Der Flucher

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Der Flucher
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KARL MAY
DER FLUCHER

REISEERZÄHLUNG AUS DEM WILDEN WESTEN

Aus

KARL MAYS

GESAMMELTE WERKE

BAND 23

„AUF FREMDEN PFADEN“

© Karl-May-Verlag

eISBN 978-3-7802-1314-3

KARL-MAY-VERLAG

BAMBERG • RADEBEUL

Inhalt

DER FLUCHER

Old Cursing-Dry

Im Lager der Pah-Utahs

Gericht

DER FLUCHER
Old Cursing-Dry

Während ich mich anschicke, die folgende Begebenheit zu erzählen, muss ich an ein Ereignis aus meiner Kindheit denken, das mir noch heute so klar und deutlich im Gedächtnis lebt, als ob ich es erst gestern erlebt hätte.

Wir standen, fünf oder sechs kleine Knaben, auf dem Marktplatz meiner Vaterstadt und sahen einem Fuhrmann zu, dessen Pferde den schweren Wagen nicht fortzubringen vermochten. Er hieb lange Zeit vergeblich auf sie ein und ließ sich endlich von seinem Zorn zu einem Fluch hinreißen, den er mit so kräftigen Hieben begleitete, dass die Pferde die Last nun wirklich über das Hindernis hinwegzerrten. „Ja, wenn nichts mehr helfen will, dann hilft ein ,heiliges Donnerwetter‘“, lachte er und fuhr weiter. Die Umstehenden lachten mit und wir Knaben fühlten uns von dem Fluch so imponiert, dass wir ihn sofort aufs Eifrigste bei unserem Spiel anwandten. Es wurde einige Zeit mit wahrer Wonne ‚gedonnerwettert‘, bis mein Vater es hörte und mir zum Fenster heraus jenen bekannten Wink gab, der die Eigentümlichkeit hatte, mich stets und augenblicklich in eine höchst wehmütige Stimmung zu versetzen. So auch diesmal, und zwar nicht ohne Grund, denn ich hatte die Anwendung des Kraftworts dadurch zu büßen, dass ich kein Mittagessen bekam und mit sehr niedergedrückten Gefühlen zusehen musste, wie gut der dicke Milchreis meinen Geschwistern schmeckte. Dieser sehr unfreiwillige Verzicht tat mir so weh, dass ich den festen Entschluss fasste, nie wieder ‚Donnerwetter‘ zu sagen. Dieses löbliche Vorhaben wurde dadurch noch mehr befestigt, dass mich nach Tisch meine ehrwürdige, damals siebzig Jahre alte Großmama beiseite nahm und mir mit einem derben Waschlappen den Mund so kräftig abwusch, dass mir das helle Wasser aus den Augen lief.

„Pfui, pfui!“, sagte sie dabei. „Wer flucht, der beschmutzt seinen Mund, und das muss tüchtig abgerumpelt werden. Merke dir das und tue es ja nicht wieder, wenn ich dich lieb behalten soll!“

Wenn ich offen sein will, so muss ich gestehen, dass dieses ‚Abrumpeln‘ einen noch tieferen Eindruck auf mich machte als die Kostentziehung, denn was Großmama sagte, das war mir heiliger als jedes andere Wort. Ich zog mich also in einen stillen Winkel zurück, um die Reinigung der Lippen auf eigene Hand weiter fortzusetzen, und dabei fiel mir ein, dass ich doch nicht der Einzige gewesen war, der geflucht hatte. Infolgedessen setzte ich mich in den heimlichen Besitz des besagten Waschlappens und schlich mich fort, um die Mitschuldigen alle zusammenzuholen. Als mir dies gelungen war, erklärte ich ihnen, welchem Schicksal sie sich unter den obwaltenden Umständen zu unterwerfen hätten, und führte sie zu dem großen Wassertrog, der an der oberen Seite des Marktes stand. Dort gaben wir uns dann dem ‚Abrumpeln‘ mit einem solchen Feuereifer hin, dass uns das Wasser an den Beinen niederlief und wir uns in die Sonne legen mussten, um wieder trocken zu werden.

So großen Spaß diese Wäsche uns allen machte, so ernst war es mir doch mit der Angelegenheit an sich, und ich muss sagen, dass von jenem Tag der Abscheu stammt, den ich noch heute gegen jeden Fluch und jeden Schwur empfinde. Sei mir ein Mensch auch noch so sympathisch, sobald ich ein solches Wort von ihm höre, fühle ich mich abgestoßen, und stellt es sich gar heraus, dass er ein Gewohnheitsflucher ist, so hört er auf, für mich zu existieren.

Wie weit es ein Mensch in dieser üblen Angewohnheit zu bringen vermag, habe ich an dem Mann gesehen, von dem ich heute erzählen will, weil sein Beispiel zugleich einen deutlichen Beweis dafür bildet, dass mit der Langmut und Barmherzigkeit Gottes nicht zu scherzen ist.

Zur Zeit, als diese Episode sich ereignete, befand ich mich mit Winnetou, dem Häuptling der Apatschen, bei den Navajos, die ihn auch als ihren obersten Anführer anerkannten, weil sie im weiteren Sinne auch zum Volk der Apatschen gehörten. Sie lagerten damals zwischen den Höhen der Agua Grande genannten Gegend und wollten von da aus nach dem Colorado hinab, doch nicht eher, als bis eine Anzahl weißer Jäger, die ich zu ihnen bestellt hatte, eingetroffen war.

Während wir auf die Ankunft dieser Leute warteten, brachten unsere roten Wachen zwei fremde Indianer, die sie unter sehr verdächtigen Umständen aufgegriffen hatten, ins Lager. Sie sollten natürlich sofort ausgefragt werden, weigerten sich aber, irgendeine Antwort zu geben. Es war ihnen kein Wort zu entlocken; ihre Gesichter waren nicht gefärbt, und da sie auch kein Zeichen ihrer Abstammung an sich trugen, so war es beinahe unmöglich, zu bestimmen, welchem Volk sie angehörten. Wir wussten, dass die Utahs[1] sich in letzter Zeit den Navajos feindlich gezeigt hatten, und so bemerkte ich zu Winnetou:

„Ich möchte sie für Utahs halten, denn dieser Stamm hat sich immer mehr nach Süden gezogen und scheint einen Angriff gegen die Navajos zu planen. Vielleicht sind diese beiden Kerls von ihnen ausgeschickt, um den Aufenthalt der Navajos zu erkunden.“

Ich glaubte, mit diesen Worten das Richtige getroffen zu haben, aber Winnetou kannte die hier oben hausenden Indianer besser als ich; er antwortete:

„Es sind Pah-Utahs, doch hat mein weißer Bruder Recht, wenn er sie für Kundschafter hält.“

„Sollten sich die Pah-Utahs mit den Utahs verbunden haben?“

„Winnetou zweifelt nicht daran, denn wenn es anders wäre, würden diese beiden Krieger sich nicht weigern, uns Aufkunft zu erteilen.“

„Da gilt es vorsichtig zu sein! In einer Gegend wie der hiesigen muss man annehmen, dass Kundschafter sich höchstens drei Tagereisen von ihren Leuten entfernen. Daraus können wir schließen, wie nahe uns die Feinde ungefähr sind.“

„Uff! Wir werden nach ihnen suchen.“

„Wer?“

„Du und ich.“

„Weiter niemand?“

„Vier gute Augen sehen mehr als hundert schlechte, und je mehr Krieger wir mitnehmen, desto eher können wir entdeckt werden.“

„Das ist richtig; aber vielleicht kommen wir in die Lage, einen Boten heimsenden zu müssen.“

„So nehmen wir einen Navajo mit, weiter aber niemand. Howgh!“

Dieses letztere Wort diente bei ihm stets zur Bekräftigung; es hieß so viel wie: abgemacht, basta, fertig. Darum verzichtete ich darauf, ihm weitere Vorschläge zu machen.

Die Navajo-Abteilung, bei der wir uns befanden, zählte außer den alten Männern, Frauen und Kindern gegen dreihundert Krieger, die unter Nitsas-Kar[2], einem sehr tüchtigen Häuptling, standen. Das waren Leute genug zur Abwehr eines Feindes, von dem wir annahmen, dass er nicht gerade in hellen Haufen erscheinen werde; dennoch waren wir so vorsichtig, einen Boten nach der nächsten Abteilung zu senden, um sie von der nahenden Gefahr zu benachrichtigen. Eine kurze Beratung mit Nitsas-Kar hatte das von Winnetou gewünschte Ergebnis. Der Apatsche, ich und ein junger, aber sehr erprobter Krieger ritten fort, um den Aufenthalt der Gegner zu entdecken, und die Navajos blieben unter Aufstellung doppelter Posten und scharfer Bewachung der beiden Gefangenen an Ort und Stelle lagern, um auf unsere Rückkehr oder unseren Boten zu warten.

Es war noch sehr früh am Morgen und wir hatten also den ganzen Tag vor uns. Im Allgemeinen wussten wir, dass die Utahs im Süden des gleichnamigen Territoriums lagerten, während die Pah-Utahs ungefähr da zu suchen waren, wo die Ecken von Utah, Colorado, Arizona und New Mexico zusammenstoßen. Das war freilich sehr unbestimmt, zumal wir uns sagen mussten, dass die Roten, falls sie einen Überfall beabsichtigten, die Gegenden wahrscheinlich schon verlassen hatten. Wohin sollten wir uns also wenden? So hätte nur einer, der nicht Westmann war, gefragt; wir aber kannten einen Wegweiser, auf den wir uns verlassen konnten, nämlich die Fährte der beiden Kundschafter, die wir fanden, sobald wir das Lager verlassen hatten.

Wir waren in einer der fruchtbarsten Gegenden von Arizona, was aber nicht viel heißen will. Das Land hat sehr geringe Wasserniederschläge, die wenigen Flüsse haben ihre Betten in tiefen Schluchten; der Hauptstrom, nämlich der Colorado, fließt zwischen Felswänden, die oft über zweitausend Meter fast senkrecht emporstiegen, und oben breitet sich das Hochplateau nach allen Seiten kahl und pflanzenarm aus, der Glut der Sonne und den darüber hinsausenden Stürmen preisgegeben. Nur selten gibt es einen Wasserlauf, dem man folgen kann, ohne in eine schier endlose Tiefe hinabsteigen zu müssen, und dann gibt es allerdings ein Grün von Gras, von Sträuchern und Bäumen, das das Auge umso mehr erfreut, als der Blick bisher unausgesetzt auf nacktem Fels hat ruhen müssen. Da, wo kleine Flüsse sich einander nahen, gibt es sogar Wälder, zwischen denen sich saftige Prärien erstrecken. Dies war auch hier der Fall, wo wir uns befanden, und so gehörte kein übermäßiger Scharfsinn dazu, die Fährte der beiden gefangenen Kundschafter zu entdecken.

Da man diese Leute sofort bei ihrer Ankunft ergriffen hatte, waren ihre Spuren noch so frisch, dass sich das von den Hufen ihrer Pferde niedergetretene Gras noch nicht wieder aufgerichtet hatte und wir Galopp reiten konnten, ohne die Eindrücke nur einmal aus den Augen zu verlieren. Die Kundschafter schienen die ganze Nacht unterwegs gewesen zu sein, denn wir fanden keine Stelle, wo wir langsamer reiten mussten, da wir gezwungen waren, nun schärfer Acht zu geben; doch hatten sie in der Dunkelheit nicht vorsichtig genug sein können, und wenn in dem harten Gestein auch nicht mehr von Hufstapfen die Rede sein konnte, so gab es für uns doch deutliche Merkmale genug, die uns den richtigen Weg zeigten.

 

Erst am Abend erreichten wir ein Wässerchen, wo sie gestern Rast gemacht hatten. Da fanden wir ihre Medizinen und Farbtöpfe versteckt, aus denen wir ersahen, dass sie Pah-Utahs waren und sich auf dem Kriegspfad befanden. Wir ruhten während der ganzen Nacht hier aus und ritten dann am Morgen weiter.

Leider waren die Spuren von jetzt an nicht mehr zu erkennen, was uns aber gar keine Verlegenheit bereitete, denn wir brauchten nur die Richtung nach dem Rio San Juan einzuhalten, um sie dort ganz gewiss zu treffen. Wir ritten also Ostnordost, erst über eine Savanne, deren Gras immer spärlicher wurde, und dann über eine Felsenebene, die so glatt und nackt war, als sei sie aus Zement gegossen worden.

Es war gegen Mittag, als wir am fernen Horizont drei Punkte sahen, die sich uns näherten. Da es kein Versteck für uns gab und wir nicht wussten, ob wir mit Weißen oder Roten zusammentreffen würden, so stiegen wir ab, ließen unsere Pferde sich legen und kauerten uns neben sie auf das Gestein. Auf diese Weise konnten wir nicht so bald gesehen werden.

Die Punkte wurden umso größer, je mehr sie sich uns näherten, bis wir sahen, dass es drei Reiter waren. Winnetou beschattete seine Augen mit der Hand, blickte ihnen schärfer entgegen und rief dann aus:

„Uff! Dick Hammerdull, Pitt Holbers und ein dritter Weißer, den ich nicht kenne!“

Hammerdull und Holbers gehörten zu den Jägern, die wir erwarteten. Auch ich erkannte sie jetzt und sprang auf. Da Winnetou und der Navajo dasselbe taten, wurden wir jetzt gesehen und die drei Reiter blieben halten. Wir ließen unsere Pferde aufspringen, stiegen in den Sattel und ritten auf sie zu. Hammerdull und Holbers erkannten uns und kamen uns mit lauten Jubelrufen entgegengaloppiert.

Es muss gesagt werden, dass die beiden Männer so treffliche Originale waren, wie man sie nur im Wilden Westen zu finden vermag. Sie wurden von allen ihren Bekannten ‚die verkehrten Toasts‘ genannt. Unter Toasts versteht man bekanntlich zusammengelegte Butterbrote; Dick und Pitt pflegten sich im Nahkampf Rücken an Rücken aneinander zu stellen, um sich in dieser Weise ihrer Angreifer besser erwehren zu können; sie standen also nicht mit den Butterseiten zusammen, daher die Bezeichnung der ‚verkehrten‘ Toasts.

Hammerdull war ein kleiner und, was im Westen sehr selten ist, außerordentlich dicker Kerl und hielt sein von Schmarren und Narben durchzogenes Gesicht so sorgsam wie möglich glatt rasiert. Seine List kam seiner Verwegenheit gleich, was ihn für jeden zu einem sehr willkommenen Gefährten machte, wenngleich es mir oft lieber gewesen wäre, wenn er mehr bedachtsam als kühn gehandelt hätte. Er hatte manche schrullige Eigenart und rief dadurch fast stets ein Lächeln auf den Gesichtern seiner Gefährten hervor.

Pitt Holbers war im Gegensatz zu ihm sehr lang und sehr dünn. Sein hageres Gesicht war – fast hätte ich gesagt: in einen Vollbart eingehüllt, und das wäre eine grandiose Unwahrheit gewesen, denn dieser Bart bestand aus kaum hundert Haaren, die in einsamer Zerstreuung die beiden Wangen, Kinn und Oberlippe bewucherten und von da lang und dünn bis fast auf den Gürtel niederhingen. Es sah aus, als hätten ihm Motten neun Zehntel seines Bartes weggefressen. Pitt war außerordentlich wortkarg und bedächtig, ein sehr brauchbarer Kamerad, der nur dann sprach, wenn er gefragt wurde.

Den dritten Reiter kannten wir nicht. Er war fast noch länger als Holbers und dabei zum Erschrecken dürr. Fast konnte man sich der Täuschung hingeben, dass man seine Knochen klappern höre. Ich fühlte beim ersten Blick, dass ich mich nicht mit ihm würde befreunden können: Sein Gesicht war roh zugeschnitten und sein Blick herausfordernd. Wenn es einen rücksichtslosen Menschen gab, so war es jedenfalls dieser Mann.

Während wir aufeinander zusprengten, rief Dick Hammerdull:

„Winnetou, Old Shatterhand! Siehst du sie, Pitt Holbers, altes Coon, siehst du sie?“

Coon ist Abkürzung von Racoon, Waschbär, der Kosename, mit dem Hammerdull seinen Pitt Holbers zu benennen pflegte. Dieser antwortete trotz der Freude, die er fühlte, in seiner trockenen Weise:

„Wenn du denkst, Dick, dass ich sie sehe, so magst du das Richtige getroffen haben.“

Sie fassten unsere Hände und schüttelten sie aus Leibeskräften. Dabei rief Hammerdull weiter:

„Endlich, endlich haben wir euch!“

„Endlich?“, fragte ich. „Ihr konntet doch nicht erwarten, uns schon jetzt zu treffen, weil wir euch nach dem Agua Grande bestellt hatten, bis wohin man noch anderthalb Tagesritte hat. Ist eure Sehnsucht nach uns so groß gewesen?“

„Natürlich! Unendlich groß!“

„Warum? Wo sind die andern?“

„Das ist es ja. Darum sehnten wir uns nach euch und darum hetzten wir unsere Pferde fast zu Tode. Wir müssen sofort nach dem Agua Grande, um eine tüchtige Schar Navajos zu holen.“

„Wozu?“

„Um die Pah-Utahs zu überfallen, die unsere Gefährten gefangengenommen haben. Fort also, fort, Mesch’schurs, sonst kommen wir zu spät!“

Er wollte weiterreiten. Ich griff ihm in die Zügel und sagte:

„Nicht so hitzig, Dick! Vor allen Dingen müssen wir wissen, was geschehen ist. Steigt also ab und erzählt es uns!“

„Absteigen? Fällt mir nicht ein! Ich kann es Euch auch im Reiten erzählen.“

„Ich will es aber in Ruhe hören; Ihr wisst ja, wie ich in dieser Beziehung bin. Man kann durch Überstürzung leicht alles verderben und soll allem, was man unternimmt, die Überlegung vorangehen lassen.“

„Aber wenn keine Zeit zum Überlegen ist?!“

„Ich sage Euch, dass wir Zeit genug haben. Vor allen Dingen müsst Ihr uns doch sagen, wer der Mann ist, den Ihr da bei Euch habt!“

Winnetou war schon abgestiegen, ich folgte ihm und setzte mich zu ihm nieder; da konnten die drei andern nichts als dasselbe tun.

„Na, Pitt Holbers, altes Coon, da müssen wir also die kostbare Zeit verlieren“, brummte Hammerdull verdrossen. „Was meinst du dazu?“

„Wenn Old Shatterhand und Winnetou es wünschen, so wird es wohl richtig sein“, antwortete der Gefragte.

„Ob richtig oder nicht, das bleibt sich gleich; es ist die schnellste Hilfe nötig; aber da es verlangt wird, so müssen wir uns fügen.“

Sie setzten sich zu uns auf die Erde nieder. Der Unbekannte hatte mir seine Hand in einer Weise zum Gruß entgegengehalten, als ob wir uns schon oft gesehen und gesprochen hätten, und ich hatte sie nur leise berührt, denn ich bin nicht gewohnt, jemandem die Hand zu drücken, dem ich nicht die meinige vorher angeboten habe. Als er sie dann auch Winnetou hinhielt, tat dieser so, als ob er diese Bewegung gar nicht sähe. Der Apatsche hatte also in Beziehung auf diesen Mann ganz dasselbe Vorgefühl wie ich.

„Ihr wollt wissen, wer dieser Gentleman ist“, meinte Dick Hammerdull. „Er heißt Mr. Fletcher, ist schon seit fast drei Jahrzehnten im Wilden Westen und hat sich uns mit vier Kameraden angeschlossen, um endlich einmal Winnetou und Old Shatterhand kennenzulernen.“

„Ja‚ Mesch’schurs, es ist wahr, was Mr. Hammerdull sagt“, fiel da Fletcher mit wichtiger Miene ein. „Ich treibe mich nun schon gegen dreißig Jahre im Westen herum und habe es mir zur Aufgabe gemacht, diesen ver... Roten zu zeigen, dass sie auf unserem ... Erdboden den Teufel zu suchen haben. Solche ... Kanaillen, wie sie sind, soll das ... erschlagen, und da ich hoffe, dass ihr genauso gesinnt seid wie ich, so müsste es mit ... zugehen, wenn die ... Halunken nicht ihre ... Knochen dahin tragen müssten, wo sie der Satan in ... Mehl zerstampfen wird!“

Ich erschrak förmlich über die Ausdrucksweise. Das waren ja Worte, die ich gar nicht aussprechen und noch viel weniger schreiben kann! Jedes Wort, das ich hier durch Punkte ersetzt habe, war ein Fluch. Acht Flüche in einer so kurzen Rede! Und dabei sah er uns an, als erwarte er, dass wir ganz entzückt darüber seien! Es war mir ganz im Gegenteil so, als hätte ich acht Hiebe auf den Kopf erhalten. Und nun wusste ich genau, wer er war, besser, als Hammerdull es mir hätte sagen können. Man hatte oft in meiner Gegenwart von diesem Menschen erzählt, den der Fremdeste sofort an seinen grässlichen Ausdrücken erkennen musste. Ja, er war ein Westmann, aber einer der allerniedrigsten Sorte. Es gab keine Tat, deren er nicht fähig war; der Strick hatte schon oft über seinem Haupt geschwebt; in seinem Indianerhass überbot er den grausamsten Feind der roten Rasse, und man erzählte sich da von ihm Dinge, bei denen man förmlich fühlte, dass sich die Haare emporsträubten. Dazu kam, dass er sich, wenn er sprach, geradezu in Flüchen badete, sodass selbst rohe Menschen schließlich nichts mehr von ihm wissen wollten. Er war bisher mit einem unbegreiflichen Glück den Ahndungen des Gesetzes und der Rache der Indianer entgangen, obgleich jeder, der ihn kennengelernt hatte, sagte, dass er nichts anderes verdiene, als wie ein wildes Tier niedergeschlagen zu werden. Infolge seiner übermäßig dürren Gestalt und der Gewohnheit, in jedem Satz, der über seine Lippen ging, einen Fluch anzubringen, hatte er den Namen Old Cursing-Dry erhalten; aber es war bekannt, dass jeder sein Leben aufs Spiel setzte, der es wagte, ihn in das Gesicht so zu nennen.

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