Liebesnest im Heuschober

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Liebesnest im Heuschober

Von Jürgen Prommersberger

Händelstr 17

93128 Regenstauf

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Juni 2018

Sailor180863@t-online.de

„Duuuu?“ Sabine zupft unauffällig an meinem Pullover, so, als ob sie nicht ohnehin meine ungeteilte Aufmerksamkeit genießen würde. Aber ihre zarte Stimme unterbricht die Ruhe, die wir auf unseren langen Spaziergängen suchen. Es ist unsere Art, dem Alltag auf diesem Wege für eine Weile zu entkommen. Der heutige Tag ist prädestiniert dafür, viel Zeit in der Natur zu verbringen. Wie ich es mir schon morgens erhofft hatte, konnten wir die Jacke zu Hause lassen. Die Frühlingssonne hat den Boden fast trocknen lassen. Abgesehen von einigen Pfützen oder matschigen Löchern ist vom Winter nichts zurückgeblieben. Im Gegenteil, Schneeglöckchen, Primeln und Schlüsselblumen säumen Wiesen und Wege, überall zwischen den Büschen wuchern Leberblümchen und Buschwindröschen, in den Gärten recken Tulpen und Narzissen ihre Köpfe in den Himmel. Ich atme tief durch und sauge die laue Frühlingsbrise in mich ein, während ich erneut von der Seite angestupst werde.


„Sprich, meine Holde.“

Mit diesem antiquarischen Satz weiß sie, dass ich mich nur auf sie konzentriert habe, die übertriebene Betonung tut ihren Teil dazu, dass ich einen affigen Blick von meiner Süßen zugeworfen bekomme. Aber schnell kommt sie darauf zurück, was sie gerade fragen wollte.

„Schnucki, weißt du, was wir schon lange nicht mehr getan haben?“

Auweh. Eine jener Fragen, die man tausendfach beantworten könnte, ohne das zu erwähnen, was Frau meint. Ohne nachzudenken, gebe ich mich sofort geschlagen und kapituliere mit ratlosem Schulterzucken.

„Was denn? Also, wenn du das Eine meinst… Sooooo lange ist das nicht her.“

Wenigstens habe ich nur eine der unzähligen Möglichkeiten genannt. Dass MIR dieser Gedanke kommen muss, ist ja klar. Man(n) denkt doch laut diverser Fachzeitschriften täglich über hundertmal an Sex. Dass Frau bei einer Anmerkung wie dieser ihren Partner abrupt anhält, sich vor ihm aufbaut und ihn frech angrinst, ist sonnenklar, wenn man mein Engelchen kennt. Es folgt die obligatorische Unterstellung:

„Nun sag bloß, du willst schon wieder mit mir in die Kiste.“

„Öhm.“

Dabei habe ich eben wirklich nicht daran gedacht, Sabine gleich wieder zu verführen. Aber der Gedanke ist wie immer verführerisch.

„Nein. Strohkopf.“

Um die nicht ganz ernst gemeinte Bedeutung des Wortes und ihrem neckischen Tonfall Nachdruck zu verleihen, stellt sie sich auf Zehenspitzen und haucht mir einen sanften Kuss auf die Nase.

„Was dann? Sag schon, ich komm ohnehin nicht drauf.“

Eine geschlagene Sekunde lässt sie mich unwissend im Regen stehen und schenkt mir ein süßes, verwegenes Lächeln, bei dem ihre Augen geheimnisvoll funkeln. Dieser Blick kann Eis zum Schmelzen und mich völlig aus der Fassung bringen.

„Nun sag’ schon“, drängle ich gespannt wie ein Bogen.

„Na überleg’ doch mal. Heute ist Ostersonntag.“

Das entlockt wiederum mir ein leicht genervtes Lächeln. Immer diese neckischen Ratespielchen.

„Seit bald vierzehn Stunden, stimmt. Das ändert die Sache natürlich. Danke für den Tipp, aber ich komm’ nicht drauf“, sage ich, obwohl ich eine vage Ahnung davon habe, in welche Richtung es geht.


„Als Kinder haben deine Eltern doch auch sämtliche Ostereier und Osterhasen im Garten oder im Haus versteckt, nicht wahr?“

Ich stimme zu. Jetzt bin ich mir sicher, zu wissen, worauf sie hinaus will, stelle mich aber absichtlich doof und frage nach:

„Und was hat es damit zu tun, dass du schon wieder scharf auf mich bist?“

An dieser Stelle bin ich froh, dass Blicke nicht töten können. Der Jetzige wäre zumindest schmerzhaft gewesen und hätte mich wie ein Kinnhaken getroffen und zu Boden gestreckt. Doch stattdessen nehme

ich Sabine wieder an der Hand, um an ihrer Seite ein Stück weiter des Wegs zu gehen. Schließlich weiß ich, dass wir nach einem halben Kilometer etwa an einer Scheune vorbeikommen sollten. Scheune ist

eigentlich übertrieben. Heuschober dürfte es besser beschreiben – eine kleine, heruntergekommene Holzhütte, hinten ein großes Klapptor, vorne eine kleine Luke, dazwischen nichts als Heu oder Stroh,

manchmal auch beides. Vor diesem Häuschen befindet sich eine kleine Holzbank, nach Südwesten ausgerichtet, vom Wind abgeschirmt – ein herrliches Plätzchen für eine Sonnen- und Verschnaufpause. Letztes Jahr waren wir oft dort, beispielsweise wenn wir die Herbstsonne genießen und alleine sein wollten. Sabine hatte sich meist so hingelegt, dass ihr Kopf auf meinem Schoß lag und hat sich von meiner Hand streicheln lassen, während wir über alles Mögliche plauderten. Vielleicht hat die Aprilsonne die Bank schon getrocknet.


„Nun lass mich doch mal ausreden. Also, ich habe seit meiner Kindheit nie mehr Ostereier suchen dürfen. Und heute nach dem Aufstehen habe ich die Nachbarskinder durch den Garten wuseln und nach Osterhasen suchen sehen. Da wird man direkt neidisch. Die beiden haben nur so gequietscht vor Freude.“

Nun war ich derjenige, der stehen blieb und etwas entgeistert schaute.

„Du willst, dass ich dir kleine Leckereien verstecke? Oder willst du vor Freude quieken? Das mit dem Quieken kannst du haben, wenn du schon wieder Lust auf mich hast.“

Dafür, dass ich einen Moment lang ihren Wunsch ins Lächerliche gezogen habe, entschuldigte ich mich natürlich sofort. Freilich haben wir im Laufe der Jahre Federn gelassen, was das Ausleben von Brauchtümern betrifft. Das Suchen der Ostereier in Mamas Garten endete dort, wo man in der Schule gerüchteweise erfahren hatte, dass es den Osterhasen wohl gar nicht gibt.

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