Dorfgeschichten und mehr ...

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Manfred Wiedemann

DORFGESCHICHTEN UND MEHR ...

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Lektorat: Simone Sichert

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Dorfgeschichten

Das unverdiente Ei

Polizeistunde

Fünf Mark für ein „Vater unser“

Aus Erfahrung wird man klug

Die Rechnung

Der Heele-Babba

Der Fischer-Gidel

Ein Mann mit Charakter

Des Pfarrers Würste

Das Corpus Delicti

Jagdgeschichten

Ein neuer Jagdpächter

Der gesunde Fuchs

Der Weimaraner

Leo, eine Hundepersönlichkeit

Mein bester Bock

Der unsterbliche Hase

Merkwürdiges

Die Festrede

Die Liebe geht durch den Magen

Verschmähte Liebe

Ein armer Junge erzählt aus seiner Kindheit

„Wella-Heckel“

Tierisches

Das Kuckucksei

Das Ende von einem stolzen Hahn

Das Schwein

Die dumme Kuh

Unglücklicher Regenwurm

Das Märchen von Igel und Hase

Meine Zeit bei der Marine

Grundausbildung

Marineschule

Zerstörer 5

Kartoffeln schälen

Sturmflut 1962

Ende der Karriere

Mützenwechsel

Jimmy

Schrat

Ein neues Kommando

Marineinfanterie

Strafwache

Ende der Dienstzeit

Heimweh nach Glückstadt

Glück im Unglück

Zum Geburtstag

Die „Sieben“

Liebesgeschichte

Die Blonde vom Campingplatz

Glaubenssache

Das Wunder Gott

Theater

Der amerikanische Architekt

Weihnachtsgeschichten

Weihnachten ohne Tannenbaum

Das Krippenspiel

Endnoten

Dorfgeschichten
Das unverdiente Ei

In einer armen Arbeiterfamilie lebten neben den Eltern sechs Kinder. Es war nicht immer einfach, für alle ein ausreichendes und dazu noch schmackhaftes Mal zu bereiten. Aber die Frau des Hauses verstand es, mit dem wenigen, was sie hatte, die Familie zu ernähren. Besonders sonntags gab es dann „Hasenbraten“, der natürlich aus dem Kaninchenstall stammte. Dazu gab es Kartoffelknödel und Salat aus dem eigenen Garten. Aber auch bei der Zubereitung des billigsten Essens entstanden Abfälle, die aus Kartoffelschalen, Salatblättern und Ähnlichem bestanden. Es war aber nicht so, dass diese Abfälle weggeschmissen wurden, nein, diese Abfälle waren immer noch wertvoll genug, um sie den Schweinen eines kleinen Bauern, der in der Nähe sein Anwesen hatte, zu verfüttern.

Diese Abfälle aber wurden in einem kleinen Eimerchen gesammelt und damit zu dem Bauern gebracht. Als Lohn für dieses Schweinefutter bekam das Kind dann ein Ei geschenkt, das für die Familie ja auch wieder sehr wertvoll war. Mit diesem Ei aber hatte es seine eigene Bewandtnis. Eines der Kinder, meistens das Jüngste, hatte die Aufgabe, diesen Botendienst zu vollbringen. Und dann begann es. Der Bauer leerte das Eimerchen und kam mit dem besagten Ei zu dem Kleinen zurück. Leider gab er es nicht sofort dem Kind, denn er erwartete dafür einen berechtigten Dank. Der Kleine wollte das Ei in Empfang nehmen, das ihm der Bauer vor die Nase gehalten hatte und sagte artig „Danke“. Dem Bauern aber gefiel diese Art des Dankes gar nicht, denn er erwartete, wie es seine katholische Religiosität verlangte, ein „vergelt’s Gott“. Dieses Spiel wiederholte sich dreiviermal, aber der Bauer erhielt immer wieder nur ein „Danke“, wie es der Bub von seiner Mutter gelernt hatte.

Zwischendurch erklärte der Bauer dem Knaben, dass der ein ganz „nichtsnutziger Kerl“ sei, und dass er ihm schon noch beibringen würde, was dieser zu sagen habe. Der Kleine aber blieb bei seinem „Danke“, auch wenn ihm das Bäuerlein drohte, dass er so nicht in den Himmel kommen könne. Der aber dachte, dass er auf den Himmel verzichten würde, schließlich könne es ja sein, dass man da oben auch „vergelt’s Gott“ sagen müsse und ein solcher Himmel hatte seinen Reiz für ihn verloren.

Am Ende aber bekam er doch sein unverdientes Ei, auch wenn der Bauer behauptete, dass dies das letzte Ei sei, das er bekomme. Aber unser kleiner Held wusste: Das nächste Mal würde er wieder sein Ei bekommen, auch wenn dabei dasselbe Spiel ablaufen würde. Er hätte zwar am liebsten auf das Ei verzichtet, fürchtete aber das Gejammere seiner Mutter und stand deshalb die Tortur einfach durch.

 

Polizeistunde

Am Stammtisch einer Dorfwirtschaft saßen vier Herren und spielten Schafkopf. Zwei der Männer waren Bauern, der Dritte der Dorfschmied. Vervollständigt wurde die Runde durch den Wirt, der in Ermangelung weiterer Gäste nichts zu tun hatte und deshalb gerne den vierten Mann abgab. Die Stimmung war gut und man spielte seit dem frühen Abend. Und weil es heute gerade so schön war, dehnte sich die Sache bis nach Mitternacht aus.

Es gab damals im Freistaat Bayern ein Gesetz, das besagte, dass früh um ein Uhr jede Gaststätte zu schließen habe, im Volksmund die „Polizeistunde“ genannt.

Und weil die Stimmung so gut war, spielte man weiter, denn eine Polizeikontrolle war nicht zu erwarten – schon Jahre lang hatte es so etwas nicht mehr gegeben. Inzwischen war es morgens vier Uhr geworden und man dachte noch immer nicht ans Aufhören. So mancher Krug wurde noch gefüllt und so manches Solo gespielt. Da gerade die vier ihre Maßkrüge wieder geleert hatten, stand der Wirt auf, um diese erneut mit Gerstensaft zu füllen. Plötzlich ging die Tür auf und zwei Gendarmen in grüner Uniform betraten den Raum. Mit der Frage, warum hier noch Gäste seien, glaubten sie, ein paar „Sünder“ erwischt zu haben und wollten den Vieren ein Verwarnungsgeld aufbrummen. Aber alle vier behaupteten, dass sie schon lange nichts mehr trinken würden, und sie wären gerade dabei, aufzubrechen. Am Tisch stand ja nicht ein einziges Getränk – die Krüge hatte der Wirt, wie bereits gesagt, an der Theke gerade wieder gefüllt. Nun meinte einer der Ordnungshüter, er sehe das wohl. Er sehe aber auch, dass der Wirt die Krüge eben neu gefüllt habe. Da hatte er aber im wahrsten Sinne des Wortes die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Dieser erklärte nämlich allen Ernstes, dass diese vier Maß für ihn bestimmt seien. Er nehme das Bier mit in sein Schlafzimmer, denn er bekäme in der Nacht häufig einen unglaublichen Durst.

Nun, das Gegenteil konnten ihm die Staatsdiener nicht beweisen, auch wenn die Sache offensichtlich eine Ausrede war.

Fünf Mark für ein „Vater unser“

Ein Junge im Alter von etwa neun oder zehn Jahren schlenderte die Straße entlang. Plötzlich sah er ein Auto kommen, was damals noch eine Seltenheit war. Zu seinem Erstaunen hielt dieses Auto auch noch neben ihm an. Der Fahrer winkte ihn zu sich. Neugierig und zugleich ängstlich kam der Kleine näher. Zu seiner Überraschung fragte ihn der Mann, ob er sich fünf Mark verdienen wolle. Fünf Mark waren in den Fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts für einen kleinen Buben ein Vermögen. Er fragte also den Herrn, was er dafür tun müsse. Dieser zeigte ihm ein Bündel Flugblätter und erklärte dem Knaben, dass er diese austragen müsse. Er solle von Haus zu Haus gehen und überall so ein Blatt einwerfen. Der Kleine überlegte nicht lange, er dachte an das viele Geld und sagte bereitwillig zu, auch wenn das Austragen eine Riesenarbeit war. Der Mann übergab dem Buben die Flugblätter und gleichzeitig einen Fünfmarkschein. Er ermahnte den Knaben noch einmal, dass dieser ja in jedes Haus einen solchen Zettel bringen müsse und fuhr von dannen.

Nun begann der Junge seine Zettel auszuteilen, ganz brav in jedes Haus einen. Er hatte wohl etwa zwanzig Zettel verteilt, da näherte er sich einer Brücke, die über einen kleinen Fluss führte. Gleichzeitig kam ihm ein Bauer auf seinem Fahrrad entgegen. Der hielt an, fragte den Bub, was er denn mache, und dieser erzählte dem Mann, was er zu tun habe und wie er zu diesem Auftrag gekommen war. Der Bauer fragte, ob er seinen Lohn schon erhalten habe, was der Kleine bejahte. Das wäre ja gut, meinte der Bauer, dann solle der Bub doch die restlichen Zettel in den Fluss werfen, denn wenn er alle Flugblätter in dem großen Dorf verteilen würde, wäre er damit morgen noch nicht fertig. Da wurde unser kleiner Held nachdenklich. Sicher hatte der Mann recht, denn in seiner Hand befand sich noch eine Unzahl von Zetteln. Er fragte deshalb den Landwirt, ob es nicht eine Sünde wäre, was dieser ihm empfohlen habe. Der meinte, eine Sünde sei das schon, aber er könne die Sache ja beichten. Darauf meinte der Kleine, dass er dann sicher eine riesige Buße vom Pfarrer aufgebrummt bekäme. Der Bauer entgegnete ihm, der Bub müsse dafür höchstens als Buße ein „Vater unser“ mehr als sonst beten. Das leuchtete dem Knaben ein und er dachte, dass fünf Mark gegen ein „Vater unser“ kein schlechter Tausch wäre.

Er nahm das Bündel Flugblätter und warf es in den Fluss.

Aus Erfahrung wird man klug

Ein junger Mann war in einen Ort zugezogen und war mit seinem Auto auf dem Weg von seinem Arbeitsplatz, der nur ein paar Kilometer entfernt war, nach Hause. Er kannte fast niemanden in dem Ort und er selbst war natürlich auch unbekannt. Da sah er auf der Straße eine alte Frau gehen, die offenbar auf dem Weg zur Kirche war. Ihrer Kleidung nach zu urteilen war sie wohl eine alte Bäuerin. Der junge Mann hielt an und fragte die Alte, ob sie mitfahren wolle? Zu seiner Überraschung stieg sie sofort in sein Auto ein und freute sich offensichtlich über diese Mitfahrgelegenheit.

Darauf entspann sich folgendes Gespräch: „Was sind denn Sie für a Herr, dass Sie mich in Ihrem schönen Auto mitnehmen wollen? Gell, Sie tun mir nix!“

Der Fahrer antwortete: „Natürlich tue ich Ihnen nichts; ich habe mir gedacht, dass Sie wahrscheinlich auf dem Weg zur Kirche sind und da habe ich halt angehalten. Sie wollen doch zur Kirche, oder?“

„Ja, ja i möcht schon in die Kirche und das Laufen fällt mir halt auch langsam schwer – gehen Sie o in d’Kirch?“, war ihre Antwort.

„Nein, in die Kirche gehe ich nicht, ich bin jetzt müde und auf dem Weg nach Hause und ich nehme gern ältere Leute, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, mit.“ Die Alte überlegte ein wenig und sagte dann: „I woiß scho, die junge Leut wollen gar nimmer in d’Kirch geha. Aber was sind denn Sie für a Herr, i hab Sie noch nie g’seha?“

„Das glaube ich Ihnen gerne“, war die Antwort, „ich bin auch erst seit ein paar Wochen hier, deshalb kennen Sie mich nicht. Ich habe bisher in Hamburg gearbeitet“ Die Frau antwortete: „Ja mei, heutzutag hat halt jeder Depp ein Auto!“

Der junge Mann hat darauf nie wieder ein alte Frau in sein Auto eingeladen.

Die Rechnung

Er arbeitete an einem Angebot für einen großen Auftrag und war froh, weil ihn weder Telefon noch jemand aus der Werkstatt störte. Da klopfte es an der Bürotür. Nach einem unwilligen „Herein!“ betrat ein Bauer den Raum. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.

„So, Moister, hosch grad nix zum toa, na da komm i ja grad recht.“ Am liebsten hätte dieser den Mann gleich wieder rausgeschmissen, da er aber ein höflicher Mensch war, beherrschte er sich und fragte ihn nach seinem Wunsch. Weitschweifig erkundigte der sich nach der Auftragslage und auch nach dem persönlichen Wohlergehen. Der aber bedeutete ihm, dass er wenig Zeit habe, und der Bauer solle zur Sache kommen. Dieser meinte, mit dessen Arbeit könne es nicht so weit her sein, wenn er so gemütlich hier im Büro sitze. Jener aber verzichtete darauf, dem Kunden zu erklären, dass gerade diese Büroarbeit eine wichtige Aufgabe sei und sagte nur, er solle zur Sache kommen. Dieser erklärte ihm dann umständlich, er habe eine Jauchepumpe mit einem großen Motor und diese Pumpe funktioniere nicht. Warum er damit nicht zu seinem Hauselektriker gehe, fragte der Meister ihn, denn für solche Angelegenheiten sei seine Firma nicht zuständig. Darauf erzählte der Bauer ihm, er sei bei dem schon gewesen. Der hätte ihn aber an ihn verwiesen, denn für den sei die Sache zu schwierig. Und er, der Meister sei doch ein Spezialist, und er solle doch schnellstens zu ihm auf den Hof kommen, er brauche diese Pumpe dringendst wieder, weil ihm sonst die Gülle überlaufe. Der Meister hatte aber keine Lust, an einer Jauchegrube zu arbeiten und sagte ihm, er solle die Pumpe ausbauen und in seine Werkstatt bringen. Hier hätte er die entsprechenden Messgeräte, um den Motor zu überprüfen. Er müsse sie aber vorher gut reinigen, denn den Gestank dieses Gerätes könne er in seiner Werkstatt nicht brauchen. Natürlich würde er das machen, wenn seine Leute so ein feines Näschen hätten, dann müsse er die Pumpe halt sauber machen. Endlich war der Bauer bereit zu gehen, nicht ohne vorher auf die Dringlichkeit seines Auftrages hinzuweisen.

Der Meister hatte schon gehofft, die Sache sei erledigt, aber nach drei Tagen kam der ungeliebte „Kunde“ mit dem stinkenden Ding an. Er hatte die Pumpe tatsächlich ziemlich sauber gemacht, aber der Gestank war wohl nicht wegzukriegen. Damit er das Gerät wieder schnell loswurde, ging der Meister sofort daran, den Motor zu überprüfen. Einen Fehler konnte er aber nicht feststellen, deshalb sagte er dem Bauern am Telefon, er könne die Pumpe wieder abholen und er solle in seinem Sicherungskasten die Sicherungen überprüfen. Wie der ihm später erklärte, war tatsächlich eine Sicherung durchgebrannt und damit war der Schaden behoben.

Die Überprüfung hatte etwa eine Stunde gedauert, ein Lehrling ging ihm dabei zur Hand. Er schrieb dem Bauern also eine Rechnung über eine Stunde für Meister und Lehrling und der wäre damit gut weggekommen, dachte er sich, auch wenn er die Sache billiger hätte haben können. Der Meister hatte aber die Rechnung ohne den Bauern gemacht, denn ein paar Tage nach dem Erhalt derselben kam dieser ins Büro gestürzt, fragte, ob der bei Sinnen wäre, ihm eine Rechnung zu schreiben, denn an dem Motor hätte schließlich nichts gefehlt. Der Meister versuchte ihm zu erklären, dass er trotzdem eine Stunde Zeit für die Überprüfung gebraucht hätte und damit halt eine Rechnung anfalle. Der „Kunde“ aber meinte, dass er für eine unnötige Arbeit nichts bezahlen würde und der Meister könne sich die Rechnung auf den Hut stecken. Darauf nahm der die Rechnung und zerriss sie. Gleichzeitig erklärte er dem Bauern, der solle nie wieder zu ihm kommen, auch wenn er in seiner Gülle stehe und die Jauche ihm bis zur Oberkante seiner Unterlippe reiche.

Der Heele-Babba

Ich weiß nicht, wie der Mann hieß, nennen wir ihn einfach Josef Schmied. Wir Kinder nannten ihn nur den Heele-Babba. Fast jedes Haus in unserem Dorf hatte einen Hausnamen. Und sein Hausname war eben beim „Heele“. Er hauste mit seiner Mutter zusammen mehr schlecht als recht in einem uralten, kleinen Bauernhaus. Aber wir Kinder glaubten, die beiden seien ein Ehepaar, denn man konnte ihn leicht für gleichaltrig mit seiner Mutter halten. Er war wohl damals etwa fünfzig Jahre alt und die Mutter? Nun, man kann sich ausrechnen, wie alt die sein musste.

Ich habe nie ein Wort mit diesem Mann gesprochen, ich glaube, er war ohnehin recht wortkarg. Natürlich grüßten wir ihn mit einem eher schüchternen „Grüß Gott“, aber das war es dann auch. Er war uns Kindern gegenüber nicht unfreundlich, aber auch nicht freundlich, ich würde ihn als gleichgültig den Kindern gegenüber bezeichnen. So weit ich weiß, ging er auch nicht in ein Gasthaus. Sein Einkommen erlaubte dies wahrscheinlich nicht, auch wenn er das gewollt hätte.

Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit der spärlichen Ernte seines Anwesens. Und wie spärlich das war, konnte man daran sehen, dass er sein bischen Getreide mit der Hand drosch. Er tat das aber nicht wie früher üblich mit einem Dreschflegel. Nein, er kniete in seiner Tenne vor dem Ährenbündel nieder und schlug mit einem Knüppel darauf. Hatte er dann das Bündel leer gedroschen, stand er auf, holte eine neue Garbe und das Spiel begann von vorne. Man kann sich also denken, dass der Ertrag mehr als bescheiden war. Doch es reichte offensichtlich gemeinsam mit der Milch von zwei mageren Kühen, die er auch noch vor den Wagen spannte, zum Überleben der beiden.

Aus der Erzählung meiner Mutter weiß ich, dass der Heele-Babba auch schon mal ans Heiraten gedacht hatte. Doch sein Vater, den ich nicht mehr kannte, machte ihm einen Strich durch diese Rechnung. Er war ungefähr vierzig Jahre alt, als er den Wunsch zum Heiraten seinem Vater vorbrachte. Dieser aber meinte, dass es schon richtig wäre, wenn sich ein Mann ein Weib nehme, aber dafür sei der Josef noch zu jung. Seinem Vater aber zu widersprechen kam dem Sohn nicht in den Sinn.

 

Und so blieb er halt Junggeselle und war für uns Kinder trotzdem Vater. Nicht dass er ein uneheliches Kind hatte. Nein, er war halt der Heele-Babba.

Der Fischer-Gidel

Egidius Meier hatte ein kleines landwirtschaftliches Anwesen, das er gemeinsam mit seinem Bruder Josef bewirtschaftete. Dieser Bauernhof war so klein, dass er auch in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg nur Leute ernähren konnte, die wohl ewige Armut gelobt hatten. Die Beiden waren Junggesellen und der Bruder verdiente nebenher ein paar Mark durch den Mesnerdienst in der hiesigen Pfarrkirche. Dafür hatte er einen wunderschönen Blumengarten angelegt.

Der Gärtner Gidel, wie er überall genannt wurde, hatte aber auch das Fischrecht in dem kleinen Flüsschen, das durch die Ortschaft ging. Es war sicher nicht so, dass er dadurch reich wurde. Doch er war ein gern gesehener Mann und bei Jung und Alt beliebt. Nur bei seiner Fischerei kannte er keinen Spaß.

Es war für die Jugend üblich, dass man in besagtem Flüsschen badete. Das Wasser war meist nur kniehoch und es lud die Buben geradezu ein, unter den Weidenbüschen am Ufer nach Fischen zu suchen. Manche dieser Burschen entwickelten dabei eine erstaunliche Geschicklichkeit und holten so manchen Fisch aus seinem Versteck. An einem schönen Sommertag waren drei dieser Knaben recht erfolgreich; sie hatten wohl schon ein Dutzend dieser Tiere gefangen. Plötzlich rief einer: „Der Gidel kommt!“ Man warf die Beute schnell zwischen die Beete eines angrenzenden Kartoffelackers und zeigte sich recht unschuldig als Badende. Der Gidel, der den Knaben aufgrund ihres Alters das Fischen nicht zutraute, fragte nur, ob sie niemand gesehen hätten, der hier fischte? Die prompte Antwort war: „Ja, da seien ein paar Burschen weiter unten am Fluss und die wären wohl aus dem Nachbarort, denn sie hätten keinen davon gekannt!“

Der Gidel, ein drahtiger sechzigjähriger Mann rannte los, mit einem Tempo, das ihm wohl niemand zugetraut hätte, um die Fischräuber zu erwischen. Leider war die Jagd nach den Wilderern vergebens, er hatte begreiflicherweise niemand gefunden. Als er ein wenig atemlos zurückkam, ermahnte er die Knaben, nur recht aufmerksam zu sein und ihm sofort zu melden, wenn sie jemanden beim Fischen sähen. Auch heute habe ihm ein wachsamer Bub die Sache gemeldet. Jeder, der ihm einen solchen Strolch melden würde, bekäme von ihm ein paar Fische.

Die Burschen wussten nun, dass es einen Verräter gab und wurden dadurch noch vorsichtiger.