Perma- und Wildniskultur

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Perma- und Wildniskultur
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Sandra und Johann Peham

Perma- und Wildniskultur

Mit einfachen Schritten zum Klimaschutz im eigenen Garten


Leopold Stocker Verlag

Graz – Stuttgart

Umschlaggestaltung: Werbeagentur Rypka GmbH, 8143 Dobl/Graz, www.rypka.at

Bildnachweis: Alle Bilder und Grafiken im Buch sowie auf der Umschlagvorder- und -rückseite wurden dem Verlag freundlicherweise von den Autoren zur Verfügung gestellt (so nicht anders angegeben).

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ISBN 978-3-7020-1872-6

eISBN 978-3-7020-1984-6

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© Copyright by Leopold Stocker Verlag, Graz 2020

Layout: Werbeagentur Rypka GmbH, 8143 Dobl/Graz, www.rypka.at

INHALT

Unser Weg zur Perma-/Wildniskultur

Wer wir sind und was wir zu erzählen haben

Die Natur der Ernährung und wie daraus Lebens-/Wildniskulturerfahrungen entstehen

Der nächste Schritt: die „Essbare Gemeinde“

Einführung in die Perma-/Wildniskultur

Der Versuch, Begriffe zu erklären und auf den Wildniskultur-Punkt zu kommen

Zonenplan der Permakultur

Weitergedacht – die Wildniskultur

Hinterfrage ALLES!

Verantwortung übernehmen und Vertrauen entwickeln

Stärke durch achtsame Konfrontation mit Herausforderungen und „Vertrauen in die Natur der Sache“

Nachhaltiges Gärtnern und Landwirtschaften heißt Kreisläufe installieren oder bewahren

Gießfreie/gießarme und arbeitsextensive Gärten sind das Ziel und möglich!

Gesundes, ökologisches Wachstum ist nur auf wenige natürliche Baustoffe angewiesen

Gestalten und renaturieren im Kleinen wie im Großen. Im Mittelpunkt stehen immer die Natur und ihre Zusammenhänge, der Mensch stellt sich in den Hintergrund

Das Planen eines Kreislaufgartens ist notwendig und sinnvoll

Nicht winterfest, sondern frühlingsfit machen!

Die Natur ist genial: Es lebe die Selbstaussaat!

Mulchen, mulchen, mulchen … das A und O des Naturgärtnerns!

Ein andauernder, flächenhafter Bewuchs ist kahler, blanker Erde immer vorzuziehen

Flächenkompostierung statt kompostieren in Mieten

Klimaschutz durch Humusaufbau im Garten

Die Wichtigkeit des „Großen Ganzen“

Planung und Gestaltung eines Perma-/Wildniskulturgartens mit Planungsskizzen und Erklärungen

Planungsschritte

Die KLIMA-FIT-Grundsätze der Wildniskultur

Die Umsetzung

1. Die Begehung

2. Vermessung (wenn möglich und aufgrund von Hanglagen notwendig)

3. Gesamtplanung: Skizzieren/Planen

4. Erstellen von Materiallisten aufgrund der Gesamtplanung

5. Finanzielle Kalkulation

6. Besprechungen und Einreichungen bei Behörden (falls notwendig)

7. Terminisierung und Feinabstimmung mit allen Beteiligten

8. Praktische Umsetzung

Gestaltungselemente der Perma-/Wildniskultur

Für einen harmonischen Kreislauf des Miteinanders

Das Naturbiotop und die Philosophie des Wassers

Wasserschutz ist Klimaschutz

Wasserretention – Vorbild Natur

Kinder und Wasser

Einfache, natürliche Bepflanzung eines Gartenteiches

Einfriedungen und Zäune naturnah gestalten: Naturhecke, Benjeshecke, Weidenzaun

Die Naturhecke

Die Benjeshecke

Weidenzäune und -tunnel

Weidenzaun – Schritt für Schritt

Terrassierung und Hangbeete

Projekt WIKI Kindergarten

VS Thal bei Graz

Wildniskultur in die Wirtschaft

Indianerbeet, Hügelbeet und Co.

Das Hügelbeet

Hügelbeet – Schritt für Schritt

Das Reaktivieren eines Gartens

Das Indianerbeet

 

Indianerbeet – Schritt für Schritt

Das Hochbeet

Exkurs: die Spanische Wegschnecke

Der Kräuter- und Gemüsehügel

Kräuter- und Gemüsehügel – Schritt für Schritt

Ökologische Baumscheibenbepflanzung mit Beeteinfassung

Was sind Baumscheiben?

Baumscheiben – Schritt für Schritt

Weidendom/-iglu mit Beeteinfassung und ökologischer Bepflanzung in Mischkultur

Was sind Kopfweiden?

Setzen und Erziehen einer Kopfweide – Schritt für Schritt

Weidenarten

Korb- oder Hanfweide

Die Purpurweide

Die Silberweide

Die Grauweide

Die Mandelweide

Die Filzastweide

Der Weideniglu/Weidendom

Weidendom – Schritt für Schritt

Materialliste für einen Weidendom mit 4 m Durchmesser

Materialliste für einen Weidentunnel mit ungefähr 2,5 m Länge

Wildblumenwiese für Bienen, Schmetterlinge und Co.

Wildniskulturwiese – Schritt für Schritt

Besonders insektenfreundliche Wildblumen (eine kleine Auswahl)

Einfache Rezepte für Selbstgemachtes

Cola aus Eberraute

Eingelegte Gurken, Pfefferoni oder Chilis

Kapuzinerkressepesto

Kräuterraupe mit frischen Kräutern

Löwenzahnhonig – einfach, gesund, köstlich

Löwenzahnsirup

Notfallsalbe aus Spitzwegerich und/oder Breitwegerich

Veilchensalbe – einfach genial

Wachstücher selbst herstellen

Anhang

Initiativen samt Standorten und Kontaktdaten

Links und Buchtipps

Links zum Pflanzen von Naturhecken

Buchempfehlungen

Wildblumenwiese

Über die Autoren

Sandra Peham

Johann „Johnny“ Peham

Auszeichnungen

UNSER WEG ZUR PERMA-/WILDNISKULTUR
WER WIR SIND UND WAS WIR ZU ERZÄHLEN HABEN

Hallo, wir sind die Familie Peham. Ich denke, das sagt schon einmal viel aus, wenn sich jemand nicht mit Vor- und Nachnamen vorstellt, sondern sich selbst als Teil eines Systems sieht.

Jedes unserer Familienmitglieder hat besondere Talente, Macken, Bedürfnisse, Animositäten und natürlich Stärken und Schwächen. Jeder Einzelne ist sowohl als Individuum einzigartig und wichtig als auch als Teil des Ganzen unersetzlich. Auf jeden kommt es an und jeder hat seinen besonderen Platz in der Familie, den es auszufüllen und manchmal auch zu verändern gilt, wenn sich die inneren oder äußeren Umstände wandeln.

So wie sich das System „Familie“ in sich ständig wandelt und so wie sich die einzelnen Individuen mit den anderen austauschen und gegenseitig ergänzen, so empfinden wir auch die Natur, den Garten, die Landwirtschaft … als Kreislauf des Miteinanders. Dies bildet für uns die Grundlage unseres Handelns und Denkens und ist auf alle Lebensfelder übertragbar – also auch auf das Gärtnern und Landwirtschaften in und mit der Natur, genauer in der Permakultur und in weiterer Folge der Wildniskultur.


Unsere Familie: Kilian, Jakob und Lion Felix (vorne v. l. n. r.), Sandra und Johnny (hinten)

Gerne stellen wir uns vor und erzählen dir unsere Geschichten aus unserem Leben, wir berichten von unserer Entwicklung vom Leben eines durchschnittlichen österreichischen Konsumenten hin zum ökologisch bewussteren Denken und Handeln. Denn all unsere Entscheidungen in den letzten 17 Jahren waren geprägt von Veränderungen, Anpassungen und vor allem vom Eröffnen neuer Horizonte der Vielfalt.

Weder meinem Mann Johann Peham, den ich im weiteren Verlauf nur noch Johnny nennen werde, noch mir, Sandra Peham, war vor fast zwei Jahrzehnten klar, welchen Weg wir in Zukunft gehen werden. Ich war glücklich einen liebevollen, naturverbundenen Menschen gefunden zu haben, der mir hilft, meine starren Gedanken aufzuweichen, und bei dem ich einfach ICH sein durfte. Und Johnny war einfach happy. Ich habe selten zuvor einen so angstfreien Menschen getroffen … schon fast einen Lebenskünstler (jedenfalls für mich, die ich ja recht konservativ und steif durch die Welt ging).

Johnny ist auf einem kleinen Nebenerwerbsbauernhof im oberösterreichischen Bezirk Ried im Innkreis aufgewachsen. Er war der Dritte von insgesamt sechs Geschwistern und beschloss mit 18 Jahren ins steirische Leoben zu gehen, um dort zu studieren. Ich bin erst viel später dahintergekommen, dass das Studium an der Montanuniversität nicht der Motivator dafür war … Es waren die Berge und die Aussicht darauf, endlich Freiheit in der wilden Natur zu genießen. Das Studium war nur Beiwerk.

Als wir ein Paar wurden, arbeitete ich gerade als Kindergartenpädagogin in Wien. Recht schnell wurde uns klar, dass wir unsere Leben miteinander verbinden wollen und so zog ich kurzentschlossen in meine Heimatstadt Leoben zurück.

Irgendwie dachte ich, dass mein bisheriges Leben nun, nur unter anderen Bedingungen, so weitergehen würde: Als Pädagogin arbeiten, Geld verdienen, Wohnung einrichten, Urlaube machen, bald mal Kinder haben und natürlich heiraten. So richtig vorprogrammiert. Nun mit Johnny zwar mit mehr Naturerlebnissen und etwas lockerer, aber trotzdem „regelkonform“. Ich weiß eigentlich nicht so recht, ob Johnny das alles auch so sah, vermute aber, dass er mich aus Liebe gewähren ließ. Im Wissen, dass er sich dort, wo es ihm wichtig erscheint, durchsetzen wird.

Jetzt fragst du dich wahrscheinlich: „Was hat das alles mit Permakultur zu tun? Und warum, in Gottes Namen, glaubt sie, dass mich das interessiert?“

Ich kann dich gut verstehen! Doch genau dieser Rückblick auf unsere Ausgangsbasis und auf die Ereignisse, die daraufhin unser Leben verändert und geformt haben, erklärt, warum wir uns so sehr einer nachhaltigen Lebensweise und der „Ökologie des Wachstums“ verschrieben haben!

Im Dezember 2000 heirateten wir und bald darauf sollte sich Nachwuchs einstellen. Für Ende September 2002 kündigte sich unser erstes Kind an. Doch das Leben stellte uns als Eltern und unseren Kilian als Kind vor eine große Herausforderung: Kilian kam, viereinhalb Monate zu früh, im Mai 2002 in Leoben auf die Welt. Obwohl ich Kindergartenpädagogin bin und mich immer mit Kindern und ihrem Wachstum und ihrer Entwicklung auseinandergesetzt habe, war bis dahin „Frühgeburtlichkeit“ nicht im Zentrum meiner Aufmerksamkeit.

Kilian wog 630 g und war knapp 30 cm lang. Unser erster Berührungskontakt erfolgte durch ein Loch im Inkubator. Niemand konnte uns sagen, ob und wie Kilian weiterleben würde. Er wurde beatmet und war so winzig! Ich wurde das erste Mal in meinem Leben emotional von dieser Erde geschossen, wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte, und sollte doch jeden Tag bereit sein mich auf Neues einzustellen.

Johnny war der Fels in der Brandung. Beruflich war er unter der Woche viel unterwegs, aber jede freie Minute kümmerte er sich um Kilian und mich. Ab diesem Zeitpunkt entwickelten wir als Paar, als Familie und als Einzelpersonen für uns grundlegende Prinzipien, die sich in den darauffolgenden Jahren festigen und in verschiedenen Lebensbereichen wiederspiegeln würden: die Erfahrungen der WILDNISKULTUR!

DIE NATUR DER ERNÄHRUNG UND WIE DARAUS LEBENS-/WILDNISKULTURERFAHRUNGEN ENTSTEHEN

In dieser angespannten Zeit passierte etwas, dass mich als Mensch verändert hat: Ich war nun für jemanden verantwortlich, der mich zu 100 % brauchte. Der davon abhängig war, dass Menschen für ihn lebenswichtige Entscheidungen fällten. Der davon abhängig war, dass die Entscheidungen, die von Ärzten und Krankenschwestern getroffen worden waren, hinterfragt wurden, um die bestmöglichen Rahmenbedingungen für ein möglichst gesundes Leben zu garantieren.

Ich empfinde es noch heute als Segen, dass sich die Krankenschwestern der Frühgeburtenstation so intensiv darum bemüht haben, dass ich, obwohl Kilian noch lange Zeit nicht gestillt werden konnte, gelernt habe mit Milchpumpen umzugehen. Bis dorthin habe ich, ehrlich gesagt, nicht einmal gewusst, dass es so etwas – und vor allem in so vielen Ausführungen – überhaupt gibt. Die Stillberaterinnen auf der Station machten mir klar, wie wichtig es für Kilian sei, dass er sobald als möglich Muttermilch via Sonde bekommt und dass dies der einzige Weg sei ihn optimal zu begleiten. Unser Ziel musste es sein, dass Kilian überlebt, stark wird und möglichst bald selbstständig atmen und in weiterer Folge auch an der Brust trinken konnte. Sie klärten uns über die positiven Inhaltsstoffe der Muttermilch auf und ich wurde zur Expertin für Milchpumpen.

Kilian entwickelte sich dank liebevoller Pflege, intensiven Kuschelkontakten, „Känguruhing“ und Farbtherapie (wir arbeiteten mit bunten Tüchern) wunderbar. Wir trainierten gemeinsam regelmäßig das Saugen und nach einigen Monaten war Kilian ein vollgestilltes, gesundes Baby. Diese intensive Beschäftigung mit dem Stillen und dessen positiven Auswirkungen war mein erster bewusster Kontakt mit dem Thema „natürliche, gesunde Ernährung“ und „Achtsamkeit im Beobachten und Handeln“.

ERFAHRUNG 1:

„Gesundes ökologisches Wachstum ist auf wenige, natürliche Baustoffe angewiesen.“

Jedes Lebewesen braucht sein individuelles Habitat und eine für sich vorbereitete Umgebung … und wenn es diese nicht gibt, dann darf ich sie mir achtsam und wertschätzend herrichten.

 

Im September 2002, genau zum errechneten Geburtstermin, hatte Kilian stolze 3000 g und war 50 cm groß. Ich weiß noch, dass ich mir damals gedacht habe: „So, jetzt ist das Schlimmste überstanden!“ Dem war aber nicht so!

Mitte September mussten wir mit Kilian ins Krankenhaus, da er nicht mehr aufhörte zu weinen. Im LKH Leoben wurde zuerst ein Durchfallvirus (Rotavirus) festgestellt. Doch der Zustand Kilians wurde immer bedenklicher und nach einigen Stunden hing sein Leben am seidenen Faden. Er wurde ins LKH Graz überstellt, wo uns vom Chirurgen erklärt wurde, dass er unseren Sohn jetzt am Darm operieren würde. Dieser hätte sich um 180 Grad verdreht (Volvulus) und sei durchgebrochen. Sehr einfühlsam bat er uns, uns von Kilian zu verabschieden, da es wahrscheinlich sei, dass wir ihn nicht mehr lebend wiedersehen würden.

Nun erlebten wir den nächsten Quantensprung in unserer Entwicklung, der uns von nun an einen neuen Fokus auf unser Leben geben würde: Wir waren durcheinander, verängstigt und fühlten uns der Situation völlig ausgeliefert … Trotzdem wurde uns klar, dass wir nun Verantwortung für Kilian übernehmen mussten, die in diesem Fall so aussah, dass wir den Chirurgen das Gefühl geben mussten, dass wir ihnen vertrauen, damit sie völlig angstfrei in den OP gehen konnten.


Johnny am Wildniskulturspielplatz in Übelbach

Also sagte ich, ohne lange darüber nachzudenken: „Nehmen Sie unseren Kilian mit und tun Sie bitte für ihn, was Sie können! Aber seien Sie sich sicher, dass wir ihn lebend wiedersehen werden, weil ich das einfach weiß! Haben Sie bitte keine Angst!“ Der Chirurg schaute uns staunend an und versprach, sein Bestes zu geben. Unzählige Stunden des Wartens, Weinens und der Angst, die wir teils im LKH Graz, teils bei unserer lieben Freundin Irmgard verbrachten, lagen vor uns. Ganz von selbst war das nächste wichtige Prinzip unseres Lebens wirksam geworden:

ERFAHRUNG 2:

„Verantwortung für die Situation übernehmen und Vertrauen entwickeln!“

Nach vielen Stunden im OP kam Kilian lebend, aber schwer gezeichnet zurück. Viele Monate auf der Intensivstation der Kinderklinik und viele Komplikationen und Herausforderungen sollten folgen. Johnny las sich in medizinische Abhandlungen über das Verdauungssystem ein und stieß nach einer Weile auf die Inhaltsangabe der zu der Zeit üblichen Sechsfach-Impfung für Babys, die im Mutter-Kind-Pass empfohlen wurde. Nach eingehenden Recherchen kamen wir zum erschreckenden Ergebnis, dass diese Impfung, die von den Ärzten vor der Entlassung Kilians aus der Frühgeburtenstation in Leoben vorgenommen wurde, wesentlichen Einfluss vor allem auf den noch unreifen Darm von Frühchen nehmen und diesen schädigen kann.

Es kann also davon ausgegangen werden, dass diese Impfung, die kurz vor dem Volvulus injiziert worden war, der Auslöser für die Darmverdrehung war. Richtig verstanden und unsere persönlichen Rückschlüsse für uns und unsere Kinder daraus gezogen haben wir natürlich erst viel später. Denn in dem Moment, wo du um das Leben deines Kindes bangst, hast du keine Kraft dich mit allen Aspekten auseinanderzusetzen. Deine Aufgabe ist es, so haben Johnny und ich das gesehen, voll und ganz den Fokus auf das Leben des Kindes zu richten und alles andere zu bedenken, abzuspeichern und langsam ein großes Ganzes zu formen.

An dem Tag, an dem unser Kilian notoperiert wurde, war es definitiv: Unser Leben würde von nun an anders verlaufen, als wir es uns jemals vorgestellt hatten.

Kilian hat seit damals nur noch ein Drittel seines Darms. Dies inkludiert Dickdarm und Dünndarm. Johnny wurde zum absoluten Darmexperten. Er las jedes Buch zu diesem Thema und unterstützte mich darin, weiter meine Muttermilch abzupumpen, obwohl Kilian diese nicht mehr bekommen durfte. Seine Ernährung beschränkte sich auf minimale Mengen Sondenernährung. Ständig bestand die Möglichkeit, dass er diese nicht verträgt. Der Nahrungsaufbau gestaltete sich als schwierig. An der Brust trinken konnte und durfte er nicht, da er die Muttermilch in ihrer Komplexität womöglich nicht vertragen würde. Wir gingen dazu über, ihn in der abgepumpten Milch zu baden. Mit dieser Art der Pflege legte er sich nie wund und trotz seiner 25 bis 30 Stühle am Tag (durch die kurze Darmpassage geht die Nahrung fast ungefiltert durch den Verdauungsapparat) war sein Po nie wund. Noch etwas anderes konnte dadurch bewirkt werden, allerdings haben wir das dann erst viel später einmal gelesen: Durch das Baden in Muttermilch kam Kilian mit Laktose in Berührung. Obwohl auch dieser Abschnitt des Darmes, in dem Laktose aufgespalten werden kann, fehlt, ist er nun, mit 17 Jahren, nicht laktoseintolerant! Sein Körper wurde durch das tägliche Baden in Muttermilch darauf trainiert, mit Laktose umzugehen.

Auch heute noch versuchen wir tierische Milchprodukte in seiner Ernährung großteils zu vermeiden. Milchprodukte, die der Körper basisch verstoffwechselt, wie Butter oder Sahne in kleinen Mengen werden von Kilian sehr gut vertragen.

Wir erkannten das nächste Prinzip, dem wir in weiterer Zukunft viel Raum geben würden:

ERFAHRUNG 3:

„Stärke durch achtsame Konfrontation mit Herausforderungen und Vertrauen in die Natur der Sache.“

Jeder Organismus ist einzigartig und braucht seine Grundbedingungen, um gesund wachsen zu können. Es ist aber wichtig, nicht immer alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, um Wachstum zu fördern: Überleg dir Alternativen, achte auf Vielfalt. Das gilt für deine Pflanzen im Garten genauso wie für dich und deine Mitmenschen.

Hier ein Beispiel: Jedes Samenkorn hat in sich abgespeichert, wann der beste Zeitpunkt zum Keimen gekommen ist. Säe ich nun mein Beet ein, gieße ich die Samen und warte ich nicht, wie in der Natur vorgegeben, auf den nächsten Regen, dann wird sich mein Same an meine Hege und Pflege gewöhnen, er wird abhängig davon, dass ich ihn bis zum Erwachsenenalter betreue. Anders verhält sich eine Pflanze, die als Samenkorn nicht gegossen, sondern durch Regen zum Wachsen angeregt wird. Sie ist robuster und besser an klimatische Bedingungen angepasst. Siehst du vielleicht einen Zusammenhang zur Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen?

Das Thema „Darmgesundheit“ beherrscht natürlich seit dieser Zeit unser Leben. Wir wurden von der Schulmedizin immer gut begleitet, fanden aber oft eigene, gegebenenfalls erfolgreichere Wege, mit Situationen umzugehen. So konnten wir zum Beispiel durch die Erfahrungen mit Kilians doch sehr angespannter Ernährungssituation Rückschlüsse auf die Aufnahme von Inhaltsstoffen (Vitamine, Mineralstoffe …) von biologischen, konventionellen und „natürlich gewachsenen“ Lebensmitteln durch den Organismus ziehen:

Konventionell produzierte Lebensmittel sind häufig chemisch behandelt und belasten den Körper mehr, als dass sie ihn unterstützen (Kilian reagiert darauf mit starken Durchfällen).

Biologische Lebensmittel werden zwar mit anderen und viel weniger Stoffen behandelt, werden aber oft in Massenproduktion und unter geschützten Bedingungen (beispielsweise im Glashaus) hergestellt; Kilian nimmt die Nährstoffe zwar besser auf, braucht aber große Mengen davon, um seinen Körper grundzuversorgen.

Natürlich gewachsene Lebensmittel“ eignen sich für seine Ernährung am besten. Sie beinhalten alle Inhaltsstoffe, die die Pflanze im optimalen Fall herstellen kann. Diese besitzen einen hohen Grad an Bioverfügbarkeit, das heißt, unser menschlicher Körper kann sie optimal aufnehmen.

Durch dieses Wissen entstand die nächste Erfahrung:

ERFAHRUNG 4:

„Natürlich gewachsene Pflanzen sind allen anderen für eine gesunde Ernährung vorzuziehen. Sie benötigen eine natürliche Umgebung, die sie fördert und fordert.“

Auf diesen Leitsatz und darauf, wie du deine Pflanzen beim „natürlichen Wachsen“ von Anfang an unterstützen kannst, werden wir im Laufe dieses Buches noch intensiv eingehen.

Als aufmerksamer Leser bzw. aufmerksame Leserin hast du sicher schon bemerkt, dass wir in unser Thema „Basiswissen der Wildniskultur“ schon eingetaucht sind! Ja, so kann es gehen – und so ist es meistens – durch entscheidende Veränderungen in unserem Leben beginnen wir die Welt mit anderen Augen zu sehen. Bis dahin Unwesentliches kann ganz groß werden … und angeblich Großes wird ganz klein.

Unsere gemeinsame Geschichte mit unserem Sohn Kilian führte uns auf unseren „Weg zur Perma-/Wildniskultur“ und nahm mit einer chronischen Krankheit, genannt „Kurzdarmsyndrom“, seinen Anfang. Durch diese Krankheit, die selten ist und auch bei jedem betroffenen Patienten anders verläuft, haben wir als Eltern die Möglichkeit erhalten, uns als Menschen besser kennenzulernen, uns selbst in Frage zu stellen und vor allem: selbst die Verantwortung für unser Tun und Denken zu übernehmen.

Kilian dabei zu helfen, so gesund wie möglich zu sein, nimmt viel Raum in unserem Familienleben ein. Seine Brüder, Lion-Felix und Jakob, wurden 2004 und 2006 geboren. Das Gründen einer für unsere derzeitige Gesellschaft unüblich großen Familie stieß nicht immer auf Verständnis. Wir jedoch waren und sind der Meinung, dass dies das Lebenskonzept ist, dass für uns, Johnny und Sandra, das richtige ist. Wir waren beide der Meinung, dass Kilians Leben voraussichtlich so „anders“ verlaufen würde, dass ein klein wenig Normalität im Familienalltag sich für uns alle sehr positiv auswirken würde. Natürlich hoffen wir, dass das unsere Jungs genauso sehen.


Wildniskultur heißt natürliches Wachstum.

Jedes Kind hat wieder Neues in uns hervorgebracht. Während ich mich nach Lions Geburt hauptsächlich um die zeitlich doch sehr intensive Pflege der beiden Jungs kümmerte, versuchte Johnny, soweit es Kilians Gesundheit zuließ, die Familie finanziell zu versorgen. Parallel machte er eine Ausbildung zum Fitness- und Gesundheitscoach. Seine Abschlussarbeit schrieb er über „Mineralstoffe und Spurenelemente und deren Wirksamkeit“. Durch diesen tieferen Zugang zur Materie wurde klar, dass wir in Zukunft, vor allem um die Versorgung unserer Familie mit allen Inhaltstoffen, die für sie wichtig sind, zu gewährleisten, unsere selbst vorgezogenen und unter natürlichen Bedingungen gewachsenen Früchte und Kräuter anbauen werden. Der Wunsch nach möglichst weitgehender Selbstversorgung war geboren!

Nach der Geburt unseres dritten Kindes zogen wir aus beruflichen Gründen für einige Jahre nach Oberösterreich, nach Bachmanning im Bezirk Wels-Land. Das war auch etwa die Zeit, als wir mit der Permakultur in Berührung kamen. Das erste Buch über Permakultur kaufte ich Johnny zu Weihnachten 2006. Kurz davor hatten wir einen Bericht im Fernsehen über den „Agrarrebellen“ Sepp Holzer, einen Bergbauern aus dem Salzburger Lungau, gesehen und verfolgten die kontroverse Diskussion über ihn und sein Tun. Johnny und mir gefiel Sepps direkte Art und sein kompromissloses Handeln für die Natur. Seine „Holzer’sche Permakultur“ faszinierte uns vor allem wegen ihres Umgangs mit dem Thema „Wasser“ und durch das „Denken und Planen“ über den Tellerrand hinaus.

Da es auch in unserem Umkreis interessante permakulturelle Initiativen gab, hörten wir uns einen Vortrag von Bernhard Gruber, einem Permakultur-Designer aus Wels, an. Am meisten faszinierten mich dort der „Hühnertraktor“ und der Einsatz der Hühner im Garten als Helfer. Beide Männer boten Ausbildungen an und es war klar, dass einer von uns, entweder Johnny oder ich, eine dieser Ausbildungen machen sollte.

Da wir mit unseren drei Kindern, und vor allem durch Kilians immer wieder angespannte Gesundheitssituation, nicht die Möglichkeiten hatten beide Ausbildungen zu machen, mussten wir eine Entscheidung treffen. Zu diesem Zeitpunkt war uns noch gar nicht klar, dass es in der „Permakultur“ mindestens zwei Strömungen gibt und wie sehr die Auseinandersetzung zwischen den „Anhängern“ dieser Wege uns noch betreffen würde.

Meine Mutter bot uns an, unsere Jungs für drei Tage zu betreuen, sodass Johnny und ich ein Drei-Tages-Seminar mit Sepp Holzer auf seinem „Krameterhof“ machen konnten. Dort fiel bei uns der Groschen, wie man so schön sagt!

Dieser 45 ha große Bergbauernhof in der kältesten Region Österreichs wurde von Sepp über Jahrzehnte terrassiert, in Mischkultur bepflanzt und mit Tieren bewirtschaftet. Wenn du dort auf dem Berg stehst und ringsum den Zustand der Flächen und Wälder im direkten Vergleich zum „Krameterhof“ siehst, fängst du an zu verstehen, worum es sich bei nachhaltiger, ökologischer Bewirtschaftung dreht. Und voilà: Der nächste Leitsatz lag klar auf der Hand und wartete auf Umsetzung:

ERFAHRUNG 5:

„Gestalten und renaturieren im Kleinen wie im Großen zum Wohle von Mensch, Tier und Pflanze! Im Mittelpunkt stehen immer die Natur und ihre Zusammenhänge … der Mensch mit seinen Vorstellungen von Ästhetik und Notwendigkeiten stellt sich in den Hintergrund!“

Hier einige Möglichkeiten der Gestaltung:

Vielfalt der Vegetation = Verringerung der Bodenerosion durch Tief- und Flachwurzler. Bei Sepp standen wir im Dschungel, rundherum bei den Nachbarn herrschte der Borkenkäfer und Stürme konnten durch die Bewirtschaftung in Fichtenmonokulturen großen Schaden anrichten.

Terrassierung von Hängen = Das Wasser bleibt so lange wie möglich auf dem Grundstück – im Gegensatz zur Drainagierung von Hängen unter anderem durch intensiven Forststraßenbau. Durch das Halten des Wassers am Grundstück kann sich die Feuchtigkeit lange halten, die Versorgung der Pflanzen ist gewährleistet.

Anlegen von Wasserretentionsbecken = Durch das Anlegen dieser Becken (Teiche/Biotope) halte ich ebenfalls das Wasser länger auf meinem Grundstück. Es ist eindrucksvoll zu sehen, wie auf dem Krameterhof das Wasser von oben auf dem Berg bis nach unten in modellierte Becken, die die Natur zum Vorbild haben und natürlich folienfrei sind, geleitet wird. Richtiges Wassermanagement sorgt für gutes Pflanzenwachstum und Diversität.

Direkt nach dem Seminar entschlossen wir uns dazu, dass Johnny den nächsten Ausbildungslehrgang bei Sepp Holzer machen würde. Einfach war es für uns nicht, die Summe für die Ausbildung aufzubringen, aber das Herz und der Bauch sagten mit aller Bestimmtheit JA! Da es weder zeitlich noch finanziell möglich war, dass wir beide die Ausbildung machten, einigten wir uns darauf, dass Johnny diese Chance wahrnimmt und mir so viel wie möglich vom Erfahrenen und Erlernten weitergibt.