Little Pearl

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Aus der Reihe: Little Pearl #2
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»Ich bin nicht er.«

»Nein, bist du nicht, aber das macht keinen Unterschied.«

Evan und Beziehung? Auf keinen Fall.

Evan und Familie? Unmöglich.

Er hält nichts von ernsthaften Bindungen, er hat der Liebe abgeschworen. Nur so bleibt er vor größerem Verlust verschont. Das dachte er sich zumindest, bis ihm Avery gegenübersteht.

Avery, die das letzte Jahr durch die Staaten gereist war, um zu vergessen und um die schrecklichen Bilder ihrer Vergangenheit aus dem Kopf zu streichen, hat in Little Pearl endlich das Gefühl, angekommen zu sein. Und als sie dann noch Evan über den Weg läuft, erscheint es ihr, als würde sie wieder zu leben beginnen.

Doch kann sie über ihren Schatten springen und Evan in ihr Herz lassen?

Widmung

Für alle Averys und Evans da draußen.

Kapitel 1

Evan

Heilige Scheiße, mein linkes Auge ist praktisch zugeschwollen, ich kann im Moment nichts damit sehen. Dylan konnte zwar nur einen Haken landen, dafür aber einen recht schmerzhaften. Ihm dürfte jedoch viel mehr wehtun. Am liebsten hätte ich noch länger auf ihn eingeprügelt. Für das was er meiner Schwester angetan hat, waren meine Schläge verhältnismäßig milde. Wenn er nicht wie ein Schlappschwanz auf dem Boden gelegen hätte, nachdem ich ihm die Faust ins Gesicht gerammt hatte, würde er wahrscheinlich die nächsten Tage nicht mehr auf seinem Arsch sitzen können.

Cécile ist fast durchgedreht, als ich vorhin bei ihr war und sie erfahren hat, dass ich mich mit Dylan geprügelt habe. Wenn ich ehrlich bin, habe bloß ich auf ihn eingedroschen, während er nicht mal seine Hände zum Schutz gehoben hat. Unglaublich aber wahr, Cee hat sogar noch ihren Ex in Schutz genommen. Sie meinte, er hätte ihr nicht extra wehtun wollen.

Gott, wie kann sie nur so blind sein?! Allerdings dachte auch ich für eine kurze Zeit, Dylan wäre ganz in Ordnung. Er ist im Grunde genommen ziemlich witzig und klug, und versteht sein Handwerk. Dennoch, allem Anschein nach sollte man doch dem ersten Eindruck mehr Beachtung schenken.

Ich schleudere mein New York Yankees Cap zur Seite. Eigentlich habe ich auf die Couch gezielt, allerdings ist er knapp über die braune Kiste geflogen, die als Tisch dient, und zwischen ihr und der Couch zu Boden gesegelt. Statt ihn aufzuheben, gehe ich in die Küche, die gleich links neben dem Eingang ist, um mir ein Bier aus dem fast leeren Kühlschrank zu holen. Wäre vielleicht wieder mal an der Zeit einkaufen zu gehen.

Ich lehne mich an die weiße Arbeitsfläche und drehe den Kronkorken ab. Nachdem ich einen tiefen Zug genommen habe, halte ich mir die Flasche ans blaue Auge, um es zu kühlen. Das Veilchen wird Morgen bei der Arbeit nicht gerade einen guten Eindruck machen. Tja, auch egal. Jemand musste ja Dylan zeigen, dass man so wie er, meine Schwester nicht behandelt.

Nach einem weiteren Schluck schüttle ich den Kopf. Ich bin noch immer fassungslos, und das alles nur wegen diesem Scheißkerl Dylan. Ich muss mich irgendwie auf andere Gedanken bringen, Dampf ablassen. Ich kann nicht ständig an meine Schwester und an ihren verletzten Gesichtsausdruck denken.

Mein Handy steckt in meiner hinteren Jeanstasche, das ich jetzt hervorhole. Als ich das Display entsperrt habe, rufe ich meinen Freund Gordon an, mit dem ich schon seit der Highschool abhänge. Nach mehrmaligem Klingeln kommt die Mailbox. Ich hasse es draufzusprechen. Heute mache ich jedoch eine Ausnahme. »Hey, wo steckst du? Kommst du später ins Blue? Ich mach mich in wenigen Minuten auf den Weg.« Ohne Verabschiedung drücke ich auf auflegen und schmeiße das Telefon auf die Arbeitsfläche neben den Kühlschrank.

Mit der halbleeren Bierflasche gehe ich ins Bad und mache die Dusche an. Meine Wohnung ist kein Palast, sie hat bloß zweieinhalb Zimmer, dafür liegt sie an der beliebten Main Street von Little Pearl, und über meinem Fitnessstudio. Mehr brauche ich im Moment auch nicht, so wenig wie ich Zuhause bin.

Mein geschwollenes Auge schmerzt, als mir Seife übers Gesicht läuft. Ich ziehe scharf die Luft ein. Ich muss zugeben, Dylan hat einen harten rechten Haken. Wie würde ich wohl aussehen, wenn er sich gewehrt hätte? Ich denke besser nicht darüber nach, wie ich aussehen und mich fühlen würde, hätte er ein paar Mal richtig zugeschlagen.

Trotzdem frage ich mich immer wieder, warum er nicht seine Fäuste benutzt hat, um sich zu wehren. Warum er es sich gefallen ließ, wie ich auf ihn losgegangen bin. Doch dann sehe ich Cécile, und wie sie wegen ihm leidet. Und mein schlechtes Gewissen verpufft so schnell, wie es aufgetaucht ist.

Kurze Zeit später bin ich bereit, mich amüsieren zu gehen. Wer weiß, wenn ich eine gute Story wegen meinem blauen Auge erfinde, hat möglicherweise eine scharfe Braut Mitleid mit mir. Wenn ich es mir genau überlege, brauche ich gar nichts zu erfinden. Manche Frauen mögen es, wenn sich Männer prügeln.

Gerade als ich nach dem Smartphone greifen und in meiner Hosentasche verstauen will, taucht eine Nachricht von Kyle auf. Mein zweitältester Bruder will wissen, was ich heute noch für Pläne habe. Sein Date ist scheinbar ins Wasser gefallen.

Statt ihn anzurufen, texte ich ihm kurz, dass ich auf dem Weg ins Blue bin. Ich mag meinen Bruder - ich korrigiere mich: Ich mag meine Brüder. Leider leben mein ältester und mein jüngster in New York, sodass wir uns etwa bloß einmal im Monat sehen. Nur werden die Abstände zwischen ihren Besuchen hier meiner Ansicht nach immer größer. Coben, der älteste von uns Johnsons, ist wegen seiner Freundin weggezogen und Chase macht sein Medizinstudium dort.

Wenigstens machen Kyle und ich ziemlich oft was zusammen. Er arbeitet als Zimmermann und kommt regelmäßig in mein Fitnessstudio. Ich habe ja schon dicke Oberarme, aber der, der hat noch ein paar Zentimeter mehr.

Ich bin noch nicht mal in meinem Chevy, da meldet sich Kyle mit einem blinzelnden Smiley und Daumen hoch.

Das Blue ist ein angesagter Club in der Gegend. Eigentlich ist es nicht so mein Ding, den ganzen Abend Bumm-Bumm-Musik zu hören, aber es gibt da ziemlich heiße Mädels, die nur darauf warten, von einem Gentleman wie mir angebaggert zu werden. Ja, genau, ich kann ein wahrer Gentleman sein. Zumindest für eine Nacht.

Der Türsteher lässt mich gleich rein, als ich vor ihm stehe. Er ist ein guter Kunde von mir und wir trainieren ab und zu miteinander.

Ich suche den Club nach bekannten Gesichtern ab. Doch das Einzige, was mir ins Auge springt, sind die halbnackten Weiber auf der Tanzfläche. Ich lehne mich an die Theke und schaue zu, wie sie sich zur Musik bewegen. Wie sie ihre Hüften schwingen und ihre langen Beine zeigen. Eine süße Blondine in einem kurzen engen Kleid streckt ihre Hände in die Höhe, wobei ihr schier die Airbags aus dem Ausschnitt kullern.

»Was darf’s sein?«, fragt mich der Barkeeper, womit er zu meinem Missfallen mein Spannen unterbricht. Es wurde gerade interessant.

»Ein Bier.« Gleich darauf schiebt mir der Typ hinter der Theke eine Flasche zu und ich ihm einen Zehndollarschein. Ich drehe mich wieder zur Tanzfläche, um mich umzusehen. Um mich wieder der Blondine zu widmen.

»Hey, Kumpel.«

Ich verschütte fast mein Bier, als ich von hinten angerempelt werde. Ich balle schon meine Faust, um dem Kerl, der es gewagt hat, mich zu stoßen, eine reinzuhauen. Mann, bin ich noch immer aufgeladen. Normalerweise bin ich nicht der, der gleich zuschlägt oder auf andere losgeht. Doch scheinbar habe ich Mühe damit, die Wut auf Dylan niederzukämpfen. Ich brauche unbedingt eine scharfe Ablenkung.

Als ich mich umdrehe, stehen Gordon und Kyle mit einem frechen Grinsen vor mir. Gordons blauen Augen funkeln amüsiert. Er begrüßt mich mit einem kumpelhaften Schulterklopfen. »Wir könnten noch lange in der Ecke da hinten stehen«, Gordon zeigt nach rechts, wo sich ein paar einzelne Tische befinden, »du hättest uns morgen noch nicht gefunden, so sehr warst du mit glotzen beschä-«

»Wow, was hast du denn da für ein Veilchen eingefangen?«, unterbricht Kyle meinen Freund. »Warst du mal wieder auf eine Schlägerei aus?« Mein Bruder, der wie ich Einsneunzig groß ist, verzieht seinen linken Mundwinkel zu einem fiesen Schmunzeln. »Tut es sehr weh?«, fragt er in leicht spöttischem Ton.

Bevor Kyle mit einem ausgestreckten Finger mein blaues Auge berühren kann, schlage ich seine Hand weg. »Du kannst auch gleich eins haben, wenn du willst.«

Uns haben schon viele für Zwillinge gehalten, was ich für totalen Schwachsinn halte. Zwar haben wir beide ein kantiges Gesicht und schwarze Haare, doch seine Augen sind milchschokoladenbraun, während meine irgendwas zwischen schwarz und braun sind.

»Warum sieht dein Gesicht aus, als wärst du direkt in eine geballte Faust gelaufen?«

»Na darum«, sage ich schulterzuckend.

Kyle stupst mich mit dem Ellbogen. »Na komm, sag schon.«

Obwohl Dylan eine weitere Abreibung verdient hätte, braucht er nicht auch noch Kyles Zorn zu spüren. Cee würde uns zum Teufel jagen. Ich muss mir also schnell etwas überlegen. Dummerweise bin ich nicht gerade ein Hirsch in Ausreden erfinden. »Die Faust war eine Hantel. Als ich mich aufrichten wollte, hat neben mir gerade einer meiner Kunden eine Hantel gesenkt.«

Schallendes Gelächter bricht aus. War ja klar.

Gordon krümmt sich vor Lachen, weshalb ich ihm eins an den Dutt haue. Er macht praktisch jede Trendfrisur mit. Momentan ist es der Samurai Bun. Seine dunkelblonden Haare sind an den Seiten kurz rasiert, die oberen hat er am Hinterkopf zu einem strengen Knoten gebunden.

»He, lass meine Frisur.« Gordon greift sich an den Kopf, um seine Haare zu richten.

 

»Selber schuld, du brauchst ja nicht so dämlich zu gackern.«

»Und du solltest vielleicht etwas vorsichtiger sein. Wäre wahrscheinlich besser, wenn du von jetzt an mit einem Helm rumlaufen würdest. Nicht, dass du morgen wieder gegen eine Hantel läufst.«

»Du bist so ein Arsch«, sage ich knapp und lege die Bierflasche an meinen Mund, um einen tiefen Zug zu nehmen.

»Nicht wahr?«, fragt er sarkastisch. »Besonders, nachdem ich mitten in der Nacht eurer Schwester zu Hilfe eilte, weil ihr Auto liegengeblieben ist.«

Vor zwei Tagen wollte Cee zu Dylan. Auf dem Weg zu ihm hat ihr alter Toyota den Geist aufgegeben. Gordon betreibt eine Autowerkstatt und hat einen Abschleppdienst, weshalb ich ihn gebeten habe, meiner Schwester zu helfen.

»Das ist dein Job.«

»Natürlich«, meint er mit einem Augenrollen. »Hat sich Cécile schon überlegt, was sie wegen dem Auto machen will?«

»Sie überlegt sich ein Neues zu kaufen. Wir werden morgen bei dir vorbeischauen. Reparieren hat ja keinen Zweck mehr, oder?«

»Nicht wirklich. Ein Gebrauchtwagen wird nicht viel teurer kommen, als wenn ich ihr die Klapperkiste wieder zum Laufen bringen würde. Ich habe da etwas, was ihr gefallen könnte. So wie ich sie kenne, will sie wieder etwas Ähnliches. Diese Krankheit muss sie von dir haben.«

Wie recht Gordon damit hat. Cee und ich teilen die Leidenschaft für alte Autos. Obwohl ... während ihre eher auf den Schrotthaufen gehören, ist mein Baby ein richtiges Schmuckstück. Und wenn meine Freunde und Brüder ehrlich wären, würden sie zugeben, dass sie neidisch auf meinen blauen Chevy Impala aus dem Jahr 1965 sind. Besonders auf die breite Rückbank.

»Wollt ihr auch noch ein Bier?«, fragt Kyle, der dem Barkeeper ein Zeichen gibt.

Gordon und ich nicken gleichzeitig. Ehe Nachschub kommt, leere ich meine Flasche und stelle sie auf die Theke.

»Dad hat am Sonntag wieder ein Rennen. Kommst du auch?«, fragt mich mein Bruder, während er auf die Getränke wartet.

Dad sitzt seit vier Jahren im Rollstuhl. Wir waren mit dem Rennrad unterwegs, als ein verdammter Autofahrer ihn angefahren hat. Ich denke nicht gerne an jenen Morgen zurück. Jedenfalls hat er seit da keine Gefühle mehr in den Beinen. Wenigstens kann er noch den Oberkörper und die Arme bewegen. Wenn er das nicht mehr könnte, dann ... Ich will gar nicht weiterdenken.

Die erste Zeit war besonders schwer. Nicht nur für ihn, auch für den Rest der Familie. Wobei wir uns große Mühe gaben, Dad unseren Schmerz nicht zu deutlich spüren zu lassen. Und die Schuldgefühle.

Dad war immer sehr sportlich. Er brauchte die Radtouren, sowie das morgendliche Jogging, um abzuschalten und Energie zu tanken. Jetzt ist er an den Rollstuhl gefesselt. Aber ich bewundere ihn, wie er heute die Tage meistert. Wie er mit seiner Behinderung umgeht. Mit der Zeit hat er eine Leidenschaft fürs Rollstuhlrennen entwickelt. Er macht sehr häufig an Wettkämpfen mit – und ist nicht mal schlecht. Wenn er so weitermacht, sehe ich ihn bald unter den ersten drei.

Außerdem geht er ab und an mit Cee schwimmen. Und Zuhause hat er einen ganzen Raum mit Sportgeräten, an denen er täglich trainiert. Ich habe ihm schon mehrmals angeboten in mein Fitnesscenter zu kommen, doch das lehnt er partout ab. In meinem Studio laufen ihm scheinbar Männer mit zu vielen Muckis herum. Darüber hinaus würden ihn alle blöd angaffen – meint er. Leider kann ich ihn nicht vom Gegenteil überzeugen.

»Klar. Wo denn?« Wenn es klappt, geht die ganze Familie an Dads Rennen. Wir unterstützen ihn, wo wir können.

»Hab’s vergessen. Ich werde ihn morgen fragen.«

»Dann kannst du ihm auch gleich sagen, dass ich ebenfalls dabei bin.«

»Coben und Chase meinten, sie würden auch kommen.«

»Wird auch Zeit, dass die sich wieder mal blicken lassen.«

»Wem sagst du das. Ich finde, wir sollten sie mal überraschen und nachsehen, was die in New York so treiben. Vor allem bei Coben. Glaubst du wirklich, Cathy ist die Richtige für ihn?«

Ich zucke mit den Schultern. »Das muss er schon selbst herausfinden.«

»Ich denke, die nützt ihn nur aus.«

Wieder zucke ich mit den Schultern. Coben lässt sich nicht reinreden, sobald es um seine Freundin geht. Außerdem kann er selbst auf sich aufpassen. Deshalb wechsle ich das Thema. »Und was ist mit unseren Schwestern, kommen sie auch ans Rennen?«

Ja, wir sind ein schön großer Haufen. Unsere Eltern waren ziemlich produktiv. Vier Jungs, zwei Mädchen. Dazu kommt noch, dass Hannah vierzehn Jahre jünger ist als ich, ein richtiger Spätling. Ich bin stolz auf eine so große Familie, aber ich denke lieber nicht daran, wie es meine Eltern miteinander ... Ich verziehe angewidert das Gesicht.

»Hannah ist auch dabei, Cee konnte ich bis jetzt nicht erreichen. Du kannst sie ja morgen fragen, wenn du mit ihr unterwegs bist. Wäre schön, wenn wir wieder mal vollzählig wären.«

Ich nicke bloß. Cee hat momentan bestimmt ganz andere Sorgen, als Dad bei seinen Wettkämpfen anzufeuern. Trotzdem werde ich sie fragen. Ablenkung von ihrem Ex würde ihr sicherlich guttun.

»Endlich«, meint Kyle, als unsere Getränke kommen. Ich möchte ihm einen Schein hinschieben, doch er winkt lässig ab. »Diese Runde geht auf mich.«

»Danke Bro.« Ich schlage meine Flasche gegen Kyles, dann an Gordons. »Prost.«

»Was ist eigentlich aus deinem Date geworden?«, wende ich mich wieder an meinen Bruder.

Der runzelt die Nase. »Sie hat mich angefangen zu nerven«, klönt er. »Wir waren im Hometown Diner.« Das ist das beliebteste Schnellrestaurant von Little Pearl. Dan, der Koch und Inhaber des Diners ist ein guter Freund unserer Eltern. »Anfangs war es noch amüsant, doch dann hat sie nur noch über ihre Schönheitskuren gefaselt. Schließlich bat ich Leyla, einen Notfall zu inszenieren.«

»Die liebe Leyla«, zwinkert Gordon, »hilft einem immer gerne aus der Patsche. Date doch mal sie.«

Mein Bruder stöhnt. Wir liegen ihm schon lange in den Ohren, dass er mal mit Dans Patentochter ausgehen soll.

Mit einem Schmunzeln um den Mund und meinem neuen Bier drehe ich mich zur Tanzfläche. Die süße Blondine von vorhin ist zwar weg, allerdings tanzt nun an ihrer Stelle eine vollbusige Rothaarige, die eine heiße Show abzieht. Sofort schießen mir Bilder in den Kopf, von ihr und mir und wie sie ihre Tanzeinlagen in ihrem Schlafzimmer ausführt. In meiner Hose regt sich was.

Irgendwann bemerkt sie meinen Blick und erwidert ihn mit einem Lächeln. Nach wenigen Minuten winkt sie mich mit dem Zeigefinger zu sich. Dieses Angebot kann ich nicht ausschlagen, drücke Kyle meine Flasche in die Hand und mache mich auf den Weg, geradewegs in ihre Arme. Kaum bin ich bei ihr, legt sie mir ihre manikürten Hände auf die Schulter.

»Amüsierst du dich?«

Ihre Stimme ist etwas quietschig. Egal, ihr Körper macht es wett.

»Und selbst?«, frage ich zurück, ohne ihr eine Antwort zu liefern.

»Jetzt, auf jeden Fall«, meint sie und fährt sich mit der Zunge unanständig über die Lippen.

Ich verfolge ihre Zunge, das könnte interessant werden. Ich lege meine Hände auf ihren Rücken und bewege mich mit ihr zur wummernden Musik. Dabei streift ihr Busen ständig meinen Oberkörper. Ich senke den Blick von ihrem Gesicht in ihren Ausschnitt. Was sich da nur halbwegs verbirgt, gefällt mir. Ich kann es kaum erwarten, ihr den kleinen Fetzen Stoff auszuziehen. Aber ich muss es langsam angehen – wenigstens ein wenig. Meine Linke wandert zu ihrem Hintern. Sie schnurrt wie eine Katze, als ich zudrücke und schmiegt sich enger an mich. Das ist mein Zeichen. Meine Hände gehen weiter auf Erkundung. Mein Daumen berührt die Unterseite ihrer Brüste.

»Was ist mit deinem Auge passiert?« Sie fährt mir zärtlich über das Veilchen.

»Es gab da eine kleine Meinungsverschiedenheit.« Ihr tische ich sicher nicht die blöde Lüge von der Hantel auf. Ich will mich ja nicht zum Idioten machen.

»Das sieht echt übel aus.«

»Du müsstest mal den anderen sehen«, gebe ich an. Plötzlich regt sich ein schlechtes Gewissen in mir. Aber warum? Dylan hat es verdient. Schnell verdränge ich das miese Gefühl. Lieber konzentriere ich mich auf das kurvige Bunny in meinen Händen.

Sie lächelt und fährt mir mit ihren langen Fingernägeln über die Brust. »Du trainierst viel«, stellt sie fest, dabei gibt sie wieder ihr Schnurren von sich.

»Ein wenig.« Dass ich ein Fitnesscenter betreibe, braucht sie nicht zu wissen. Ich bin bloß auf einen geilen Fick aus.

Ihre Nägel schlüpfen unter mein schwarzes T-Shirt und befühlen meine Bauchmuskeln. »Das fühlt sich gut an«, raunt sie dicht an meinem Ohr.

Ich kneife ihr zur Antwort in ihr Hinterteil. Mit der anderen Hand wandere ich unauffällig nach oben, wobei ich mit dem Zeigefinger einen harten Nippel berühre. Das gefällt meinem Schwanz.

Die Braut in meinen Armen stöhnt, als ich ihr leicht in die Knospe kneife. »Wollen wir uns einen ruhigeren Ort suchen?«, fragt sie mich mit heiserer Stimme.

Ich nehme ihre Hand und führe sie nach draußen zu meinem Chevy. Heute kommt wieder mal die Rückbank zum Zug.

Kapitel 2

Evan

Ich schrecke aus einem traumlosen Schlaf hoch, als der Wecker auf dem Nachttisch losschrillt. Müde reibe ich mir die Augen, dabei berühre ich das linke kaum. Obwohl ich gestern Nacht relativ früh nach Hause kam, nachdem ich einen ziemlich heißen Quickie hatte, fühle ich mich heute irgendwie antriebslos. Ich habe keine Energie. Es fühlt sich an, als fehle mir irgendwas. Nur habe ich beim besten Willen keine Ahnung was.

Ich falle zurück ins Kissen und schnauze mich an, weil ich meiner Schwester versprochen habe, mit ihr auf Autokauf zu gehen. Heute hätte ich ausschlafen und herumhängen können, denn ich muss erst am Nachmittag ins Fitnessstudio. Aber nein, weil ich ein so hilfsbereiter, lieber Bruder bin, muss ich jetzt schon raus aus den Federn.

Bevor ich mich noch länger selbst bemitleide, werfe ich die Decke zurück und gehe in die Küche, um mir ein anständiges Frühstück zu machen.

Na super, der Kaffee ist alle. Und als ich die Kühlschranktür aufmache, fällt mir wieder ein, dass ich unbedingt einkaufen gehen muss. Das kann nachher Cee für mich erledigen. Ich helfe ihr schließlich beim Autokauf, und der braucht bestimmt mehr Zeit, als schnell durch den Supermarkt zu springen.

Ich nehme alles, was der Kühlschrank hergibt und setze mich an den Tisch, röste ein paar Toastscheiben und bestreiche sie mit Butter und belege sie mit Schinken.

Nachdem ich mich satt gegessen habe, ziehe ich mich an und mache mich auf den Weg zu meiner Schwester. Ich parke vor dem Blue House Inn, dem Bed & Breakfast, das unseren Eltern gehört, und das seit Jahren von Cee geführt wird. Kurz nach Dads Unfall, hat sie es übernommen, weil es für Mom zu viel wurde, sich um das B&B und gleichzeitig um Dad zu kümmern. Cee macht es hervorragend, ihr liegt das richtig im Blut.

Meine Brüder und ich waren irre erleichtert, als sie die Aufgaben und Verantwortung des B&B bereitwillig angenommen hat, um Moms Kindheitstraum weiterzuführen.

Das Blue House Inn ist, wie es der Name schon sagt: Blau. Hellblau wie der Himmel. Die Veranda, die um das gesamte Haus führt und die Säulen, die das Dach über der Veranda halten, sind weiß. Ich nehme die Stufe auf die Veranda mit einem großen Schritt und gehe rechts herum auf die Rückseite. Wenn es so schönes Wetter ist wie heute, ist Cee meistens draußen am Wäsche aufhängen.

Hinter dem B&B gibt es eine große Grünfläche. Meine Eltern haben damals an verschiedenen Stellen ein paar Bänke aufgestellt, die zum Verweilen einladen. Am Rand des Grundstücks steht eine Baumgruppe, von wo man jetzt gerade Vögel pfeifen hört. Es ist wie ein kleiner Park.

»Hey Schwesterherz!«, rufe ich, als ich Cécile entdecke, die gerade ein Laken aus dem Wäschekorb hebt, um es an einer Leine aufzuhängen.

Wie vom Blitz getroffen, fährt sie herum, wirft dabei fast den Korb voller Laken um. Sie fasst sich erschrocken ans Herz. »Ich bring dich noch um, ich schwöre!«, faucht sie wütend und zeigt mit dem Finger auf mich. Doch als ich sie in eine herzhafte Umarmung ziehe, vergisst sie gleich wieder, was sie mir gedroht hat.

Cee kann es nicht ausstehen, wenn man sie erschrickt. Aber da ihr schon bei dem leisesten Huh das Herz in die Hose fällt, kann ich einfach nicht widerstehen, ihr ab und zu einen Schrecken einzujagen. Gemein, ich weiß, aber das ist eben echte Geschwisterliebe.

 

»Ich bin gleich fertig«, meint meine Schwester mit in den Nacken gelegtem Kopf, damit sie mir ins Gesicht sehen kann. Sie ist über einen Kopf kleiner als ich. »Das sieht übel aus. Hast du es gekühlt?« Cee sieht mich mit besorgtem Blick an, der, wie ich mir sicher bin, nicht nur von meinem zugeschwollenen Auge herrührt. Ihre blauen Augen, die sonst immer vor Freude leuchten, wirken heute traurig, fast leblos.

»Ich spüre es kaum mehr.«

»Okay«, sagt sie bloß und dreht sich zum Korb, um weitere Laken aufzuhängen.

Ich könnte eine Bemerkung bringen, wie zum Beispiel, dass es Dylan hundertprozentig mieser geht, doch ich halte mich zurück. Ich glaube nicht, dass ich ihr damit ein besseres Gefühl geben würde. Es tut weh, sie so erschöpft und freudlos zu sehen. Weshalb ich mir überlege, wie ich sie von ihrem Kummer ablenken kann. »Ich hatte was mit Em.«

»Was?! Nein!« Cees blonde Haare, die ihr knapp bis zur Schulter reichen, fliegen mir fast um die Ohren, als sie sich auf mich stürzt. »Sag, dass das nicht dein Ernst ist. Du nimmst mich nur auf die Schippe, stimmt’s?«

Als ich ihren entsetzten Gesichtsausdruck sehe, pruste ich los, dabei zucke ich unschuldig mit den Schultern.

Sie schüttelt lachend den Kopf und widmet sich wieder der Wäsche. »Du bist so ein Dummkopf.«

Ich sage nichts, denn ich habe gerade mein Ziel erreicht: Meine Schwester hat gelächelt. Und wenigstens für einen Moment ihren Kummer vergessen.

Emily ist Cees beste Freundin. Und obwohl sie ein heißer Feger ist, wird zwischen uns nie etwas laufen. Denn sie ist wie eine Schwester für mich. Außerdem ist Em auf etwas Festes aus, wozu ich nicht bereit bin. Ich brauche Abwechslung. Ich will keine Verpflichtungen eingehen. Ich will Spaß, so wie letzte Nacht.

Ich mache keinem Mädchen Hoffnung. Nicht wie Dylan es bei meiner Schwester getan hat, nur um sie dann zu betrügen. Und das noch mit einer guten Freundin von ihr.

Meine Gedanken schweifen in eine Richtung, die ich mir verboten habe. Ich darf nicht mehr darüber nachdenken, warum die Schultern meiner Schwester nach unten hängen, warum ihr Gesicht schon wieder einen betrübten Ausdruck angenommen hat, sonst steige ich in mein Auto und fahre mit überhöhter Geschwindigkeit zu Dylans Werkstatt, um ihn ein weiteres Mal spüren zu lassen, was ich von seinem Betrug halte.

»Drinnen hat es Kaffee, falls du noch keinen gehabt hast.«

»Oh, ja«, stöhne ich fast.

»Deiner ist wohl ausgegangen, hmmm?«, zieht mich Cee auf.

»Du kennst mich eben«, sage ich bloß und mache mich auf den Weg in die Küche.

»Ein Danke wäre auch nicht schlecht gewesen!«, höre ich sie gerade noch rufen, ehe ich ins Haus trete.

Die Küche des B&Bs ist fast so groß, wie mein Wohnzimmer und Küche zusammen. Es gibt eine riesige Arbeitsfläche, auf der auch die topmoderne Kaffeemaschine steht. Die Tasse ist noch nicht ganz voll, da kommt Cee herein.

»Machst du mir bitte auch einen?« Sie geht an mir vorbei in die rechte Ecke, wo Waschmaschine und Wäschetrockner stehen.

»Warum benutzt du eigentlich nicht den Wäschetrockner? Würde viel schneller gehen, als ständig die Wäsche draußen aufzuhängen.«

»Das ist ja mal wieder eine typische Männerfrage.«

»Eine berechtigte«, verteidige ich mich. Ich verstehe nicht viel vom Waschen, außer vielleicht, dass weiße Kleidungsstücke nicht unbedingt mit farbigen gewaschen werden sollten. Und dass man alles in den Trockner stecken kann.

»Sie duftet viel feiner, wenn sie an der frischen Luft trocknet.«

Ich hebe eine Augenbraue und rolle die Augen. »Wenn du meinst.« Ich jedenfalls mache das, was am einfachsten und schnellsten geht. Bevor ich mir die volle Kaffeetasse nehmen kann, schnappt Cee sie mir vor der Nase weg. »He, was soll das?«

»Das ist für das Danke«, sagt sie. Normalerweise würde sie jetzt schmunzeln, doch heute bleibt ihr Mund ein gerader Strich. Sie setzt sich vor ihren Laptop, der aufgeklappt auf dem Tisch steht. »Noch einmal auf den Knopf drücken, wirst du ja wohl schaffen.« Wenigstens schwingt ein wenig Ironie in ihrer Stimme mit. Andernfalls müsste ich mir ein Aufmunterungsprogramm überlegen.

»Du musst mir einen Gefallen tun«, fange ich an, als ich auch endlich einen Kaffee in den Händen halte und mich Cee gegenüber niederlasse.

Meine kleine Schwester zieht skeptisch die Augenbrauen hoch. »Und das wäre?«

»Mein Kühlschrank ist leer.«

Ich brauche gar nichts mehr anzufügen, Cee zieht bereits die richtige Schlussfolgerung. »Und du willst, dass ich für dich einkaufen gehe?«

»Jepp«, sage ich nickend und puste in meinen Kaffee.

»Nur, wenn ich ein Auto gefunden habe.«

Ich winke lässig ab. »Bei deinen Ansprüchen finden wir schnell eins.«

»He, was soll das denn wieder bedeuten?« Sie boxt mich voll gegen die Schulter, wobei ich mir fast Kaffee über die Hand schütte.

»Pass doch auf, oder soll ich mich verbrennen?«

»Sei kein Weichei. Und ich habe sehr wohl Ansprüche.«

»Allerdings. Es muss vier Räder haben. Türen wären von Vorteil, sowie ein Lenkrad. Wenn es geht um die hundert PS. Vielleicht noch ein Radio und Klimaanlage. Und es muss anspringen. Ja, Gordon hat bestimmt etwas Passendes für dich«, sage ich lachend in den Kaffee.

»Nicht jeder braucht ein solch extravagantes Auto, wie du es hast oder ... Dylan.« Sie verschluckt sich fast, als sie seinen Namen sagt und stiert auf die Tischplatte.

Ich glaube, ich habe sie genug gepiesackt, weshalb ich über den Tisch greife und meine Hand auf ihre lege. »Das wird schon wieder.«

»Ich kann nicht glauben, dass mir Pru ... Ich habe ihr nichts getan. Warum musste sie sich ausgerechnet an meinen Freund ranschmeißen? Sie weiß ganz genau, was ich für ihn fühle.« Eine Träne läuft ihr über die Wange, die sie rasch mit dem Handrücken wegwischt. »Sie ist doch meine Freundin. Wie konnte sie nur?«

»Vergiss sie, sie ist eine falsche Schlange.«

»Das sagst du schon lange. Trotzdem wollte ich es nicht glauben.« Eine weitere Träne läuft ihr übers Gesicht. Dieses Mal lässt sie sie fließen. »Wenn ich es wenigstens verstehen könnte.«

»Was dann? Würdest du den beiden verzeihen?«

Cee schüttelt traurig den Kopf. »Nein. Ich liebe Dylan. Ich weiß nicht, wie ich ihn vergessen soll. Und Pru? Wir haben schon so viel miteinander durchgemacht. Aber das was sie mir angetan haben, ist unverzeihlich. So weh es auch tut, die beiden nicht mehr zu meinem Leben zu zählen ... Ich lasse mich nicht zum Narren halten.«

Ich drücke ihre Hand. »Das ist meine Sis«, sage ich und versuche ihr ein Lächeln abzuringen.

Tatsächlich, ihre Mundwinkel zucken ein kleines bisschen.

»Wollen wir uns auf den Weg machen?«

»Je früher, desto besser. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, wenn ich wieder einen eigenen fahrbaren Untersatz habe.«

»Dann mal los.« Ich trinke meinen Kaffee aus und warte an der Hintertür. Als Cécile endlich ihre tausend Sachen in die Tasche gepackt hat, folgt sie mir zum Chevy.

Ich bin noch nicht mal auf der Straße, da macht Cee irgendein komisches Würgegeräusch. Sobald ich in ihre Richtung schaue, weiß ich auch warum. »Igitt, was ist das?«, fragt sie angeekelt. An ihrem Zeigefinger baumelt ein kleiner Slip.

Es ist mir ein wenig peinlich, dass ausgerechnet meine Schwester einen Beweis von letzter Nacht finden musste. Dennoch tue ich so, als wäre es das Normalste auf der Welt, einen gebrauchten Tanga im Fußraum zu haben. »Den hat wohl jemand vergessen.«

Manchmal ist es erschreckend, wie leichtsinnig Frauen sind. Sie wollen lediglich ihren Spaß, genau wie ich. Nur dass sie eine viel größere Gefahr eingehen als wir Männer, wenn sie mit einem Fremden in ein Auto steigen.

Wenn Cee oder Hannah das tun würden, würde ich ihnen den Hals umdrehen.

Statt mir eine Moralpredig zu halten, wirft Cee den Slip nach hinten auf den Boden. Ich atme erleichtert auf, als sie das Thema wechselt. »Hast du schon gehört, dass eine Journalistin einen Bericht über das Blue House Inn geschrieben hat und ihn im Travel and Leisure veröffentlichen wird?«