Deutschland wohin???

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Deutschland wohin???
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Deutschland Wohin

1. Auflage, erschienen 7-2021

Umschlaggestaltung: Romeon Verlag

Text: Luma Mayhér

Layout: Romeon Verlag

ISBN (E-Book): 978-3-96229-801-2

www.romeon-verlag.de

Copyright © Romeon Verlag, Jüchen

Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der Übersetzung, sind vorbehalten. Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Verlages darf das Werk, auch nicht Teile daraus, weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schadenersatz.

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LUMA MAYHÉR

Deutschland

wohin???

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1. Deutschland nach dem Krieg bis heute (vor Corona)

1.1 Die Zeit nach dem Krieg bis zur Wiedervereinigung

1.2 Deutschland nach der Wiedervereinigung

1.3 Die Zeit der rot-grünen Regierung unter Kanzler Schröder

1.4 Die Zeit unter Kanzlerin Merkel

2. Das politische System: Schwächen, Änderungsbedarf, Zukunft?

2.1 Die Legislative

2.2 Die Exekutive

2.2.1 Sicherheitsbehörde Polizei

2.2.2 Der Überwachungsstaat?

2.2.3 Außensicherheit Bundeswehr

2.3 Die Judikative

2.4 Eigenmacht der Administration/Verwaltung

3. Der Status quo – Deutschland vor der Coronakrise

3.1 Veränderungen der politischen Landschaft

3.2 Stand und Herausforderungen der Wirtschaftsentwicklung

3.3 Finanzen/Staatsfinanzen

3.4 Soziale Spaltung

3.5 Demografischer Wandel

3.6 Migrations- und Flüchtlingspolitik

3.7 Daseinsvorsorge

3.8 Europa

3.9 Öffentlichkeit

3.10 Christliche Kirchen

3.11 Deutschland, eine Erfolgsgeschichte mit Erosionserscheinungen

4 Deutschland wohin?

4.1 Corona verändert

4.1.1 Das Konzept zur Krisenbewältigung

4.1.2 Wie die Politik handelte

4.1.3 Herausforderungen zweite Infektionswelle und neuer Lockdown

4.1.4 Wo bleibt die Handlungsstrategie ?

4.2 Wo steuert die Politik das Staatssystem hin?

4.2.1 Zum Handlungsbedarf im deutschen Staatssystem

4.2.2 Wesentlicher, wichtiger Handlungsbedarf

4.2.3 Weitere wichtige Handlungsfelder

4.2.4 Herausforderung Europa

5 Schlusswort

Quellen:

Zeitungen/Zeitschriften

Ergänzende Quellen:

Vorwort

Deutschland hatte seit der Gründung der Bundesrepublik eine enorm erfolgreiche Entwicklung. Das gilt sowohl für die Entwicklung der Demokratie als auch der Wirtschaft und des Wohlstandes der Bevölkerung. Zugleich stehen umfassende Veränderungen und Herausforderungen bevor, die nicht nur in der 2020 entfachten Coronakrise und bei deren Folgen begründet sind, sondern vor allem durch Fragen des Klima- und Umweltschutzbedarf sowie die Fragwürdigkeit der heute dominierenden neoliberalen Wirtschaftsausrichtung und -politik.

Die so erfolgreiche deutsche Entwicklung wirft aber auch Schatten voraus. Das gilt vor allem für die Verteilung des Wohlstands als auch für die Demokratie und das Staatswesen in unserem Land bis hin zu Veränderungen von Öffentlichkeit und anscheinend Infragestellung der Meinungsfreiheit. Dafür sprechen schon die Aussagen der Medien, insbesondere wenn die Inhalte im zeitlichen Verlauf gegenübergestellt werden. Es sind also letztlich die Informationen, die nahezu jedem Bürger vorliegen. Deshalb stützt sich das vorliegende Buch vorrangig auf diese jedermann zugänglichen Quellen und nicht auf umfassende Datenerhebungen und wissenschaftliche Studien und Untersuchungen. Die Ausführungen in den Tagesmedien sind mitunter alarmierend, sie geraten jedoch schnell in Vergessenheit. In der Aufreihung dieser Meldungen, die bei den meisten Lesern unterbleibt, zeigt sich aber die Brisanz mancher Entwicklungen, die hier mit zum Gegenstand der Erörterungen wurden. Durch den engen Bezug zu den Tagesmedien ist hoffentlich vieles anschaulich und damit gut verständlich dargestellt. Wir steuern auf große Herausforderungen mit hohem Handlungsbedarf zu. Es kommt nun auf richtiges Agieren von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft an, um die Gefahren dieser Entwicklung zu meistern und die Chancen, die zugleich darin liegen, zu nutzen. Das vorliegende Buch will dazu einen Anstoß geben und zugleich auch auf den Erhalt, die Sicherung sowie Weiterentwicklung unserer Demokratie hinwirken. Es gilt also nachzudenken, aber auch zu handeln.

Als Quellen wurden vorrangig die Tageszeitung der beispielhaft ausgewählten mittelgroßen Landeshauptstadt Wiesbaden, punktuell auch Zeitmagazine wie Der Spiegel und Focus und die Frankfurter Allgemeine Zeitung, verschiedentlich aber auch die Bildzeitung und weitere Zeitungen, wie auch Inhalte aus einigen wissenschaftlichen Abhandlungen, darunter auch aus meinen eigenen wissenschaftlichen Arbeiten, sowie Ergebnisse von Internetrecherchen verwendet. Diese Darlegungen sind jedoch nicht wie bei einer akribischen wissenschaftlichen Arbeit durch gründliche Recherchen mit Quellenangaben gesichert. Dieser Aufwand wurde unterlassen und somit vernachlässigt. Anderseits ist aber davon auszugehen, dass häufige Aussagen in der Tagespresse doch in etwas die reale Entwicklung wiedergeben, zumal wenn sie aus unterschiedlichen Zeitungen stammen. Zu den verwerteten Pressebeiträgen werden weitgehend der Name der Zeitung/ Zeitschrift und das Veröffentlichungsdatum angegeben, zu den anderen Quellen wie Internetrecherchen und Buchpublikationen die dafür gebräuchlichen Quellenangaben. Da einige der behandelten Schwerpunkte für mehrere Kapitel Relevanz beinhalten, wird auf die Querbezüge mit entsprechenden Seitenangaben jeweils in Klammern gesetzt in kursiver Schrift verwiesen. Die verwerteten Zeitungen sowie deren gebräuchlichen Abkürzungsformen sind am Ende der Ausführungen unter Quellen, S. 453 aufgeführt.

 

Die hier getroffenen Aussagen stellen wie jede Meinungsposition Wertungen dar, sind somit subjektiv. Trotz meinem Bemühen um Ausgewogenheit werden manche Darlegungen ggf. massive Widersprüche hervorrufen. Sie könnten mitunter auch als Provokation empfunden werden, gerade angesichts der Entwicklung von Öffentlichkeit, Meinungsbildung und Mainstream. Provokationen sind hier jedoch nicht beabsichtigt, sondern die konstruktive Auseinandersetzung mit den Werten und den zukünftigen Herausforderungen für eine ausgeglichene Entwicklung in unserem Land.

Luma Mayhér (Ludwig-Martin M.)

Einleitung

Auf dem deutschen Staatsgebiet vollzog sich nach dem Ende des zweiten Weltkrieges eine ausgesprochen erfolgreiche Entwicklung. Das damals schwer zerstörte und hoch verschuldete Land erlebte einen grandiosen Aufbau und tiefgreifenden sozialen sowie politischen Wandel. Die neu gegründete Bundesrepublik erreichte schon in den 50er Jahren die Wirtschaftsstärke des Vorkriegsdeutschlandes , wenngleich die Entwicklung durch die Einschränkungen und Probleme der deutschen wie auch der europäischen Teilung überschattet wurde. Mit der Wiedervereinigung und der alsbald folgenden Auflösung der Sowjetunion und des Ostblocks wurde die lange Zeit der europäischen Teilung beendet.

Europa wächst seitdem zusammen. Über die Hälfte der Staaten haben sich in die Europäische Union eingebracht. Deutschland genießt ein hohes Ansehen. Das ist nicht nur auf die erlangte Wirtschaftskraft zurückzuführen, sondern auch auf das internationale Ansehen des Grundgesetzes und des daraus resultierenden demokratischen Staatswesens. Die Distanzierung der Bundesrepublik von der Ideologie und dem Staatswesen der NS-Vergangenheit überzeugte international, wenngleich begrenzte rechtsnationale politische Tendenzen das Bild etwas trüben.

Die Entwicklung hat mein Leben entscheidend geprägt und bestimmt. Im Krieg geboren, beginnen meine Erinnerungen mit den Schrecken der letzten Kriegstage und den großen Problemen der Nachkriegszeit bis hin zu lebhaften Erinnerungen an Verwandte, die damals aufgrund der schlechten Versorgungslage verhungerten. Danach habe ich die Aufwärtsentwicklung der Bundesrepublik und Westberlins miterlebt. Auch in Ostdeutschland ging es voran, wie ich in zahlreichen Besuchen und den vielfältigen gesamtdeutschen Familienkontakten mitbekam. Die deutsche Entwicklung nach dem Kriege bis zur Gegenwart war die Bühne meines Lebens. Deshalb fühle ich mich dieser Entwicklung sehr verbunden. Diese Entwicklung bot aus meiner Sicht für den Großteil der Bevölkerung bislang kaum da gewesene große Chancen, vorausgesetzt, dass der/die Einzelne die Initiative ergriff, um diese zu nutzen. Dafür spricht auch meine Berufslaufbahn, die vom Facharbeitergesellenbrief bis zum habilitierten Wissenschaftler und Hochschullehrer reicht. Diese enormen Möglichkeiten, waren letztlich das Modell, das damals die junge Bundesrepublik für die berufliche Entwicklung und den sozialen Aufstieg schuf. Zur Finanzierung meines ersten Studiums habe ich in etlichen Berufsfeldern und Branchen gearbeitet. Dadurch kann ich die Belange der „einfachen“ Bevölkerung, wie auch die der Akademiker bis hin zum gehobenen Mittelstand recht zutreffend einschätzen. Später bereiste ich mehr als jedes zweite Land der Erde. Um Erfahrungen zu sammeln, emigrierte ich für eine Zeit in ein außereuropäisches Land und suchte mir dort Arbeit. Bei meinen Auslandsaufenthalten handelte es sich größtenteils um Individualreisen. Deshalb war für mich eine intensive Auseinandersetzung mit den jeweiligen Ländern, deren Geschichte und Kultur eine Selbstverständlichkeit. Aufgrund dieser Erfahrungen und Erkenntnisse sehe ich die deutsche Entwicklung und das gesellschaftlichen Lebens immer im globalen Vergleich. Das gilt auch für die Zuwanderungen, die deutsche Aufnahmekultur und Bereitschaft der Emigranten, wie sie sich hier einbringen.

In der deutschen Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg gab es bei allen großartigen Erfolgen jedoch auch Schattenseiten und diese nicht nur in der DDR. „Nicht alles ist Gold, was glänzt“, wie ein Sprichwort sagt. Schwachstellen gibt es in jedem Staat, wie ich schon alleine in meinen vielen Auslandsaufenthalten erfahren habe. Deshalb gehöre ich auch nicht zu den Personen, die bei uns sehr vieles schlecht und im Ausland „alles besser“ finden und vom Auswandern träumen (was sie in der Regel dann aber nicht umsetzen). Vielmehr glaube ich an den Staat der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Wiedervereinigung waren endlich die Voraussetzungen für die gesamte deutsche Bevölkerung geschaffen, an der positiven Entwicklung teilzuhaben, wenngleich die lange Zeit der DDR und deutschen Teilung noch lange nachwirkte und auch zukünftig nachwirken wird. Mit der Wiedervereinigung, der alsbald die Auflösung des Ostblocks folgte, fing eine neue Epoche an, die große Chancen für viel Positives brachte und bringt.

Es ist viel erreicht worden, was inzwischen auch für Ostdeutschland gilt. Zugleich zeichnen sich aber im vereinten Deutschland auch Schatten immer deutlicher ab. Seit der politischen Neuorientierung und Umwandlung der ehemals sozialistisch geprägten osteuropäischen Staaten und der DDR musste der Westen seine Überlegenheit gegenüber sozialistischen Staatsmodelle nicht mehr unter Beweis stellen. Die frühere Systemkonkurrenz war vordem letztlich eine der Triebfedern für Ludwigs Erhards Modell der Sozialen Marktwirtschaft, unter dem in den fünfziger Jahren der wirtschaftliche Aufschwung Westdeutschlands eingeleitet wurde. Deshalb gab es zur Wiedervereinigung bereits Befürchtungen für den Beginn einer sozialen Spaltung. Diese Bedenken hatte ich damals ebenfalls. Leider haben sie sich tendenziell bestätigt. Deutschland ist längst von einer sozialen Spreizung betroffen, die sich innerhalb der letzten 20 Jahre deutlich verstärkte, so dass zunehmend schon von sozialer Spaltung gesprochen werden kann. Dabei gehe es Deutschland laut den Äußerungen von Spitzenpolitikern der regierenden Parteien so gut wie nie, aber die soziale Entwicklung wirft massive Fragen auf. Warum lebt dann in unserem wohlhabenden Land jedes sechste Kind, in Großstädten z. T. jedes fünfte Kind, unterhalb der Armutsgrenze? Warum leben ebenfalls auch 1,5 Mio. Alleinerziehende mit ihren Kindern unterhalb der Armutsgrenze? Wieso stellen Experten seit längerem in unserem Land eine zunehmende soziale Spaltung fest? Laut neueren Presseberichten ist davon längst nicht nur die Unterschicht, sondern zunehmend auch die Mittelschicht vom Niedergang betroffen.

Gleichzeitig wächst seit längerem die Anzahl der Einkommensmillionäre und die reichen Bürger des Landes erfahren enormen Vermögenszuwachs. Den geht es wohl schon „so gut wie nie“, aber bei der sozialen Spreizung eben vielen anderen nicht. Die Bundesbürger, das heißt auch der Großteil der Bevölkerung, haben in der EU mit die höchste Abgabenlast zu tragen. In den wachstumsstarken Verdichtungsräumen wird aufgrund der hohen Immobilienpreise und Mieten die Wohnversorgung für viele Bürger zum Problem. Die deutsche Industrienation liegt in der Digitalisierung unter dem EU-Durchschnitt, obwohl die Regierung erhebliche Möglichkeiten zum Gegensteuern hatte und hat. Die Teilräume Deutschlands weisen deutliche Unterschiede in der Versorgung mit Daseinsvorsorge auf, obwohl die Verfassung das Hinwirken auf gleichwertige Lebensbedingungen in den Teilräumen Deutschlands vorgibt. Warum ist so wenig passiert? Warum nutzt die Regierung ihre Einflussmöglichkeiten zum Gegensteuern so wenig?

Die Tagespresse berichtet über Ungemach für wichtige Staatsinstitutionen. Das gilt schon für die politische Parteienlandschaft wie für die Parlamente bis hin zur Ebene vom Stadt- und Gemeinderat. Politisch gefärbte Personalpolitik ist oft entscheidend und setzt sich in den Verwaltungen fort. Das Parteibuch zählt häufig mehr als Sachqualifikation. Die Verantwortung vor dem eigenen Gewissen, wie es das Grundgesetz für Parlamentarier vorgibt, wird oft hinter die Fraktionsdisziplin zurückgestellt. Das forderte selbst die Kanzlerin, wenn es um die AfD ging (wie das zweifelhafte Beispiel der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen belegt). Zugleich dominieren im Bundestag, wie in den Landtagen, immer mehr Berufspolitiker, die zudem längst nicht mehr einem Querschnitt der Bevölkerung entsprechen. Die politischen Leitungsebenen entfernen sich immer weiter vom Volk. Nach verschiedentlichen Berichten zu urteilen leben die Politiker zunehmend in einer anderen, eigenen elitären Welt und entfernen sich vom Bürger (siehe a. Hartmann, 5. Kap.). Dadurch und wegen der Flüchtlingspolitik der Regierung erhält politischer Populismus Zulauf, wie die Wahlerfolge der AfD belegen. Beispielhaft war auch die Einschätzung der Kanzlerin, dass für die Renten aktuell kein Handlungsbedarf bestehe, obwohl hier längst immer mehr ältere Menschen von Altersarmut betroffen sind. Die Merkel-Aussage erschüttert, denn zugleich betonte sie auch in einer Fernsehsendung: „So gut wie heute ging es Deutschland noch nie.“ Demnach muss der Staat über genügend Geld verfügen, um der Rentnerarmut entgegenzuwirken, aber die Regierung müsste es wollen.

Ungemach gilt auch für die Justiz und Polizei, die vor allem durch Personalausdünnung in den zurückliegenden Jahren bei gleichzeitig zugenommenem Aufgabenspektrum, wie die vielen Asylverfahren, vor schwierigen Problemen stehen. Das bedingt z.T. Probleme und schlechte Arbeitsbedingungen, die Frust erzeugen. In der Justiz kommt es aufgrund zu langer Verfahrensdauer trotz überzeugender Beweislage zu Verfahrenseinstellungen bis hin zur Haftentlassung gefährlicher Straftäter. Zugleich schwächelt die Justiz durch ihre Aufweichung verhängter Strafen. So erlischt während einer Bewährungszeit bei neuen Straftaten häufig nicht die Bewährung, sondern es werden weitere Bewährungszeiträume angehängt, anstatt einen Strafantritt zu verfügen. Gerichte ahnden z. T. vergleichbare Straftaten mit extrem unterschiedlichem Strafmaß. Bei der Dortmunder Love-Parade-Katastrophe mit hoher Opferzahl war der Justizapparat unfähig die Schuldfrage zu klären und Urteile zu fällen. Zugleich berichtet die Presse von Übergriffen gegenüber Polizisten, die nicht oder kaum geahndet werden, wie auch umgekehrt Polizeiübergriffe für die Beamten kaum Folgen haben. Die Übergriffe seitens der Polizei sind z.T. dem Führungspersonal zuzuordnen, wie bei Demonstrationen gegen Stuttgart 21. Politiker diffamieren Gerichtsanordnungen zur Rückführung abgeschobener Flüchtlinge, obwohl die Umsetzung geltender Gesetze die gerichtlichen Maßnahmen bedingt. Statt der Diffamierungen gerichtlicher Maßnahmen durch Politiker wäre die Schaffung entsprechender Gesetze der richtige und angemessene Weg. Aber die Politik hält sich zurück.

Die Verwaltung führt ein zunehmendes Eigenleben, indem sie immer mehr Bereiche bürokratischen Regelungen unterwirft. Das erfolgt teilweise weniger auf der Grundlage entsprechender Gesetze, sondern vor allem durch Verwaltungserlasse und eigenmächtiges Handeln. Das kann dazu führen, dass die Verwaltung straffällig gewordenen Personen Restriktionen und Maßnahmen auferlegt, die sowohl von den Kosten als auch den damit verhängten Einschränkungen her deutlich über die vom Gericht verhängte Strafe hinausgehen und zusätzlich zu tragen sind. Dazu können auch Kontrollvorgänge gehören, die menschenunwürdig sind, obwohl unsere Verfassung die Menschenwürde als unantastbar festschreibt. Wo bleibt da die Rechtsstaatlichkeit? Für ausstehende Steuerbeträge werden hohe Zinsen berechnet, obwohl diese auf dem Kreditmarkt seit Jahren im sehr niedrigen Bereich liegen. Das galt inzwischen teilweise selbst für kommunale Hilfen zur Bewältigung der Coronafolgen, wie z.B. in Frankfurt a.M.

Deutschland ist seit dem Ende der sechziger Jahre vom demografischen Wandel betroffen, der sich zunächst durch die niedrige Geburtenrate vor allem quantitativ, dann aufgrund steigender Lebenserwartung durch die zunehmende Zahl älterer Mitbürger und seit den sechziger Jahren auch ethnisch durch Zuwanderung ausdrückt. Dieser Wandel bedeutet erhebliche Veränderungen, die den quantitativen Bedarf wie auch die Ausrichtung der Daseinsvorsorge verändern, die Rückwirkungen auf die Wirtschaft und das Arbeitskräftepotential haben, welche die Öffentlichkeit verändern und auf die Staatsfinanzen und Ausgaben Einfluss haben. Gleichfalls sprechen die niedrigen Geburtenzahlen für erhebliche Probleme für Renten und Altersversorgung. Dazu war bislang von der Politik wenig zu hören. Erst als seit der Mitte des letzten Jahrzehnts hohe Flüchtlingszuwanderung zu politischen Kontroversen und Handlungsdruck führte, fand in der Bundesrepublik der demografische Wandel etwas Beachtung. Das hat die Regierungen aber kaum veranlasst, über mögliche Einflussnahme auf das niedrige Geburtenaufkommen oder für geburtenfördernde Gegenmaßnahmen nachzudenken, so wie mit den daraus angeleiteten Maßnahmen in einigen anderen europäischen Staaten durchaus Erfolge erzielt wurden. Die Bundesregierung sieht im Einklang mit der hiesigen Wirtschaft vor allem in Zuwanderungen größte Möglichkeiten. Damit können die ansonsten scheinbar bevorstehenden Probleme zur Sicherung ausreichender Arbeitskräfte gelöst werden.

 

Gleichzeitig erleben wir einen Wandel der Öffentlichkeit, letztlich auch für die Meinungsfreiheit. Personen, die ihre Abneigung gegen hohe Zuwanderungen offen äußern, werden schnell in die rechte Ecke gestellt, der Fremdenfeindlichkeit und des Fremdenhasses, ggf. auch der Volksverhetzung bezichtigt, bis hin zur Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Das Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin ist auch Teil dieser Entwicklung.

Es hat sich Weiteres verändert. Von den sexuellen Freiheiten und freizügigen Sexualdarstellungen, die die 68er Generation in dem damals noch sehr prüden Deutschland durchsetzte, bewegt sich die Gesellschaft längst wieder zurück zum prüden Spießertum. Die Tagespresse berichtete von Museumsdirektoren, die sich der Kritik stellen müssen, weil Bilder unbekleideter Frauen gezeigt wurden. Zudem geben einige Politikerinnen und Gesellschaftsgruppen lautstark ihre Meinungen und daran geknüpften Maßstäbe vor. Oft beanspruchen sie die große Mehrheit der Bevölkerung zu vertreten, obwohl Umfragen etwas ganz anderes aussagen und diesen Anspruch widerlegen. Hier wird in einem Mainstream versucht, Wertmaßstäbe vorzugeben und Druck zu deren Durchsetzung zu erzeugen (Kubicki, W.: Meinungsunfreiheit). Eine Entwicklung, die auch für viel Umweltaktivisten/aktivistinnen gilt. Die Meinungsfreiheit bedeutet da wenig, wie z.T. die Attacken gegen andere Meinungen zeigen. Statt inhaltlicher Auseinandersetzung und Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen und Äußerungen gilt dogmatisches Festhalten an den getroffenen eigenen Positionen. Mich erinnert der derzeitige Umgang mit der Meinungsfreiheit mitunter an frühere DDR-Besuche. Dort hat man in der Öffentlichkeit besser nicht das gesagt, was man dachte, sondern seine Verlautbarungen angepasst.

Der Klimaschutz ist ein weiteres Problemfeld. Die hochgesteckten Ziele bis 2020 wurden nicht erreicht. Statt einer Auseinandersetzung mit der Frage, warum die Ziele nicht erreicht wurden, setzte die Regierung neue, höhere Ziele, die jedoch erst bis 2030 erreicht werden sollen. Die nicht erreichten Klimaziele erinnern an die Digitalisierungsziele der Kanzlerin oder ihr Wahlversprechen Bürokratie abzubauen, die auch nicht erreicht wurden, weil es an Regierungsaktivitäten fehlte. Immerhin, bezüglich des Klima- und Umweltschutzes haben wir uns infolge der Coronakrise etwas auf die Ziele zubewegt, die Bürokratie hat hingegen noch erheblich zugenommen.

Für die EU zeichnen sich ebenfalls Probleme ab. Das Zusammenwachsen und gemeinsame Agieren der europäischen Staaten sind ohne Zweifel ein Segen und ohne Wenn und Aber zu begrüßen. Zugleich wächst aber auch ein europäischer Bürokratismus, der wie in Deutschland zunehmend um sich greift und z. T. nicht überzeugende Vorgaben bringt. Die Vorstellungen, die nationalen Eigenständigkeiten zum gemeinsamen Handeln zu koordinieren und sich entsprechend den Vereinigten Staaten von Amerika zu einem vereinigten Europa bei weitgehender Aufgabe der nationalen Eigenständigkeit zu entwickeln, stoßen immer stärker auf Widerstände. Die Widerstände werden vor allem durch die Europäische Zentralbank mit den Folgen ihrer Niedrigzinspolitik und Stützungsaufkäufe „fauler“ Bankkredite angeheizt. Zudem kommen die Kreditaufkäufe der Europäischen Zentralbank einer indirekten Übernahme der Schulden von Mitgliedsländern nahe, obwohl das nach den Vereinbarungen zur Sicherheit des Euro unzulässig ist. Der Europäische Gerichtshof hat dieses Vorgehen zwar als legitim eingestuft, aber ein neues Urteil des Bundesverfassungsgerichtes stellt sich dagegen. Bei diesem Widerspruch zwischen den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes und des deutschen Verfassungsgerichtes hätte die deutsche Regierung klärende Antworten geben müsste, aber die taucht ins Schweigen ab.

Deutschland steht also vor hohem und dringendem Handlungsbedarf, um den vielen Herausforderungen entgegenzuwirken. Durch die Coronakrise wird der Großteil der Herausforderungen noch verschärft und auch viel deutlicher. Wir stehen wahrscheinlich vor einem tiefgreifenden Wandel, der große Gefahren, aber auch Chancen beinhaltet. Deshalb kommt es darauf an, die Chancen zu nutzen. Das gilt nicht nur für die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Veränderungen und Wirtschaftsentwicklung, sondern für sämtliche Bereiche. Somit ist auch den Erosionen unseres Staates entgegenzuwirken. In diesem Sinne ist dieses Buch gemeint. Es soll zum Anstoß beitragen, sich mit der zukünftigen Entwicklung unseres Landes im kritischen, aber zugleich im konstruktiven Sinne auseinanderzusetzen.

Die hier getroffenen Ausführungen können bei der Breite der angesprochenen Thematik nicht umfassend sein und beschränken sich daher auf die Bereiche, denen hier besondere Bedeutung und hoher Handlungsbedarf zugeschrieben werden. Zunächst wird in einem zusammenfassenden Abriss die deutsche Entwicklung und die dabei auftretenden Probleme im Zeitraum bis zur Coronakrise angesprochen. Die Ausführungen beginnen mit einem kurzen Rückblick auf die deutsche Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur deutschen Wiedervereinigung. Aus dieser Zeit stammen prägende Einflüsse. So vor allem das Grundgesetz und die Entwicklung der politischen Landschaft, Öffentlichkeit und der wachsende europäische Zusammenschluss. Danach wird ausführlicher die Entwicklung unter Kanzler Schröder und Kanzlerin Merkel behandelt, da von dieser Zeitepoche wesentliche Einflüsse für die heutige Situation ausgehen. Die Ausführungen sind in Anbetracht der vielen Veröffentlichungen zu dieser Zeit nicht umfassend und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber dennoch wichtig für die Gesamtzusammenhänge der hier dargelegten Überlegungen. Daran schließen als Hauptteil die kritische Auseinandersetzung mit der jüngsten Entwicklung und der derzeitigen Situation der Bundesrepublik an, um den Handlungsbedarf und die Handlungserfordernisse anhand der eingegrenzten Probleme und Fehlentwicklungen herauszuarbeiten. Die Ausführungen zur Coronakrise belegen die dadurch bedingte Erhöhung des Handlungsbedarfs. Das Schlusskapitel setzt sich mit den hier gesehenen Herausforderungen und Handlungsbedarf sowie auch evtl. Handlungsmöglichkeiten und -ansätzen auseinander.