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Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2

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Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2
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1. Kapitel

Es war einige Tage später, da erzitterte die Ebene, die sich nördlich von Santa Katharina ausbreitete, unter dem Hufschlag galoppierender Pferde.

Eine Anzahl von dreihundert Reitern sprengte im Galopp über die freie, von kurzem, dünnem Gras bewachsene Prärie. Sie waren verschieden gekleidet und verschieden bewaffnet, schienen aber eine zusammengehörige Truppe zu bilden.

An der Spitze ritten drei Männer, zwei ältere und ein jüngerer. In dem älteren erkennen wir Pablo Cortejo, der jüngere war Josefa, seine Tochter, in Männertracht gekleidet und auch nach Männerart im Sattel sitzend. Es schien ihr dies nicht leicht zu werden, wie man aus ihrer unsicheren Haltung ersah. Der dritte war nicht ganz so alt wie Cortejo, hatte aber ebensoviel Erfahrung wie dieser. Sein Gesicht war nicht nur kein Zutrauen erweckendes, sondern geradezu ein häßliches und abschreckendes. Er war bewaffnet bis an den Hals und hatte ganz das Aussehen eines Mannes, mit dem nicht ungestraft verkehrt werden kann. Gerade jetzt schien sein Gesicht einen noch finstereren Ausdruck zu besitzen als gewöhnlich. Seine stechenden Augen musterten den Horizont und kehrten immer wieder mit einem unbefriedigten Blick auf die nächste Umgebung zurück.

Endlich stieß er einen lauten, gotteslästerlichen Fluch aus und fügte hinzu:

»Wann hat endlich dieser verdammte Ritt ein Ende, Señor Cortejo?« – »Geduldet Euch nur noch kurze Zeit«, antwortete dieser. »Wir werden sogleich links einbiegen und absitzen können.« – »Wo? Ich sehe doch die Hazienda nicht!« – »Blickt da scharf nach links hinüber! Seht Ihr den dunklen Streifen?« – »Ja. Was ist das?« – »Ein Wald.« – »Ein Wald? So meint Ihr, daß wir in einem Wald absitzen sollen?« – »Ja.« – »Warum?« – »Um uns auszuruhen und zugleich einen Kundschafter auszusenden.« – »Ihr seid wohl nicht recht bei Sinnen, ich bin kein Mann, der sich gern im Wald herumdrückt. Wozu einen Kundschafter, he?« – »Aus Vorsicht. Wir müssen erst sehen, wie es auf der Hazienda steht.« – »Das sehe ich nicht ein. Wozu diese lange Einleitung? Wir sind fast dreihundert Mann und brauchen nichts zu fürchten. Wir reiten einfach vor die Hazienda, dringen ein, töten, was sich uns widersetzt und sind dann die Herren des Ortes. Ich habe Euch meine Leute zugeführt, um in Eurem Dienst gute Beute zu machen, nicht aber, um uns in den Wäldern herumzudrücken.« – »Wer sagt Euch denn, daß Ihr das letztere tun sollt?« – »Ihr soeben.« – »So habt Ihr mich ganz verkehrt verstanden. Es handelt sich nur um einen kurzen Aufenthalt, nicht aber um ein längeres Bleiben im Wald.« – »Auch dieser kurze Aufenthalt ist unnötig.« – »Meint Ihr? Wie nun, wenn sich Franzosen auf der Hazienda befinden?« – »Alle Teufel, das ist wahr! Die kriechen überall herum. Aber ich denke, die Hacienda del Erina liegt so sehr einsam. Was wollen die Franzosen dort?« – »Ja, sie liegt einsam, aber doch immer auf dem großen Reitweg nach Coahuila. Da ist es sehr leicht denkbar, daß der Feind sich ihrer bemächtigt hat, um ein Etappenkommando hineinzulegen.« – »Dieses würde wohl nicht sehr stark sein.« – »Das steht allerdings zu erwarten; aber es ist zugleich höchst wahrscheinlich, daß in diesem Fall der Feind die Hazienda befestigt haben wird.« – »Hm, Ihr mögt recht haben. Senden wir also einen Boten ab, der Erkundigungen einzieht; aber wir wollen scharf reiten, damit wir rasch den Wald erreichen.«

Der vor den Reitern liegende Streifen trat deutlicher hervor und ließ sich schließlich als ein Forst erkennen, auf den die Pferde zuflogen. Es war derselbe Wald, in dem die früher erzählten Ereignisse geschehen waren. Als er erreicht wurde, drangen die Reiter ein Stück in denselben ein und ließen die Pferde unter Aufsicht weiden. Sie selbst lagerten sich auf dem Boden und zogen Lebensmittel hervor, die sie bei sich führten.

Die drei, die vorhin an der Spitze des Zuges geritten waren, saßen beieinander.

»Jetzt sucht einmal einen Mann heraus, auf den wir uns verlassen können«, sagte Cortejo. »Er muß Gewandtheit und Schlauheit besitzen.« – »Da kann ich den ersten besten nehmen. Meine Kerle sind alle gescheit. Vorher aber gilt es, uns klarzuwerden über das, was ich haben soll.« – »Ich denke, darüber sind wir bereits im klaren? Ihr bekommt ja Euren Sold.« – »Sold und Beute habe ich verlangt. Den Sold habt Ihr ehrlich bezahlt, die Beute aber hat bisher auf sich warten lassen. Wie steht es in dieser Beziehung auf del Erina?« – »Ganz gut für Euch. Ihr könnt alles nehmen, nur eins will ich für mich, und zwar die Kaufakten über die Besitzung.« – »Alle Teufel, Ihr seid kein dummer Kerl. Mit diesen Akten kommt ja wohl die ganze Besitzung in Eure Hände. Nun, mir und den Meinigen würde sie doch keinen Nutzen bringen. Die Gebäude können wir auch nicht in die Tasche stecken, aber von dem, was sich darin befindet, wird für Euch wohl nicht viel bleiben.« – »Das ist mir gleich, wenn ich nur die Kaufakten bekomme.« – »Und wie ist es mit den Bewohnern? Geben wir ihnen eine Kugel?« – »Das macht ganz, wie Ihr wollt.« – »Besser ist es, sie sind tot, dann können sie nicht mehr reden.« – »Meinetwegen! Zwei Personen aber müßt Ihr mir überlassen, den Haziendero Pedro Arbellez und eine alte Frau namens Hermoyes.« – »Was wollt Ihr denn mit ihnen?« – »Ich habe ein ganz besonderes Hühnchen mit ihnen zu rupfen.« – »So rupft nur zu, ich will Euch nicht im Weg stehen. Im Gegenteil, wo es sich um eine alte Frau handelt, bleibe ich gern so weit wie möglich entfernt. Wie weit ist es von hier bis nach der Hazienda?« – »In einer kleinen Stunde ist sie zu erreichen.« – »Wird man den Mann aufnehmen, den ich hinschicke?« – »Jedenfalls, wenn er sich nicht etwa vor den Franzosen fürchtet.« – »Das wird ihm nicht einfallen. Als was aber soll er sich ausgeben? Etwa für einen Vaquero, der in die Dienste des Haziendero treten will?« – »Nein, Pedro Arbellez ist ein Anhänger von Juarez, dem er es zu verdanken hat, daß ihm auch noch die Hacienda Vandaqua zugefallen ist. Der Mann mag sich für einen Boten ausgeben, der zu Juarez will.« – »Ah, nach El Paso del Norte?« – »Ja.« – »Von wem soll er denn gesandt sein?« – »Von einem der bekannten Anhänger des Juarez, vielleicht vom General Porfirio Diaz, der der berühmteste Parteigänger des Indianers ist.« – »Gut. Was aber dann weiter?« – »Der Mann wird als Bote des Generals das Vertrauen des Haziendero erringen und alles erfahren. Er wird hören, in welcher Weise die Franzosen, falls welche da sind, überrumpelt werden können. Um Mitternacht mag er also die Hazienda verlassen und vom Tor aus in ganz schnurgerader Richtung vorwärts schreiten. Da wird er uns finden, und wir können tun, was den Umständen nach das beste ist.« – »Dieser Plan ist nicht übel; ich werde gehen, um jemanden auszuwählen.«

Der Sprecher erhob sich und entfernte sich. Josefa hatte sich bisher schweigsam verhalten, jetzt sagte sie:

»Dieser Mann gefällt mir je länger, desto weniger. Dir auch, Vater?« – »Du hast recht. Er spielt den Anführer, der ich doch bin.« – »Man muß sich seiner entledigen.« – »Habe keine Sorge, Kind. Er wird mich nicht lange mehr mit seiner Dreistigkeit ärgern. Erst muß ich den Engländer haben, dann brauche ich den Kerl nicht mehr. Er verdirbt mir auch die Leute, die ich vorher bei mir hatte.« – »So glaubst du wirklich, daß wir den Engländer erwischen werden?« – »Ganz gewiß. Meine Nachrichten sind zu sicher.« – »Welch eine Wonne! Diese stolze Amy soll vor mir niederknien und mich weinend um Gnade bitten; ich aber werde sie mit Füßen treten. Diese Brut muß vernichtet werden. Was jedoch tun wir mit Pedro Arbellez?« – »Er muß die Kaufurkunde herausgeben und wird dann unschädlich gemacht.« – »Tot?« fragte Josefa, indem ihre Eulenaugen funkelten. – »Ja. Nur dann sind wir seines Schweigens sicher.« – »Und diese Marie Hermoyes?« – »Auch sie muß sterben. Sie ist zu tief in unser Geheimnis eingedrungen, als daß wir sie leben lassen könnten.« – »Du hast recht, Vater. Sterben müssen sie, aber nur nicht gleich.« – »Warum nicht?« – »Ist ein rascher Tod eine Strafe für sie? Können wir uns keine größere Genugtuung bieten? Können wir uns nicht an ihren Qualen weiden?« – »Ich nicht, du aber kannst es.« – »Warum du nicht?« – »Weil ich die Hazienda sofort verlasse, um nach dem Rio Grande zu reiten und Lindsay zu suchen. Ich lasse auf del Erina eine Besatzung zurück. Es werden sich auch diejenigen hinzufinden, die von meinen Agenten angeworben wurden. Du bleibst dann in der Hazienda zurück und vertrittst meine Stelle, bis ich wiederkomme. Ich hoffe, daß wir in kurzer Zeit genug Leute haben werden, um losbrechen zu können. Wenn ich die Franzosen angreife und als der Retter Mexikos auftrete, werden mir Tausende zuströmen.« – »Ja, Vater, du der Retter und ich die Retterin. Ich werde von ganz Mexiko verehrt und angebetet werden, denn ich werde mir eine Fahne machen und eine Rüstung kaufen, um mich wie die Jungfrau von Orleans an die Spitze der Armee zu stellen und in den blutigen Kampf zu ziehen.« – »Mädchen, bist du toll? Da wirst du ja erschossen!« – »Fällt mir nicht ein. Wenn das Schießen beginnt, geht man auf die Seite.«

Vater und Tochter konnten dieses höchst interessante Gespräch leider nicht fortsetzen, denn der Mexikaner kehrte zurück, nahm wieder bei ihnen Platz und benachrichtigte sie, daß der Bote, den er nach der Hacienda del Erina bestimmt habe, bereits abgeritten sei.

2. Kapitel

Die uns so wohlbekannte Hazienda hatte gegenwärtig noch ganz dasselbe Aussehen wie in früheren Jahren, bot aber heute einen nicht ganz friedlichen Anblick dar.

An einer jeden Ecke war eine Art Verschanzung aufgeworfen, auf der ein französischer Posten Wache hielt, und im Hof lagen eine ziemliche Anzahl Soldaten herum, die unter dem Befehl des Hauptmannes dazu bestimmt waren, die Hazienda zu beschützen.

Dieser Hauptmann saß droben in dem Speisesaal, den wir auch bereits kennen, und unterhielt sich mit dem Haziendero und dessen Freundin Marie Hermoyes.

 

Der Haziendero lag müde in einer Hängematte. Er war, seit er sein Kind verloren hatte, fürchterlich gealtert. Sein Haar war lang und schneeweiß, ja, es hatte fast den durchsichtigen Schein des Eises. Seine Gestalt war eingetrocknet und zusammengebogen. Er hatte das Aussehen eines Mannes, der weit über hundert Jahre zählte.

Auch die alte Marie war ergraut, aber sie erschien weit rüstiger als ihr Herr.

Der Hauptmann war ein nicht zu alter Mann, aber ein Dutzendmensch, nicht gut und nicht böse, nicht klug und auch nicht dumm. Soeben hatte ihn ein Soldat verlassen, der ein versiegeltes Schreiben, das von einem Kavalleristen gebracht worden war, überreicht hatte.

»Verzeihung, daß ich öffne!« sagte er zu Arbellez. »Dienst geht allem vor.«

Damit machte der Hauptmann den Brief auf. Während er las, nahm sein Gesicht einen höchst gespannten Ausdruck an. Er legte endlich das Schreiben wieder zusammen, steckte es zu sich und sagte:

»Da erhalte ich eine Nachricht, die mir ebenso lieb wie unlieb ist.«

Arbellez blickte ihn an, ohne ihn durch eine Frage zum Sprechen aufzufordern. Er hatte während der Anwesenheit der Franzosen sich sehr wohl gehütet zu zeigen oder ahnen zu lassen, daß er ein Freund des Vaterlandes, ein Anhänger von Juarez sei.

»Ich weiß«, fuhr der Franzose fort, »daß Sie uns nicht feindlich gesinnt sind, und darum darf ich Ihnen sagen, um was es sich handelt. Sie wissen wohl, wie weit unsere Truppen das Land besetzt haben?« – »Bis Chihuahua«, antwortete der Haziendero mit einem unterdrückten Seufzer. – »Ja. Wir haben ein Bündnis mit den Komantschen geschlossen, die bereit sind, als irreguläre Kavallerie unserer Sache zu dienen. Nun haben Sie vielleicht gehört, daß der Expräsident Juarez bis an die äußerste Grenze des Landes geflohen ist?« – »Ja, bis El Paso del Norte.« – »Ihn auch von dort zu vertreiben, war unsere Aufgabe. Er mußte entweder gefangen oder hinüber nach Nordamerika getrieben werden. Das ist nun geschehen.« – »Ah, wirklich?« fragte Arbellez rasch. »Er ist – gefangen?« – »Nein, leider nicht.« – »Also vertrieben?« – »Ja. Paso del Norte befindet sich in unserem Besitz, wie mir hier gemeldet wird. Außerdem kennen Sie vielleicht ein Fort, das am Puercosfluß liegt und Guadeloupe heißt?« – »Ja, ich kenne es«, antwortete der Haziendero, noch aufmerksamer werdend. – »Auch dieses ist in unsere Hände gefallen.« – »Ich gratuliere, Señor.« – »Ich danke, Monsieur. Es befindet sich also die Nordgrenze ganz in unseren Händen. Wir haben da, wie ich gelesen habe, mehrere Siege erfochten. Paso del Norte und Guadeloupe sind unser. In einer Schlucht, die Teufelsschlucht genannt, haben wir einen Trupp von fast tausend Jägern und feindlichen Apachen aufgerieben, und endlich ist uns auch ein General der Union, ein gewisser Hannert, in die Hände gefallen, der Juarez Geld bringen sollte.«

Der Haziendero hatte Mühe, seinen Schreck zu verbergen.

»So haben Sie das Geld?« fragte er. – »Natürlich.« – »War es viel?« – »Man schreibt mir, daß es viele Millionen seien.« – »So gratuliere ich abermals, Señor Capitano.« – »Ich danke, Monsieur! Es steht ja gar nicht anders zu erwarten, als daß wir überall siegen müssen. Unsere glorreiche Armee hat an allen Orten der Erde ihre Schule erhalten. Wir haben in Afrika, Asien und Amerika gesiegt; Europa zittert vor uns; ein Juarez und ein Haufen wilder Apachen wird von uns einfach niedergetreten und zermalmt.«

Da trat ein Unteroffizier ein, der einen einfach und harmlos aussehenden Mann geführt brachte, und meldete:

»Mein Kapitän, dieser Mann ist soeben angekommen; er gab vor, mit dem Besitzer sprechen zu wollen.«

Während dieser Meldung war das Auge des Hauptmanns auf den Unteroffizier gerichtet. Dadurch gewann der Fremde Zeit, dem Haziendero einen unbemerkten Wink zu geben. Arbellez verstand diesen Wink allerdings nicht, aber er sagte sich, daß den Mann eine Absicht, die den Franzosen verborgen bleiben solle, herbeiführte, und beschloß, sich danach zu verhalten.

Der Offizier wandte sich an den Mann:

»Wir sind hier auf Etappe und dürfen also nicht jeden frei passieren lassen. Wer bist du?« – »Ich bin ein armer Vaquero, Señor«, antwortete der Gefragte. – »Woher?« – »Aus der Gegend von Castannola.« – »Was willst du hier?« – »Mein Herr hat Unglück gehabt Einige seiner besten Herden sind ihm mit den Büffeln davongegangen, und er braucht nun nicht mehr so viele Hirten als vorher. Er hat eine Anzahl derselben entlassen, und ich bin leider auch dabei. Ich kenne Señor Arbellez als einen Mann, der gut bezahlt und seine Leute gut behandelt; darum kam ich her, um zu fragen, ob ich nicht bei ihm in Dienst treten kann.« – »Hast du eine Legitimation, einen Entlassungsschein?«

Ein eigentümliches Lächeln ging über das Gesicht des Mannes, aber er antwortete bescheiden:

»Señor, das mag in Frankreich so gehalten werden, in Mexiko aber fragt man nicht nach solchen Dingen. Wollte ich ein Zeugnis verlangen, so würde ich ausgelacht« – »Ja, ich habe mich leider nicht nach Euren Gebräuchen, sondern nach meiner Instruktion zu richten. Ich darf hier nur solche Leute zulassen, die sich legitimieren können.«

Da legte sich der Haziendero ins Mittel. Er kannte zwar den Mann nicht sagte aber doch:

»Señor, bei diesem Mann ist eine Legitimation unnötig. Ich garantiere für ihn.« – »So kennen Sie ihn?« – »Ja.« – »Das ist etwas anderes, Señor. Kennen Sie auch seinen Namen?«

Der Haziendero beschloß, den ersten besten Namen zu nennen.

»Natürlich!« antwortete er. »Dieser Vaquero heißt Pablo Rebando. Sein Bruder hat bei mir in Dienst gestanden, und ich bin sehr mit ihm zufrieden gewesen.« – »So haben Sie vielleicht die Absicht ihn zu engagieren, Monsieur?« – »Allerdings.« – »Gut ich gebe Ihnen meine Erlaubnis dazu und werde seinen Namen in die Hausstandsliste, die ich über die Hazienda zu führen habe, eintragen.« – »Ich danke, Monsieur, und bitte um Verzeihung, daß ich Ihnen so viel Mühe bereite.« – »Ah, wenn man weiter keine Mühe hätte«, erwiderte der Offizier, indem er sich zum Gehen erhob, »so wäre es sehr bequem und leicht, Etappenkommandant zu sein. Was ich Ihnen noch sagen muß, ist daß ich vielleicht recht bald Abschied von Ihnen zu nehmen habe.« – »Das würde mir unendlich leid tun, Señor!« zwang sich Arbellez zu sagen. – »Es scheinen Truppenzusammenziehungen bevorzustehen, vielleicht eines großen, kräftigen Vorstoßes wegen. Es wurde mir in dem Brief der Befehl, mich bereitzuhalten.« – »Ist dies bald zu erwarten, Señor?« – »Heute und morgen noch nicht. Es vergehen ja Tage, ehe so ein Befehl aus Chihuahua oder Coahuila hier anlangen kann. Adieu jetzt, Señor!«

Der Offizier ging. Es war ihm gar nicht eingefallen, daß der große Truppenvorstoß und seine eigene Marschbereitschaft mit den erfochtenen Siegen, von denen er erzählt hatte, nicht in Einklang zu bringen seien.

Jetzt befanden sich Arbellez und Marie Hermoyes mit dem angeblichen Vaquero allein.

»Nun, mein Freund, ich hoffe, daß du mit mir zufrieden bist«, sagte der Haziendero zu ihm. »Ich habe deinetwegen eine Unwahrheit gesagt, was ich sonst niemals tue.« – »Ich danke Euch, Señor«, antwortete der Mann. »Ich denke, diese kleine Unwahrheit rechtfertigen zu können. Es war mir nicht gleichgültig, zu sehen, daß Eure Hazienda von den Franzosen besetzt ist.« – »Du wußtest das nicht?« – »Nein. Und als ich es erfuhr, glaubte ich doch nicht, von den Franzosen förmlich verhört zu werden. Eine Legitimation, ein Zeugnis in Mexiko. Es ist unerhört.« Der Mann lachte herzlich, und Arbellez stimmte ein. – »Nun sage mir aber auch, wer du bist«, meinte der letztere. – »Mein Name ist Armandos, Señor. Ich komme aus Oaxaca.« – »Aus Oaxaca? Ah, wo jetzt der helle Aufstand herrscht?« – »Ja. Ihr habt doch von General Porfirio Diaz gehört?« – »Viel, sehr viel, mein Freund. Er ist der tüchtigste und bravste General, den es jemals in Mexiko gegeben hat, und ein ehrlicher Mann dazu, was leider eine Seltenheit ist.« – »Nun, so wißt Ihr vielleicht auch, daß Diaz die Fahne gegen Frankreich erhoben hat.« – »Ich weiß es. Wie man erzählt, ist er siegreich gewesen?« – »Ja. Diaz hat überhaupt noch nie ein Treffen verloren. Er faßt die Franzosen im Süden des Landes an und wünscht nun, daß Juarez im Norden losbreche.« – »Wenn Gott nur geben wollte, daß dies möglich ist.« – »Warum sollte dies nicht möglich sein? Diaz hat mir wichtige Depeschen anvertraut, die ich dem Präsidenten bringen soll.« – »Ah, so bist du ein Bote des Generals?« fragte Arbellez erstaunt. – »Ja, Señor. Ich komme aus dem Süden und bin in einer Tour bis hierhergeritten.« – »Mann, das ist ein Meisterstück!« – »Da habt Ihr recht. Es war nicht wenig Schlauheit und Vorsicht nötig, um unentdeckt durch die von den Feinden besetzten Provinzen zu kommen. Ich bin vor Anstrengung halbtot und bedarf einen oder zwei Tage der Ruhe. Ihr wurdet mir als ein guter und treuer Patriot geschildert, und so beschloß ich, Euch um Gastfreundschaft anzusprechen.« – »Daran hast du sehr recht getan. Du bist mir willkommen, und ich denke, daß für dich und deine Depeschen nichts zu befürchten ist, trotzdem du bei mir mitten unter den Franzosen bist. Soll ich dir die Depeschen verwahren?« – »O nein, Señor. Das ist nicht notwendig. Sie sind bei mir so gut versteckt, daß sie niemand finden wird. Ich danke Euch sehr für euren guten Willen.« – »Es war gut gemeint; wo gedenkst du Juarez zu treffen?« – »In El Paso del Norte.« – »Dort ist er nicht mehr.« – »Wo sonst?« – »Ich weiß es nicht. Der Capitano hat vorhin die Nachricht erhalten, daß der Präsident aus El Paso vertrieben worden ist« – »Durch wen, Señor?« – »Durch die Franzosen.« – »Der Teufel soll sie holen. Nun wird meine Aufgabe doppelt schwer.« – »Das ist sehr richtig, lieber Freund. Willst du erfahren, wo Juarez sich befindet?« – »Ich muß nach El Paso und hoffe, es dort zu hören.« – »Dies ist aber sehr gefährlich für dich.« – »Ich bin die Gefahr gewöhnt, Señor.« – »Das will ich glauben. Wärst du furchtsam, so hätte Diaz dir nicht eine so sehr wichtige Angelegenheit anvertraut. Bist du gut beritten?« – »So leidlich, aber mein Pferd ist durch den weiten Ritt sehr heruntergekommen.« – »Nimm dir aus meiner Herde ein besseres.« – »Ich danke Euch, Señor, und werde euer Verhalten gegen Juarez zu rühmen wissen. Wollt Ihr mir sagen, wo ich mich hier aufzuhalten habe?« – »Das kommt ganz auf dich an. Bist du wirklich nur ein Vaquero?« – »Hm! Ich mußte mich für einen solchen ausgeben.« – »Gut, so mußt du dich auch in dieser Rolle zeigen. Ich habe dich in Dienst genommen, du wirst also bei meinen Vaqueros sein. Sie liegen entweder in einem Raum des Erdgeschosses oder draußen vor dem Haus.« – »Wird man mich ungehindert heraus- und hineinpassieren lassen?« – »Jedenfalls. Da du als Vaquero auftrittst, darf ich dich auch nicht bedienen lassen. Für Speise und Trank werden deine Kollegen sorgen. Hast du sonst noch einen Wunsch, so brauchst du ihn mir nur mitzuteilen.« – »Ich danke Euch, Señor. Ich brauche nichts als Ruhe und ein besseres Pferd. Beides habt Ihr mir bereits gewährt; ich bin zufrieden.«

Er zog sich zurück. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, sagte Marie Hermoyes:

»Wißt Ihr, Señor, daß Ihr Euch da in eine gefährliche Sache eingelassen habt?« – »Gefährlich? Wieso?« – »Wenn nun die Franzosen entdecken, daß der Mann ein Bote von Diaz ist?« – »Das wäre sehr zu beklagen; aber was sollte es mir schaden?« – »Ihr habt ja gesagt daß Ihr ihn und seinen Bruder kennt« – »Das ist wahr. Aber ich sehe da noch keine Gefahr voraus. Kann ich denn wissen, daß dieser Mann, der in meine Dienste treten will, sozusagen ein Spion ist?« – »Hm. Habt Ihr ihn Euch richtig betrachtet?« – Ja.« – »Wie gefiel er Euch?« – »Wie er mir gefiel? Oh, ich bin kein Frauenzimmer, Señora«, lachte Arbellez.

Marie Hermoyes zuckte lächelnd die Achseln, fuhr aber in besorgtem Ton fort:

»So ist es natürlich nicht gemeint. Habt Ihr sein Auge betrachtet? Sein Blick war nicht gut, gar nicht gut.« – »Inwiefern?« – »So unstet.« – »Hm, ja. Sein Auge war sehr unruhig, es fuhr im Zimmer herum, als ob er etwas suche und doch nicht finden könne; das habe ich allerdings auch bemerkt.« – »Er hatte ein falsches, treuloses Auge. Ich könnte ihm kein Vertrauen schenken.« – »Das ist auch gar nicht nötig. Er ist ein Bote; er ruht sich bei uns aus und wird wieder gehen. Ob er einen guten oder bösen Charakter hat, das geht uns nichts an.«

Damit war die Sache abgemacht. Der gute Arbellez ahnte nicht, wie sehr Marie Hermoyes mit ihrem Mißtrauen recht hatte. Er sollte es leider erfahren.

Der Vaquero, der sich Armandos genannt hatte, gesellte sich unterdessen zu den Rinderhirten, die ihren Aufenthalt im Erdgeschoß hatten. Er erhielt zu essen und zu trinken und erfuhr im Laufe des Gesprächs alles, was er zu wissen beabsichtigte.

 

Später verließ er das Haus und begab sich hinaus auf das Feld, wo andere Hirten nach ihrer Gewohnheit am Feuer saßen. Hier vervollständigte er seine Erkundigungen, so daß er am Abend genügend orientiert war.

Nun streckte er sich in das Gras, wickelte sich in seine Decke und tat, als ob er schlafe. Niemand kümmerte sich um ihn, und das war ihm recht.