdem auch Adam davon gegessen hatte und Gott sie zur Strafe aus dem Paradies verbannt hatte, sagte Gott: „Siehe, der Mensch ist geworden wie einer von uns, zu erkennen Gutes und Böses.“ Der Mensch hatte also nun tatsächlich die Fähigkeit bekommen, das Gute und das Böse zu erkennen. Und genau hier, mit der Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und des Bösen, begann dieser Konflikt, der sich durch die gesamte Geschichte des Menschen zieht und keine Ende zu nehmen scheint.

Denn leider entschieden und entscheiden sich die Menschen immer wieder genau wie damals Adam und Eva, von dieser Frucht des Baumes der Erkenntnis zu essen. Wenn ich als Historiker in die Geschichte schaue, fallen mir unzählig viele Konflikte ein, die sich auf die Früchte dieses Baumes zurückführen lassen. Gott hat selbst gesagt, dass der Mensch nun das Gute und das Böse erkennen kann, und so essen die Menschen seit Jahrtausenden immer weiter von diesem Baum, der die Menschheit spaltet und entzweit.

Was haben die Früchte dieses Baumes nun mit Spaltung und Entzweiung zu tun? Zunächst müssen wir feststellen, dass dieser Baum nicht „der Baum des Guten und des Bösen“ ist, wie wir es vielleicht unbewusst aus dem Text herauslesen, sondern es ist der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Ich habe mich oft gefragt, woran es liegen könnte, dass Menschen sich in ganz unterschiedlichen Zeiten, in ganz verschiedenen Ländern und Situationen doch immer wieder in relativ ähnlichen Lagern feindlich gegenüberstehen. Irgendwann habe ich verstanden, dass es an den Früchten dieses Baumes liegt. Wenn wir von dessen Früchten leben, werden wir immer zu der einen oder zu der anderen Frucht tendieren.

Dieser Baum und seine Früchte polarisieren, und sie bringen uns in Konflikten immer dazu, uns auf eine Seite zu konzentrieren und für eine Seite Partei zu ergreifen. Wenn wir seine Früchte essen, verlassen und stützen wir uns nicht mehr auf Gott, sondern auf unsere Erkenntnis dieser einen Seite oder Position. Dabei neigen die einen dazu, eher das „Böse“ zu erkennen, während die anderen sich darauf konzentrieren, das „Gute“ zu sehen. Für diese beiden Früchte gibt es in der Geschichte und bis heute unendlich viele Synonyme und Gesichter, aber es bleibt derselbe Konflikt. Daher wollen wir uns diese beiden Früchte im Folgenden etwas näher anschauen.

Menschen, die von diesem Baum eher die Früchte der Erkenntnis des Bösen essen und die deshalb sehr darauf fokussiert sind, das „Böse“ zu erkennen, konzentrieren sich zum Beispiel viel auf Schwierigkeiten und Probleme, sie wollen Bewährtes bewahren, sie sehen den Vorzug des Alten, den man gegen alles Neue verteidigen muss. Es wurden in der Geschichte viele Bezeichnungen für Menschen, die sich von der Frucht der Erkenntnis des Bösen nährten, gefunden. So nannte man sie schon konservativ, nationalistisch, royalistisch, gesetzeskonform, rechts oder was auch immer. Doch erkennen die Menschen nicht, dass hinter all diesen Einzelbezeichnungen, die sie so wichtig finden, immer dieselbe Frucht als Quelle steht.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich darauf konzentrieren, das „Gute“ zu erkennen. Sie setzen sich zum Beispiel sehr für Fortschritt ein, sie wollen dynamisch und frisch sein, für bestimmte Ideale eintreten, ja sogar ein Stück weit rebellisch wirken. Politisch könnte man sie als links, sozialistisch und so weiter bezeichnen. Und genau diese beiden Früchte, die dem Menschen „Erkenntnis“ der einen oder anderen Position verleihen, lassen sich in vielen verschiedenen Situationen wiedererkennen. Dazu ein paar Beispiele.

Kapitel 2: Die Früchte dieses Baumes in der Antike

Schauen wir als erstes in die Zeit des Neuen Testaments, finden wir dort innerhalb des Judentums zwei religiöse Gruppierungen, die aufgrund ihrer religiösen Erkenntnisse stolz bis an den Himmel waren und doch Jesus, ihren Messias, nicht erkannt haben! Die Pharisäer, deren Name wahrscheinlich so viel wie „die Abgesonderten“ bedeutet, legten großen Wert auf das peinlich genaue Einhalten des Gesetzes. Sie waren absolut romfeindlich eingestellt und mieden strengstens jede Form von hellenistischem, also vernunftgeleitetem griechisch-humanistischem Denken. Sie waren quasi die „Rechtgläubigen“ im damaligen Judentum, die meinten, den wahren Glauben gegen alle äußeren Einflüsse verteidigen zu müssen.

 

Ihnen gegenüber standen die weitaus toleranteren Sadduzäer. Sie waren den Römern gegenüber aufgeschlossen und völlig offen für hellenistisches Denken, weshalb sie beispielsweise die Auferstehung der Toten leugneten, da sich diese in ihren Augen nicht rational erklären ließe. Ich überlasse dem Leser, zu erkennen, welche jüdische Partei sich von welcher Frucht ernährte.

Hier sehen wir schon, das große Problem an den Früchten des Baumes der Erkenntnis: Es handelte sich bei den Pharisäern und Sadduzäern eigentlich um jüdische Parteien, die beide zu Gottes Bundesvolk gehörten. Doch waren sie aufgrund ihrer religiösen Erkenntnis des Bösen bzw. des Guten nicht in der Lage, zu sehen, dass Jesus ihr wahrer Erlöser ist. Denn diese Früchte der Erkenntnis ziehen uns immer auf die eine oder andere Seite und sorgen dafür, dass wir den einen oder anderen Standpunkt einnehmen. Wer sich vom Baum der Erkenntnis nährt, wird nicht in der Lage sein, in einem Konflikt oder einer Problemsituation einen neutralen Standpunkt einzunehmen! Durch die Frucht der Erkenntnis der einen oder anderen Seite sind wir nicht mehr in der Lage, die Wahrheit zu erkennen. Denn wir werden zum einen immer parteiisch sein und alles daran messen, ob es zu unserer Position und Seite passt. Und zum anderen lässt uns diese Frucht auch nicht Gottes Perspektive und Wahrheiten erkennen.

Über die Sadduzäer lesen wir in Matthäus 22,23 etwas Interessantes: „An jenem Tag kamen Sadduzäer zu ihm, die da sagen, es gebe keine Auferstehung.“ Hier steht nicht, dass die Sadduzäer nicht glauben, dass es keine Auferstehung gebe, sondern dass sie es nur sagen. Dies ist sehr aufschlussreich. Glauben ist nämlich eine persönliche Sache, die im Herzen eines jeden Menschen geschieht. Aber man kann durchaus, wenn man zu einer bestimmten Gruppe gehört, durch die Frucht der Erkenntnis in seinem Verstand sagen, dass man dieses oder jenes für wahr hält. Dadurch, dass man sich auf eine bestimmte Seite stellt, übernimmt man automatisch deren Grundlagen und ist nicht mehr neutral und entscheidet in bestimmten Punkten auch nicht mehr selbst. Man wird im wahrsten Sinne des Wortes „betriebsblind“.

In Apostelgeschichte 23,6-7 nutzt Paulus diesen Konflikt zwischen Pharisäern und Sadduzäern sehr geschickt. Er steht dort vor dem Hohen Rat, um sich zu verteidigen, nachdem die Juden ihn beschuldigten, einen Aufruhr angezettelt zu haben. Doch Paulus „wusste, dass der eine Teil von den Sadduzäern, der andere aber von den Pharisäern war,“ und nutzte diese Situation und rief mitten in den Hohen Rat: „Ich bin ein Pharisäer, ein Sohn von Pharisäern: wegen der Hoffnung und Auferstehung der Toten werde ich gerichtet.“ So kam es, wie es kommen musste. Obwohl sie eigentlich alle gegen Paulus waren und ihn verurteilen wollten, weil er von einem Verfolger zu einem Anhänger und Prediger von Jesus geworden war, „entstand ein Zwiespalt unter den Pharisäern und Sadduzäern, und die Menge teilte sich.“ Paulus drückt auf dieses Knöpfchen und schon geht es nicht mehr um Paulus oder darum, die Wahrheit herauszufinden, sondern jeder handelt nur noch entsprechend der Seite, für die er sich entschieden hat. Auf einmal ist Paulus für die Pharisäer sogar unschuldig!

Wir bleiben für ein weiteres Beispiel in der Zeit der Antike. Auch innerhalb der römischen Gesellschaft gab es zwei gegensätzliche philosophische Richtungen. Auf der einen Seite standen die Stoiker. Sie legten Wert auf eine strenge, ja geradezu asketische Lebensführung. Das Idealbild dieser Philosophie ist der stoische Weise, ein Mensch, der von keinen Affekten (Gefühlen) beherrscht wird, die völlige Seelenruhe erlangt hat und auch die Furcht vor dem Tod besiegen kann. Die Stoiker hatten eine sehr lebensverneinende Sicht auf die Welt, denn sie aßen von der „Frucht des Bösen“ und waren in ihrer Strenge zu sich selbst gnadenlos.

Demgegenüber standen die Lehren des Philosophen Epikur. Während der Stoiker versuchte, sich permanent selbst zu verleugnen, war das Ziel eines Epikureers der maximale Lustgewinn. Gemeint war damit aber nicht ein ausschweifender oder habgieriger Lebensstil. Lust gewinnt man laut Epikur zum Beispiel dadurch, dass man Freunden beisteht oder anderen Menschen hilft. Ein wichtiges Ziel im Epikureismus ist es auch, sich die Welt mit Hilfe des eigenen Verstandes zu erschließen, sodass man keine Angst mehr vor dem Handeln der Götter – etwa durch schlimme Naturkatastrophen oder plötzliche Krankheiten – haben muss. Die Epikureer waren also viel mehr daran interessiert, das „Gute“ zu entdecken, als sich vor den Übeln der Welt zu schützen, wie es bei den Stoikern der Fall war.

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