Pandur und Grenadier

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Pandur und Grenadier
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KARL MAY
PANDUR UND GRENADIER

HUMORESKE

Aus

KARL MAYS

GESAMMELTE WERKE

BAND 42

„DER ALTE DESSAUER“

© Karl-May-Verlag

eISBN 978-3-7802-1327-3

Die Erzählung spielt im Jahre 1742.

KARL-MAY-VERLAG

BAMBERG • RADEBEUL

Inhalt

Pandur und Grenadier

Der Pandur

Der Grenadier

Pandur und Grenadier

(1742)

Der Pandur

Erblüht die Blume im Gefild

Und in des Hains tiefer Ruh.

Es treibt in ihr, es glüht und schwillt;

Es strebt ihr Haupt dem Himmel zu.

Sie sendet Grüße dir empor,

Maria, Himmelkönigin,

Und leise klingt es mir ins Ohr,

Dass ich auch deine Blume bin.

Es tönt im dunklen Waldeshag

Und an des Baches grünem Rand

Der Vögel heller Frühlingsschlag

Allüberall durchs weite Land.

Sie senden Grüße dir empor,

Maria, Himmelkönigin,

Und leise klingt es mir ins Ohr,

Dass ich auch so ein Vöglein bin.

Es ziehen Pilger zum Gebet

Den schattenreichen Weg entlang,

Und dort, wo die Kapelle steht,

Ertönt des Glöckleins heller Klang.

Sie senden Grüße dir empor,

Maria, Himmelkönigin,

Und leise klingt es mir ins Ohr,

Dass ich auch so ein Pilger bin!

So klangen die Worte des bekannten, einfach schönen Wallfahrtsgesanges zweistimmig aus dem Nachbargarten herüber, wo sich heute am Sonntag die jungen, hübschen Mädchen von Studenetz bei Schneeglöckchen und Märzviolen zusammengefunden hatten. Sie alle, im Frühling ihres Lebens stehend, glichen selbst jenen Blumen, die verkünden wollen, dass die große Erdenfreundin Sonne ihre Herrschaft nun wieder antreten werde, um die Starrheit des Winters zu lösen und den schlafenden Fluren ein neues Gewand anzulegen.

Am Gartenzaun der Erlenmühle stand einer, der diesem Gesang mit sichtbarer, inniger Rührung lauschte. Sein Anzug war sehr bescheiden zu nennen, und der Spieß, den er in seiner Hand hielt, ließ in ihm den Biric, den Wächter oder Büttel des Dorfes erkennen. Er hatte einen hölzernen Stelzfuß und über die Stirn lief ihm die Narbe eines Säbelhiebes; sie verlieh seinen guten, ehrlichen Zügen einen sehr streitbaren Ausdruck. Als die Mädchen ihr Lied beendet hatten, fuhr er sich mit der Hand nach dem Auge und murmelte:

„Hm, ich glaube gar, das hat mein altes Herz ergriffen! Ja, dieses Lied sang meine Emilka, als wir uns zum ersten Mal sahen, wo sie mir dann gleich so kurz entschlossen sagte, dass ich sie heiraten solle. Ich hätte das nicht gewagt! Sie muss mir doch sofort außerordentlich gut gewesen sein! Aber der Müller klatscht mir, er hat mich bemerkt und da muss ich hinein!“

In der Erlenmühle standen die Fenster der Wohnstube offen und der Müller saß in einem Lehnstuhl, dessen Beine mit kleinen Rädern versehen waren. Er war eine ungeschlachte, roh zugehackte Gestalt, deren Gesichtszüge von ungeübter Hand aus Holz geschnitzt zu sein schienen. Eine Lähmung hatte infolge einer Erkältung seine Beine ergriffen, sodass er nur mit Mühe zu gehen vermochte; so war er gezwungen, sich eines Rollstuhls zu bedienen. In der Rechten hielt er eine Peitsche. Sie war der Schrecken aller Leute, die in untergeordneter Stellung mit ihm verkehren mussten.

Er war reich, dieser Erlenmüller, nach den Verhältnissen seiner Umgebung sogar sehr reich, und er verachtete alle, die mit dem kargen Leben um ihres Leibes Nahrung und Notdurft zu ringen hatten. Diese Geringschätzung traf zunächst natürlich diejenigen, die persönlich mit ihm in Verkehr oder sogar in seinem Dienst standen. Der Zustand seiner Beine verhinderte ihn, sie in der gewöhnlichen Weise zu beaufsichtigen, aber seine scharfen Sinne, seine Augen und Ohren waren stets bei ihnen, und es gelang selten einem seiner Untergebenen, ihn zu täuschen. Er herrschte unbeschränkt und sein Zepter war – die Peitsche. Wer sich diese nicht gefallen lassen wollte, konnte gehen; es kamen um des hohen Lohnes willen, den er zahlte, genug andere, die sich mit süß-saurer Miene diesem Zepter unterwarfen.

Er hatte jetzt einsam und allein in der Stube gesessen und den Gesang vernommen, dessen Töne durch die geöffneten Fenster zu ihm hereingedrungen waren; er hatte auch den Büttel am Zaun stehen sehen und gab ihm nun durch ein Peitschenknallen das Zeichen, dass er mit ihm sprechen wolle. Der Büttel kannte dieses Zeichen; er hatte mit dem Müller, der Ortsrichter war, in amtlichen Angelegenheiten öfters zu verkehren und war daher gezwungen, sich in die Eigentümlichkeiten seines Vorgesetzten zu schicken.

Als er eintrat und grüßte, deutete der Müller mit der Spitze seines Peitschenstiels auf einen ihm nahen Punkt der Diele und gebot:

„Stell dich hierher, Matthias! Hast du die Mädchen singen hören?“

„Ja“, lautete die Antwort.

„Wer sang den schönen Bass dazu?“

Der Richter hatte weder Harmonielehre noch Kontrapunkt studiert; er verwechselte ganz ohne Verletzung seines unmusikalischen Gewissens den Alt mit dem Bass.

„Agnes Engelmann ist es gewesen“, berichtete der Büttel.

„Sie war mit dabei?“, brauste der Müller auf, indem er mit der Peitsche knallte, als wolle er einem störrischen Zugtier einen Hieb erteilen. „Das soll sie doch nicht! Ich hab’ ihr verboten, dergleichen Kindereien mitzumachen. Sind etwa junge Burschen mit drüben?“

„Kein einziger! Ihr wisst ja, Richter, dass sie sich bei einer solchen Zusammenkunft niemals beteiligt. Sie ist das schönste und bravste Mädchen im Dorf und, wenn sie auch arm ist, so braucht sie doch keinem Burschen nachzulaufen.“

„Nein, das braucht sie nicht und das darf sie auch nicht! Ich bin ihr Pate und will doch sehn, ob ich ihr nicht gradso zu befehlen hab’ wie ihr Vater, der ihr so vieles zulässt, was sich für ein ordentliches Mädchen nicht schickt.“

Der Wächter räusperte sich und meinte in bescheidener Entgegnung:

„Ich wüsste nicht, was sie für eine Unschicklichkeit begangen...“

„Schweig!“, unterbrach ihn der Müller, indem er ihm die Peitsche zornig um die Beine knallte. Der Büttel schien an diese Art Liebkosung gewöhnt zu sein und fing den Hieb gewandt mit seinem hölzernen Stelzfuß auf.

„Ist es für sie etwa schicklich, zum Tanz zu gehen und mit dem Jungvolk wie unsinnig herumzuspringen?“

„Ist es denn eine gar so große Sünde, einmal...“

„Schweig!“, gebot der Richter abermals, indem er ihm einen zweiten Hieb versetzte. „Sie weiß, dass sie nicht dorthin gehört, denn es gibt gesetzte Männer, an die sie sich zu halten hat und die eine solche Kinderei nicht vertragen können.“

„Darf ich wohl fragen, wer diese gesetzten Männer sind?“, erkundigte sich Schulazek im unterwürfigsten Ton, jedoch mit einer Miene, in der eine kleine Ironie nicht ganz zu verkennen war.

„Schweig!“, befahl der Erlenmüller zum dritten Mal, und jetzt traf seine Peitsche den Frager an einer empfindlichen Stelle. „Pack dich hinaus und schicke sie mir einmal her! Ich hab’ mit ihr zu reden.“

Der Büttel gehorchte, drehte sich aber unter der Tür, wo ihn die Peitsche nicht mehr erreichen konnte, um und fragte:

„Wenn sie nun wissen will, was Ihr mit ihr zu reden habt, was soll ich da sagen?“

„Kerl, willst du gehen oder nicht?“, brauste der Gefragte auf, und da die Peitsche zu einem seinem Zorn angemessenen Hieb zu kurz war, so warf er sie ihm nach. Sie traf nur die Tür, die der Wächter schnell hinter sich zugezogen hatte.

Dieser humpelte zur Mühle hinaus und wandte sich nach dem Zaun des Nachbargartens. Dort saßen die plaudernden Mädchen in der Fliederlaube, die sich bereits mit dem Grün des Frühlings geschmückt hatte. Auf seinen Ruf kam eines von ihnen herbei; er grüßte freundlich und reichte die Hand hinüber.

„Grüß Gott, Agnes! So ist’s recht; wenn man des Werktags brav geschafft hat, so darf man des Sonntags lustig sein. Was macht der Vater?“

„Der hat noch keinen Sonntag. Er arbeitet.“

„Er arbeitet? Ist’s denn so eilig?“

„Ja, der Erlenmüller will noch heut die neue Jacke haben, die ihm der Vater zu machen hat.“

„Ich konnte mir denken, dass dieser es ist. Ein andrer würde deinen Vater nicht zwingen, am heiligen Sonntag zu arbeiten. Ich war jetzt drüben bei ihm. Er hat euern Gesang gehört und schickt mich zu dir, dass du sogleich einmal zu ihm kommen sollst.“

„Was soll ich denn bei ihm?“

„Ich weiß es nicht. Er war zornig darüber, das du gesungen hast.“

Über das Angesicht des Mädchens zog ein tiefer Schatten und es bemerkte im unmutigen Ton:

„Ja, wenn es nach dem Herrn Paten ginge, so würde ich bei ihm eingeschlossen und er hielt noch obendrein die Wache vor der Tür. Ich werde einmal sehn, was er mir zu sagen hat.“

„Viel Kluges ist es nicht, Agnes; das kann ich mir leicht denken“, meinte der Veteran. „Schau, die alte selige Muhme deiner Mutter ist die Großmutter von meines Schwagers Base gewesen, und darum gehörst du in meine Verwandtschaft und ich meine es gut und aufrichtig mit dir. Der Erlenmüller möchte gern eine junge Frau, die ihn pflegen soll, und wen er damit meint, das wirst du wissen. Die Müllerin wird eine reiche Frau sein, glücklich aber nicht. Das sag` ich und das sagt auch meine Emilka, und was die sagt, das hat guten Grund und Nachdruck. Und daher meine ich, dass es besser ist, arm zu bleiben, als elend und unglücklich zu werden. Merk dir das!“

 

„Du hast Recht, Vetter Schulazek! Aber weißt du nicht, dass mein Vater dem Richter über zweihundert Gulden schuldig ist?“

„Ich weiß es. Willst du dich verschachern lassen?“

„Wie kannst du so fragen, da du den Vater kennst! Der Müller ist mein Pate und meines Vaters Gläubiger, aber das wird weder mich noch den Vater zwingen, etwas zu tun, was wir später bereuen könnten.“

Sie reichte ihm die Hand und ging.

Er sah ihr nach, als sie den Garten verließ und nach der Mühle schritt.

„Hm“, meinte er für sich. „an der wird sich der Richter verrechnen. Die ist gradso herzhaft wie meine Emilka. Schade wär’s aber auch um sie, jammerschade! Die sollte eigentlich einen Mann bekommen , einen – ei – nen – hm, so einen Unteroffizier, einen Feldwebel; eigentlich brauchte sich sogar ein Hauptmann nicht mit ihr zu schämen. Ein Blitzmädel! Das liegt so im Blut und in der Verwandtschaft; unsere Freundschaft hat lauter tüchtige Männer und lauter tapfre Weiber aufzuweisen.“

Wer das hoch und kräftig gewachsene Mädchen so leicht und doch so sicher dahinschreiten sah, der konnte allerdings vermuten, dass sie das notwendige Maß von Selbstbewusstsein besitze. Ihre jugendlich frische Schönheit bedurfte keiner künstlichen Mittel, um zur Geltung zu kommen, und wenn ihr Inneres mit diesem Äußeren übereinstimmte, so war der Mann, der sie sich zu erringen verstand, gar wohl glücklich zu nennen.

Sie trat beim Müller ein und grüßte.

„Gib mir einmal die Peitsche her!“, befahl er, anstatt den freundlichen Gruß zu erwidern. „Schade, dass ich den Wächter nicht getroffen hab’; er hatte sie verdient.“

Sie hob die Peitsche auf und lehnte sie in die Ecke.

„Her damit!“, gebot er. „Was soll sie dort?“

„Und was soll sie in Eurer Hand, Pate?“, fragte sie ruhig. „Oder habt Ihr etwa vor, hier in der Stube Gänse zu hüten?“

„Schweig!“, rief er ihr zu. „Du weißt, dass ich sie brauche. Dieses Gesindevolk ist nur mit der Karbatsche zu bemeistern!“

„Jetzt ist keiner von den Leuten da und für mich braucht Ihr hoffentlich die Peitsche nicht! Ihr habt mich rufen lassen, Pate. Was soll ich hier bei Euch?“

„Was du sollst?“, fragte er mit gemachtem Erstaunen. „Das fragst du noch? Ja, der Pate muss hier in Schmerz und Jammer sitzen, während da draußen der Bruder Lustig herrscht. Da wird gesungen und jubiliert, als ob es in der ganzen Welt keinen Kranken gäbe, und wer eine Pflicht hat, der muss erst durch den Wächter an sie erinnert werden!“

Agnes nahm auf einem Stuhl Platz und antwortete ruhig:

„Mit dieser Strafrede werde wohl ich gemeint sein; aber wenn der Herr Pate einmal nachdenken will, so wird er finden, dass er Unrecht hat. Einen Bruder Lustig hab’ ich da draußen nicht gesehn; wir haben ein frommes Wallfahrtslied gesungen und das ist keine Sünde. Und meine Pflicht kenn’ ich so genau, dass niemand notwendig hat, mir ihretwegen den Wächter zu senden. Ich muss für die Eltern sorgen und hab’ wohl auch den Herrn Paten zu ehren, aber seine Dienstmagd bin ich nicht. Ich war heute bereits schon einmal da; was gibt es so Notwendiges zu tun?“

„Nichts gibt’s zu tun; aber hier bei mir sitzen sollst du und nicht da draußen bei den Schreihälsen, die sich doch nur ihre Burschen herbeisingen wollen!“, erklärte der Müller.

„Davon ist keine Rede gewesen“, antwortete Agnes. „Aber wenn Ihr Euch zu einsam fühlt, so bleibe ich gern ein Stündchen da; nachher muss ich wieder bei der Mutter sein.“

Sie erhob sich von ihrem Sitz und trat an ein kleines Wandschränkchen, das sie öffnete.

„Was suchst du dort?“, fragte der Müller hastig.

„Das Legendenbuch; ich will Euch etwas vorlesen.“

„Das lass nur bleiben! Du fürchtest dich wohl gar vor mir, da du dich hinter die Legende verbarrikadieren willst?“

„Ich fürchte mich vor keinem, auch vor Euch nicht, obgleich Ihr es versteht, die Leute scheu zu machen. Und die Legende, die Ihr nicht haben wollt, die lese ich Euch dennoch vor. Ihr seid nicht in der Kirche gewesen, und da ist es grad recht, dass Ihr etwas Frommes zu hören bekommt!“

Das entschlossene Mädchen setzte sich wieder nieder und schlug das Buch auf, der Müller aber wehrte mit beiden Händen ab.

„Ich mag aber diese Geschichten nicht hören! Wenn du anfängst, so rufe ich den Knecht; der muss dich hinauswerfen!“

„So kann ich ja lieber gleich vorher gehen!“, erwiderte Agnes. Sie schlug das Buch zu und stand auf, um sich zu entfernen.

„Bleib!“, gebot er. „Ich hab’ dich rufen lassen nicht der Legenden wegen, sondern um mit dir zu reden. Weißt du, dass heut Abend Tanz gehalten wird?“

„Ja.“

„Wirst du gehen?“

„Ja.“

„Also wirklich? Gehn willst du?“, rief er. „Ich sage dir aber, dass du nicht gehn wirst. Ich verbiete es dir!“

Sie schüttelte lächelnd den Kopf und antwortete:

„Da hat sich der Herr Pate doch gar sehr verändert. Er ist früher der flotteste Tänzer gewesen und hat sogar drei Wochen nach dem Tod der Frau Patin bereits wieder getanzt. Warum ist denn nun jetzt so plötzlich das Tanzen ein so schlimmes Ding geworden? Es ist bereits über ein Jahr vergangen, seit ich von meinem Dienst in Halberstadt wieder daheim bin, und in dieser Zeit hab’ ich nur zweimal den Tanzboden betreten. Auch heut wollt’ ich nicht gehn, aber die Eltern sagten, dass ich mir auch eine Freude machen und mich nicht immer vor den Leuten verstecken soll wie eine, die kein gutes Gewissen hat. Da sieht der Herr Pate wohl ein, dass ich es dem Vater nicht abschlagen kann, wenn er mich mitnehmen will.“

„Ah, dein Vater will gehen?“

„Ja, mir zuliebe, denn ohne ihn tu ich es nicht.“

„Also, um in das Wirtshaus zu gehn, hat er Geld? Er mag zuvor kommen und mich bezahlen, der Lump! Er darf...“

„Hört, Pate“, unterbrach ihn das Mädchen schnell, „wenn Ihr den Vater schimpft, so habt Ihr es mit mir zu tun! Meine Eltern sind wenigstens ebenso brav wie der reiche Erlenmüller, und ich leid’ es nimmermehr, dass Ihr ein solches Wort gegen sie gebraucht!“

„So!“, dehnte der Müller. „Was willst du denn dagegen tun?“

„Wenn es ein andrer wäre, so würde ich ihn heimzuschicken wissen, obgleich ich kein Raufbold, sondern ein Mädchen bin; da es aber der Herr Pate ist, so kann ich nichts tun als gehn.“

„Bleib!“, gebot er ihr. „Wenn du die Widerspenstige spielst, so sollst du sehn, was ich tu! Oder denkst du etwa, dass ich nicht die Macht hab’, dich gehorsam zu machen?“

Jetzt nahm ihr Gesicht einen sehr ernsten Ausdruck an; sie trat nahe an ihn heran, legte ihm die Hand schwer auf den Arm und sagte:

„Ich weiß, welche Macht Ihr meint; es ist keine gute. Schämt Euch, Pate, auf eine solche Weise den Tyrannen zu spielen! Mein Vater hat ein weniges zurückgelegt und ich hab’ meinen sauer verdienten Lohn dazugetan; auf diese Weise sind hundertfünfzig Gulden zusammengekommen. Der Vater hat sie Euch geben wollen; Ihr aber habt sie nicht genommen, sondern die ganze Summe verlangt. Das ist nicht der richtige Weg, sich Liebe und Achtung zu erwerben. Ich müsste blind sein, wenn ich nicht bemerken sollte, welchen Zweck Ihr verfolgt; auf diese Weise aber kommt Ihr nicht zum Ziel; das sag’ ich Euch!“

„Nicht?“, höhnte er. „Und wenn ich nun deinen Vater einsperren lasse? Ich hab’ den Wechselbrief in der Hand.“

„Ja, das ist auch so eine rechte Bosheit von Euch gewesen. Der Vater hat geglaubt, er unterschreibe einen gewöhnlichen Schuldschein, und anstatt dessen ist es ein Wechsel gewesen; er hat das nicht gekannt, und nun er die Summe nicht bezahlen kann, soll er in Arrest kommen. Ihr seid der Pate und darum will ich nicht sagen, was ich denke, aber der liebe Gott wird schon noch in Euer Gewissen greifen und dann...“

„Schweig!“, donnerte er. „Mein Gewissen ist mein und darein soll mir niemand greifen. Dein Vater wird heut kommen, um mir die Jacke zu bringen, und da werde ich einmal ernstlich mit ihm reden. Wenn du heut Abend den Tanz besuchst, so ist es aus mit euch; das merke dir!“

Noch ehe das Mädchen antworten konnte, entstand draußen ein Geräusch von Waffen; die Stubentür wurde aufgerissen und es traten drei Männer herein, die in die überall gefürchtete rote Pandurenuniform gekleidet waren.

„Wohnt hier Stephan Noak, der Richter von Studenetz?“, fragte einer von ihnen, der die Abzeichen eines Unteroffiziers trug. Er hatte es gar nicht nötig gefunden, vor seiner Frage einen Gruß auszusprechen.

„Der bin ich“, antwortete der Müller.

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