Prüfungen erfolgreich bestehen im Fach Mikrobiologie

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Prüfungen erfolgreich bestehen im Fach Mikrobiologie
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Johannes Wöstemeyer Lisa Siegmund

Prüfungen erfolgreich bestehen im Fach Mikrobiologie



Inhaltsverzeichnis

Cover

Haupttitel

Die UTB-Reihe

Inhaltsverzeichnis

Über den Autor

Impressum

Reihentitel

Vorwort

1Bakterien

Übungen zu Kapitel 1

2Archäen

Übungen zu Kapitel 2

3Bakteriophagen

3.1Genome

3.2Formen

3.3Phagen bilden Plaques

3.4Lebenszyklen

3.5Restriktion

3.6Anwendung im Labor

Übungen zu Kapitel 3

4Pilze

4.1Allgemeines

4.2Organismische Vielfalt

4.2.1Chytridiomycota und Nachbargruppen

4.2.2Zygomycota und Nachbargruppen

4.2.3Ascomycota

4.2.4Basidiomycota

4.3Pilzähnliche Organismen

4.3.1Oophyten

4.3.2Mycetozoa

Übungen zu Kapitel 4

5Protozoen

Übungen zu Kapitel 5

6Lebensentstehung

6.1Ursuppe

6.2Urpizza

6.3Hydrothermale Quellen der Tiefsee

6.4Bildung von Kompartimenten

Übungen zu Kapitel 6

7Grundlegende Arbeitstechniken

7.1Organismische Vielfalt – fast gleiche Arbeitstechniken

7.2Das Medium

7.3Sterilisation

7.4Herstellung von Reinkulturen

7.5Arbeiten mit Stammlösungen

7.6Photometrie

7.7Dünnschichtchromatographie

7.8Gelelektrophorese

7.9Mikroskopie

7.10Umgang mit Messwerten

Übungen zu Kapitel 7

8Wachstum von Mikroorganismen

8.1Petrischalen und andere Kulturgefäße

8.2Medium

8.3Wachstumskinetik

8.4Bestimmung des Titers

Übungen zu Kapitel 8

9Energiestoffwechsel: Gärung, Atmung, Photosynthese

9.1Woher kommt die Energie zum Leben?

9.2Atmung liefert viel ATP

9.3Kopplung von Katabolismus und Synthesestoffwechsel

9.4Gärung – die Alternative zur Atmung

9.5Photosynthese

9.6Elektrolithoautotrophie

Übungen zu Kapitel 9

10Bakteriengenetik

10.1Genstruktur

10.2Genomstruktur

10.3Mutationen und Mutanten

10.4Parasexualität

10.5Entwicklungsgenetik

Übungen zu Kapitel 10

11Krankheitserreger

Übungen zu Kapitel 11

12Hygiene

Übungen zu Kapitel 12

13Antibiotika

Übungen zu Kapitel 13

14Biotechnik

Übungen zu Kapitel 14

15Antworten

Kapitel 1: Bakterien

Kapitel 2: Archäen

Kapitel 3: Bakteriophagen

Kapitel 4: Pilze

Kapitel 5: Protozoen

Kapitel 6: Lebensentstehung

Kapitel 7: Grundlegende Arbeitstechniken

Kapitel 8: Wachstum von Mikroorganismen

Kapitel 9: Energiestoffwechsel: Gärung Atmung, Photosynthese

Kapitel 10: Bakteriengenetik

Kapitel 11: Krankheitserreger

Kapitel 12: Hygiene

Kapitel 13: Antibiotika

Kapitel 14: Biotechnik

Literatur

Über den Autor

Johannes Wöstemeyer stammt aus dem Ruhrgebiet und ist seit 1993 Professor für Mikrobiologie und Mikrobengenetik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen auf der Entwicklungsgenetik sexueller und parasitischer Prozesse bei evolutionär alten Pilzen und auf der Bedeutung des horizontalen Gentransfers für die Evolution.

Lisa Siegmund hat ihre Wurzeln in Thüringen und arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena am Lehrstuhl für All-gemeine Mikrobiologie und Mikrobengenetik. Sie promoviert mit licht- und elektronenmikroskopischen sowie genetischen Ansätzen über die mechanistischen Ursachen der Entstehung von Endosymbiosen bei Protozoen.

 

Impressum

Quellennachweis

Alle Abbildungen in diesem Buch sind von Bernd Burkart auf Grundlage der Darstellungen der Autoren neu erstellt.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© 2017 Eugen Ulmer KG

Wollgrasweg 41, 70599 Stuttgart (Hohenheim)

E-Mail: info@ulmer.de

Internet: www.ulmer-verlag.de

Produktion: primustype Hurler GmbH | v1

ISBN 978-3-8252-4680-8 (Print)

ISBN 978-3-8463-4680-8 (E-Book)

Reihentitel

Prüfungen erfolgreich bestehen

herausgegeben von

Prof. Dr. Michael Kühl und Dr. Susanne Kühl

weitere Titel in Planung:

Prüfungen erfolgreich bestehen im Fach …

 Zellbiologie

 Botanik

 Genetik

 Pflanzenphysiologie

 Zoologie

bereits erschienen:

Prüfungen erfolgreich bestehen im Fach …

 Ökologie

 Tierphysiologie

 Mikrobiologie

Vorwort

Der Anspruch an ein Übungsbuch kann sehr hoch sein. Manch ein Leser erhofft sich, exakt die richtigen Fragen zu finden, also am besten ausschließlich solche, die in Prüfungen demnächst gestellt werden. Diese Erwartung können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfüllen. Gerade die Mikrobiologie ist ein breit angelegtes Fach mit hohem integrativen Charakter. Die Trennung in Teildisziplinen, etwa Morphologie, Systematik, Physiologie und Genetik, ist hier lange nicht so ausgeprägt wie in anderen Fächern. Außerdem befasst sich kaum eine andere Disziplin mit allen drei Domänen der Lebewesen, den Bakterien, Archäen und Eukaryonten. Es liegt nahe, dass schon wegen dieser inhaltlichen Breite das Fach Mikrobiologie überall anders definiert und ausgefüllt wird. Dennoch gibt es Grundlagen, die an fast allen Orten in irgendeiner Form berücksichtigt werden. Darauf haben wir uns konzentriert.

In mancher Hinsicht kann man sich mit einem Übungsbuch eine Abkürzung zum Prüfungserfolg erarbeiten. Allein der Umgang mit Fragen, nämlich den damit verbundenen Recherchen und der Notwendigkeit, sich klar für eine Antwort entscheiden und diese auch in verständlicher Form formulieren zu müssen, hilft erheblich.

Unser Übungsbuch stellt Fragen an den Leser. In den Einführungen zu den Themengebieten wird der Rahmen aufgespannt, in den sich die Fragen einordnen. Da es jedoch kein Lehrbuch ist, kann man nicht erwarten, ausschließlich mit Hilfe des Buchs selbst alle Fragen beantworten zu können. Die Zusammenstellung soll den Leser trainieren, aus den Inhalten von Vorlesungen, Praktika und Seminaren und natürlich aus Lehrbüchern das benötigte Wissen zusammenzutragen. Wir haben zur Verdeutlichung oft Zeichnungen angefertigt. Diese sind stilistisch in etwa so gehalten, wie man sie von Ihnen als Skizzen in Prüfungen erwartet. Ganz sicher wird man Sie in Klausuren häufig bitten, einen Sachverhalt zeichnerisch darzustellen. In mündlichen Prüfungen ist so etwas ebenfalls die Regel. Die hier verwendete Form soll Ihnen als Orientierungshilfe dienen.

Die meisten Fragen haben eine Vorgeschichte und sind in unserem eigenen Umfeld vielfach gestellt und beantwortet worden, entweder als Vorbereitungsaufgaben für das Mikrobiologische Anfängerpraktikum, als Klausurfragen zur Mikrobiologischen Grundvorlesung oder zum Praktikum. Zusätzlich haben wir die Themen der Staatsexamensabschlussklausuren für das Lehramt aufgenommen, sofern sie in den Kontext passen.

Wir haben verschiedene Fragentypen aufgenommen – diese reichen von sehr einfach strukturierten Entscheidungen anhand richtiger oder falscher Aussagen, über Lückentexte, Rechnungen, experimentelle Auswertungen bis hin zur frei formulierten Antwort in Aufsatzform. Damit decken wir einen großen Bereich möglicher Prüfungsfragen ab.

Bei der Auswertung von Klausuren sehen wir eine ganze Reihe sich ständig wiederholender Schwächen. Dieses Übungsbuch gibt uns die Möglichkeit, Tipps für die Vermeidung gerade solcher Fehler zu geben und die wichtigsten Anforderungen der Trainingsaufgaben kurz zusammenzufassen:

 Einfache Ankreuzfragen sind schwieriger als man denkt. Wenn man nicht nur zufällig richtig antworten will, muss man den wissenschaftlichen Hintergrund der Fragen wirklich verstehen. Die Strategie, Kreuzchen aus dem Bauch heraus zu setzen, trägt erfahrungsgemäß nicht weit. Zum Üben sind solche Fragen sehr gut geeignet, weil der Rechercheaufwand verhältnismäßig gering ist. Man macht folglich schnelle Fortschritte. Mehr Zeit erfordert der Transfer des so erworbenen Wissens in andere Bereiche hinein, um Problemlösungen zu entwickeln.

 Lückentexte verlangen das richtige Wort an der richtigen Stelle. Sie erhalten bei diesem Fragentyp beträchtliche Hilfe durch die vorgegebene Grammatik. Immer, wenn Sie an der Grammatik etwas ändern wollen, sind Sie mit Sicherheit noch auf der falschen Fährte. Achten Sie auch darauf, am Ende einen in sich runden, sinnvollen Text zu erhalten.

 Versuchen Sie beim Üben unbedingt, reflexartiges Ablehnen bestimmter Aufgaben zu überwinden. Erfahrungsgemäß fangen ziemlich viele Studierende Rechnungen oder chemische Fragen gar nicht erst an. Vertrauen Sie uns und Ihnen: Sie können das. Chemie und Rechnen sind immer viel einfacher als Biologie!

 Achten Sie von Beginn an auf den sicheren, konsistenten Umgang mit der Fachsprache. Um Sie beim Üben zu unterstützen, haben wir solche Wörter, die man mit Sicherheit braucht, fett gedruckt. Bitte lesen Sie nie über solche Begriffe hinweg, sondern recherchieren Sie bei Unklarheiten deren genaue Bedeutung.

 Benutzen Sie verlässliche Quellen für Ihre Recherchen. Das werden in aller Regel Lehrbücher sein. Weiterführende Literatur brauchen Sie zum derzeitigen Ausbildungsstand noch nicht.

Unser Dank geht besonders an die Mitarbeiter im Mikrobiologischen Praktikum, die in Gesprächen über Lehre in erheblichem Maße beigetragen haben, dieses Buch an den Anforderungen der Studierenden auszurichten. Zurzeit sind das gemeinsam mit uns Frau Sabrina Ellenberger, Frau Emilia Schulz und Frau PD Dr. Anke Burmester. Dank gebührt auch den Herausgebern der Buchreihe, Herrn Professor Dr. Michael Kühl und Frau Dr. Susanne Kühl, und besonders der hilfreichen Frau Sabine Mann vom Verlag, die auch dann noch geduldig ist, wenn alles länger dauert als gedacht.

Unseren Lesern wünschen wir viel Erfolg bei der Prüfungsvorbereitung und hoffen mit Ihnen auf gute Bewertungen.


Jena, im November 2016Lisa Siegmund, Johannes Wöstemeyer

1Bakterien

Die bakterielle Welt ist genetisch, physiologisch und sogar morphologisch außerordentlich vielfältig. Dennoch entdeckt man bei der Betrachtung grundlegender zellbiologischer Eigenschaften genügend Gemeinsamkeiten, um einen bakteriellen Typus definieren zu können. Die Größe der Zellen gehört durchaus nicht dazu. Die kleinsten bekannten Bakterien sind nicht länger als 0,3 µm (1 µm = 10–3 mm), die größten kann man mit etwa 1 mm Länge bequem mit bloßem Auge sehen. Charakteristischer ist der Blick auf die Kompartimentierung der Zellen mit Membranen. Eukaryontische Zellen haben mehr morpho­logisch abgegrenzte Reaktionsräume als Bakterien. Zellkern, Mito-chondrien und Plastiden sind gut erkennbar und anhand der dort stattfindenden Reaktionen sehr gut charakterisiert. Allerdings darf man sich die bakterielle Zelle durchaus nicht wie einen Sack vor­stellen, in dem die Reaktionen unkoordiniert ablaufen. Auch hier sind sehr viele Reaktionen membrangebunden und es gibt sogar Bakterien, aus der Planctomyces/Gemmata-Gruppe, deren Genom zellkern­artig von Membranen umschlossen ist (Abb. 1.1).


Abb. 1.1 Bakterien der Planctomyces/Gemmata-Gruppe haben das Zellkernprinzip erfunden: Das Genom ist in eine Membranhülle verpackt.

Das bakterielle Genom besteht im typischen Fall aus einem einzigen, ringförmigen DNA-Molekül. Diese Regel gilt jedoch nicht für alle Bakterien. Die Größe bakterieller Genome variiert zwischen 0,6 und etwa 14 Millionen bp (Basenpaare) (Tab. 1.1). Somit gibt es durchaus Genome in Prokaryonten, die größer sind als die Genome einfacher Eukaryonten (Bäckerhefe: ca. 12 Millionen bp). Tendenziell haben die Genome obligater Parasiten kleinere Genome, weil sie im Laufe der Evolution Gene verlieren. Typisch für viele bakterielle Gruppen sind Plasmide, meist kleine, ringförmige DNAs, die zusätzlich zum Genophor vorkommen und oft für zusätzliche Stoffwechselwege oder Antibiotikum-Resistenzen kodieren. Auch scheinbar kleine DNA-Moleküle sind ausgestreckt sehr lang. Eine DNA von 3 Millionen bp ist etwa 1 mm lang. Da bakterielle Zellen im typischen Fall nur wenige µm lang und 1 µm dick sind, wird die DNA in engen Schleifen um basische Proteine gewickelt, damit sie in der Zelle Platz findet.

Der Transkriptionsapparat der Bakterien weist über alle Gruppen hinweg sehr große Ähnlichkeiten auf. Die Promotoren teilen funktionell vergleichbare Sequenzmotive, und die Zusammensetzung der Untereinheiten der RNA-Polymerase ist sehr ähnlich (Abb. 1.2). Für die Erkennung der Promotoren ist insbesondere die σ-Untereinheit der Polymerase zuständig. Viele Bakterien benutzen mehrere verschiedene σ-Faktoren und schaffen damit die Basis für eine zeit- oder entwicklungsabhängige Regulation der Transkription.


Tab. 1.1 Genomgrößen ausgewählter Bakterien
BakteriumVorkommenpathogen?Genomgröße/Mbp (Megabasenpaare)
Mycoplasma genitaliumSchleimhäute Menschja0,58
Mycoplasma pneumoniaeLunge Menschja0,82
Borrelia burgdorferiZecke/Säugetiereja0,91
Treponema pallidumMensch (Syphilis)ja1,1
Helicobacter pyloriMagenwand/Menschja1,67
Synechocystis sp.Süßwasser (Photosynthese)nein3,57
Escherichia coliDickdarm Menschnein4,64
Bacillus subtilisBoden (Endosporenbildner)nein4,21
Streptomyces coelicolorBoden (Exosporenbildner)nein8,67
Ktedonobacter racemiferBoden (Chloroflexus-Gruppe)nein13,66


Abb. 1.2 Schematischer Aufbau der bakteriellen RNA-Polymerase

Bakterien haben charakteristische, biochemisch eindeutig erkennbare Ribosomen mit weitgehend konstanten Eigenschaften. Der grundsätzliche Aufbau aus zwei Untereinheiten mit definierten Sedimentationskonstanten, 30 S (Svedberg-Einheit) und 50 S, ist immer gleich, während das komplette Ribosom in der Ultrazentrifuge mit 70 S sedimentiert (Abb. 1.3). Auch Anzahl und Größe der ribosomalen RNAs und der ribosomalen Proteine sind sehr gut vergleichbar. Die Funktion bakterieller Ribosomen ist besonders bei den beiden großen Modellorganismen, dem Gram-negativen Enterobakterium Escherichia coli und dem Gram-positiven Sporenbildner Bacillus subtilis, im Detail studiert. Hier wurden die meisten Erkenntnisse über Ablauf und Regulation der Translation gewonnen.


Abb. 1.3 Schematischer Aufbau bakterieller Ribosomen

 

Die bakterielle Zelle ist von der Zellmembran umgeben, die wie in allen anderen Zellen die Reaktionsräume des Cyto-plasmas nach außen abschließt und mithilfe zahlreicher, biochemisch sehr verschiedener Transportkanäle und Transportmechanismen den Im- und Export benötigter bzw. nicht mehr benötigter Substanzen vermittelt. Für alle Substanzen, die durch die Membran transportiert werden müssen, gibt es sehr spezifisch arbeitende Transporter. Die Grundstruktur der Membranen, nämlich die Doppelschicht aus Fettsäure-

estern des Glycerins, ist für alle wasserlöslichen Substanzen und natürlich auch für Wasser selbst undurchlässig. Die Membraneigenschaften werden in erheblichem Maße von den Verhältnissen zwischen den vielen möglichen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren beeinflusst. Eine Besonderheit bakterieller Membranen ist die Einlagerung der Hopanoide, die wie Sitosterin in Pflanzen, Ergosterin in Pilzen oder Cholesterin in Tieren für die Stabilität der Membranen sorgen und wegen wechselnder Mengen auch helfen, die Membranfluidität zu mo­dulieren.

An die Membran schließt sich nach außen die Zellwand an. Zellwände sind in der Natur zwar durchaus keine Seltenheit, schließlich sind sie charakteristisch für die Archäen, Pilze und Pflanzen, doch hat die gesamte Tierwelt auf Zellwände verzichtet. Die bakterielle Zellwand ist chemisch gut definiert. Die typische Substanz ist das Murein. Das ist primär ein einfaches Copolymer aus N-Acetylglucosamin und N-Acetylmuraminsäure. Die Muraminsäure bringt ein über eine Ether­brücke gebundenes Milchsäuremolekül ein. Das Carboxylende dieser Säure erlaubt der Zelle, die linearen Polysaccharidketten über Peptid­seitenketten zu einem einzigen, mehrdimensionalen Makromolekül rings um die Zelle zu vernetzen. Diese sehr widerstandsfähige Wand schützt die bakterielle Zelle vor den Auswirkungen starker Turgor-Schwankungen und auch vor mechanischen Einflüssen. Andererseits sollte man sich gelegentlich fragen, welchen biochemischen Aufwand diese gepanzerten Zellen treiben müssen, um überhaupt wachsen und sich teilen zu können?

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Hans-Christian Gram eine Färbetechnik, die nur manche Bakterien gut färbte, während andere durch Waschen mit Ethanol sehr schnell entfärbt wurden. Der Farbstoff, das Kristallviolett, bildet in Gegenwart von Iod und Iodid einen gut sichtbaren violetten Farblack, der besonders gut von dicken Wänden zurückgehalten wird (Gram-positiv), während er aus dünnen Wänden mit Ethanol schnell ausgewaschen wird (Gram-negativ). Fast alle bakteriellen Gruppen verhalten sich in der Färbung Gram-negativ. Die wichtigste Gram-positive Gruppe bildet ein Monophylum, zu dem neben anderen die sporenbildenden Bacillus-Arten gehören.

Bakterien lagern viele verschiedene Stoffe im Cytoplasma ab. Ein wichtiger Speicherstoff ist etwa die Poly-β-hydroxybuttersäure, ein plastisch verformbarer Polyester mit durchaus erwähnenswerter technischer Bedeutung. Dazu kommen viele andere Zelleinschlüsse, wie etwa die Magnetosomen aus paramagnetischen Eisenoxiden solcher wasserbewohnender Bakterien, die sich mithilfe der vertikalen Komponente des magnetischen Erdfeldes orientieren können und damit „oben“ und „unten“ unterscheiden.

Bakterielle Zellen erscheinen auch an der Außenseite erstaunlich komplex. Eine Reihe von Anhängseln mit sehr verschiedenen Funktionen zwischen Adhäson, Motilität und parasexuellem Gentransfer kann man elektronenmikroskopisch gut unterscheiden. Fimbrien, Geißeln und Pili (Singular: der Pilus) sind sehr häufig. Dazu kommen bei etlichen Bakterien zum Teil sehr ausgedehnte Kapseln und Schleimhüllen aus Proteinen (eher seltener) und Polysacchariden (sehr häufig), die für die Adhäsion auf dem Substrat wichtig sind und etwa bei Krankheitserregern wichtige Funktionen zum Schutz der Bakterien vor den Attacken der Immunabwehr übernehmen.

Prokaryonten weisen eine unglaublich hohe Vielfalt an Möglichkeiten zur Bestreitung ihres Energiestoffwechsels auf. Als Grundregel mag dienen, dass nahezu jede in dem Milieu der lebenden Zelle mögliche Reaktion, deren Energiedifferenz ausreicht, die Synthese von ATP zu treiben, bei irgendwelchen Bakterien auch gefunden wird. Der allergrößte Anteil dieser Vielfalt ist auf dem evolutionären Pfad von den Prokaryonten zu den Eukaryonten wieder verloren gegangen. Tabelle 1.2 gibt eine Übersicht über die grundsätzlichen Möglichkeiten in den Organismengruppen.


Tab. 1.2 Grundsätzliche Wege zur Energiegewinnung der Organismen
OrganismengruppeEnergiequelleKohlenstoffquelleFachausdruck
PflanzenLichtCO2Photoautotrophie
Tiereorganische Verbindungenorganische VerbindungenChemoheterotrophie
Pilzeorganische Verbindungenorganische VerbindungenChemoheterotrophie
Bakterienorganische Verbindungenorganische VerbindungenChemoheterotrophie
Bakterienanorganische VerbindungenCO2Chemolithoautotrophie
Bakterienanorganische Verbindungenorganische VerbindungenChemolithoheterotrophie
BakterienLichtorganische VerbindungenPhotoheterotrophie
BakterienLichtCO2Photoautotrophie
BakterienElektronenCO2Elektrolithoautotrophie

Wie eukaryontische Organismen auch können Bakterien Energie, also letztlich ATP, aus Atmungs- oder Gärungsprozessen beziehen.

Das Wesen der Atmung besteht in der Verwendung externer Elek­tronenakzeptoren zur Oxidation des beim Abbau energieliefernder Substrate unvermeidbar entstehenden NADH. Bei Eukaryonten ist der externe Elektronenakzeptor zur Oxidation des NADH aus der Substratkettenphosphorylierung Sauerstoff, der zu Wasser reduziert wird. Daher verbinden wir Atmung normalerweise mit aerober Lebensweise. Das muss nicht so sein. Bei Bakterien und Archäen werden außer Sauerstoff sehr viele verschiedene andere Elektronenakzeptoren benutzt. Außer O2-Atmung gibt es Nitrat-Atmung, Sulfat-Atmung etc. Man kann also problemlos auch anaerob atmen.

Das Wesen der Gärung besteht darin, die Oxidation des NADH zum NAD+, das für die Substratkettenphosphorylierung dringend gebraucht wird, ohne die Verwendung externer Elektronenakzeptoren zu schaffen. Das NADH aus der Substratkettenphosphorylierung wird folglich durch Übertragung der Elektronen auf einen internen Elektronen­akzeptor wieder zu NAD+ oxidiert. Viele Bakterien, aber auch Eukaryonten, benutzen dazu die Brenztraubensäure (Pyruvat), die zu Milchsäure (Lactat) reduziert wird. Bei Bakterien werden sehr viele verschiedene andere Elektronenakzeptoren benutzt. Der Gärungstyp wird nach dem Endprodukt der Elektronenübertragung benannt. Die Namen, etwa Milchsäuregärung, Ethanolgärung, Propionsäuregärung, Gemischte Säuregärung etc., beschreiben also schon recht genau den Typus des Energiestoffwechsels eines Bakteriums.