Malagash

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Malagash
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Sundays Vater stirbt an Krebs. Die Familie ist nach Malagash am Nordufer von Nova Scotia zurückgekehrt, damit er dort sterben kann, wo er aufgewachsen ist. Ihre Mutter und ihr Bruder sind beide am Boden zerstört. Aber am Boden zerstört sein ist zu wenig. Am Boden zerstört sein nützt nichts. Sunday hat einen Plan, sie hat angefangen, alles aufzunehmen, was ihr Vater sagt. Seine langweiligen Geschichten. Seine dummen Witze. Alles. Sie nimmt jedes einzelne „Ich liebe dich“ direkt neben jedem „Könnten wir die Heizung hier aufdrehen?“ auf. Alles ist wichtig. Weil Sunday ein Computervirus schreibt. Ein Computervirus, das heimlich auf den Festplatten von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt leben wird. Ein Computervirus, das die Gedanken ihres Vaters denkt und die Worte ihres Vaters sagt. Sie hat Tausende von Codezeilen zu schreiben. Kryptografie zu verstehen. Exploits zu testen. Sie hat keine Zeit, traurig zu sein. Ihr Vater wird für immer leben.

Joey Comeau liefert mit Malagash ein präzise gestaltetes, schwarzhumoriges Porträt einer trauernden Familie. Er laviert in kurzen Kapiteln und mit knappen Sätzen zwischen Banalem und Existenziellem, er schildert das Aufbegehren und den Kampf gegen die Sterblichkeit und was – im digitalen Zeitalter – von einem Menschen vielleicht bleibt. Das ist klug, das ist komisch, das ist auch sehr berührend.

JOEY COMEAU, *1980, ist ein kanadischer Schriftsteller. Er ist Texter des Web-Comics A Softer World (mit Emily Horne). Bekannt wurde er vor allem mit seinen Romanen Lockpick Pornography, Overqualified und One Bloody Thing After Another.

Bei Luftschacht erschienen:

Malagash (Roman, 2021)

Überqualifiziert (Briefroman, 2018)

Lockpick Pornography (Roman, 2016)

Joey Comeau

Malagash

Roman

Aus dem kanadischen Englisch von Tobias Reußwig


Für meine Mutter, Karen Byers

Titel der kanadischen Originalausgabe: Malagash

Copyright © 2017 Joey Comeau

ISBN 978 - 1 - 77041 - 407 - 5

Published by ECW Press

665 Gerrard Street East, Toronto, Ontario, Canada M4M 1Y2

© Luftschacht Verlag – Wien

luftschacht.com

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten.

1. Auflage 2021

Umschlaggestaltung: Julian Tapprich – juliantapprich.com

Übersetzung: Tobias Reußwig

Lektorat: Teresa Profanter

Satz: Luftschacht – Paul Frenzel

Gesetzt aus der Metric, Cascadia Code und der Noe

Druck und Herstellung: Finidr s.r.o.

Papier: Munken Print Cream 90 g/m2, Surbalin glatt 115 g/m2

ISBN: 978 - 3 - 903081 - 51 - 2

ISBN E-Book: 978 - 3 - 903081 - 80 - 2

We acknowledge the support of the Canada Council for the Arts for this translation.



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Inhalt

//Eins

//Zwei

//Drei

//Vier

//Eins

>_

„Eine Last wird sich heben.“ Mein Vater hält einen großen Becher mit zerstoßenem Eis, den er von einer Seite zur anderen schwenkt. Das Eis ist noch nicht genug geschmolzen. „Eine Last wird sich heben“, sagt er.

Er hat es satt, „Ich weiß“ sagen zu müssen, mit dieser beruhigenden Stimme, wieder und wieder. „Ich weiß, Sunday, ich weiß.“

Also hat er diese neue Art gefunden, es zu sagen. „Eine Last wird sich heben. Ein Blatt wird fallen. Frischer, weißer Schnee wird diese ganze schläfrige Stadt bedecken.“

„Das ist sehr poetisch“, sage ich zu ihm.

Er schwenkt den Becher mit dem Eis wieder.

„Sunday, du bist meine Tochter“, sagt er und streckt seine Hand nach meiner aus. Ich nehme sie. „Du bist meine Tochter“, sagt er, „und es bricht mir das Herz, dass nun der Tag für dich gekommen ist, diese schwierige und simple Wahrheit zu lernen.“

Sein Gesicht ist sehr ernst, was eine der Arten ist, wie mein Vater lächelt. Er hält inne, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Er sucht natürlich nicht. Nichts fällt meinem Vater leichter, als mich zu ärgern.

„Die Wahrheit ist, dass wir, jeder Einzelne von uns, alt und gebrechlich werden, Sunday. Wir, jeder Einzelne von uns, legen uns im Winter unseres Lebens nieder“, er schwenkt den Becher, „um Platz für die Babystinktiere und die nervösen kleinen Stachelschweine zu machen, die im Frühling geboren werden.“ Er sagt das in seinem Krankenhausbett, während er einen dünnen Bademantel trägt. Sein Gesicht ist todernst. Er denkt, er sei witzig. „Sie strecken ihre Köpfe aus dem Frost, weil jetzt ihre Zeit ist, meine geliebte Tochter. Jetzt ist ihre Zeit, in der Sonne zu glitzern.“ Er drückt meine Hand wie im Fernsehen.

„Das ist sehr poetisch“, antworte ich ihm wieder.

„Das hast du schon gesagt“, sagt mein Vater.

Sehr poetisch“, sage ich.

Es ist meine Schuld, dass ich jeden Tag dasselbe sage. Ich will nicht, dass du stirbst. Ich will nicht, dass du stirbst.

„Schnee wird die Stadt bedecken“, sagt er feierlich.

„Schnee, Mitte Juli?“, sage ich. „Oh wow, wie bei einer Metapher?“

„Manchmal kommt der Winter früher, als wir wollen“, sagt mein Vater. „Manchmal beschließt der Himmel –“

„Okay, das reicht jetzt mit den –“ Ich unterbreche mich selbst. Es macht mich wahnsinnig. Es soll mich wahnsinnig machen. Mein Vater lächelt, als meine Stimme bricht, nimmt einen Schluck aus dem Becher mit dem schmelzenden Eis. Und wieder einmal erkenne ich, dass ich gegen den Tod selbst argumentiere. Ein stures Kind. Ein kleines Mädchen. Ich will nicht, dass eine Last sich hebt. Ich will nicht, dass ein Blatt fällt.

Es spielt keine Rolle, wie dumm die Argumente meines Vaters sind, wie klischeehaft seine Metaphern. Er steht auf der Gewinnerseite. Der Krebs ist überall. In zwei Wochen, vielleicht einem Monat, werden wir das Ende dieses verschlungenen Gartenpfads erreicht haben. Und er wird mir zeigen, dass ich unrecht habe. Eine Last wird sich heben. Ein Blatt wird fallen. Frischer, weißer Schnee wird diese ganze dumme Stadt bedecken.

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Ich dachte, Malagash sei eine kleine Stadt, aber es ist noch nicht mal das. Eine lange Straße, eine verschlungene, rot gepflasterte Schlaufe um die Nordküste von Nova Scotia. Ein Traktor steht auf einem Feld. Ein Geländemotorrad, das an einem Schuppen lehnt. Wir kommen an einem Pferch voller Lamas vorbei, die verdammt gelangweilt aussehen. Der Atlantische Ozean taucht höchstpersönlich auf, um neben uns herzufahren. Dann schlüpft er davon.

Ich sitze vorne, erneut habe ich mein Telefon in der Hand. Das Glas- und Metallobjekt, das einmal mein Telefon war. Ich habe niemanden mehr, den ich anrufen könnte. Was eine Erleichterung ist, weil ich keine Kraft mehr habe, mich zu verstellen. Es gibt nur eine begrenzte Menge von Kondolenzbekundungen, die ein Körper aushalten kann. Nur eine begrenzte Menge von Updates über alles, bei dem man gefehlt hat, bis sie einem nicht mehr fehlen.

Ich verwende mein Telefon, um meine Mutter aufzunehmen. Das dumpfe Geräusch der Schlaglöcher. Wacklige, flüchtige Videoeindrücke von den vorbeigleitenden Landhäuschen. Der Hungerhaken, der vor sich hin summt. Die vorbeirasenden Bäume. Das Telefon nimmt alles auf, was es kann, während wir zum ersten Mal durch die Heimatstadt meines Vaters fahren. Säuberliche kleine Häuser, für die Privatsphäre mit ausreichend Abstand zueinander, jedes ist auf seinem eigenen Stück wunderschönen Seeblicks positioniert. Es gibt einen alten Kramladen mit einer sterbenden PIZZA-Neonreklame.

Über dem Matsch ist die Stimme meiner Mutter zu hören. Der Matsch streckt sich bis zum grün-grauen Ozean.

Gemeinde wäre der höfliche Begriff“, sagt sie. „Tatsächlich ist es ein Elefantenfriedhof für Menschen.“ Ein Lachen ist in ihrer Stimme, als würde sie uns aufziehen. Dieser Ort ist ihr vertraut. Weder Simon noch ich waren jemals hier, aber Mom und Dad verbrachten an diesem Ort ein ganzes Leben. Sie lebten hier zusammen, bevor Simon oder ich geboren waren. Mit dem Telefon am Fenster nehme ich auf, was ich kann. Es gibt eine Kirche, einen Weinberg, eine aufgegebene Salzmine irgendwo unter uns, ein Bibelcamp, einen Kai, von dem aus Hummerfischer einst in See stachen. Vielleicht tun sie es immer noch? Noch ein Kai. Noch einer. Kais sehen immer verlassen aus. Es gibt einen echten Friedhof rund um die Kirche. „Weiter als bis zu diesen Gräbern kommen einige dieser Leute nie“, sagt meine Mutter, während wir daran vorbeifahren.

Ein paar Fakten, an die meine Mutter sich erinnert:

„Die Straße wird durch den Lehm so rot. Sie haben benutzt, was sie zur Verfügung hatten. Schaut mal, wie rot auch die Erde ist.“

 

„Bei Ebbe kannst du ewig laufen und das Wasser reicht dir nicht höher als bis zur Hüfte.“

„Diese Landhäuschen dort gehörten der Tante und dem Onkel eures Vaters, Edie und Harry. Zwei getrennte Landhäuschen direkt nebeneinander. Ist das nicht perfekt? Es hat ihre Ehe gerettet.“

Es war nicht notwendig, uns zu überzeugen, hierherzuziehen. Wir haben nicht gebettelt oder gestritten. Unser Vater wollte zurück nach Hause nach Nova Scotia, um nahe bei seiner Mutter und seinen Kindheitserinnerungen zu sterben. Wir wollten bei unserem Vater sein. Die Rechnung war sehr einfach. Bringt uns, wohin ihr wollt, solange wir bei ihm sein können. Der Rest war völlig egal.

Alles, was wir brauchen, ist hier. Wir haben unsere Klamotten. Simon hat seine Puzzles und seine Spielsachen, und ich habe meine Computer. Wir werden nicht ewig hier sein, denke ich. Bloß für das restliche Leben meines Vaters.

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Ich nehme die Stimme meines Vaters mit meinem Telefon auf. Audio, aber kein Video. Ich mache mir zu große Sorgen darüber, wie dünn seine Arme sind und wie blass sein Gesicht ist. Ich nehme seine Stimme auf, weil seine Stimme sich noch richtig anhört. Er klingt wie mein Vater, und es ist mein Vater, an den ich mich erinnern möchte.

Ich nehme ihn bei jedem Besuch auf. Seine Witze und sein Lachen. Sein ruhiges Akzeptieren des Todes. Seine Wortspiele. Das Kratzen in seiner Stimme, wenn er über meinen kleinen Bruder spricht, den Hungerhaken. Wenn er über meine Mutter spricht. Über mich. Ich habe mir noch nie etwas so genau angehört, wie ich mir diese Aufnahmen anhöre. Das Auf und Ab des Tonfalls. Die Gründe für jede kleine Flexion. Es gibt so viel Bedeutung in jeder dummen, kleinen Sache, die wir von uns geben.

Manchmal halte ich das Telefon in meiner Hand. Manchmal lege ich es auf den Tisch oder auf das Bett neben ihn. Also schwankt die Tonqualität. Das kann dazu führen, dass er sich weit weg anhört, wenn ich es mir zu Hause anhöre. Als ob seine Stimme durch einen dichten, vorgezogenen Vorhang zu mir kommen würde. Aber das liegt nur daran, dass er noch am Leben ist. Wenn er tot ist, werden sich die Aufnahmen näher anhören.

Ich nehme alles auf. Dann kopiere ich alles auf einen Laptop, den ich golden spritzlackiert habe. Auf die Oberseite des Laptops habe ich ein altmodisches Kreuz in weiß mit einer Schablone draufgesprüht. Ich weiß absolut nichts über Religion. Das hat nichts mit Religion zu tun.

Ich bin gründlich mit meinen Aufnahmen, aber sie zu sortieren, ist schwierig. Ich teile sie in Phrasen, Sätze auf. Jede Aufnahme wird in ihre Teile zerlegt. Manchmal sind es nur einzelne Wörter oder Geräusche. Manchmal ist es ein Lachen. Ich habe so viele Variationen von seinem Lachen.

schnelles_lachen.wav

schneidendes_abschließendes_lachen.wav

langes_schallendes_lachen.wav

längeres_lachen_zusammen_mom.wav

trauriges_lachen.wav

unerwartetes_lachen.wav

lachen_fuer_mich.wav

Aber das Wichtigste ist die Stimme meines Vaters. Die Wörter.

poetisch.wav

du_bist_meine_tochter.wav

sunday.wav

sunday_sunday_sunday_monster_truck.wav

bienchen_und_bluemchen.wav

schlaefrige_stadt_bedecken.wav

ansehnlich_alt.wav

huehner.wav

ein_blatt.wav

„Eine Last wird sich heben“, sagt er. „Ein Blatt wird fallen.“ Ich sammle die Worte meines Vaters. „Frischer, weißer Schnee wird diese ganze, schläfrige Stadt bedecken.“

Ich habe eine Datenbank angelegt, um den Überblick zu behalten. Jede Datei bekommt einen Eintrag in der Datenbank. Jeder Dateiname wurde einem Transkript und einem Textfeld zugeordnet, in dem ich versucht habe, den Kontext zu beschreiben. Aber das war nicht genug. Also habe ich Textfelder für Inhalt, Tonfall, für Gesichtsausdrücke hinzugefügt. Es gibt so viel, an das man sich erinnern muss. Verwirrung. Gespielte Empörung. Metapher. Es ist ein unbenutzbares Datenchaos.

Nachts spiele ich mir seine Stimme in langen Nonsensschleifen vor, bevor ich einschlafe. Wie eine Gutenachtgeschichte. Wie ein Schlaflied.

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Unser Zimmer ist voller Blumen. Sie sind auf der Tapete, der Decke. In den Türrahmen geschnitzt. Sie sind auf die zu kleinen Stühle gemalt, die vor dem Bücherregal stehen. Dieses ganze Zimmer fühlt sich merkwürdig aus der Zeit gefallen an, wie ein altes Foto.

Der Hungerhaken und ich teilen uns ein Stockbett. Er zieht das untere Bett vor, aus Angst, im Schlaf hinauszufallen. Aber mir macht es nichts aus. Ich habe kein Problem mit dem oberen Bett. Wenn ich hier oben bin, fühlt es sich getrennt vom Rest des Raums an, privater. Und es ist mir egal, wenn ich hinausfalle.

Wenn ich die Wahl hätte, hätte ich lieber ein richtiges Bett und mein eigenes Zimmer. Es gibt zwei weitere Zimmer in diesem Stock, aber sie sind nicht für uns bestimmt. Eines ist für unsere Onkel, sobald sie ankommen; das andere ist für unsere Mutter. Dieses Zimmer ist unseres.

Ich bin allerdings ein wenig zu groß für das Bett. Meine Füße drücken gegen das Fußende, und es ist kein Platz für einen Computer. Erst recht nicht für drei. Das wäre zu einem Problem geworden. Also habe ich den Schrank ausgeräumt. Habe ihn in Besitz genommen. Die Tür ist nicht schalldicht, aber es ist dunkel darin, und privat, und ich mag es sogar irgendwie, dass ich meine Knie an meine Brust pressen muss, um hineinzupassen. Während also mein Bruder schläft, rolle ich mich vor den Geräten zusammen und lade die Stimme meines Vaters hoch. Ich erstelle neue Einträge in der Datenbank.

„Guten Morgen, Sunday“, sagt er. „Wie war der Flug?“

„Wem schreibst du auf diesem Ding? Einem Jungen? Sag ihm, dass er uns einen Witz erzählen soll.“

„Warum kommt die Katze mich eigentlich nie besuchen? Ist sie sauer auf mich?“

„Du bist so wundervoll, Sunday.“ Seine Stimme ist sehr still und ernst auf dieser Aufnahme. Ich habe eine eigene, besondere Kategorie für Aufnahmen, auf denen er meinen Namen sagt. Und für die, auf denen er sagt, dass er mich liebt. Manchmal ernst, und manchmal mit einem fröhlichen Lachen.

update aufnahmen_db

set tonfall = ´froehlich lachend`

where filename = ´wundervoll.wav`;

„Erzähl das nicht deiner Mutter oder Simon, aber ich liebe dich viel mehr als sie“, sagt er.

update aufnahmen_db

set tonfall = ´todernst`

where filename = ´liebt_mich_am_meisten.wav`;

Die kleinen Blumen auf der Tapete im Kleiderschrank flackern im Computerlicht.

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Es gibt ein verlassenes Bauernhaus gegenüber des Hauses meiner Großmutter. Das Holz ist grau gebleicht, und das Dach ist auf der rechten Seite eingebrochen, als wäre das Haus nach links gestolpert. Das Haus wirkt nicht verzweifelt. Es wehrt sich nicht. Es schlägt nicht um sich oder kämpft gegen seinen Einsturz. Es ist ein Elefant, der weit genug gekommen ist und nicht mehr weitergehen kann. Die stolze, graue Hülle eines Tiers, das sich jede Falte in seiner Haut verdient hat. Das lange genug gelebt hat. Hier ist seine Belohnung.

Jetzt wird es dunkel. Der Himmel ist das Einzige, was man deutlich erkennen kann.

Ich habe dagesessen und zugesehen. Ich möchte die Seite dieses alten Hauses berühren. Meine Hand auf seine Flanke legen und etwas in diesen großen, hohlen Lungen knarren hören. Aber als ich aufstehe, um hinüberzulaufen, hält mich die Dunkelheit davon ab. Der Himmel leuchtet noch farbig, und die Sterne haben angefangen, sich zu zeigen, aber der Boden und die Büsche am Rand der Auffahrt meiner Großmutter sind fort. Verschwunden.

Das stolpernde alte Bauernhaus hebt sich jetzt nur noch als Silhouette von den Sternen ab. Das wäre gar keine so schlechte Art zu sterben. Endlich zu stolpern und in einem Feld niederzustürzen, und es zu akzeptieren. Sein eigener Grabstein zu sein. Es wäre kindisch, sich zu wehren. Kindisch, um sich zu schlagen oder gegen seinen Einsturz anzukämpfen. Kindisch zu versuchen, ewig zu leben. Ich kann meinen Vater dort draußen auf dem Feld sehen, gelassen und ruhig. Ich bin diejenige, die noch um sich schlägt. Ich bin diejenige, die will, dass er ewig lebt.

„Sunday, Liebes, bist du da draußen?“, ruft meine Großmutter hinter mir. In dem orangen Leuchten. „Sunday, wie viel Kartoffelsalat möchtest du?“ Ein weiteres spätes Abendessen. Das Klappern von Besteck auf geblümten Tellern.

Schau dir das Haus an, so still und willig. Wenn es eine gute Art gibt zu sterben, dann ist es die dort draußen. Elegant und ruhig im Angesicht des Unvermeidlichen.

Es fühlt sich fast großzügig an. Schönheit und Beschwichtigungen sind nicht für uns selbst. Natürlich wird der Tod kommen. Und natürlich gibt es keine gute Art zu sterben. Es gibt keinen Frieden. Eine Last wird sich nicht heben. Ein Blatt wird nicht fallen. Aber wir können so tun, als ob.