Du bist doch wer

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Du bist doch wer
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Der Autor

Jürgen Weigel, geboren 1955, Lehrer an einer Mittelschule in Bayern, verheiratet mit einer Grundschullehrerin und Vater zweier erwachsener Kinder. Als Beratungslehrer ist er als Referent an einer Pädagogischen Akademie tätig. Er hält Vorträge an weiterführenden Schulen („Pubertät – voll das Leben“); sowie an Grundschulen und in Kindergärten („Gelassene Eltern – starke und glückliche Kinder“).

In Lehrerfortbildungen setzt er sich mit den Themen „Schule vom Kind her denken“ und „Lehrer ist ein Beziehungsberuf“ für eine humane, Kindern gerecht werdende Schule ein. In seiner Freizeit ist er begeisterter Basketballtrainer und Tennisspieler.

Kontakt: juergen.weigel1@gmx.de

Jürgen Weigel

DU BIST DOCH WER

Anleitungen für innere Stärke und ein gelingendes Leben

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Titelfoto © Monkey Business (FOTOLIA)

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

www.engelsdorfer-verlag.de

„Wir haben eine große Tradition im Dressurlernen,

aber keine Ahnung, wie man Haltungen entwickelt.“

Gerald Hüther

Für meine Schüler, die mich immer wieder begeistern, weil es ihnen gelingt, im Leben ihren Mann/​ihre Frau zu stehen.

Für meine Kolleginnen und Kollegen, die, – jeder auf seine Weise – sich mit enormem Engagement den Belangen ihrer Schüler widmen und die Hürden im schulischen Alltag immer wieder mit Bravour meistern.

Inhalt

Cover

Der Autor

Titel

Impressum

Zitat

Widmung

Vorwort

1. Kapitel: Ein gelingendes Leben führen - Gesund leben in einer kranken Welt

1 Haltungen sind die Grundlage eines gelingenden Lebens

2 Gesund leben in einer kranken Welt

2. Kapitel: Halt in Weisheiten finden

3 Wissen und Verständnis tragen mich durch das Leben

4 Ich will Erfolg

5 Ich will glücklich leben

6 Ich finde Sinn im Leben

7 Die Weisheit der Alten trägt mich durch das Leben

3. Kapitel: Innere Stärke gibt Halt

8 Ich bin stark

9 Alles was ich brauche finde ich in mir

10 Ich bin okay, so wie ich bin

4. Kapitel: Haltungen leben im Umgang mit anderen

11 Gelingende, gleichwürdige Beziehungen leben

12 Liebevolle Beziehungen leben - die Kunst des Liebens

13 Gelingende Kommunikation

5. Kapitel: Haltungen und innere Stärke zeigen im alltäglichen Leben

14 Mein Leben mit Kindern ist schön

15 Es gibt viele Wege ein guter Lehrer zu sein – nur, was brauchen Schüler?

16 Wie sich Mitarbeiter ihre Chefs wünschen

17 Der Tod gehört zum Leben

6. Kapitel: Wege finden

18 Wege zu einer Lebenskunst der Deutschen

19 Ich finde Wege zu mir

20 Das Prinzip Menschlichkeit - Wunsch und Wirklichkeit

Nachwort

Fußnoten

Vorwort

„Du bist doch wer, du kannst was“ sage ich immer wieder zu dem einen oder anderen meiner 14- bis 16-jährigen Schüler an einer bayerischen Mittelschule, um sie aus den Niederungen pubertärer Verunsicherungen zu befreien oder arg cooles oder unkontrolliertes Verhalten zu hinterfragen, damit sie anfangen, ihr Leben selber in den Griff zu nehmen. Und später kann ich oft nur staunen: Bei Klassentreffen sehe ich sie Jahre danach und stelle fest: In der Tat „Du bist jetzt wer“: Mutter, Vater, Häuslebauer, im Beruf erfolgreiche Meister, Handwerker, zum Teil sogar Akademiker. Alle, wirklich fast 100 Prozent dieser Kinder auf dem Land, haben aus ihrem Leben etwas gemacht. Sie leben ein gesundes, Vernunft gelenktes Erwachsenen-Ich. Manch einer blickt zurück: „Mei, damals war ich noch blöd.“ – „Irgendwann habe ich verstanden, ich muss lernen“.

Ich muss zugeben, dass ich für das fragwürdige Verhalten 14 - 16-Jähriger Verständnis habe, gleicht doch das Gehirn von Pubertierenden einer Baustelle. Ist nicht diese Zeit des Aufs und Abs der Emotionen, im Grunde eine sehr intensiv gelebte Zeit, in der der junge Mensch vor allem mit sich selber beschäftigt ist und der Entdeckung der eigenen Identität. Wir erinnern uns doch!

„Du bist doch wer“ ist auch die Botschaft, die ich in Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen streue. Es freut mich, wenn sie sich regelmäßig vertrauensvoll mit persönlichen Anliegen an mich wenden. Dann halte ich mich mit schnell formulierten Ratschlägen zurück und frage: „Was meinst denn du?“ - „Wie willst du es denn machen?“. Ich sage: „Du bist doch schon groß“ – will heißen, du weißt doch, was zu tun ist, du spürst doch, was für dich das Beste ist. Damit appelliere ich daran, zu Entscheidungen zu stehen, welche ihrem Wissen, ihren Kompetenzen und Kenntnissen gerecht werden. Meine Botschaften sind im Grunde: Du bist doch schon so lange LehrerIn, erfolgreiche Familienmanagerin, erwachsen – Du bist wer! Dir muss man doch nichts mehr erzählen: weder Eltern, noch Kollegen, noch Vertreter der Schulbürokratie. Mach es genauso, wie du willst. -Vertraue auf dich, auf dein Bauchgefühl. Wenn sie sich dann für einen Weg entscheiden, bestätige ich sie gerne.

Der Titel dieses Buches hatte letztlich aber seine Wurzel in der Geschichte einer Kollegin. Sie erzählte mir von einem Gespräch mit ihrer Mutter, die sich verändert hatte, zuletzt viel mehr auf Menschen zuging, viel mehr und bewusster mit anderen kommunizierte und offensichtlich das Leben wieder von der positiven Seite sah. Von ihrer Tochter auf diese Veränderung angesprochen, meinte die Dame: „Vor einem Jahr sagtest du zu mir: Mama, du bist doch wer! Ich musste damals darüber nachdenken. Ja, du hast Recht und ich kann nur dankbar sein für mein Leben.“ Sie hatte im Laufe der Zeit zurückgezogener gelebt und so im Grunde Facetten ihrer extravertierten Persönlichkeit brach liegen lassen. Zuletzt hatte sie diese wieder neu entdeckt und ausgelebt. Meine Kollegin hatte einfach den immer wieder von mir geklopften Spruch weitergetragen. Ich muss zugeben, ich was richtig erstaunt und happy. Oft sind es kleine Dinge, die großes bewirken. Ich stellte fest: Es ist so: „Gedanken erschaffen dein Leben.“ Eigentlich müsste man dieser Dame das Buch widmen, bestätigte sie mich doch so sehr in meinem Denken und meinen Haltungen.

 

Der Leser und die Leserin stellt sich beim Lesen dieser Zeilen natürlich Fragen „Und wie sieht es bei mir aus? – Wer bin ich?“

Selbstverständlich habe ich darauf meine eigenen Antworten gefunden. Ich möchte sie allgemein – etwas philosophisch – formulieren und würde mir wünschen, dass der Leser und die Leserin beim Zuklappen dieses Buches einiges davon für sich selber mitnimmt.

Nun, ich bin vor allem Mensch. Als solcher als hilfloses Wesen auf die Welt gekommen, um mich mit anderen Menschen zu verbinden und geliebt zu werden. Für mich sind diese Bindungen und Beziehungen existentiell bedeutsam, bin ich doch durch und durch ein Sozialwesen. Ich habe mich aus mir selbst heraus entwickelt, bin schon lange selbstständig, mir selbst und anderen gegenüber verantwortlich. Ich lebe selbstbestimmt. Als Mensch besitze ich eine Würde. Daraus kann ich das Recht ableiten, von anderen mit Respekt, Wertschätzung und Achtung behandelt zu werden, so wie ich diese auch anderen entgegenbringe. Außerdem habe ich den Anspruch, glücklich zu leben und das bin ich. Wie das gelingen kann, versuche ich im Buch darzustellen. Außerdem bin ich meine Wege gegangen und habe mir Herausforderungen gesucht und das, was ich dabei an Erfahrungen gesammelt und die Art und Weise, wie ich sie verarbeitet habe, trägt mich durch mein Leben. Ich bin aus allem gestärkt hervorgegangen. Ich besitze ein positives Selbstbild und Selbstwertgefühl. Anderen Menschen mache ich es im Umgang mit mir leicht, weil mich vor allem Humor und Lebensfreude kennzeichnen. Immer wieder versuche ich mit Entdeckerfreude Neues an mir zu finden: früher als erfolgreicher Sportler, Trainer, als Vater, korrekter Lehrer, heute mit einer gewissen „Jugend-forscht-Mentalität“ als Kunsthandwerker und Buchautor. Ich möchte mit Fug und Recht von mir behaupten: „Ich bin wer, mein Leben ist schön!“

Du bist doch wer! ist der Satz mit dem ich an das Selbstwertgefühl von Mitmenschen appelliere. Gerade Zeitgenossen meiner Generation der Nachkriegskinder weisen nach meiner Beobachtung nicht gerade ein solides Selbstwertgefühl. Ich habe den Eindruck, so viele schleppen aus ihrer Kindheit einen zentnerschweren Rucksack durch ihr Leben und es fällt ihnen schwer, diesen abzulegen, um leichter durch das Leben zu schreiten.

Der Satz „Du bist doch wer!“ will aufrütteln und er tut es. Er soll zur Reflexion animieren, dass man als erwachsener Mensch doch etwas darstellt. Viele haben jahrelang im Berufsleben oder als Vater, Mutter, in welchen Aufgabenfeldern auch immer, ihren Mann oder ihre Frau gestanden. Wir besitzen in vielen Bereichen unsere Fähigkeiten und haben reichlich Grund uns als wertvoll zu erachten. So manche Frau besitzt ordentliche Frauenpower und wer ein Herzensmensch ist, zeigt sich als freundliches, herzliches und menschliches Wesen, das für jedermann erreichbar und wirklich einfach liebenswert ist. Viele besitzen Ausstrahlung, vielleicht auch ohne sich dessen bewusst zu sein, wie sie damit bei anderen „punkten“. Wir sehen auch viel zu wenig, wie sehr wir das Leben meistern und Krisen bewältigen. Es gibt also allen Grund erhobenen Hauptes durch das Leben zu gehen, an sich zu glauben und sich zu vertrauen.

Das doch im Titel möchte einen gewissen Trotz zum Ausdruck bringen und besitzt etwas Forderndes. Die erworbenen Erkenntnis „Ich bin wer“ ist auch ein Aufruf, sich nicht alles gefallen zu lassen, nicht über Gebühr zu kooperieren und nicht zum Opfer von Lebensumständen oder Menschen zu werden, die uns nicht gut tun. Denn wir haben unsere Bedürfnisse, wir leben Werte und vor allem, wir besitzen, wie gesagt, eine Würde und wir sollten es nicht zulassen, dass die Integrität, die sich in all dem verbirgt, mit Füßen getreten wird. Wir haben ein Recht, dass man uns mit unseren Bedürfnissen sieht und es ist nur recht, diese einzufordern. Wir können das kommunizieren, wir sind Erwachsen, kein Kind mehr.

Was will dieses Buch?

Dieses Buch will Leser animieren, an sich zu glauben; es gibt Anleitungen zu eigener Stärke zu finden. Es beschreibt ein gewisses Know How der Lebens- und Beziehungskompetenzen, das getragen wird von Erkenntnissen aus der Psychologie und Philosophie.

Es ist somit der Abschluss meiner persönlichen Suche nach vielen philosophischen Fragestellungen und vor allem auch einer Phase, die für mich dadurch gekennzeichnet war, dass mein Spaß am Leben ein Loch hatte. Es war die Zeit, in der ich meine Souveränität verlor, um dann wieder zu innerer Stärke und zu Einstellungen zu finden, die mich heute durch mein Leben tragen. Beides ist Gegenstand dieses Buches, das den Leser zu der Überzeugung führen möchte: Ja, ich bin wer! – ohne doch, verbunden mit einem überzeugenden Ja zum eigenen Ich.

Eins kommt noch hinzu: Man kann es schaffen in dieser kranken Welt einen gesunden Weg zu gehen. Dazu braucht es Haltungen: zu sich, zum Leben mit Anderen, zu den Gegebenheiten unserer Zeit.

Haltungen geben Halt

Die beschriebenen Haltungen führen den Leser zu einem erfüllten, guten, ich bezeichne es aus gutem Grund, als gelingendes Leben. Nur, was kennzeichnet ein gelingendes Leben? Antworten – meine Antworten – enthält dieses Buch.

Ich lade den Leser und die Leserin ein, sich mit meinen Antworten auseinanderzusetzen. Dieses Buch ist keine leichte Kost, vor allem, weil diese Reise den Leser mit sich selber konfrontiert. Er wird zu einem inneren Dialog angeregt. Das ist nicht jedermanns Sache. Menschen, für die alles klar ist, wollen sich nicht mit derartigen Reflexionen belasten. Man muss sich in der Tat nicht mit Psychologie und Philosophie beschäftigen – aber es lohnt sich.

Ein Buch schreiben

Wenn man schreibt hat man nicht die Vorstellung im Kopf eine Leserschaft zu bedienen. Man tut es, weil es einen irgendwie dazu treibt, weil es eine Leidenschaft und Freude ist, im Grunde um des Schreibens Willen. Ich kann es nur jedem empfehlen. Schreiben macht einfach Spaß. Vielleicht möchte man auch ein Thema, das einen bewegt abarbeiten und letztlich „wegpacken“. Das gilt wohl auch für mich. Dennoch muss man vor einer Veröffentlichung Realist sein und sich Fragen stellen: Wer will das lesen? Wer will das wissen? Ich denke, dies ist ein Buch für Suchende, für Menschen, für die nicht alles klar ist. Menschen, die sich für Philosophie und psychologische Fragestellungen interessieren. Und es könnten auch Menschen, insbesondere meines Berufsstandes sein, die bereit sind Anregungen aufzunehmen, um zu innerer Stärke zu finden.

Bei Vorträgen vor Eltern vertrete ich die Behauptung, dass Kinder dann glücklich werden, wenn sie eben glückliche Eltern haben. Es kommt schließlich alles aus einem Selbst. Nur, wie sollte dieses Selbst strukturiert sein? Wann ist man glücklich und wirklich stark? Dies zu erkunden trieb mich an.

Hinzu kam im Laufe der Zeit die Überzeugung: Hat man Probleme mit anderen Menschen, so kann man es wohl kaum schaffen, diese zu verändern. Was man jedoch tun kann ist, zu ihnen eine andere Haltung einzunehmen. Diese Botschaft zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.

Es liegt also an einem selbst, sich stark zu machen und glücklich zu leben. Eine These, die man heute in jedem Buchladen findet, in Büchern, die etwas spirituell angehaucht sind, in denen zum Beispiel gefordert wird, man solle sein inneres Kind heilen und sich selber lieben. Das bestätigt auch der Neurobiologe Joachim Bauer in seinem neuen Buch „Selbststeuerung“, in dem er beschreibt, wie es uns gelingen kann durch Ausprägung unseres Stirnhirns – dem Präfrontal-Kortexes – unser Impulsverhalten zu regulieren und uns selber zu kontrollieren. Er stellt dar, wie wir Herr/​Frau über unsere Gefühle und unser Leben werden können.1 Er belegt damit eindrucksvoll: Gedanken erschaffen unser Leben.

Außerdem beschäftigt mich eine zentrale Fragestellung: Wie steht es um das Selbstwertgefühl meiner Zeitgenossen? Ich denke, dass es bei vielen nicht sehr gut damit bestellt ist. Mangelndes Selbstwertgefühl zwingt so manchen in das Hamsterrad unserer Leistungsgesellschaft, was einher geht mit einem enormen Funktionsmodus und mangelnder persönlicher Achtsamkeit. Eine Freundin meinte dazu ganz lapidar: „Man tut eben, was alle tun, fleißig sein, ohne zu reflektieren.“

Hintergrund des Schreibens ist aber vor allem eine Leidenschaft. Ich sammele gerne Steine und es ist schön, daraus etwas Schönes zu bauen. Das ist im übertragenen Sinne zu verstehen. Bücher sind für mich wie Strandabschnitte am französischen Atlantik. Man „spaziert“ an diesen entlang und sammelt schöne Dinge. Manche finden Schnecken oder Muscheln. Ich liebe schöne Steine, die ich in einen Rucksack packe und mit nach Hause trage, um sie auszupacken, zu betrachten und zu sortieren. Wenn man will kann man daraus etwas bauen. Beim Lesen finde ich solche „Erkenntnissteine“, die ich in einem Büchlein verewige. Im Laufe der Zeit betrachte ich diese immer wieder und dann fange ich an zu schreiben. Es entwickeln sich so feste Überzeugungen und Haltungen, die ich gerne diskutiere. Das macht Spaß und ist zu einem leidenschaftlichen Hobby geworden. Meine ersten „Erkenntnissteine“ rankten um die Thematik des Lebens von Eltern mit ihren Kindern, die ich schließlich in dem Buch „Gelassene Eltern – starke und glückliche Kinder“2 zusammenfasste. Im Laufe der Zeit war es unbefriedigend geworden, mich bei von mir in meiner Funktion als Beratungslehrer organisierten Informationsabenden darauf zu beschränken, das bayerische Schulsystem zu erklären. Ein Grund liegt darin, dass ich es in seiner vertikalen Struktur mit der Selektion nach der vierten Klasse als grausam empfinde. Ich denke Kinder, Eltern wie auch Grundschullehrer und Grundschullehrerinnen leiden darunter. (Andererseits bietet seine horizontale Struktur der großen Durchlässigkeit wirklich gute Möglichkeiten!). Ich begann daher an solchen Abenden auch darüber zu referieren, was Kinder für ihr Leben bräuchten und das ist wirklich viel mehr als gute Noten und einen Abschluss an der Wunschschule. Mir war und ist noch heute die hohe Erwartungshaltung von Eltern, ihr Anspruchsdenken, der ganze Förder- und Erziehungshype und die oft zu beobachtende pädagogische Käfighaltung von Kindern ein Dorn im Auge. Ich kritisiere auch gerne fragwürdige Selbstverständlichkeiten im System Schule und so manches Verhalten von Lehrern, insbesondere wenn sie sich mehr dem Stoff als ihren Schülern verpflichtet fühlen. Es ist so wichtig, viel Verständnis für Kinder und Jugendliche aufzubringen. Ich bin überzeugt, man muss Menschenfreund sein um seinen Schülern gerecht zu werden. Aber das ist ein ganz eigenes Thema, auf das ich in einem eigenen Kapitel eingehe (siehe Abschnitt 15 Seite 122).

So durchlebte ich eine längere Zeit, in der ich so vieles hinterfragte und anzweifelte, die mich in der Folge in die Erkenntniswelt von Joachim Bauer, Gerald Hüther, Remo Largo und Jesper Juul führte. Ein faszinierende Welt voller Wissen und so vieler „Erkenntnissteine“. Es war letztlich auch befreiend, diese in einem Mutmachbuch für Eltern zusammenzufassen.

Ganz anders verhält es sich mit diesem Buch. Am Ende brachte mich eine eigene Lebenskrise erneut zum Schreiben. So wurde es ein Ermunterungsbuch, das einen Weg beschreibt, wie man im Leben zu innerer Stärke finden kann.

Auf dem Weg zur Erstellung dieses Buches hatte ich Begleiter. Menschen, die mich ermunterten, diese Erkenntnisse zu veröffentlichen, die mir ihre Sichtweisen vermittelten, die auch konstruktive Kritik äußerten und immer wieder Texte lasen und mir somit als Lektoren behilflich waren. Ich bin ihnen sehr dankbar. Ohne sie wäre dieses Buch nicht entstanden. Sie werden sich in diesem Buch wiederfinden. Somit ist es auch ihr Buch.

1. KAPITEL: Ein gelingendes Leben führen – Gesund leben in einer kranken Welt

1 Haltungen sind die Grundlage eines gelingenden Lebens?

Nur, was kennzeichnet ein gelingendes Leben?

Aus meiner Sicht sind die bedeutenden Dinge weniger Besitztümer, Geld, Wohlstand, Schönheit, Fitness, gesellschaftliches Ansehen, zum Beispiel durch einen angesehenen Beruf. Nein, dahinter steckt ganz viel Schein. Viel interessanter ist für mich das Sein im Leben. Im Grunde ist es, etwas überspitzt ausgedrückt, egal ob man Bäckereiverkäuferin, Fahrlehrer, Briefträger, Lehrer, Anwalt, Chefarzt oder ein Manager ist, letztlich ist das Wesentliche, wie man diese Tätigkeiten im Alltag ausübt. Und es geht aus meiner Sicht auch weniger um Erfolg im Leben als vielmehr darum, wie sehr einem das Leben gelingt. Ich bin ein großer Anhänger des Gehirnforschers Gerald Hüther und seiner Erkenntniswelt. Hüther beschreibt die Problematik mit dem Bild eines Kirschkuchens. Der kann kein Erfolg sein, er kann nur gelingen. So verhält es sich eben auch mit dem Leben. Man kann im Leben Erfolg haben, aber das Leben an sich kann nur gelingen.

 

Und für mich geht es gar nicht um gesellschaftliche Konventionen und Hierarchien, um dieses perfide Machtgehabe, um dieses „Ich Chef – du nix“ Getue von gestern, von Menschen, die Regeln aufstellen und Disziplin und Gehorsam einfordern. Menschen, die in einer Welt des „Is so!“ leben.

Nein, für mich geht es im Leben um etwas ganz anderes. Wir bekommen es gerade vorgelebt. Seitdem ich ihn das erste Mal sah, verfolge ich sein Wirken und seine Worte mit einem offenen Mund des Erstaunens: Papst Franziskus steht für mich für eine Zeitwende, die so viele spüren. Er ist ein Vertreter eines neuen Zeitgeistes und er lebt vor, was das Bedeutsame im Leben ist, nämlich das Menschliche. Das Wesentliche ist das Warmherzige, die Toleranz und Verständnis für die Schwachen. In dem Papst sehe ich so viele Werte gelebt, die mir wichtig sind und die mir so oft in unserer Welt von Konsum, Wohlstand, diesem Wettbewerb und diesem Vergleichen, dieser unsäglichen Neidkultur, dem Druck in unserer Leistungsgesellschaft und den fragwürdigen Folgen unserer Welt der Social Media, all diesem Opium für das Volk, abgehen. Und eins symbolisiert er ebenfalls, eine unsägliche Kraft und Stärke. Man kann die Zivilcourage von Papst Franziskus nur bewundern. Erstaunlich wie er mit den hierarchischen Strukturen und Konventionen in der Kurie aufgeräumt hat. In so vielen Bereichen wäre es auch bei uns erforderlich alte Zöpfe abzuschneiden. Außerdem steht er auch für das Prinzip Hoffnung. Ich denke, man muss optimistisch sein und an das Gute im Menschen und in der Zukunft glauben. Ich bin in der Tat überzeugt, wir stehen vor einer Zeitwende, vor einer Zeit, in der es darum geht gleichwürdige, liebevollere Beziehungen zu leben, wie sie die Transaktionsanalyse als ein Muster des Zusammenlebens beschreibt: „Ich bin okay, du bist okay“.3

Im Kern behandelt dieses Buch zwei Aspekte des Lebens, nämlich die Bedeutung des Prinzips Menschlichkeit und, wie es eben auch im Buchtitel heißt, um die Entwicklung von Resilienz, von innerer Stärke.

Auf die Frage nach einem gelingenden Leben gibt jeder eine andere Antwort und jeder sieht es etwas anders. Manche versuchen zu Wohlstand zu kommen und sind stolz auf erworbene Besitztümer. Für andere bedeutet es Zufriedenheit, mit sich und der Welt. Diese rührt vielleicht daher, dass man das Beste aus seinem Leben und aus seinen Möglichkeiten gemacht hat. Wiederum andere erklimmen die Gipfel hoher Berge oder stellen sich immer wieder neuen Herausforderungen, deren Bewältigung ihr Leben bereichert. Darin finden sie ihr Glück. Überhaupt, glücklich zu sein ist für viele das Ziel im Leben, was immer sie darunter verstehen. Und manch einem geht es darum, Sinn im Leben zu finden.

Der Philosoph Jürgen Habermas hat die Frage beantwortet und seine Vorstellungen bestätigen mein Denken und geben mir Orientierung. Er meint, es sei das Ziel ein freies, selbstbestimmtes Leben zu führen, das auf wechselseitiger Anerkennung und Respekt des Andersseins beruht. In diesem Sinne verstehe ich Lebenskunst als Fähigkeit beziehungsweise Kompetenz, gelingende Beziehungen zu leben. Liebevolle Beziehungen fordert auch der Gehirnforscher Gerald Hüther mit der Begründung, dass unser Gehirn ein Sozialorgan ist und wir Menschen auf Altruismus und Gemeinschaft ausgerichtet sind – eine spannende These, auf die ich detailliert eingehen möchte. Die Höchstform dieser Lebenskunst zeigt sich in der Kunst des Liebens, die ich anhand der philosophischen Ausführungen von Erich Fromm beschreibe (siehe Seite 106 folgende).

Voraussetzung für ein erfülltes Leben ist, nach Habermas Zielsetzung, die Fähigkeit frei und selbstbestimmt zu leben. Das erfordert eine gewisse Souveränität, sein Leben auf der Grundlage eines stabilen Ichs zu leben, das von Selbstwertgefühl und den Tugenden einer starken Persönlichkeit getragen wird.

Es ist Ziel dieses Buches darzulegen, wie man es schaffen kann eine derartige Souveränität und Lebenskunst zu entwickeln, die nicht nur dem Einzelnen zu Gute kommt, sondern letztlich auch zu einer freieren und besseren Gesellschaft beiträgt.

Diese Souveränität findet der Einzelne nur in sich. Daher ist es ein Anliegen, den Leser über Selbstreflexion, eine Art Dialog mit sich selbst, zu Achtsamkeit, einem gesunden Selbstwertgefühl und zu innerer Stärke zu führen. Diese beruht in erster Linie auf Gedanken, auf verinnerlichten Werten und Überzeugungen – Erkenntnissen und Zielsetzungen, die einen wie ein Geländer durch das Leben leiten. Ich bezeichne diese als Haltungen, die Halt geben.

Haltungen und Affirmationen tragen uns durch unser Leben.

Ich bin überzeugt, es sind unsere, im Laufe der Zeit erworbenen Werte und Erkenntnisse, Ergebnis unserer Erfahrungen, unseres Wissens, im Grunde unsere Persönlichkeit, die sich in persönlichen Haltungen verdichten und uns durch das Leben tragen. Sie machen unsere innere Stärke aus.

Gerald Hüther behauptet:

„Wir haben eine große Tradition im Dressurlernen, aber keine Ahnung, wie man Haltungen entwickelt.“

Dieses Buch ist bespickt mit Haltungen, die, als Affirmationen formuliert, den Leser zur Selbstreflexion anregen sollen. Ich glaube daran, dass solche Botschaften an unser Selbst zu einer positiven Lebensführung beitragen.

Sie beeinflussen unser Fühlen, Denken und Handeln nachhaltig. Man picke sich einfach ein, zwei heraus und verinnerliche sie. Sie können eine Stütze im Leben sein. Daher bilden Affirmationen das Gerüst dieses Buches. Einige seien vorweg genannt:

Mein Leben ist schön. Ich bin okay, so wie ich bin. Alles was ich brauche finde ich in mir. Ich bin doch schon groß. Ich bin ein freier Mensch und ich habe die Wahl. Jede Krise ist eine Chance. Mein Leben macht Sinn. Anderen Menschen Gutes tun, macht mich selber glücklich.

Eine Freundin las diese Affirmationen. Sie meinte, eine Ressource für ihr Leben fand sie immer in der Überzeugung: „Ich schaffe alles, egal, was kommt.“

In einer Sitzung philosophierte ich mit Kollegen über solche Selbstbekräftigungen. Ich behauptete: „Es ist doch ganz leicht. Man steht auf und im Bad sagt man zu sich. Heute ist ein schöner Tag. Ich bin gut.“ Eine Kollegin meinte dazu ganz trocken: „Aber bitte nicht am Morgen, da schaue ich aus wie Frankensteins Gruftspion.“

Affirmationen:

Ich sah eine Dokumentation und amüsierte mich köstlich. Ein Universitätsprofessor veranstaltete mit circa zwölf Studenten eine Art Polonaise. Sie liefen im Kreis, sie klopften sich auf die rechte Schulter und sagten mantraartig: „Das haben wir gut gemacht, das haben wir gut gemacht.“ Die Stimmung in dem Raum war ungemein locker, alle waren bestens gelaunt. In der Folge wurde der Wert solcher Botschaften geklärt. Ich war danach überzeugt, dass ein derartiger Dialog mit Ich-Botschaften mit dem eigenen Selbst hilft, Dinge leichter zu nehmen. So empfehle ich Schülern vor Prüfungen sich immer wieder zu sagen „Ich habe gelernt, ich kann etwas“, damit sie ihre Prüfungsangst überwinden.

„Das Leben liebt mich und ich liebe das Leben“, ist die Botschaft der phänomenalen Louise Hay: Ich entdeckte die 85-jährige Dame in der Zeitschrift „happinez“4. Ihre Lebenseinstellung kann begeistern. Sie sieht aus wie eine Mitfünfzigjährige und ist das Strahlen in Person. Die attraktive Louise Hay ist die Päpstin der Affirmationen. Affirmationen sind Botschaften an sich selbst. Sie dienen dazu, im Leben etwas zu entfernen oder Neues zu erschaffen. Louise Hay meint, dass wir mittels Affirmationen Erfahrungen in unserem Leben bekräftigen. Ziel ist es, sich selber zu stärken. Ich bin davon überzeugt, dass diese Technik der Selbstakzeptanz hilft, gestärkt durch das Leben zu gehen.

Aus diesem Grund sind die meisten Kapitel dieses Büchleins auf Affirmationen aufgebaut. Den Wert und die Bedeutung von Ich-Botschaften belegt außerdem die Kommunikationsforschung.

Eine Affirmation beinhaltet eine zentrale Botschaft, die ich mit anderen Persönlichkeiten teile:

„Gedanken erschaffen mein Leben“ …

… behauptet der erfolgreiche Psychologe und Lebensphilosoph Robert Betz. Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf sieht es ganz einfach: „Ich mach mir die Welt so, wie sie mir gefällt.“Derartiger Humor a la Pippi gehört für mich zu den wertvollsten Lebensphilosophien. Der erstaunliche Körperleser Thorsten Hafener sagt „Gedanken erschaffen deine Gefühle“ und „Alle Macht kommt von innen“.5

Wir haben die Wahl, wie wir durch das Leben wandern: als Gernot Hassknecht, als ängstlicher Anton, egozentrischer Egon, gestresster Georg, Stefan Schnell, wie ein weiser Dalai Lama oder glücklicher Gerd. Ich denke, wir können in unserer Persönlichkeit viele dieser Figuren abdecken. Wir haben sie alle im Programm, aber unsere Gedanken und Haltungen beeinflussen, welche wir zeigen und verinnerlichen. Und es ist sicherlich möglich wie ein weiser Dalai Lama oder glücklicher Gerd zu leben. Am besten man vermeidet deshalb das leidige Vergleichen, Neid, Egozentrik und wehrt sich gegen fragwürdige Gegebenheit unserer Zeit wie Schnelllebigkeit, Leistungsdruck und Fremdbestimmung. Dazu gehört vor allem Achtsamkeit, für sich, seine Mitmenschen und seine Umwelt. Mittels Affirmationen kann diese Haltung verinnerlicht werden.

Dazu passt das herrliche Lebensmotto „think pink“. Es will dazu auffordern, sein Leben positiv zu sehen und optimistisch zu sein. Tatsächlich ist das Glas aus meiner Sicht stets halbvoll und nicht halbleer und wenn das Weihnachtsgeld auf dem Gehaltszettel erscheint, rege ich mich nicht über den Staat auf, wie viel mehr an Steuern ich zahlen muss, sondern freue mich einfach, dass ich mehr Geld zur Verfügung habe. Da hat jeder die Wahl, wie er damit umgeht. Meine persönliche Devise lautet „think blue“. Ich rechtfertige mich gerne über meine Ansichten, indem ich sage: „Schau mich an, ich habe blaue Augen. Ich kann gar nicht anders als Dinge blauäugig zu sehen.“ Aber ich bin überzeugt, mein Denken ist nicht naiv. „Think blue“ möchte ich so verstanden wissen, dass man Dinge wie unter einem blauem Himmel betrachten kann. Dann kann man weit schauen und alles ist klar und strahlend. Auch wenn der Himmel bewölkt ist, es im Leben stürmt und gefriert, sollte man die Wärme sehen, das Warmherzige der Menschen und ihr Strahlen. Es wäre schön, wenn man sein Leben leicht nehmen könnte.