Hey, Milla! (Band 2) – Mein perfektes Freundschaftswunder

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Aus der Reihe: Hey, Milla! #2
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Hey, Milla! (Band 2) – Mein perfektes Freundschaftswunder
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INHALT

Mittwoch, zwei Tage vor den Herbstferien

Freitag, letzter Schultag vor den Ferien

Samstag, erster Tag der Herbstferien

Sonntag, zweiter Tag der Herbstferien

Montag, in den Herbstferien

Dienstag (oder ist schon Mittwoch?) in den Herbstferien

Der schönste Mittwoch, in den Herbstferien

Der stürmische Regen-Donnerstag

Freitag, Tag der National Dance Stars Competition

Samstag, vorletzter Ferientag

Sonntag, letzter Ferientag (!)




Mittwoch,

zwei Tage vor den Herbstferien

»« schreibt man mit »ie«, sagt Frau von Teufel, »sonst wäre es ja eine , und die könnte bestimmt nicht fliegen.«

Ja klar, die Schreibweise hat ganz sicher was mit dem Fliegen zu tun – veräppeln kann ich mich selber. Meine Mitschüler finden es aber komisch und lachen über Frau von Teufels Bemerkung. Nur ich verstehe das mit diesem verflixten und dem dummen immer noch nicht. Menno!

Oh, ich muss mich ja erst mal vorstellen: Ich bin Milla, , wie mein Onkel Charlie mich nennt. Er ist ein Indianer, mein Papa malt Zeichentrickfilme und mein Hund Lupo ist eigentlich ein Außerirdischer auf Forschungsreise. Manchmal flunker’ ich ein bisschen, um meine Geschichten spannender zu machen. Aber was jetzt kommt, ist hundertprozentig die absolute Wahrheit. Ich schwöre!

Vor meinen Augen verwandelt sich die »« – also das Wort in meinem Heft – in eine echte, kleine Biene, die versucht zu fliegen, und schließlich durch das Fenster davonsummt, ganz ohne . Ha, siehste!

Trotzdem macht mich der Blick in mein Deutschheft traurig. Ich es, Geschichten zu schreiben, aber wenn Frau von Teufel mir die dann korrigiert zurückgibt, ist alles ganz ROT vor lauter Fehlern. Mist katze! Man sieht vor lauer roter Lehrertinte gar keine Geschichte mehr. Ich seufze, und sie sagt, ich soll mich nicht entmutigen lassen. Aber das ist leichter gesagt als getan, denn ich stehe mit Wörtern und Buchstaben auf Kriegsfuß. Es ist schon viel besser geworden, seit ich im Sommer lesen gelernt habe und Conny von Teufel (ja, die heißt wirklich so) ist wirklich die netteste Lehrerin der Welt – aber es ärgert mich einfach, dass ich so viele dumme Fehler mache. Grummel! Papa sagt, ich muss mich damit abfinden, so eine Lese-Rechtschreib-Schwäche geht nicht wieder weg wie ein Schnupfen. Die hat man für immer, aber wenn man ganz viel übt, wird es ein bisschen besser. Aussichten, oder? Aber ich will jetzt nicht jammern, denn die Ferien stehen vor der Tür.

Frau von Teufel schreibt ganz groß ein Thema an die Tafel.

»›Träume, Wünsche und Visionen‹, heißt unser neues Projekt«, sagt sie »und das wird bestimmt super spannend.«

Klingt wirklich interessant, finde ich, obwohl ich mir nicht so viel darunter vorstellen kann.

»Häh?«, fragt dann auch Angie, meine (* Best Friend Forever = beste Freundin für immer). »Was soll denn das für ein Projekt sein?«

»Wir beschäftigen uns mit den großen Menschheitsträumen wie zum Beispiel dem Fliegen, oder Zukunftsentwürfen, wie dem ›Leben auf einem anderen Planeten‹. Und wir überlegen, was unsere eigenen verrücken Wünsche und Träume sind.«

Wow! Da macht jetzt nicht nur die Angie große Augen. Sofort fallen mir ganz viele Sachen ein, die ich mir wünsche. Dann gibt uns Frau von Teufel auch noch eine besondere Hausaufgabe auf, für die wir bis nach den Ferien Zeit haben (eigentlich ja voll gemein, weil Ferien sind Ferien – aber die Aufgabe gefällt mir): Wir sollen eine Geschichte schreiben unter der Überschrift: »Mein größter Wunschtraum«. Ganz einfach, oder vielleicht doch nicht? Grübel. Doch etwas schwierig, auch, weil Frau von Teufel klarmacht, dass es um einen ganz persönlichen Wunschtraum gehen soll – und nicht um so was Allgemeines wie Weltfrieden oder das Verbot von Klassenarbeiten (ich muss zugeben, an Letzteres hatte ich auch ganz, ganz kurz gedacht).

»Ich freue mich schon auf eure Geschichten!«, verabschiedet uns Conny von Teufel am Ende der Stunde und wir rennen auf den Schulhof.

In der Pause sitze ich neben Angie auf der Schaukel und wir überlegen, was wir uns wünschen sollen.

»Meine Mutter sagt immer, das Leben ist kein Wunschponyschlecken …«, erklärt sie.

»Aber es muss ja auch nicht in Erfüllung gehen«, erwidere ich, »es ist ja mehr so eine Was-wäre-wenn-Frage.«

Ihre Kaugummiblase zerplatzt. Angie macht die lautesten Kaugummiblasen-Zerplatzer der Welt.

»Okay. Also wenn, dann hätte ich gerne ein Pony, aber nur, wenn bewiesen wird, dass es wirklich keine Einhörner gibt, sonst will ich natürlich ein Einhorn.« Ich lache, das ist schwer zu schlagen. Grübel, grübel.

»Eine Weltreise«, schlägt Angie vor, »in einem Wohnmobil.« Gut, aber nicht perfekt, finde ich. Es muss etwas ganz super toll speziell Besonderes sein, sonst wäre es ja nicht mein größter Wunschtraum.

»Du wolltest doch eine neue Mutter, oder? War das nicht dein größter Wunsch?«, fragt sie. Und ich nicke. »Ja, aber mein Vater hat es nicht hingekriegt mit der Richtigen – und auf eine Falsche kann ich verzichten.«

Dann springt Angie von der Schaukel, spuckt den Kaugummi aus und schaut mich ernst an.

»Also ich an deiner Stelle würde mir einfach wünschen, dass meine Mama noch leben würde.«

Es trifft mich mit voller Härte. Dass meine Mama noch leben würde – wäre natürlich mein größter Wunsch! Warum ist mir das nicht eingefallen? Mein Herz rast. Padaboom-padaboom-. Wie konnte ich das vergessen? Padaboom-padaboom-. Papa sagt immer, Mama ist im Himmel und sieht uns zu. Was, wenn sie jetzt gehört hat, dass ich sie vergessen habe? Padaboompadaboom.

»Klar würde ich mir das wünschen«, stammele ich, »aber …, aber das geht doch nicht.«

»Aber ein Einhorn geht schon, oder was?«, fragt Angie und merkt anscheinend gar nicht, wie bestürzt ich bin.

»Natürlich ist das mein größter Wunschtraum, aber Frau von Teufel meint doch was ganz anderes. Sie hat gesagt, es soll um die Zukunft gehen, meine Mutter ist doch schon vor sechs Jahren gestorben«, sage ich etwas gereizt. Dann versuche ich schnell, das Thema zu wechseln, damit es aufhört, in meiner Brust so wehzutun. »Heute noch Mathe, Bio, Sport. Und morgen Deutsch-Doppelstunde, Englisch und Reli – dann sind Herbstferien.«

 

Ich mache eine riesige Kaugummiblase, aber sie zerplatzt nur ganz leise. Piff.

»Also noch sieben Schulstunden«, rechnet Angie zusammen. »Und Freitag der Ausflug ins Deutsche Museum. Das wird bestimmt super.«

Ich nicke. »Mit Papa war ich schon zweimal dort, da kann man ganz viel angucken: echte Blitze, ein Bergwerk oder ein U-Boot.«

Pause zu Ende!

Nach der Schule fahre ich mit meinem Roller zu Papa in die Agentur. Das machen wir mittwochs immer so. Dann gehen wir zusammen Mittagessen und ich erzähle von der Schule und er von seiner Arbeit. Er ist Grafiker und zeichnet gerade Zeichentrickfiguren für einen Animationsfilm, das ist total spannend. Er ist für einen kleinen Esel zuständig und sagt immer, der sei mir sehr, sehr ähnlich: schlau und lustig aber auch ziemlich stur und dickköpfig. Was soll man dazu sagen … stimmt irgendwie – aber ein Esel bin ich trotzdem nicht!

Als ich auf die Klingel von Papas Agentur drücken will, merke ich, dass die Tür nur angelehnt ist und ein großes Schild daran hängt. Was da wohl draufsteht? Ich kneife die Augen zusammen und versuche es zu lesen. Wie gesagt, eigentlich kann ich lesen. Aber es gibt da auch diese fiese Ameisenbande, die immer wieder auftaucht und mich ärgert. Wenn ich es eilig habe oder aufgeregt bin und nervös, dann verwandeln sich die Wörter und Buchstaben vor meinen Augen in kleine, gemeine Ameisen, die umherhüpfen und sich über mich lustig machen. So wie jetzt. Die Krabbelviecher hopsen auf und ab und singen dabei:

»Milla kann uns nicht lesen,

auch nicht mit ’nem Besen,

Milla wird’s nie schaffen,

sie macht sich zum Affen.«

Ich habe keine Chance, das Schild zu entziffern. Verdammte Katze! Also öffne ich die angelehnte Tür und gehe einfach rein ins Büro. Aber niemand ist zu sehen. Die Plätze vor den Computermonitoren und Zeichentischen sind leer, weder in der Küche noch im Kopierraum ist eine Menschenseele. Total ausgestorben. Was ist denn hier passiert? Wurden die alle zusammen auf einen fremden Planeten gebeamt? Sind sie ausgewandert? Oder unsichtbar?

»Hallo?«, rufe ich vorsichtig. »Wo seid ihr denn … alle?«

Oder sind sie vielleicht überfallen, und in den Abstellraum gesperrt worden? Ich bewaffne mich vorsichtshalber mit einem Regenschirm von der Garderobe und schleiche weiter. Aus dem Besprechungsraum am Ende des Flures sind Stimmen zu hören. Aber das sind nicht Papa und seine Kollegen, da bin ich mir sicher. Es sind ausländische Stimmen und sie klingen irgendwie verzerrt. »Eie äm schurr säd juuu kan duu…« Also doch Außerirdische?

Langsam setze ich Schritt vor Schritt, bis ich vor der Tür des großen Konferenzraumes angekommen bin. Durch die Milchglasschreibe erkenne ich Schatten hinter der Tür. Ich lege mein Ohr an die Tür. »Wi sinck säd juuu häf to…« – jemand spricht, aber ich verstehe es nicht. Es ist eine tiefe Männerstimme – wahrscheinlich der Anführer der Außerirdischen. Ich halte die Luft an und zur Sicherheit den Regenschirm vor mich. Dann öffne ich langsam die Tür, stürme hinein und rufe:

»Hände hoch! Lasst sie frei! Ich bin bewaffnet!«

Ich drücke ich auf den kleinen Knopf am Griff des Regenschirms und er springt mit einem schnellen WUSCH! vor mir auf. Erst höre ich gar nichts hinter meinem Schirm, dann fangen alle laut an zu lachen. Und als ich ganz langsam hinter dem Regenschirm hervorluge, merke ich auch warum. Die ganze Agentur sitzt an einem großen Tisch versammelt, über dem eine Videoleinwand hängt. Darauf sind zwei ernst dreinblickenden Männern im Anzug zu sehen.


Dann schießt es mir wieder in den Kopf: Das sind Die Amerikaner. Heute ist der Tag, an dem Papa und seine Kollegen dieses ganz, ganz wichtige Gespräch mit den amerikanischen Auftraggebern führen müssen, wegen dem Animationsfilm. Und jetzt erinnere ich mich auch wieder daran, dass er beim Frühstück von dieser super wichtigen Video-Konferenz erzählt hat. So ein Mist! Voll verpennt! Und ich stehe jetzt mittendrin, mit einem aufgeklappten Marienkäfer-Regenschirm! Wie peinlich! Ich schaue schockiert zu Papa, er findet es nicht so lustig wie die anderen. Und ich sehe auch, dass sich die Amerikaner irritiert anschauen. Blamage hoch drei! Ich würde mich am liebsten in Luft auflösen – oder selbst von Außerirdischen entführt werden.

Knalltomatenrot im Gesicht, klappe ich die Marienkäfer wieder zusammen und schaue auf den Boden. Eigentlich will ich jetzt ganz schnell werglaufen, aber ich bin völlig unfähig, mich zu bewegen. Wie versteinert, oder festgewachsen.

Hildegard, Papas Chefin, versucht die Situation zuretten, indem sie erst auf mich zeigt und dann auf Papa, und den Hollywood-Heinis erklärt, dass ich nur meinen Vater besuchen wollte. (Zumindest glaube ich das, mein Englisch ist ja noch nicht so gut, dass ich sie verstehe). Jetzt lachen auch die Amerikaner. Papa räuspert sich, steht auf, und geht zu mir. Die anderen kichern immer noch und Greta (Papas und meine Lieblingskollegin) zwinkert mir zu.

»Super Auftritt, Milla.«

»Tschuldigung! Es tut mir leid …«, stammle ich, als Papa mich hinter sich her aus dem Raum in die Büroküche zieht. Ist er sauer? Oder – noch schlimmer – enttäuscht von mir? Ich muss schlucken.

Aber Papa hebt mich hoch, setzt mich auf den Tisch (eigentlich bin ich schon zu groß und zu schwer dafür, aber Papa ist ja stark). Dann öffnet er den Kühlschrank und drückt mir erst mal eine Limo in die Hand.

»Milla, wen genau wolltest du denn mit dem Regenschirm bekämpfen?« Er schaut mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.

»Außerirdische«, flüstere ich.

Okay, wenn man es genau überlegt, war es eine ziemlich dumme Idee, eine Bande Aliens mit einem Regenschirm angreifen zu wollen, aber immerhin, ich wollte sie beschützen.

Papa seufzt. Ich schaue schnell auf den Boden.

»Hast du das Schild denn nicht gelesen?«

Ach, das Schild an der Tür! Ja klar, verdammt. »Nee, hab ich nicht … gelesen«, gebe ich kleinlaut zu.

»›Ruhe bitte, Videokonferenz!‹ – stand da drauf«, erklärt Papa vorwurfsvoll. »Diese Filmbosse aus Hollywood geben der Agentur das Geld für den Film, und deshalb ist es so wichtig, was die sagen«, erklärt er und ich nicke schuldbewusst. Weiß ich doch.

»Milli, du musst echt lesen, auch wenn es länger dauert und umständlich ist, sonst …« Er schaut mich ratlos an. Ich nicke immer noch, er hat ja recht.

»Sorry, manchmal hab ich einfach zu viel Fantasie«, gebe ich zu. Aber Papa schüttelt den Kopf.

»Zu viel Fantasie gibt es nicht, Milli-Maus – nur manchmal den falschen Zeitpunkt.«

Ich schaue zu Boden.

»Aliens, wirklich?«, jetzt muss auch er plötzlich laut lachen, und kriegt sich gar nicht wieder ein. Und das ist echt ansteckend.

»Da bin ich aber stolz auf dich, dass du bereit warst uns alle vor einer Alien-Invasion zu beschützen, ziemlich mutig, Milli.«

»Klar, ich trage meinen ja nicht umsonst« sage ich und muss mitlachen.

»Aber beim nächsten Mal checkst du vielleicht erst mal die Lage, bevor du angreifst. Ich meine, mit einem Regenschirm gegen ein Laserschwert kämpfen, wäre ja auch gefährlich«, kichert er und stupst mir dabei auf die Nase.

»Kriegst du jetzt Ärger?«, will ich wissen und habe ein schlechtes Gewissen, denn wegen mir muss Papa ganz oft Sachen verschieben oder absagen oder umorganisieren.

»Also, wenn die Amis keinen Spaß verstehen, sind die sowieso nicht die Richtigen, um einen coolen Kinderfilm zu produzieren, oder?«

Da hat er recht und ich trinke erleichtert meine Limo.

Mein Papa ist einfach der Beste, der aller-aller-beste Papa der Welt. Und dabei hat er es ja nicht so einfach, weil die Mama doch gestorben ist, und wir seitdem »alleinerziehend« sind.

So weit unser kleines vor dem Mittagessen. Jetzt haben wir aber beide Riesenhunger. Wir sitzen im »Goldberg«, unserem Lieblingsbistro, und überlegen, ob wir lieber Risotto, oder Chili con Kichererbsen (also die vegetarische Version von Chili con Carne) Essen wollen.

Papa lächelt die Bedienung an und ich weiß auch wieso. Er findet sie seeeehr nett und seeeehr hübsch und seeeehr lustig. Sie heißt Anastasia, hat ganz viele Zöpfe, lacht super gerne, und arbeitet erst seit ein paar Wochen hier.


»Halli-hallo, hi-hi«, begrüßt sie uns dann gleich und kommt vom Tresen auf uns zu. Sie geht so komisch, so als würde sie hüpfen oder ständig aufs Klo müssen. Hops-hops. Das macht einen schon beim Zuschauen total irre. Und sie lacht so schrill: -hi-hi-hi! »Supi. Was geht? -hi-hi-hi! Hunger? -hi-hi-hi.«

Ich nicke, Papa lächelt sie (ein bisschen dämlich) an. Ich weiß nicht, ob ich Anastasia mag – denn die lacht echt nach jedem Satz, den sie sagt, und nach jedem Satz, den jemand anderes sagt, auch. Wir bestellen, und Anastasia hüpft zurück zum Tresen, um unsere Getränke zu holen. Hops-hops. Papa schaut ihr hinterher. Kichererbse wäre der richtige Name für sie, denke ich und verdrehe die Augen. Das merkt mein Vater.

»Was?«, fragt er, »magst du sie nicht?«

Ich zucke mit den Schultern. »Ich kenn die doch gar nicht.«

Papa beugt sich zu mir herüber, damit sie unser Gespräch nicht hören kann.

»Ja, klar. Aber würdest du sie gerne kennenlernen?«

»Würdest du das denn?«, frage ich, obwohl ich die Antwort ja schon kenne. Papa schaut in Richtung Tresen und grinst verschmitzt. Ich seufze, er schaut mich fragend an.

»Du hast doch gesagt, wir brauchen ›eine Frau‹ in unserem Leben«, flüstert er mir nach einer Weile zu.

»Stimmt«, gebe ich zu. »Aber da ging es um Greta.«

Er knufft mich in die Seite. »Ja, aber vielleicht gibt es ja noch eine Andere?«

»Klar, aber deine Auswahl ist wirklich immer …«, ich suche nach Worten, »… gewöhnungsbedürftig.« Ja, das trifft es.

»Was? Wieso? Vera, die vom Bioladen, die war doch echt nett?«, sagt er empört.

»Nett, vielleicht. Aber die war viel zu ›besorgt‹ und viel zu ›vegan‹. Die hatte sogar Angst vor Milch und vor Eiern und hat dauernd Hirse gekocht.«

Er lacht. »Okay, aber Helene war echt cool. Die hat den Computer repariert, und unseren Toaster.«

»Ja, das war ziemlich cool«, gebe ich zu. »Aber ansonsten war die leider total unlustig. Die hat immer nur so getan, als fände sie unsere Witze komisch, in Wirklichkeit hat sie die gar nicht verstanden.«

»Meinst du wirklich? Aber guck mal, Anastasia hat Humor«, meint Papa. Wir schauen beide zu ihr herüber und sehen, wie sie wippend am Tresen steht und kichernd die Musik lauer dreht. -hi-hi-hi! Ich nicke.

Ich glaube ja, die ist ein bisschen verrückt (im Sinne von durchgeknallt, irre, plemplem), aber wie gesagt, ich kenn sie ja gar nicht, und deshalb sage ich Papa das auch nicht. Mich beunruhigt seine Suche nach ›einer Frau in unserem Leben‹ nicht, denn ich weiß, dass ich bei ihm immer an erster Stelle komme. Und es ist ja auch ganz amüsant* (* das heißt lustig, nicht wirklich zum Lachen lustig, aber so, dass man ein bisschen grinsen muss, so innerlich).

 

Aber dann schießt mir die Sache mit dem Wunschtraum wieder in den Kopf. WUSCH! Was, wenn meine Mama uns jetzt wirklich vom Himmel aus zusieht?

»Vergisst du Mama manchmal?«, frage ich. Er schaut mich entgeistert an.

»Nein, natürlich nicht«, stammelt er. »Warum fragst du das?«

»Nur so. Tut mir leid«, antworte ich, denn es ist mir unangenehm, die Sache mit dem vergessenen Wunsch zu erzählen. Er nimmt meine Hand und versucht, mir in die Augen zu schauen. Ich schaue lieber aus dem Fenster. In meiner Brust zieht sich alles zusammen.

»Milla, ich werde sie nie vergessen. Wir werden Mama nie vergessen. Egal, was passiert. Egal, wen ich kennenlerne, oder nett finde«, sagt er und ich bemerke, dass es ihm auch wehtut.

Ich schniefe und nicke. »Ich weiß, Papa. Tschuldigung! So war das nicht gemeint.« Er drückt mich.

Es ist nicht so, dass ich meine Mama wirklich vermisse, weil ich mich eigentlich gar nicht mehr daran erinnern kann, wie es war, als sie noch bei uns war. Aber ich würde gerne mehr über sie wissen, sie ist ja auch ein Teil von mir. Leider wird Papa immer total traurig, wenn wir über Mama reden, und deshalb machen wir das nicht so oft, also eigentlich nie.

Das Risotto von Papa ist gut, mein Chili-con-Kichererbsen besser. Als wir bezahlen, traut er sich und fragt, ob die Kicher-Anastasia gerne ins Kino geht.

»Nächste Woche bin ich ganz alleine, weil meine treulose Tochter hier ihre Ferien lieber ohne mich verbringt.«

Anastasia lacht. -hi-hi-hi!

»Du musst doch arbeiten«, protestiere ich. -hi-hi-hi!, lacht Anastasia wieder. Papa lächelt und nickt. »Ja, aber abends bin ich doch dann ganz alleine.« -hi-hi-hi! -hi-hi-hi!

Die beiden verabreden sich für nächste Woche. Ich bin ein bisschen eifersüchtig, schließlich gehe ich auch gerne mit Papa ins Kino. Menno! Aber dann erinnere ich mich daran, dass ich jav darauf bestanden habe, meine Herbstferien bei Onkel Charlie auf der Alm zu verbringen. Und mein großer, zotteliger Hund Lupo kommt natürlich auch mit. Das wird bestimmt Soll Papa also ruhig mit dieser Kichererbse ins Kino gehen.

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