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Satan und Ischariot II

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Satan und Ischariot II
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Karl May

SATAN UND ISCHARIOT II

Krueger Bei



Erstes Kapitel: Unter der Erde

Unsere Pferde hatten nicht leicht zu tragen, da uns die Vorsicht geboten hatte, uns für drei bis vier Tage mit allem zu versehen, was nötig war und was nötig werden konnte. Wir hatten nicht nur Proviant für uns und Futter für sie, sondern auch noch verschiedene Gegenstände mitgenommen, von denen anzunehmen gewesen war, daß sie uns von Nutzen sein würden. Dazu gehörte ein Paket Lichter und ein Bündel lange Wachsfackeln. Von beiden hatten wir in den Wagen einen ziemlich bedeutenden Vorrat vorgefunden; da diese Requisiten unter der Erde gebraucht wurden, hatte Melton sie bei dem Kaufmanne in Ures bestellt. Auch drei großae Fässer mit Brennöl waren verladen worden. Wie schon vorher aus vielem anderem konnte man jetzt auch hieraus ersehen, daß Melton sein »Geschäft« schon vorbereitet gehabt hatte, ehe er mit dem Haziendero den Kauf abschloß. So hatte er auch mit den Yumas alles Nähere vorher verhandelt und ihnen alles, was sofort gebraucht wurde, zum Transporte übergeben. Der Herkules hatte mir ja erzählt, daß die dreihundert Yumas über vierhundert Pferde gehabt hatten, also über hundert mehr, als sie für sich brauchten. Nahm ich an, daß von diesen sechzig für die Deutschen nötig gewesen waren, so hatte man noch über vierzig schwer beladene Packpferde gehabt, welche die sofort notwendigen Gegenstände in die Berge schleppen mußten.



Natürlich hatte ich mich vor unserm Fortreiten gegen Winnetou über mein Vorhaben soviel, wie notwendig war, ausgesprochen, damit er, wenn uns etwas passierte und wir nach vier Tagen noch nicht zurück waren, wußte, wo er uns zu suchen hatte. Vor allen Dingen und ganz selbstverständlich hatte er wissen müssen, daß ich die Höhle des Players und den Gang, welchen der Herkules entdeckt hatte, untersuchen wollte. Das gab den Anfang des Fadens, welchem er folgen mußte, falls er veranlaßt sein sollte, nach uns zu forschen.



Da wir gestern von unserer Richtung abgewichen waren, so mußte ich mit dem kleinen Mimbrenjo heute zunächst auf dem letzten Teile des gestrigen Weges zurück und bemerkte dabei zu meiner Genugtuung, daß die Wagen- und Pferdespuren schon nicht mehr zu sehen waren. Und wo es doch eine Stelle gab, welche die Eindrücke noch zeigte, war vorauszusehen, daß dieselben im Laufe des Tages verschwinden würden. Diese Bemerkung befriedigte mich für den Fall, daß Melton uns Kundschafter entgegenschicken sollte; ich konnte überzeugt sein, daß die Leute unsern Lagerplatz nicht finden würden.



Nachdem wir vielleicht vier Stunden lang südwärts geritten waren, lenkten wir nach Osten um und erreichten bald darauf die schon mehrmals erwähnte Grenze der Vegetation. Die Einöde begann. Da, wo das letzte Gras zu sehen war, hielten wir an, um den Pferden eine Stunde Erholung zu gönnen und sie das spärliche Futter abweiden zu lassen. Dann ging es weiter.



Es war ein Ritt, wie durch eine Wüste. Der Boden bildete lange, niedrige Wellen, zwischen denen seichte Vertiefungen lagen, und alles war Fels, war Stein, Geröll oder Sand. Kein Strauch, kein Grashalm war zu sehen. Dieses nackte Gestein saugte die Strahlen der glühenden Sonne auf, bis es von denselben gesättigt war; die nachfolgende Hitze konnte nicht mehr eindringen und lagerte nun wie eine vier oder fünf Fuß hohe, flimmernde oder zitternde Glutsee auf die Erde. Das Atmen wurde schwer, und der Schweiß drang mir aus allen Poren; aber es mußte ausgehalten werden; wir trabten fort, ohne Unterbrechung, weiter und immer weiter, denn wir mußten, wollten wir nicht einen ganzen Tag verlieren, Almaden noch vor Abend erreichen.



Gesprochen wurde fast gar nicht. Der Mimbrenjo erlaubte sich nicht, mich anzureden, und die Einförmigkeit des Rittes gab mir keine Veranlassung zum Reden. So verging die Zeit im tiefen Schweigen, bis ich mir sagte, daß Almaden nun nördlich von uns liegen müsse. Wir bogen also nach dieser Richtung um, hielten nun ein scharfes Auge nach vorn und betrachteten zugleich den Boden, ob derselbe vielleicht eine Fußspur zeigen werde.



Als die Sonne fast den Horizont erreichte, stieg vor uns in der Ferne ein niedriger und doch sich scharf vom Horizonte abzeichnender Felsen auf, welcher desto höher wurde, je mehr wir uns ihm näherten.



»Das muß Almaden sein,« sagte ich. »Nun gilt es, doppelte Vorsicht zu üben.«



»Will unser großer Bruder Old Shatterhand nicht absteigen?« antwortete der Knabe in bescheidenem Tone.



Ja, er hatte recht. Ein Reiter ist viel weiter zu sehen, als ein Fußgänger. Zwar wäre ich auch bald abgestiegen, aber daß er diese Bemerkung machte, freute mich, denn er bewies mir, daß er die wünschenswerte Bedachtsamkeit besaß. Wir setzten also, die Pferde hinter uns her am Zügel führend, unsern Weg zu Fuße fort.



Die vorhin erwähnten Bodenwellen hatten aufgehört. Wir schritten über ebenes Land, welches wie ein Ring um Almaden lag. Das war der Grund, daß wir sehr weit sehen konnten. Wir erblickten keinen Menschen, was uns natürlich nichts weniger als unlieb war.



Da begann der Boden plötzlich sich abwärts zu senken. Wir standen am Rande der Vertiefung, in deren Mitte Almaden sich erhob, oder vielmehr, wir standen am Ufer des einstigen Sees, dessen Mitte die Felseninsel eingenommen hatte, welche jetzt Almaden genannt wurde.



Ich hatte mich doch um ein weniges verrechnet, wohl infolge der Einförmigkeit der Gegend, welche eine genaue Schätzung schwer machte: Wir erreichten Almaden nicht von Süden, sondern von Südwesten her, was zwar gefährlicher war, weil ich die Indianer auf der Westseite glaubte, mir aber jetzt lieb sein konnte, da ich nun gleich die Stelle erblickte, welche ich sonst hätte suchen müssen, nämlich den Felsblock, von welchem der Player und der Herkules erzählt hatten.



Das riesige Felsenbollwerk, welches sich da drüben in der Mitte des einstigen Seebeckens erhob, war oben platt und bildete einen beinahe regelmäßigen Kubus, dessen Seiten fast genau nach den vier Winden lagen. Da wir vor der südwestlichen Ecke hielten, konnten wir die südliche und westliche Seite sehen. Die erstere stieg im allgemeinen auch senkrecht in die Höhe, hatte aber tiefe Risse und in der Mitte eine Schlucht, von welcher man gleich bei dem ersten Blicke sah, daß sie nach oben führte. Und das stimmte mit dem, was mir der Player gesagt hatte, nämlich, daß das Plateau von der südlichen und von der nördlichen Seite aus erstiegen werden könne.



Die westliche Seite bildete eine lotrechte Fläche, deren Regelmäßigkeit nur an ihrem unteren Teile, in der Mitte, unterbrochen wurde, denn dort lag der Block, welcher sich aus der Wand gelöst hatte und herabgestürzt war. Wir sahen ganz deutlich das Geröll, von dem die Lücke, welche zwischen ihm und der Wand lag, ausgefüllt wurde.



Um dorthin zu gelangen, hatten wir ungefähr zehn Minuten oder eine Viertelstunde zu gehen, durften dies aber nicht wagen, obgleich kein Mensch zu sehen war. Droben auf dem Plateau befanden sich jedenfalls Leute, und wenn einer von ihnen an der südlichen Kante stand, mußte er uns sehen, falls wir es wagten, uns zu nähern.



Zunächst war es notwendig, zu erforschen, wo die Indianer sich aufhielten. Das wollte natürlich ich tun, während der Mimbrenjo bei den Pferden blieb. Ich folgte dem Rande des einstigen Sees, indem ich mich nach Westen wendete. Da es keinerlei Deckung für mich gab, mußte ich die Augen offen halten, denn es war anzunehmen, daß, sobald ich einen Menschen sah, er mich in demselben Augenblicke auch sehen werde.



Schon war ich eine ziemliche Strecke gegangen, da bemerkte ich im Nordwesten kleine, dunstartige Wölkchen oder Wellen, welche langsam aufstiegen, sich ausbreiteten und verschwanden. Das war Rauch, und zwar der Rauch eines Indianerfeuers, welches mit nur ganz wenig Holz unterhalten wurde und also keinen dichten Rauch verursachte. Noch durfte ich eine kleine Weile aufrecht gehen; dann aber bückte ich mich auf die Hände nieder und lief genau wie ein Vierfüßler weiter.



Bald sah ich fünf oder sechs Zelte, bei denen sich Menschen bewegten. Als ich es gewagt hatte, mich noch mehr zu nähern, mußte ich mich ganz niederlegen und auf dem Bauche kriechen, sonst wäre ich gesehen worden. Es trennte mich jetzt nur eine so kurze Strecke von den Zelten, daß ich die Figuren erkennen konnte, mit denen sie gezeichnet waren.



Jeder Indianer pflegt sein Zelt, wenigstens sein aus Leinen gefertigtes Sommerzelt, mit seinem Namenszeichen oder mit einem Bilde, welches sich auf irgend einen hervorragenden Vorgang aus seinem Leben bezieht, zu versehen. Um eines dieser Zelte wand sich eine große, mit roter Farbe gemalte Schlange; auf einem andern war ein Pferd, auf dem dritten ein Wolf zu sehen. Zwischen ihnen gingen Indianer hin und her, oder sie saßen rauchend an der Erde. Vor dem Schlangenzelte standen zwei Lanzen; es schien das Zelt des Anführers zu sein.



Ich hatte genug gesehen, denn ich wußte nun, wo sich die Yumas befanden und welche Gegend ich infolgedessen zu meiden hatte, und wollte eben umkehren, als drei Personen aus dem genannten Zelte traten, zwei Männer und ein Frauenzimmer. Letzteres erkannte ich sogleich; es war Judith, die schöne Jüdin. Der eine der Männer war Melton und der andre ein Indianer, jedenfalls der Besitzer des Zeltes. Sie sprachen noch einige Augenblicke miteinander, dann verschwand der Indianer in seinem Zelte, und Melton ging mit der Jüdin fort, dem Bergwerke zu. Sie hing sich dabei an seinen Arm, eine Vertraulichkeit, bei welcher dem Herkules, wenn er sie gesehen hätte, das Blut in den Kopf gestiegen wäre.



Es war mir nicht unlieb, Melton sogleich bei meiner Ankunft zu sehen; aber dieser Umstand brachte mich in keine geringe Gefahr, denn die beiden kamen in einer so kurzen Entfernung von mir vorüber, daß mir hätte bang werden mögen. Ich lag auf lockerem Sande und warf so rasch wie möglich mit den Händen einen kleinen Haufen vor mir auf, welcher zwar nicht so hoch war, daß er hätte auffallen müssen, mir aber doch soviel Schutz gewährte, daß mich nur ein mißtrauisches Auge entdecken konnte.

 



Angst fühlte ich ganz und gar nicht. Wenn Melton mich sah, nun, so war trotzdem noch nichts verloren; ich wußte, was ich in diesem Falle zu tun hatte. Versicherte ich mich seiner Person, so war er eine Geißel, mit welcher ich mir die Roten vom Halse halten konnte. Doch war es besser, daß dieser Fall nicht eintrat; er ging mit Judith vorüber, ohne nur einmal dahin zu blicken, wo ich lag. Sie sprachen miteinander und lachten, waren also bei besserer Laune, als der Vater des Mädchens, welcher tief im Innern des vor mir liegenden Felsens steckte. Sie gingen nach der Nordseite desselben, um deren westliche Ecke ich sie verschwinden sah.



Nun konnte ich zurück; ich tat das so, wie ich gekommen war, erst auf dem Bauche kriechend, dann auf Händen und Füßen gehend und endlich, als man mich nicht mehr sehen konnte, aufrecht. Die Sonne war mittlerweile verschwunden, und die in jenen Gegenden so kurze Dämmerung begann. Als ich bei den Pferden ankam, stiegen wir auf und hatten nur noch wenige Augenblicke zu warten. Es mußte genau der Zeitpunkt benützt werden, an welchem es dunkel genug war, daß man uns nicht sehen konnte, aber auch noch hell genug für uns, um den Eingang zur Höhle ohne große Mühe zu entdecken.



Als dieser Moment gekommen war, galoppierten wir die Senkung hinunter und dann, unten auf dem Boden des früheren Sees angekommen, nach dem Blocke hinüber. Dort stiegen wir ab und erkletterten das Geröll, um dasselbe im Hintergrunde des Winkels von der Felswand zu entfernen.



Das ging rasch und bald bildete sich vor uns, zu unsern Füßen, ein Loch, welches desto größer wurde, je mehr Steine wir entfernten. Als es so erweitert war, daß ich hineinsteigen konnte, holte ich mir eine der Wachsfackeln und kletterte in das Innere der Höhle hinab. Das ging sehr leicht, weil das Geröll nach innen nur langsam abfiel.



Als ich den Boden erreicht hatte, fand ich den hohlen Raum ganz der Beschreibung des Players entsprechend. Er hatte weit über doppelte Manneshöhe und konnte leicht gegen hundert Menschen fassen. Die kleine Nebenhöhle enthielt sehr kaltes, jedenfalls kalkhaltiges Wasser. Den Hintergrund wollte ich später untersuchen, wenn wir die Pferde untergebracht hatten. Diese mußten natürlich auch herein in die Höhle, da wir sie draußen unmöglich stehen lassen konnten.



Wir sahen uns also genötigt, das Loch bis über Pferdehöhe zu erweitern, was keine angenehme Arbeit war, da wir nur die Hände dazu hatten und das lockere Geröll immer wieder nachrutschte. Als wir endlich soweit waren, holten wir die Pferde. Das war nun noch schwieriger. Andere Tiere hätten wir gewiß nicht in die Höhle gebracht, wenigstens nicht ohne einen Lärm, der uns verraten konnte; die beiden edlen Geschöpfe aber stiegen gehorsam auf den Geröllhaufen und wurden erst dann bedenklich, als es dann jenseits hinab in die Höhle gehen sollte. Das war ihnen doch nicht ganz geheuer. Ich bat und streichelte, doch vergeblich. Mein »Blitz« wollte gehorchen; er setzte den Vorderfuß einige Male vor, zog ihn aber schnell wieder zurück, weil das Gestein unter demselben wich. Endlich kam er doch vertrauensvoll herab-, allerdings mehr geglitten als gestiegen.



Dann begann dieselbe Prozedur mit dem »Iltschi« Winnetous, welcher noch schneller herabkam als der »Blitz«, indem er auf dem Schwanze Schlitten fuhr. Die guten Tiere durften zur Belohnung gleich Wasser trinken und bekamen ihre Portion Mais vorgelegt. Dann waren sie versorgt, und ich konnte den Hintergrund der Höhle untersuchen oder vielmehr besichtigen, da das Hinabblicken in einen Abgrund keine Untersuchung ist.



Ein Abgrund war es allerdings. Als ich einen Stein hinabwarf, dauerte es sehr lange und ich mußte scharf horchen, bis ein kaum hörbares Geräusch mir sagte, daß er aufgetroffen war. Wer da hinabfiel, war verloren.



Der Player hatte nicht gewußt, wie breit der Abgrund, die tiefe Felsenspalte war, da er nicht das nötige Licht zur Hand gehabt hatte. Meine Fackel leuchtete hell und weit genug, um mir, als ich hart an der diesseitigen Kante stand, die jenseitige zu zeigen. Ihn hatte die Finsternis getäuscht, ich aber sah, daß der Spalt nicht breiter als zehn oder elf Ellen war. Während ich da hinüberschaute, war der junge Mimbrenjo niedergekauert und machte sich mit dem Boden zu schaffen. Er untersuchte eine Stelle desselben erst mit dem Finger und begann dann, mit dem Messer zu graben.



»Will Old Shatterhand sehen, daß sich hier ein Loch befindet?« sagte er dabei, indem er die Erde, die es verstopfte, mit der Klinge herauswarf.



»Es wird durch Wasser, welches früher von der Decke tropfte, gebildet worden sein,« antwortete ich.



»Dann wäre dieses Loch rund; es hat aber Ecken.«



»So zeig her!«



Ich bückte mich nieder und half beim Graben. Wirklich! Es war ein mehr als fußtief in den Boden gemeißeltes viereckiges Loch von einer Männerspanne Durchmesser.



»Suchen wir, ob es das einzige ist,« meinte ich, und bald hatten wir noch drei andere entdeckt. Als wir die Erde, mit welcher sie gefüllt waren, entfernt hatten, sah der Mimbrenjo mich fragend an. Darum forderte ich ihn auf:.



»Wenn mein junger Bruder etwas über die Löcher sagen will, so mag er sprechen.«



»Ich kann nichts sagen,« antwortete er. »Man macht ein Loch, um etwas hineinzustecken. Was kann in diesen Löchern gesteckt haben? Old Shatterhand wird es gewiß wissen.«



»Es ist nicht schwer zu erraten, aber die Sprache meines Bruders hat kein passendes Wort dafür. Oder wüßtest du, was ein Bolzen oder eine Klammer ist?«



»Nein.«



»Ein Eisen oder ein Holz, welches in den Boden oder in die Wand geschlagen wird, um irgend einem Gegenstande oder einer Last Festigkeit und Halt zu geben. Die Last, um welche es sich hier handelt, ist eine Brücke über den Spalt. Wären wir drüben, so würden wir, wie ich vermute, vier ganz gleiche Löcher sehen.«



»Wo aber ist die Brücke?«



»Fort. Wahrscheinlich haben diejenigen, welche dieselbe zuletzt benutzten, sie in den Abgrund geworfen. Es hat verborgen bleiben sollen, daß man den Spalt mit einer Brücke überschreiten kann. Man hat die Löcher mit Absicht verstopft, damit Späterkommende sie nicht entdecken sollen. Die Augen meines jungen Bruders aber sind scharf gewesen.«



»Nicht die Augen, sondern ich fühlte die Erde, weil sie weicher als der Felsen war, mit der Spitze meines Fußes. Wäre die Brücke noch vorhanden, so könnten wir hinüber und dann weiterforschen.«



»Wir brauchen die Brücke nicht, denn wir werden in den Gang, welcher da drüben beginnt, auf andere Weise kommen. Er hat, wie ich vermute, ein Loch, in welches wir steigen werden.«



»Wann? – Heute abend?«



»Nein, sondern morgen. Das Loch ist zugemacht worden; ich würde es in der Dunkelheit nicht finden, und Licht dürfen wir draußen nicht anzünden; aber wenn es Tag geworden ist, werden wir in den Gang eindringen, um ihn zu untersuchen, jetzt wollen wir essen, und dann werde ich fortgehen, um die Gegend kennen zu lernen.«



»Wird Old Shatterhand mir erlauben, ihn zu begleiten?«



»Nein. Ich würde dich gern mitnehmen, aber du mußt um der Pferde willen bleiben.«



»Sie befinden sich hier in Sicherheit. Kein Yuma kann sie finden.«



»Das ist richtig; aber sie kennen die Höhle nicht; sie fürchten sich; sie verhalten sich ruhig, weil wir uns bei ihnen befinden. Ließen wir sie allein und im Finstern, so könnten wir sie später unten im Abgrunde suchen.«



Der Knabe mußte also bleiben, und ich ging, als wir unser frugales Abendessen verzehrt hatten, auf Entdeckungsreisen aus. Es hatte freilich nicht den Anschein, als ob große Entdeckungen zu machen seien, denn es war finster draußen; ich mußte warten, bis der Schein der Sterne heller wurde. Doch blieb ich nicht bei der Höhle stehen, sondern ging weiter, an der Felswand hin, bis ich die nördliche Ecke derselben erreichte. Dort setzte ich mich nieder, um zu warten.



Meine Absicht war, den auf das Plateau führenden Weg auszukundschaften, was bei der jetzigen Dunkelheit nicht nur erfolglos sein mußte, sondern mir überdies gefährlich werden konnte. Es war zwar nicht wahrscheinlich, aber doch möglich, daß jemand sich auf dem Wege befand und mich kommen hörte; in diesem Falle war vorauszusehen, daß mein Spaziergang einen für mich nicht sehr angenehmen Verlauf nehmen werde.



Da, wo ich saß, lagen mehrere Steine von verschiedener Größe. Auch das war ein Grund für mich, nicht weiter zu gehen, denn wenn es auf meinem Wege mehr solche Felsstücke gab, so mußte das beabsichtigte Schleichen in der Dunkelheit zu einem immerwährenden Stolpern und Stürzen werden.



So wartete ich wohl eine Stunde lang. Es herrschte tiefe Stille rings umher. Die erst so bleichen Sterne bekamen Glanz; ich konnte weiter sehen als vorher und stand eben im Begriff, von meinem Sitze aufzustehen und weiterzugehen, als ich Schritte hörte, welche näher kamen. Ich nahm natürlich an, daß der Nahende vorüber wolle, und duckte mich hinter einem der erwähnten Felsstücke nieder. Die Schritte kamen näher, gerade auf mich zu; ich sah die Gestalt eines Indianers, welcher nicht weit von mir stehen blieb und sich umsah. Als er niemand erblickte, ließ er einen halblauten Ausruf der Enttäuschung hören, kam noch näher und setzte sich auf einen Stein, welcher nicht weiter als drei Schritte vor mir lag.



Das war fatal, im höchsten Grade fatal! Die Steine lagen so, daß ich nicht zurückkonnte, ohne gehört zu werden. Vorwärts konnte ich auch nicht, denn da hätte ich gerade an ihm vorüber gemußt. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als geduldig zu warten, bis er wieder ging.



»Uff!« hörte ich den Indianer nach langer Pause halblaut rufen. Er stand auf und trat einige Schritte vor. Es kam jemand – es war die Jüdin! Ich wurde Ohrenzeuge einer höchst interessanten Unterhaltung. Im Verlaufe derselben nannte er sich »Schlange«. Er war also der Inhaber des Zeltes, welches ich gesehen hatte, und der Anführer der hier liegenden dreihundert Yumas, ein Unterhäuptling des »großen Mundes«. Wie ich hörte, war sein englischer und spanischer Wortschatz ein für einen Yuma nicht gewöhnlicher; die Jüdin wußte nicht den zwanzigsten Teil davon und verstand kein Wort indianisch. Aus diesem Grunde konnten sie grammatikalisch einander das nicht sagen, was sie sagen wollten; aber sie verstanden einander doch, wenn es auch hier und da ein Mißverständnis gab, über welches man hätte aufschreien mögen. Wo Worte nicht ausreichten, wurde das Zeichen zu Hilfe genommen; kurz und gut, sie verstanden sich trotz aller sprachlichen Hindernisse, und ich verstand sie auch.



Er nahm sie, als sie kam, bei der Hand, führte sie zu dem Steine, auf welchem er gesessen hatte, und sagte:



»Schon glaubte die »listige Schlange«, daß die weiße Blume nicht kommen werde. Warum ließ sie ihn warten?«



Er mußte seine Frage mehrere Male wiederholen und ihr ein anderes Gewand geben, ehe sie dieselbe verstand und darauf antwortete:



»Melton hielt mich ab.«



Nun verstand er sie nicht; sie wiederholte ihre Worte und erklärte sie durch Zeichen.



»Was tut er jetzt?« fragte die Schlange.



»Er schläft,« antwortete sie weniger durch das Wort, als durch die Pantomime.



»Meint er, daß die weiße Blume auch schlafe?«



»Ja.«



»So ist er ein Tor, welcher betrogen wird, weil er selbst betrügen will. Die weiße Blume darf nicht glauben, was er sagt; er belügt sie und wird nicht halten, was er ihr versprochen hat.«



Jedem Satze folgte, da keiner sogleich verstanden wurde, eine mühevolle Pantomimenerklärung, wobei sie nach Worten suchten, welche gegenseitig bekannt waren. Mir machte dies Spaß; den Leser aber würde es langweilen, wenn ich die Unterhaltung so wiedergeben wollte, wie sie in Wirklichkeit geführt wurde; sie soll darum auf dem Papiere so glatt verlaufen, als ob die beiden der notwendigen Redeteile vollständig mächtig gewesen wären.



»Weißt du denn, was er mir versprochen hat?« fragte sie.



»Ich denke es mir. Hat er nicht gesagt, daß er dir große Reichtümer geben will?«



»Ja. Er meint, daß er durch dies Bergwerk bald eine Million verdient haben werde. Dann soll ich seine Frau werden, Diamanten, Perlen und allerlei kostbares Geschmeide haben, ein Schloß in der Sonora und einen Palast in San Franzisco.«



»Du wirst keine Edelsteine, kein Gold, kein Schloß und keinen Palast haben, denn er wird zwar viel Geld verdienen, es aber doch nicht besitzen.«



»Wieso nicht?«



»Das ist Geheimnis der Yumas. Aber selbst wenn es so käme, wie er denkt, würde er dir nichts davon geben. Du bist die einzige Blume in dieser Einsamkeit; nur darum trachtet er nach dir. Wenn es später andre gibt, wird er dich wegwerfen.«

 



»Das sollte er wagen! Ich würde mich rächen und alles verraten, was er hier begangen hat!«



»Das wirst du nicht können. Man kann, wenn eine Blume welk geworden ist und gefährlich werden will, sie hier leicht zertreten, anstatt sie bloß wegzuwerfen. Glaube mir, daß bei ihm keine deiner Hoffnungen sich erfüllen wird!«



»Das sagst du, weil du mich auch haben willst. Beweise es mir!«



»Die »listige Schlange« kann beweisen, was sie behauptet. Sag mir, warum du zugegeben hast, daß dein Vater mit in das Bergwerk gegangen ist?«



»Weil er nicht arbeiten, sondern Aufseher sein und sich viel Geld verdienen soll.«



»Er ist angebunden wie jeder andere, muß arbeiten wie die andern und bekommt auch keine bessern Speisen als sie. Ich weiß, es ist ihm versprochen worden, daß er von Zeit zu Zeit herausgehen darf, um dich zu sehen und sich in der guten Luft zu erholen; aber das Versprechen wird man nicht halten.«



»Ich würde Melton zwingen, es zu halten!«



»Glaube das nicht! Ueber einen solchen Mann können die tausend schönsten Squaws der Erde keine Macht erlangen. Verlange, deinen Vater zu sehen! Er wird ihn nicht herauslassen.«



»So gehe ich fort und zeige ihn an!«



»Versuche das,« meinte der Rote mit einem kurzen Lachen. »Er wird dich auch einsperren. Dann wird in kurzer Zeit deine Schönheit zerstört und dein Körper von dem Gifte des Quecksilbers zerfressen sein. Er ist ein Betrüger; ich wiederhole es; mein Herz aber ist auf- aufrichtig gegen dich. Was er dir nur zum Scheine bietet, das biete ich dir in Wirklichkeit. Wenn ich nur will, so werde ich reicher, viel reicher als Melton sein.«



»Ein Indianer und reich!« lachte sie.



»Zweifelst du daran? Wir sind die eigentlichen Besitzer des Landes, welches uns die Weißen genommen haben. Bei dem Leben, welches wir führen, bedürfen wir des Goldes und Silbers nicht. Wir wissen, wo es in den Bergen in großer Menge zu finden ist, sagen das aber den Bleichgesichtern nicht, obgleich wir es nicht brauchen. Aber wollte die weiße Blume in mein Zelt kommen und meine Squaw werden, so würde ich Gold und Silber haben, soviel sie haben will, und ihr alles geben, was Melton ihr versprochen hat und doch nicht geben wird.«



»Ist das wahr? Viel Geld, Geschmeide, ein Schloß, einen Palast, schöne Kleider und viele Diener?«



»Alles, alles das würdest du haben! Ich liebe dich sehr, wie ich kein rotes Mädchen lieben könnte. Ich könnte dich auch gegen deinen Willen zu meiner Squaw machen, denn wir roten Männer rauben die Mädchen, welche wir haben wollen und doch auf andere Weise nicht bekommen können. Aber du sollst freiwillig meine Squaw werden. Darum werde ich nicht Hand an dich legen, sondern warten, bis du sagst, daß du mir dein Herz geben willst. Kannst du das nicht jetzt sogleich sagen?«



Er stand auf, schlug seine Arme über der Brust zusammen und blickte forschend zu ihr nieder. Sie antwortete nicht. Ihr Leichtsinn war auf eine kleine Liebelei mit dem hübschen jungen Häuptlinge nicht ungern eingegangen; an die Folgen hatte sie nicht gedacht. Nun verlangte er von ihr, daß sie seine Frau werden solle! War es wahr, daß Melton sie betrügen wollte? War es wahr, daß der Indianer so reich sein konnte, wenn er wollte? Er stand wartend vor ihr und hielt den Blick scharf auf sie geheftet, als ob er die Gedanken sehen wolle, die sich jetzt in ihr bewegten. Als sie aber auch nach längerer Zeit noch mit der Antwort zögerte, unterbrach er das Schweigen:



»Ich weiß, was die weiße Blume denkt. Sie liebt den Reichtum, das Vergnügen, das Leben in den Städten der Bleichgesichter. Der rote Mann besitzt nichts als sein Zelt, sein Pferd und seine Waffe. Er lebt im Walde und auf der Savanne und versteht nichts von den Künsten und Genüssen der Bleichgesichter. Wie konnte die weiße Blume jemals den Gedanken hegen, die Squaw eines Indianers zu sein! Nicht wahr, es ist so?«



»Ja,« antwortete sie.



»Es wird aber anders werden, sobald du nur willst. Sag ja, und ich gehe augenblicklich, um deine Wünsche zu erfüllen. Meine Hand soll die deinige nicht eher berühren, als bis ich dir soviel Gold gebracht habe, wie du brauchst, um alle deine Wünsche zu erfüllen!«



Das wirkte; denn sie rief aus:



»Könntest du das wirklich? So viel Gold mir bringen?«



»Ich kann es.«



»Und spielt Melton wirklich ein falsches Spiel mit mir?«



»Prüfe ihn, indem du verlangst, deinen Vater zu sehen; aber sag ihm nichts davon, daß du mit mir gesprochen hast!«



»Gut, ich werde ihn auf die Probe stellen, und hält er mir nicht