Schmatzen erlaubt, Herr Knigge?

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Schmatzen erlaubt, Herr Knigge?
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Lutz Berners, Miriam Fritz,

Susanne Heimburger, Nora Frisch

DER ROTE FADEN DURCHS REICH DER MITTE

Schmatzen erlaubt, Herr Knigge?

Chinesische Business-Etikette von A bis Z


Text: Lutz Berners, Miriam Fritz, Susanne Heimburger, Nora Frisch

Illustration: Gregor Körting

Cover: Hermann Kienesberger/Reklamebureau Wien

Layout und Satz: Hermann Kienesberger, Paul Khittl

Redaktion und Lektorat: Susanne Heimburger

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2014 Drachenhaus Verlag, Esslingen

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.


ISBN: 978-3-943314-20-5

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www.drachenhaus-verlag.com

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Ein Aufruf zur Entspannung

Qing-Li-Fa oder Fa-Li-Qing Das 1x1 der sozialen Grundregeln

Chinesische Business-Etikette von A bis Z

Ein paar praktische Hinweise zum Schluss

Packliste

Bisher im Drachenhaus Verlag erschienen


Kommst Du in ein Dorf, so folge den Sitten

EIN AUFRUF ZUR ENTSPANNUNG

China ist anders. Ganz anders. Es ist riesig, bevölkerungsreich, zerklüftet, dynamisch, umweltbelastet, im immerwährenden Umbruch, schnell, hektisch, risikoreich und natürlich voller Gelegenheiten. Und noch dazu diese fremde Kultur! Ganbei, Gesicht wahren, Harmonie, Guanxi, Visitenkarten … Am Tisch nicht die Nase putzen! Visitenkarten beidhändig überreichen! Den Teller niemals leer essen! Keine Blumen schenken! – Man fühlt sich schnell überfordert von dem Anspruch, das alles unter einen Hut zu bringen.

Vielleicht werden Sie daher erst einmal versuchen, sich systematisch durch das ABC dieses Buchs zu arbeiten und den zahlreichen Querverweisen auf inhaltsverwandte Stichworte folgen – nur um irgendwo zwischen Fingerzeichen und Kampftrinken festzustellen, dass Ihnen der Kopf brummt. Legen Sie das Buch dann am besten erst einmal zur Seite und holen Sie es wieder heraus, wenn Sie in einer konkreten Situation einen Kompass brauchen. Genau so ist das Buch auch gedacht: als kleines Nachschlagewerk und Begleiter für (fast) alle Lebenslagen, in die Sie bei einer geschäftlichen Chinareise geraten können.

Auf Basis unserer Erfahrungen der letzten Jahrzehnte in China möchten wir Ihnen, zusätzlich zu diesem Buch, noch einen Rat mit auf den Weg geben: Bereiten Sie sich gut vor, und seien Sie dann entspannt und gelassen. Chinesen sind sehr kulant und tolerant gegenüber Ausländern. Fast jeder Chinese, mit dem Sie zu tun haben werden, hatte bereits mit genügend Ausländern Kontakt, um zu wissen, was ihn erwartet. Und wenn Sie einmal nicht weiterwissen, fragen Sie einfach – wer klärt nicht gerne Ausländer über seine eigene Kultur auf? Und welcher Gastgeber würde von seinem Gast erwarten, sich selbst komplett zu verbiegen, nur um der Kultur des Gastlandes zu entsprechen?

Ein Grundverständnis für die chinesische Kultur sollten Sie sich auf jeden Fall verschaffen. Seien Sie vorsichtig mit Stereotypisierungen. Viele der scheinbar etablierten Kulturmerkmale sind besonders im Hinblick auf die hochmoderne, selbstbewusste jüngere Generation nicht mehr gültig oder haben sich ins Gegenteil verkehrt. Kulturelles Einfühlungsvermögen kann einen großen Beitrag dazu leisten, die Beziehung zu stärken. Wenn Sie jedoch beim Zuprosten noch nicht ganz den Dreh raushaben, wird Ihnen der chinesische Geschäftspartner sicher nicht gleich den mühsam verhandelten Vertrag um die Ohren hauen. Den chinesischen Geschäftsfreunden geht es ja ebenso ums Geschäft wie Ihnen.

Das Wichtigste, was Sie neben diesem Buch auf Ihrer Chinareise im Handgepäck haben sollten, ist Vertrauen in die eigenen Werte, Stärken und Tugenden. Wenn Menschenkenntnis Ihre Stärke ist, wird sie auch in China greifen – und Sie werden sich selbst gut genug kennen, um die Grenzen Ihres eigenen Verständnisses für die andere Kultur richtig einschätzen zu können. Wenn Sie in Deutschland wegen Ihres großen Einfühlungsvermögens gegenüber Kunden erfolgreich sind, fahren Sie damit auch in China gut – diese besondere Gabe wird Ihr Ratgeber sein. Wenn Sie in Deutschland ein geschickter Verhandler sind, werden Sie dies auch in China sein – Ihre Erfahrung wird Ihnen schon bei der Vorbereitung die Fragen aufzeigen, mit denen Sie sich besonders auseinandersetzen müssen. Meist funktioniert der interkulturelle Austausch relativ problemlos, wenn Sie den gesunden Menschenverstand eingeschaltet lassen und Warnsignale, die auf Missverständnisse hinweisen, beachten.

Ein Beispiel: Ein erfahrener Fast-Siebziger, der als Vertriebsleiter eines deutschen Mittelständlers Stanzteile in die ganze Welt verkauft hatte, ging nach China, um ein Joint Venture aufzubauen. Er hatte nur rudimentäre Englisch- und keinerlei Chinesischkenntnisse. Er ging die Themen mit Gelassenheit an, ohne aber das Gesamtziel aus den Augen zu verlieren. Er nahm vor seiner ersten Chinareise an keinem interkulturellen Training teil. Stattdessen suchte er sich einen erfahrenen China-Experten, der mit ihm gemeinsam auf die Reise ging und ihm alles erklärte. Während der Berater die Diskussion übersetzte und sich auf das Gesagte konzentrierte, beobachtete der deutsche Vertriebsleiter die Gesamtsituation, die Gestik und die Mimik der Sprechenden. Anschließend ließ er sich den Inhalt der Verhandlungen Stück für Stück sinngemäß übersetzen. Am Ende fügten er und der Berater ihre jeweiligen Eindrücke zusammen und kamen zu einem schlüssigen Gesamtbild.

Welche Rolle spielte hierbei die Geschäftsetikette? Erstens benahm sich der Vertriebsleiter so, wie er es auch in Deutschland getan hätte – er war zurückhaltend. Zweitens entwickelte er durch seine Beobachtungen ein gutes Gefühl dafür, was in China als respektvoll gilt. Und drittens blieb er immer er selbst und verbog sich nicht. Höflich probierte er beim Abendessen alle Speisen durch, und was ihm nicht schmeckte, legte er nach dem ersten Bissen dezent zur Seite. Was ihm schmeckte, kommentierte er dagegen ausgiebig und mehrfach in positiver Weise.

Er behandelte jeden Gesprächspartner mit dem gleichen Respekt, und den Chef mit noch mehr Hochachtung. Er verwechselte nicht Freundlichkeit und Harmonie mit Nachgeben. Und er hatte einen Berater an seiner Seite, der ihm hier und da Tipps gab, was zu beachten ist und wo die Fettnäpfchen liegen.

Dieses Buch übernimmt ein Stück weit die Rolle dieses Beraters. Es steht Ihnen mit Rat zur Seite, wenn Sie sich auf eine Situation vorbereiten oder zwischendurch über einzelne Aspekte informieren wollen. Allerdings tut es dies, wie ein guter Berater auch, nicht ungefragt – Sie müssen selbst nachschlagen, was Ihnen wichtig ist. Der Unterschied ist natürlich, dass das Buch nicht eingreifen wird, falls Sie mal auf ein Fettnäpfchen zusteuern. Ganz überflüssig wird der Berufsstand des Beraters dann doch noch nicht.

QING-LI-FA ODER FA-LI-QING?
DAS 1x1 DER SOZIALEN GRUNDREGELN

Welches sind die wichtigsten Unterschiede zwischen deutscher und chinesischer Kultur? Im Grunde kann man diese Frage sehr schnell beantworten: In der europäischen Kultur kommt als erstes das Gesetz (法 fǎ); danach kommen Gebräuche, Logik und Umgangsformen (理 lǐ); auf dieser Basis entwickeln sich Beziehungen (情 qíng). In China ist es genau umgekehrt: Zuerst kommen die Beziehungen (情 qíng); dann zählen Gebräuche, Logik und Umgangsformen (理 lǐ) und erst danach schaut man nach dem Gesetz (法 fǎ). Also Qing-Li-Fa statt Fa-Li-Qing.

Die Grundlage der chinesischen Kultur ist das Streben nach Harmonie. Hierbei spielt die Hierarchie eine zentrale Rolle: Ranghöhere haben gegenüber Rangniederen Fürsorgepflichten. Dafür schulden Rangniedere den Ranghöheren Gehorsam. Um die Harmonie nicht zu gefährden, wird zudem jegliche Form der Provokation oder der aggressiven Kommunikation vermieden. Harmonie und Höflichkeit sind in China oft wichtiger als Ehrlichkeit. Daher spricht man Unangenehmes nie direkt an, übt keine offene Kritik, stellt niemals die Schwächen eines anderen bloß und wird sich nie zu einem klaren Nein verleiten lassen. Behutsames Kommunizieren ist die Stärke der Chinesen, und leider müssen auch Europäer, die in China Geschäfte anbahnen möchten, lernen, die eigentlichen Aussagen hinter der verbalen Schonkost zu erkennen. In Geschäftsbeziehungen mit Chinesen kann es durchaus vorkommen, dass man sich in unverfänglicher, scheinbar harmloser Kommunikation wähnt, während unter der Oberfläche Konflikte brodeln, die über die Zeit wachsen, aber nie zur Sprache kommen. Unter Umständen eskaliert die Situation zum offenen Krieg und man sieht sich vor Gericht wieder. Die Rolle von Dolmetschern darf hierbei nicht unterschätzt werden. Es geschieht häufig, dass ein chinesischer Übersetzer potenziell provozierende Inhalte oder Untertöne aufweicht oder rauskürzt.

 

Für die Harmonie ist es außerdem unerlässlich, jedermanns Gesicht zu wahren. Hierunter muss man sich jedoch kein hochkomplexes Verhaltenssystem vorstellen. Es genügt, sich einmal mehr an die einfache Umgangs- und Gesellschaftsformel zu halten: gegenseitiger Respekt. Es gilt sicher nicht nur für China, sondern auch für andere Kulturen, dass niemand es schätzt, vor anderen eine Absage zu erhalten, kritisiert oder bloßgestellt zu werden (das Gesicht zu verlieren). In China wird dies nur stärker gewichtet und der Unmut bei respektlosem Verhalten greift tiefer als etwa hierzulande. Wo eine offen geübte Kritik in Deutschland vielleicht bald vergeben und vergessen ist, kann sie in China einer Beziehung nachhaltig schaden. Umgekehrt wird es sehr positiv gewertet, jemandem Gesicht zu geben – das beginnt mit kleinen, scheinbar unbedeutenden Gesten wie zum Beispiel jemandem Feuer zu geben, Tee einzuschenken, etc.

Natürlich geht ohne Beziehungen – Guanxi – nichts bis gar nichts; hierbei geht es nicht um Korruption oder Seilschaften (wobei eine Mitgliedschaft in diversen Seilschaften in China keineswegs von Nachteil ist), sondern um Beziehungen zwischen Menschen, die auf gegenseitigem Nutzen aufbauen. Das Wort Guanxi lässt sich kaum in eine westliche Sprache übertragen und ist doch eines der wichtigsten überhaupt, das die chinesische Gesellschaft kennt. In Wörterbüchern findet man Beziehungen oder Netzwerk als Übersetzung, doch beide Begriffe geben das Konzept, das hinter Guanxi steckt, nur unzulänglich wieder. Guanxi sind Beziehungen zwischen Menschen, die sich über einen langen Zeitraum hinweg entwickeln müssen. Sie entstehen zum Beispiel, wenn man aus dem gleichen Dorf stammt, die gleichen Vorfahren oder gemeinsame Bekannte hat. Guanxi müssen permanent gepflegt werden, vor allem, indem man anderen ab und zu einen Gefallen erweist. Diese sollten sich dann irgendwann mit einem Gegengefallen erkenntlich zeigen.

Das Gegenteil von Harmonie ist übrigens das Chaos, welches es unbedingt zu vermeiden gilt. Weil jedoch in China in vielen Lebensbereichen Chaos herrscht, braucht man einen unbeirrbaren Blick für das Wesentliche. In China besteht die Herausforderung eben nicht darin, Gelegenheiten zu identifizieren, sondern eher darin, aus der riesigen Masse der Gelegenheiten die passende herauszufiltern. Daher passiert es zum Beispiel relativ schnell, dass chinesische Gesprächspartner sich recht abrupt aus einem Gespräch verabschieden oder eine zunächst vielversprechende E-Mail-Kommunikation scheinbar ohne ersichtlichen Grund zum Erliegen kommt: In diesem Fall kann es sein, dass der chinesische Partner die Gelegenheit zu diesem Zeitpunkt als ungünstig einstuft und beschließt, sich einstweilen anderen Themen zuzuwenden.

Wenn man die obigen Kernpunkte zusammenbringt, gelangt man unweigerlich zu dem Schluss, dass eine gehörige Portion Flexibilität zum chinesischen Handwerkszeug dazugehört. Deutsche Geschäftsleute planen ihre Chinareisen oft minutiös bis ins letzte Detail, und dies Wochen oder gar Monate im Voraus. Chinesische Geschäftsleute hingegen planen ihre Deutschlandreisen oft mit gerade so viel Vorlauf, wie sie für die Visum-Beantragung benötigen. Wenn zum Beispiel ein Deutscher mit einem Chinesen einen Termin in acht Wochen vereinbaren möchte, wird der – vermutlich leicht verwunderte – Chinese erst einmal zusagen. Für den Deutschen ist das Thema damit erledigt, der Termin steht. Der Chinese wird aber natürlich den Termin nur als lose Absichtserklärung sehen, denn welcher gesunde Mensch plant denn so lange im Voraus? Es gibt doch immer wieder unvorhergesehen auftretende Termine, insbesondere wichtige Verabredungen mit Kunden oder Behördengänge. So kommt es in der Praxis ständig vor, dass der von den Deutschen sorgfältig und lange im Voraus geplante Termin einen Tag vorher oder sogar noch am selben Tag von chinesischer Flexibilität umgeworfen wird. Da jedoch chinesische Geschäftsleute mit dieser Flexibilität gut vertraut sind, gehört das Verlegen von Terminen ganz einfach mit dazu und stellt für gewöhnlich kein Problem dar. Für Deutsche sind diese ständigen Änderungen jedoch oft sehr ermüdend und für den unerfahrenen Chinareisenden kaum umsetzbar. Deutsche mit viel Chinaerfahrung hingegen kommen meist gut damit zurecht und können trotzdem effektive Reisen organisieren.

Wem zwischen den verschiedenen Punkten, die hier beschrieben wurden, Widersprüche aufgefallen sind, der hat auch noch den letzten wesentlichen Zug der chinesischen Kultur entdeckt: Für Chinesen ist es oft kein Problem, völlig konträre Meinungen oder sogar Tatsachen zu erdulden. Viele Dinge erscheinen für Westler oft unvereinbar. Meist pflegen Chinesen einen indirekten Kommunikationsstil; wenn sie dann doch einmal direkt werden, wirkt dies auf Nicht-Asiaten oft sehr überraschend: Auf die überbordende Höflichkeit gegenüber Gästen folgt im gleichen Atemzug das barsche Anherrschen einer Hotelangestellten. Rührendes Kümmern um den etwas älteren Kollegen steht im krassen Gegensatz zur Rücksichtslosigkeit beim Einsteigen in die U-Bahn. Meist gibt es eine Erklärung für diese scheinbaren Widersprüche: Wenn man etwas klarmachen möchte, ist manchmal Direktheit der beste Weg. Hierarchien beherrschen das Leben und bestimmen die Rolle von Gästen und Dienstpersonal. Und wenn man keine Beziehung zu jemandem hat, dann existiert man de facto für diese Person nicht – so viel zur Ellenbogengesellschaft in der U-Bahn. Aber manche Widersprüche können nicht erklärt oder aufgelöst werden. In diesem Fall wird der Widerspruch oft einfach akzeptiert. Übrigens gibt es im Chinesischen kein semantisch hergeleitetes Wort für Widerspruch; das entsprechende Wort (矛盾 máodùn) beruht auf einer Legende über einen Waffenhändler, der von seinen Speeren (盾 dùn) behauptete, dass sie jeden Schild (矛 máo) durchstoßen würden. Gleichzeitig pries er Schilde an, die angeblich jedem Speer standhalten könnten.

Je mehr man über die chinesische Kultur lernt, desto bewusster wird einem, wie wenig man weiß. Die Kultur ist tief, breit und kompliziert. Das Gute hierbei ist, dass niemand von einem Europäer erwartet, sich perfekt in die chinesische Kultur einzupassen. Chinesen freuen sich, wenn sich ein Ausländer aktiv mit der chinesischen Kultur befasst, und die geschicktesten Besucher nutzen ihr beschränktes kulturelles Wissen, um Gespräche anzufangen und Freundschaften zu vertiefen. Es gibt keinen besseren Weg, Beziehungen aufzubauen, als gemeinsam Kulturen zu ergründen!

Lutz Berners und Miriam Fritz, Berners Consulting Stuttgart

CHINESISCHE BUSINESS-ETIKETTE VON A BIS Z

A

Abendessen

Siehe → Arbeitsessen, → Essen, Allgemeines, → Essenszeiten.

Abendprogramm

Wer glaubt, sich nach einem anstrengenden Besichtigungs- oder Verhandlungstag in sein gemütliches Hotelzimmer zurückziehen zu können, der irrt gewaltig. Chinesen bieten ihren Gästen ein Rundumprogramm an, ob diese wollen oder nicht. (Wenn man keine Lust hat, sollte man das allerdings nie offen zeigen.) Die gleiche Rundumbetreuung erwarten chinesische Gäste dann übrigens auch, wenn sie in Deutschland zu Besuch sind.

Keinesfalls eine Legende ist, dass sich schon mancher deutsche Geschäftsmann plötzlich auf einer Karaoke-Bühne wiedergefunden hat. Chinesen lieben es zu singen und haben dabei auch keinerlei Hemmungen. Vom deutschen Geschäftspartner wird der gleiche Enthusiasmus erwartet. Besonders beliebt ist es, wenn die Langnase sich die Mühe gibt, ein chinesisches Lied zum Besten zu geben. Daneben kommen deutsche Volkslieder sehr gut an. Bei Hoch auf dem gelben Wagen war schon mancher Chinese vor Entzücken außer sich, auch wenn er nicht einmal eine entfernte Ahnung davon hatte, worum es in dem Lied geht. Auch Besuche in Nachtclubs oder Table-Dance-Bars kommen bisweilen vor, führen in der Regel aber nicht zu kompromittierenden Situationen. Daneben gilt Bowling als beliebte Abendbeschäftigung, mit der Chinesen ihre ausländischen Gäste gerne unterhalten.

Aberglaube

Noch heute sind viele Chinesen äußerst abergläubisch, und zahlreichen Dingen wird eine symbolische Bedeutung zugesprochen. Manchmal kann schon eine ungünstige Mondkonstellation den Abschluss von Verträgen verhindern oder zumindest verzögern. Und sogar im Geschäftsleben gibt es einige Situationen, in denen man über die Symbolik, zum Beispiel von Farben, Speisen oder Zahlen, Bescheid wissen sollte, um dem Geschäftspartner nicht missverständliche Signale zu senden.

Siehe genauer → Essenssymbolik, → Farbensymbolik, → Symbolik, → Zahlensymbolik.

Abholung am Flughafen

Ausländer werden von den chinesischen Geschäftspartnern üblicherweise am Flughafen abgeholt. Das Gleiche erwarten sie auch, wenn sie einmal zu Besuch in Deutschland sein sollten. Am Ausgang wird man dann mit einem Schild erwartet, auf dem der eigene Name steht. Nur wird man den ob der riesigen Menschenmassen nicht ohne weiteres finden. Dann geht man besser ein wenig auf die Seite und versucht, seinen Abholdienst per Handy zu erreichen.

Siehe auch → Sitzordnung im Auto.

Ablehnung

Siehe → Nein sagen.

Absage

Siehe → Einladungen, → Nein sagen.

Accessoires

Nicht nur die Kleidung, sondern auch die Accessoires sollten den Eindruck vermitteln, dass man ein hochrangiger Vertreter seines Unternehmens ist. Teure Uhren, kostspielige Krawattennadeln und wertvolle Visitenkartenetuis können dabei die richtigen Signale setzen. Auf Modeschmuck sollte man besser verzichten, Männer sollten prinzipiell keine Ohrringe tragen. Tätowierungen und Piercings gilt es möglichst zu verbergen. Modisch gesehen bevorzugt man im chinesischen Geschäftsleben ein eher konservatives Erscheinungsbild.

Siehe auch → Kleidung, → Piercing, → Schuhe, → Tätowierung, → Understatement.

Agenda

Wer den Drang hat, vor Besprechungen eine detaillierte Agenda mit allen zu behandelnden Punkten und einem abgesteckten Zeitrahmen auszutüfteln, kann das gerne tun. Er wird nur damit rechnen müssen, dass sie nicht eingehalten wird. Gerne wechseln Chinesen bei Besprechungen plötzlich das Thema, gehen wieder auf bereits abgehakte Punkte ein und rollen sie neu auf. Oder sie kommen plötzlich auf ganz andere Dinge zu sprechen. Wenn sie eine Powerpoint-Präsentation in der Tasche haben, kann es passieren, dass diese plötzlich hervorgeholt wird, auch wenn sie an dieser Stelle gar nicht vorgesehen ist. Besser ist es, nur die allerwichtigsten Punkte zu notieren, die unbedingt besprochen werden müssen.

Siehe auch → Kommunikationsstil.

Akademische Titel

Siehe → Anrede.

Alkohol

Europäer vertragen Alkohol besser als Chinesen. Schon bei kleinen Mengen an Alkohol drohen dem Chinesen Magenbeschwerden, das Gesicht wird rot und der Puls steigt. Das ist wissenschaftlich belegt: Chinesen fehlt das entscheidende Enzym, das den Alkohol abbaut. Nur warum es ihnen fehlt, konnten Wissenschaftlicher bisher noch nicht eindeutig erklären. Chinesen haben trotzdem sehr viel Spaß am und mit Alkohol. Dabei ist der Norden Chinas dem Alkohol etwas stärker zugetan als der Süden. Selbst seriöse Geschäftsleute fordern ihre Geschäftspartner, zum Beispiel nach einem gediegenen Abendessen, ganz gerne einmal zu einem Trinkspiel heraus, das mitunter in einem regelrechten Besäufnis enden kann.

 

Siehe auch → Getränke, → Geschenke, → Kampftrinken, → Rauchen, → Trinksitten, → Trinksprüche.

Alter

In China verleiht das Alter Würde und Ansehen. Ältere Menschen sind Respektspersonen und werden verehrt. Häufig haben sie bei strittigen Familienangelegenheiten das letzte Wort (zum Beispiel wenn es um Erbstreitigkeiten geht). Die Entscheidungen des Familienältesten werden von allen akzeptiert. Ältere werden vor den Jüngeren gegrüßt, der Ältere hat gegenüber dem Jüngeren das Rederecht. Und möchte sich der Ältere eine Zigarette anzünden, dann nimmt ihm der Jüngere höflicherweise die Streichhölzer aus der Hand, um ihm Feuer zu geben. Auch sollte man beim Zuprosten das eigene Glas nie höher als das eines älteren Menschen heben.

Im Gegensatz zu Deutschland, wo man beruflich schon recht früh aufs Abstellgleis geschoben wird, wird in China Alter mit Weisheit, Erfahrung und Wissen verbunden. Diese Einstellung wirkt sich auch im Geschäftsleben für ältere Menschen positiv aus: Häufig verhandeln chinesische Unternehmen nur mit Leuten, die sie als erfahrene Persönlichkeiten einschätzen. Wenn deutsche Unternehmen Verhandlungspartner nach China schicken, sollten sie entweder ältere Mitarbeiter dafür auswählen oder darauf achten, dass ihre jüngeren Mitarbeiter von älteren begleitet werden. Ansonsten könnte es sein, dass sie nicht ernst genommen werden und ohne Vertrag in der Tasche wieder nach Deutschland zurückkehren müssen. Ältere Verhandlungspartner dagegen werden die volle Aufmerksamkeit und Fürsorge der Chinesen genießen und bevorzugt behandelt. Diese Fürsorge kann ungeahnte Ausmaße annehmen. So soll es zum Beispiel schon vorgekommen sein, dass ein 70-jähriger deutscher Firmenchef vom Hotel zum Taxi getragen wurde und von dort an den Verhandlungstisch – bis er verzweifelt darum bat, sich doch auch einmal ein wenig die Füße vertreten zu dürfen …

Dennoch gilt: Auch in China fragt man fremde Leute nicht einfach nach ihrem Alter. Wenn sich Chinesen auf höfliche Art und Weise nach dem Alter von jemandem erkundigen möchten, machen sie das gerne indirekt mit der Frage Zu welcher Art gehörst du? Damit fragen sie nach dem chinesischen Tierkreiszeichen des anderen. Insgesamt gibt es davon zwölf, und da jedem Jahr ein Tierkreiszeichen zugeordnet ist, das nur alle zwölf Jahre wiederkehrt, kann man so das Alter seines Gegenübers recht gut einschätzen. Allerdings sollte man in China aufpassen: Da das Alter geschätzt wird und für Weisheit und Wissen steht, kann es unter Umstanden unhöflich sein, dem anderen zu bescheinigen, man habe ihn wesentlich jünger geschätzt als er ist. Was man im Westen meist als Kompliment auffasst, kann in China zu Unmut führen, weil man damit Gefahr läuft, die Autorität des anderen infrage zu stellen.

Andeutungen

Wer nach China reist, muss die Kunst des Zwischen-den-Zeilen-Lesens erlernen. Wichtige Informationen werden häufig nicht gleich an den Anfang eines Gesprächs gestellt, sondern tauchen oft erst am Schluss, gerne auch in einem unauffälligen Nebensatz auf. Außerdem präsentieren Chinesen ihre Botschaften gerne hübsch verpackt. Erkundigt sich ein chinesischer Geschäftspartner zum Beispiel sehr ausgiebig über den Standort der deutschen Firma, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass er nach Deutschland eingeladen werden möchte.

Siehe auch → Bitten, → Essensymbolik, → Kommunikationsstil → Kritik

Anrede

Herr heißt auf Chinesisch Xiansheng (先生 xiānsheng), Frau heißt Nüshi (女士 nǚshì). Aber: In China steht der Name vor der Anrede, und der Nachname steht vor dem Vornamen. Aus Herr Wang wird also Wang Xiansheng (王先生 Wáng xiānsheng) und aus Frau Li wird Li Nüshi (李 女士 Lǐ nǚshì). Und stellt sich jemand mit Li Yun (李云 Lǐ Yún) vor, ist Li der Nachname und Yun der Vorname.

Mit Fräulein (小姐 xiǎojie) werden mancherorts auch leichte Mädchen bezeichnet. Allerdings ist diese Anrede im Alltag durchaus üblich, zum Beispiel werden Kellnerinnen mit Fräulein angesprochen, wenn man sie herbeirufen möchte.

Das Wort Taitai (太太 tàitai) bezeichnet eine Frau, die sozusagen von Beruf Ehefrau ist – also viel Geld und viel Freizeit hat. Taitai kann daher auch eine leicht negative Bedeutung annehmen. Furen (夫人 fūren) ist eine etwas unverfänglichere Bezeichnung für eine verheiratete Frau. Der akademische Grad gehört auch in China mit zur Anrede, ebenso der Beruf oder die Position: Dr. Wang ist dann Wang Boshi (王博士 Wáng bóshì), Manager Wang wird zu Wang Jingli (王经理 Wáng jīnglǐ). Und während es in Deutschland gut ankommt, den anderen besonders häufig mit seinem Namen anzusprechen, spricht man den anderen in China eher in seiner Funktion an (etwa als: Herr Direktor). Denn wenn der eigene Name zu oft ausgesprochen wird, könnten böse Geister auf einen aufmerksam werden. Gegenüber Taxifahrern, Frisören oder Arbeitern benutzt man die Anrede Shifu (师傅 shīfu = fachlicher Meister), Lehrer sind Laoshi (老师 lǎoshī = alter Meister), Ärzte wiederum Daifu (大夫 dàifu = großer Mann).

Lange Zeit war in der Volksrepublik China auch die Anrede als Tongzhi (同志 tóngzhì = Genosse) üblich. Das ist heute nicht mehr gebräuchlich, zumal sich die Bedeutung des Wortes Tongzhi etwas verschoben hat. Bezeichnet jemand aus der jüngeren Generation heute jemanden als Tongzhi, so will er sagen, dass der andere schwul ist. Das kam so: Zerlegt man das Schriftzeichen für Tongzhi in seine Einzelzeichen, so bedeutet es Menschen gleichen Willens – und das kann man nun so oder so interpretieren.

Da man in China das Alter besonders ehrt, klingt es in chinesischen Ohren auch nicht beleidigend, wenn man zum Beispiel vom Alten Zhou (老 周 lǎo Zhōu) spricht. Das ist nur eine besondere Form, um Herrn Zhou Respekt zu erweisen. Selbst Frauen sind in China alles andere als pikiert, wenn man bei ihrer Anrede ein (老 lǎo = alt) voranstellt (→ Alter). Umgekehrt funktioniert die Anrede übrigens auch: Ist jemand jünger als man selbst, kann man ihn auch klein nennen, also zum Beispiel Kleiner Zhou (小周 xiǎo Zhōu). Im geschäftlichen Alltag wird man auf diese Anrede allerdings eher verzichten. Ebenfalls unüblich ist es, sich – wie in amerikanischen Unternehmen – gleich beim Vornamen anzusprechen.

Siehe auch → Namen.

Anstandsreste

Niemals sollte man in China seinen Teller bzw. seine Schale leeressen oder die letzten Essensreste vom Servierteller räumen. Überall muss etwas übrig bleiben, ansonsten sähe es so aus, als hätte man noch Hunger und könnte noch den einen oder anderen Happen vertragen. Wer zum Essen eingeladen ist, könnte seinen Gastgeber ganz schön in Bedrängnis bringen, denn dieser müsste gleich für Nachschub sorgen – im Restaurant also nachbestellen oder zuhause seine Frau noch einmal in die Küche schicken. Ist nicht genug Essen im Haus, würde er sein Gesicht verlieren.

Der Grund für diese Sitte liegt vermutlich darin, dass China Zeiten erbitterter Hungersnöte erleben musste. Jetzt möchte man umso mehr zeigen, dass man es sich leisten kann, Essen großzügig übrig zu lassen.

Siehe auch → Tischmanieren.

Arbeitsessen

Das Arbeitsessen im engeren Sinne kennt man in China nicht. Zwar wird auch mit Geschäftspartnern gerne und viel gegessen, doch herrscht eine lockere Atmosphäre. Gerade weil das Essen für Chinesen solch einen wichtigen Stellenwert hat, darf der Spaß daran nicht durch ernste, vielleicht sogar unangenehme, Gesprächsthemen getrübt werden. Trotzdem sollte man die Bedeutung des Arbeitsessens nicht unterschätzen. Auch wenn es dabei entspannt zugeht: Die wirklich wichtigen Themen werden nur beim Essen besprochen, nicht im Besprechungszimmer. Daher gilt: Ein geschäftlicher Termin ohne Essen ist wenig wert. Essenseinladungen sollte man also immer annehmen.

Siehe auch → Bankett, → Essen, Allgemeines, → Smalltalk.

Arbeitszeiten

Siehe → Bürozeiten.

B

Bankett

Mit einem Bankett wird unter Geschäftsleuten gerne der Abschluss eines Vertrags gebührend gefeiert. Dementsprechend üppig und feuchtfröhlich wird es bei diesem Essen zugehen. Man sollte also möglichst viel Zeit dafür einplanen. Wer dennoch von einem Bankett vorzeitig aufbrechen muss, muss sich nicht von allen Anwesenden einzeln verabschieden. Es genügt, sich zwei bis drei Personen in der Nähe diskret zuzuwenden. Nur dem Gastgeber gegenüber ist man eine kurze Erklärung schuldig. Allerdings sollte man ihn damit nicht weiter aufhalten, sondern sich dann möglichst zügig auf den Weg machen. Schließlich hat sich der Gastgeber noch um weitere Gäste zu kümmern und daher keine Zeit, sich intensiver mit einem einzelnen Gast zu beschäftigen. Andere Gäste könnten sich vernachlässigt fühlen, was dem Gastgeber unangenehm wäre.

Siehe auch → Essen, Allgemeines, → Tischmanieren, → Verabschiedung.

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