Mann und Weltreise

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Mann und Weltreise
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Karsten Meyer


MANN UND FRAU UND WELTREISE

WIE ICH ZUR REISE MEINES LEBENS KAM

Mit erlebten Geschichten,

65 Farbbildern,

114 Tipps,

2 Karten &

1 Vorbereitungs-Checkliste …


Warum eigentlich nicht im besten Alter mal ein Jahr aussteigen, und sein Leben verändern? Wovor haben wir Angst? Vor fremden Menschen, vor einem Jahr ungewohntem Essen oder vor dem Aufgeben unseres liebgewonnenen Lebens?

Ede und Sten erlebten gerade bei der Vorbereitung auf ihre Weltreise die verrücktesten Geschichten. Ob beim Fahrtraining in der „Ostdeutschen Sahara“, der Suche nach dem im Krieg in Ostpolen gefallenen Großvater oder der Gefangennahme durch Paramilitärs auf dem Sinai. Und was wäre gewesen, wenn es den 7. Oktober 2008 nicht gegeben hätte? Ge- schichten auf dem Weg zur Reise ihres Lebens, die sie im Laufe der Vorbereitungszeit von sieben Jahren geprägt haben – authentisch, spannend, aber auch polarisierend. Jeweils aus Sicht einer Frau (Ede), und aus Sicht eines Mannes (Sten). Wenn man so will zwei Bücher in einem.


Sten alias Karsten Meyer,

Jahrgang 1962, in Weimar/Thüringen geboren, hat Produktdesign und Maschinenbau studiert. Er liebt das Unternehmertum, das Reisen und die Wüste.


Impressum

ART-KON-TOR Change Prozesse GmbH

STEDE Verlag

Copyright © 2016 by STEDE Verlag, Jena

Fotos & Grafiken: Elke Klinger, Karsten Meyer

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016

ISBN 978-3-946769-07-1

www.2015.edeundsten.de

www.weltreise-buch.edeundsten.de

„Weißt Du, wie Du Gott zum Lachen bringen kannst?

Erzähl ihm Deine Pläne.“

Blaise Pascal

Inhalt

Titel

Karsten Meyer

Karte: Der Plan unserer Weltreise

Impressum

Zitat

Sieben Jahre vorher.

Der große Crash – das rot-weiße Absperrband.

Dann fahren wir eben einfach los.

Die Minute der Schocktherapie.

Gott sei Dank hatte ich Keuchhusten.

Libyen – der arabische Frühling war bei uns schon im Januar.

Morgen kommt der Traktor – Inshallah!

Zwei Jahre vorher.

Rüdiger Nehberg und der Tunnelblick.

Opa Werner im Jahre 1944 wiedergetroffen.

Ein Jahr vorher.

Das Vertrauenstraining – mit verbundenen Augen fahren lernen.

Unsere Zufallsreisen – die kleine Weltreise nach Quadrath.

Sechs Monate vorher.

Das Gespräch – und alles wird anders.

Drei Monate vorher.

Kein Witz – wir haben jetzt sechs Reisepässe!

Schlechte Laune – ab sofort lese ich keine Reiseblogs mehr.

Ein Monat vorher.

Das Fröhlichkeitsbier – und plötzlich brennt es unter dem Fahrerhaus.

Das weiße Blatt – heute mache ich mein Testament.

Deutschland auf Persisch – internationale Verwicklungen rechtzeitig abgewendet.

Eine Woche vorher.

Das Schicksal – es steckt ab jetzt in meiner rechten Hosentasche.

Ein Tag vorher.

Endlich Weihnachten – wir schenken uns einen Löffel und eine „Hochzeit“.

Eine Stunde vorher.

Die Angst vor der eigenen Courage.

Stunde Null.

Sind wir tatsächlich losgefahren?

Vorbereitungs-Checklisten

Wie planten wir die Reise?

Bildteil

SIEBEN JAHRE VORHER.



Der große Crash – das rot-weiße Absperrband.

Jeder von uns kennt das Gedankenspiel: Woran kannst du dich als Erstes in deinem Leben erinnern? So ähnlich geht es mir, wenn ich heute darauf zurückblicke, welches Ereignis der Auslöser unserer Jahresreise war. Ich habe diesen Tag noch ganz genau in Erinnerung. Es war der 7. Oktober 2008, ein Dienstag. Auf der Expo Real in München, einer der größten Immobilienmessen Europas, auf der wir drei Kunden betreuten, hatten wir unseren Job schon gemacht. Wir liefen am zweiten Tag der Ausstellung nichtsahnend über das Messegelände, als uns wirr durcheinander schnatternde Besucher entgegen kamen. Auf den überall flimmernden Monitoren liefen Wirtschaftsnachrichten mit ähnlich aufgeregter Grundstimmung. Wir schnappten Wortfetzen auf: „Pleite“, „Eurohypo“, „Immobilienblase“.

Wir beide schauten uns verständnislos an und beschleunigten unsere Schritte. Warum eigentlich? Hofften wir, hinter der nächsten Wand der Krise leibhaftig zu begegnen, oder taten wir es nur, weil alle etwas schneller liefen? Wir wussten es nicht, machten aber instinktiv mit. Dann trafen wir doch tatsächlich in der nächsten Messehalle noch auf sie – die Krise – in Form eines Messestandes, der wie ein Kunstobjekt oder ein Tatort fein säuberlich mit lustig flatterndem rot-weißen Absperrband abgesichert war. Wir standen staunend da und betrachteten die Bannmeile, die wie eine Quarantänestation von den anderen Messeständen getrennt dalag, so als ob sich dadurch das böse Pleitenvirus nicht weiter verbreiten konnte. Tausend Gedanken schwirrten in meinem Kopf umher. Einer davon war: „Moment mal, der 7. Oktober, war das nicht der Tag der Republik?“ Die Ossis unter uns wissen Bescheid – und nun ein weiterer 7. Oktober als Schicksalstag.

Es sah schon kurios aus, wie dieser mehrstöckige imposante Messestand so unschuldig dastand und in mir Gedanken auslöste, die meine nächsten Jahre beeinflussen sollten. Im Nachhinein betrachtet, braucht es wahrscheinlich immer emotionale Auslöser, die sich wie Bahnweichen quietschend umlegen und dann unser Leben verändern.

 

Aber was zog mich beim Anblick eines leeren Messestandes so in den Bann? Rational gesehen war es mit Sicherheit lediglich eine belanglose PR-Maßnahme der Bank, die es ihren Mitarbeitern nicht mehr zumuten wollte, sich der Konfrontation der Mitbewerber auszusetzen. Aber emotional legte sich ein Schalter in meinem Bauch um.

Wir setzten uns in eine Lounge in Sichtweite des Krisenherdes und beobachteten die Menschen um uns herum, die wie wir gebannt stehen blieben, ihr Handy zückten und wild schnatternd diese sensationelle „Bildzeitungsmeldung“ in die Welt bliesen.

Was war es, was mich und Ede ebenso in Verwunderung erstarren ließ? War es ein Stück heile Welt, die uns knapp zwanzig Jahre nach der Wende aus den Händen zu gleiten schien. War es die Sorge um unsere Firma, um mögliche Aufträge, die storniert würden? Oder war es die Unruhe vor Veränderung, die solche Ereignisse immer so an sich hatten. Das wusste ich aus meiner Erfahrung schon, immerhin hatten wir in den achtzehn Jahren, die unser Unternehmen nun schon bestand, bereits drei Krisen miterleben dürfen und die Auswirkungen auch am eigenen Leib gespürt.

Wie auch immer. In dieser Messelounge unter Monitoren, auf denen n-tv nur noch ein Thema kannte, wo fassungslose Menschen an uns vorbeizogen und sich die Zeit wie in einem Zeittunnel dehnte, sagte ich wie ferngesteuert zu Ede: „Weißt du was, wir machen 2015 eine Weltreise!“ Ich war über diesen Satz selbst erschrocken, doch er kam einfach so über meine Lippen und es fühlte sich auch noch gut an.

Edes Reaktion kam prompt: „Ja, das machen wir!“

In diesen beiden einfach so dahingesagten Sätzen lag plötzlich so viel Kraft, dass ich die Energie in mir förmlich spüren konnte und aus heutiger Sicht nur noch sagen kann: „Danke, Krise – Danke, Hypo Real Estate – Danke, Zufall.“

So oder so ähnlich fühlte sich jedenfalls die Geburtsstunde unserer Weltreise an.

Nun fragt man sich sicherlich: Ist es nicht etwas viel Zeit für die Vorbereitung einer läppischen Reise, immerhin waren es bis 2015 noch gut sieben Jahre? Warum ausgerechnet 2015? Und warum eine Weltreise?

Keine Ahnung warum, aber diese beiden Aussagen kamen tief aus unserem Inneren und sollten uns die kommenden Jahre zu Komplizen zusammenschweißen, wie Udo L. es ausdrücken würde.



Und Sten, was hast du daraus gelernt?

• Da, wo ein rot-weißes Absperrband hängt, muss es nicht unbedingt „Gefahr“ bedeuten, es kann auch eine „Chance“ lauern.

• Alles ist möglich, was du dir vorstellen kannst.

• Bei den wichtigen Dingen im Leben nicht so viel nachdenken – höre wenigstens einmal auf deinen Bauch, wenn er dir was Wichtiges zu sagen hat.


Dann fahren wir eben einfach los.

Es ist schon kurios, wenn man so den Blick über eine Weltkarte schweifen lässt. Länder und Städte, die ich noch aus dem Geografieunterricht kenne, werden wie bei einem Weltraumflug auf der Karte in Sekunden überquert. Grenzen scheint es nicht zu geben. Gebirge, Flüsse und Meere – alles einfach so mit einem Fingerschnippen.

Weltreise – aber wohin? Die politische Lage hatte sich in den letzten Jahren erheblich verändert, so dass es gar nicht mehr so einfach war, gedankenlos zu reisen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Aussteiger, der mir auf die Frage nach der Vorbereitung einer solchen Reise und der Wahl der Reiseroute empfohlen hat: „Fahrt doch einfach los – ihr werdet schon irgendwie euren Flow finden!“

„Flow“? Was meinte er damit? Ich habe es damals nicht verstanden. Jedenfalls war die Antwort alles andere als das, was ich hören wollte. Was für ein Spinner! Ein Deutscher fährt nicht einfach so los! So sehr mich dieser Satz anfänglich aufgeregt hat, so sehr sollte er mich im Laufe der Reiseplanung dann doch begleiten. Denn er wurde über die gesamte Vorbereitungszeit zu meinem Plan B.

Ich liebe Plan B. Er macht alles plötzlich so leicht, denn der Satz „Dann fahren wir eben einfach los!“ ist eine tolle Vorstellung. Dass es aber doch nicht so unkompliziert war, konnte ich bereits am eigenen Leib spüren. Wer hat noch nicht davon geträumt, einfach auf den Flughafen zu gehen, sich cool über einen Tresen zu beugen und der Dame dahinter ins Ohr zu raunen: „Den nächsten Flug bitte – egal wohin!“ Diese erstaunten Augen wollte bestimmt jeder schon einmal sehen, gefolgt von einem irritierten „Bitte?“.

„Ja, Sie haben richtig gehört – egal wohin!“, erwidern und dabei lässig die Kreditkarte auf den Tresen schnipsen lassen.

So ähnlich erging es mir, als ich mich 1997 nach einer Präsentation bei der Wirtschaftsförderung in Frankfurt am Main mit einem alten Freund am Flughafen verabredet hatte mit dem festen Ziel, diese Nummer einmal durchzuziehen. Unsere Abmachung bestand darin: Wenn die Präsentation gut ging und wir den Auftrag bekommen würden, dann sollte es diese Reise als Belohnung geben. Wenn nicht, dann nicht. Eindeutige Spielregeln.

Die Präsentation lief erstaunlich gut, wir erhielten den Auftrag. Ich schwebte überglücklich auf dem Weg zum Flughafen Frankfurt und es fühlte sich an wie frisch verliebt. Mein Kumpel und ich trafen uns am Eingang, ich nickte, wir grinsten uns zu und schulterten unsere grünen U.S. -Army-Seesäcke. Auf zur Dame am Tresen. Wie es nun weitergehen sollte, war genau in meinem Kopf. Ich genoss den langen Weg durch das Flughafengebäude. Am Last-Minute-Schalter angekommen sollte es uns nicht schwerfallen, in unserer Lässigkeit die lange eingeübten Sätze theatralisch an die Frau zu bringen. „Zweimal den nächsten Flug bitte – egal wohin – nur schnell!“ Die Worte klangen in der großen Halle nach. Die Dame verschwand gelangweilt hinter ihrem Monitor und tauchte nach einer halben Ewigkeit wieder auf. „Also Jungs, die nächsten zwei freien Plätze sind morgen Nachmittag nach Zypern!“ Es summte in meinem Kopf. „Wie morgen Nachmittag?! Wir wollen die nächste Maschine irgendwohin!“ Wir hatten mit allem gerechnet, dass wir losrennen müssten oder unser Gepäck nicht mitnehmen könnten oder in einer Frachtmaschine unterkommen würden – wenn es eine solche Reiseform überhaupt gab. Aber morgen Nachmittag?! – Wie uncool war das denn!

Sie schaute uns etwas mitleidig an. „Enttäuscht?“

Mir fehlten die Worte. Tatsächlich bestiegen wir am kommenden Nachmittag brav die Maschine nach Zypern und ergatterten so die nächsten freien Plätze – irgendwohin. So war das damals Mitte der 1990er Jahre.

Dieses Ereignis hatte mich die kommenden Jahre geprägt. Bis heute schmunzle ich drüber. Tja, zwischen Traum und Wirklichkeit scheint es doch keine Abkürzung zu geben.



Und Sten, was hast du über wahre Abenteuer gelernt?

• Einfach losfahren – klingt toll, ist es sicher auch! Aber seien wir mal ehrlich: Wir als Deutsche? Das geht doch gar nicht – oder doch?!

• Bitte „Last Minute“ nicht allzu wörtlich nehmen, da kann schnell mal ein ganzer Tag draus werden. Vielleicht ist das eigentliche Abenteuer, damit klarzukommen.

• Je weniger Planung, umso größer ist der Reiz, wenn du fragst: „Schatz, wo hast du denn das Hakle Feucht …?“

• Die richtigen Abenteuer kann man nicht buchen, die passieren einfach.


Die Minute der Schocktherapie.

So schnell die Idee an dem ominösen Tag des Messebesuches, damals am 7. Oktober 2008, gekommen war, so schnell sollte diese umgesetzt werden. Ich kenne gute Vorhaben und ich kenne mich. Entweder es bleibt bei einer netten Idee, der ich immer nachweine, oder ich schaffe Tatsachen. Ich mag kurze Prozesse, auch wenn ich diese manchmal hinterher bereue. Aber Reue kann auch ein wunderbarer Triebfaktor sein. Mir ging also unsere Idee der Weltreise nicht mehr aus dem Kopf. Ich kann mich noch wunderbar an die Situation erinnern, als ich auf einer unserer wöchentlichen Mittwochspräsentation in der Firma versteinerte Gesichter sehen sollte.

Diese Kurzpräsentation war und ist eine Institution in unserer Firma, jeden Mittwoch 11.45 bis 12.00 Uhr ist es so weit. In diesen fünfzehn Minuten werden entweder schwierige Entwicklungsprojekte vorgestellt, neue Mitarbeiter eingeführt oder Geburtstage zelebriert. Ein Treffpunkt für alle Mitarbeiter, voller Freud und Leid, denn hier wird jeder Präsentator gezwungen sich kurzzufassen, egal wie interessant oder komplex das Projekt auch ist. Ich machte es kurz an diesem Mittwoch im Oktober 2008. Ich verkündete ohne mit der Wimper zu zucken: „Liebe Mitarbeiter, Ede und ich, wir haben uns entschlossen eine Weltreise zu machen. Wir werden 2015 für ein Jahr unterwegs sein!“ Mir summten die Ohren und es trat eine eisige Stille im Raum ein. Ich hatte das Gefühl, dass das Echo meiner Stimme noch lange nachhallte und sich Raum und Zeit dehnten. Ich schaute in die Runde und sah fassungslose Gesichter. Ob es tatsächlich ein gewisser Schock bei vielen Mitarbeitern war, kann ich nicht sagen, in diesem Moment fühlte ich es so, denn eigentlich war ich es, der über sich selbst erschrocken war. Aber gesagt ist gesagt. Worte kann man bekanntlich nicht mehr zurücknehmen, und das ist auch gut so. Vielleicht wollte ich Tatsachen schaffen, damit es kein Zurück mehr geben konnte. Jedenfalls liebe und verfluche ich mich regelmäßig für diese spontane Art, die sich im Nachhinein jedoch meist gut angefühlt hat.

Gesagt, getan! Diese Art der Initialzündung ist mein Treibstoff, der mich immer daran erinnert, Projekte zu beginnen und auch zu Ende zu bringen. In diesem Fall war die Auswirkung enorm, schließlich reden wir über die nächsten sieben Jahre – eine lange Zeit, dranzubleiben. Nun war es raus und da die Mitarbeiter mich kannten, ahnten sie, dass sich in der nächsten Zeit einiges für uns alle ändern sollte. Mit etwas Abstand verstehe ich nun auch die versteinerten Gesichter der Mitarbeiter besser. Sie sorgten sich weniger um uns, sondern vielmehr um sich selbst, ihre Arbeit und ihre Zukunft. Immerhin konnte es ja sein, dass wir aus irgendwelchen Gründen nicht wiederkommen. Diese Unsicherheit konnte ich niemandem nehmen, denn jeder hört das, was er hören will. Diese Spontanitäten haben jedenfalls immer zwei Seiten. Einerseits Tatsachen schaffen, mit denen man sich selbst unter Druck setzt, keinen Rückzieher mehr zulassen zu können. Andererseits schürt es Spekulationen und Gerüchte, denen man wohl oder übel hilflos ausgeliefert ist.

Egal, nun konnte es richtig losgehen. Die Stunde null beginnt damit, einen Traum vor knapp fünfzig Ohrenpaaren laut auszusprechen. Von nun an lief der Countdown, ähnlich einem Strafgefangenen, der in sieben Jahren entlassen werden sollte und beharrlich jeden Tag einen Strich in die Wand ritzte. So fühlte ich mich jedes Mal, wenn ich an das Jahr 2015 dachte – weit, weit weg und doch so aufregend nah. Der positive Effekt dieser spontanen und kurzen Verkündung sollte sein, dass mich viele Mitarbeiter in den nächsten Tagen augenscheinlich rein zufällig abpassten und mich sehr direkt zur Rede stellten. Wie ich das gemeint hätte? Was nun aus der Firma werden sollte? Wer dann die Führung übernehmen würde? Ob es stimmte, dass wir möglicherweise nicht wiederkommen?

Ich wurde die kommende Zeit mit Fragen und Mutmaßungen überhäuft. Verständlicherweise – immerhin redeten wir davon, dass Ede und ich als Paar eine äußerst wichtige Stabilitätsfunktion in der Firma einnahmen, die 2015 schlagartig wegfallen würde. Die Gespräche teilten sich nach einiger Zeit in zwei Gruppen. Hatte ich bei der Verkündung an jenem Mittwoch also doch richtig gesehen. Neben den versteinerten Gesichtern erkannte ich in einigen ein spontanes Funkeln. Den Grund dieses geheimnisvollen Funkelns sollte ich erst einige Wochen später erfahren.

 

„Herr Meyer, ich muss mal mit Ihnen sprechen!“ So oder so ähnlich hatte es sich angehört. Auf alle Fälle so kurz und bündig. „Was passiert denn in der Zeit mit Ihrem Schreibtisch?“

Ich verstand nicht recht. Mehr als sechs Jahre vor der Abfahrt schon über Schreibtisch-Fledderei nachzudenken, das konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Aber ich stand, so perplex wie ich war, einfach nur auf der Leitung. Gemeint war nicht mein eigentlicher Schreibtisch, sondern mein Posten als Kapitän unserer Firma ART-KON-TOR. So hatte ich es gern. Menschen, die ihre Chance wittern und nicht lange um den heißen Brei reden. Damit war eine neue Führungsära in unserer Firma eingeleitet.



Und Sten, was ist das Fazit für deinen Job?

• Ein Jahr mal nicht im Büro zu sein, ist durchaus eine wohltuende Aussicht – auch für die Mitarbeiter, vor allem für die, die bereits seit einiger Zeit in der zweiten Reihe lauern.

• Jeder ist ersetzbar – auch der Chef! Tut weh, ist aber so!

• Einfach mal ein Weltreisebuch auf dem Schreibtisch liegen lassen. Derjenige, der einen daraufhin anspricht, kann ein potentieller Nachfolger sein.

• Jeder Zufall ist eine Verabredung, wenn auch nur eine lose!


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