Das Haus des Meisters

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Das Haus des Meisters
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Das Haus des Meisters

Impressum

Ursay: Der Händler

Der weiße Tiger

Das Zimmer des Sklaven

Die Regeln des Meisters

Auf Erkundungstour

Die Otterbrüder

Keinerlei sexuelle Gefälligkeiten

Ein neuer Tag bricht an

Frühstück mit Hindernissen

Seitensprung…!???

Turbulente Autofahrt

Der goldene Kristall

Einkaufsbummel

Ein neues Gesicht

Zurück zum Anfang

Der Raum der Qualen

Festhalten, ich wende

Alte Freunde, neue Feinde

Der blaue Fuchs

Sklaven und Meister

Das Sklaven Einmaleins

Tochter des Feuerschweifs

Der schwarze Panther

Kollateralschaden

Die Jagd beginnt

Die Feuerbeschwörung

Die vier Winde

Die Entscheidung

Gemeinsame Nacht

Hoher Besuch

Die Runenmagie

Autoren Vita

Jochen Nöller

Das Haus des Meisters

Vermächtnis der Winde Teil 1

Furry Fantasy

XOXO Verlag

Impressum

Bibliografische Informatiton durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://www.d-nb.de abrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-106-1

E-Book-ISBN: 978-3-96752-606-6

Copyright (2020) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung und Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

unter Verwendung folgender Bilder

Shutterstock-Nummer: 759473224

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Gröpelinger Heerstr. 149

28237 Bremen

Alle Personen und Namen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

Ursay: Der Händler

Mit einem seidenen Tuch wischte sich Ursay den Schweiß von der Stirn. Es war heute wieder erbärmlich heiß. In teure Gewänder gekleidet, stand der beleibte Händler vor seinem Laden und hielt Ausschau. Heute sollte ein wichtiger Kunde erscheinen. Seltsamerweise hatte er über diesen keinerlei Informationen, nicht einmal den Namen wusste er. Und dies ärgerte ihn maßlos. Wissen war Macht und nicht zu wissen, mit wem man verhandelte, konnte sehr nachteilig für die Geschäfte sein.

Normalerweise belieferte er nur die Elite, die reichsten der Reichen. Neue Kunden rar gesät und meist unerwünscht. Er hatte schließlich einen Ruf zu verlieren. Ohne die direkte Empfehlung eines seiner Stammkunden würde er einen Neuling nicht mal in seine Geschäftsräume vorlassen. Und genau da lag sein Dilemma. Der oberste General, ein wohlhabender und gern gesehener Käufer, hatte ihn letzte Woche angesprochen und erwähnt, dass ein guter Bekannter sich die Ware ansehen wolle. Das war nichts Neues und meist steckten hinter solchen Empfehlungen mittellose Gaffer. Die wenigsten konnten sich seine Gebrauchsgüter leisten. Deshalb hatte er in Gedanken schon seine Zeit mit einer Stunde ohne Umsatz eingeplant. Jedoch ließ eine Bemerkung des Stammkunden den Händler nicht mehr los: »Es wäre äußerst peinlich für mich, wenn ihm die Ware missfallen würde.«

Ursay wusste, was auf dem Spiel stand. Der General hatte ihm auch schon einige gut zahlende Abnehmer beschert. Aber bei keinem hatte er sich bisher so mysteriös ausgedrückt. Die Meinung dieses Unbekannten wurde offenbar hoch geschätzt. So etwas durfte er nicht auf die leichte Schulter nehmen. Im schlimmsten Fall – wenn der Fremde unzufrieden war – könnte das den Verlust vieler gut zahlender Kunden bedeuten. Das wäre sein Ruin. Von einer schlechten Reputation würde er sich nicht mehr erholen. Bei diesen Konsequenzen konnte er die Begrüßung nicht einfach einem Sklaven überlassen. So stand er nun höchstpersönlich vor seinem Geschäft und wartete auf den ominösen Kunden.

Er holte seine mit Juwelen verzierte Taschenuhr hervor und schaute angespannt auf die Zeiger. Nur noch wenige Augenblicke bis zur verabredeten Zeit. Erneut tupfte er sich den Schweiß von der Stirn und schaute zum Himmel empor. Die Sonne war zu dieser Jahreszeit erbarmungslos. Ohne den Schutz der magischen Kuppel, die das gesamte bewohnte Gebiet umschloss, befände sich hier sengende Wüste und er wäre wohl nur ein Häufchen Asche, vom Winde verweht.

Nachdem die Menschen vor etlichen Jahren die Erde im Sol-System verlassen mussten, ließen sie sich auf Jusmin im Hermes-System nieder. Mit der Macht der Magier erschufen sie auf dem Wüstenplaneten eine Kuppel als Barriere gegen die Sonne und die Elemente. Darunter erbaute die Menschheit ein neues Reich. Sie verschmolzen Magie und Technologie und errichteten eine hochmoderne Metropole. Die einzige und wahre Stadt unter dem Schutzschirm nannten sie New Haven. Dort, im Zentrum des bewohnbaren Bereichs lebten die normalen Menschen in technologisierten Wohnungen. Daneben gab es das Viertel der Magier, das fast ausschließlich ihresgleichen betreten durften. Auch lehnten die Magier sämtliche Technologie ab, sie nutzten ausschließlich ihre eigenen Kräfte.

Ursay stampfte wütend auf und verfluchte sich selbst für seinen grandiosen Einfall, ausgerechnet am Rand der Barriere – dem Ort, der am wenigsten geschützt war – seinen Gebäudekomplex aufgebaut zu haben. Die Wahl war zwar in Anbetracht der Tatsache, dass er schalten und walten konnte, wie er wollte und niemanden dabei störte, perfekt, hatte aber die Schattenseite der Einsamkeit und Hitze.

In diesem Moment tauchte eine schwarze Luxuslimousine hinter einer Reihe von Bäumen auf. Er hatte gerade genügend Zeit seine Hände zu reinigen und das benutze Tuch sowie seine Uhr unter seiner Robe in der Hosentasche verschwinden zu lassen, da hielt der Wagen direkt vor ihm an.

Die Kabinentür öffnete sich und ein jung aussehender Mann, gekleidet in ein schlichtes weißes Gewand, stieg aus dem Inneren. Ursay musterte den Neuankömmling argwöhnisch. Kein Diener, der die Tür öffnete? Keine teuren Kleidungsstücke? Erleichtert atmete er aus. Das würde einfach werden, dieser Jüngling sah nicht aus, als könnte er sich seine Ware leisten. Immer freundlich bleiben, ermahnte Ursay sich in Gedanken und korrigierte den vermutlichen Aufenthalt des Knaben auf eine halbe Stunde seiner wertvollen Zeit.

Mit perfekt einstudierter Gestik verbeugte sich Ursay und begrüßte den Burschen: »Einen schönen guten Tag, junger Herr. Ich bin Ursay, der bescheidene Besitzer dieses Etablissements. Wenn ich Euch hereinbitten dürfte. Ich habe mir erlaubt, Euch einen guten Tropfen zur Begrüßung kalt stellen zu lassen.«

»Ich wünsche ebenfalls einen guten Tag. Kann mein Fahrer hier stehen bleiben?«, fragte der Junge.

Irritiert sah der Händler auf. Weit und breit war nichts zu sehen, außer seinen eigenen Ländereien, den Baracken und dem Hauptgebäude.

»Natürlich, junger Herr. Wie es Euch beliebt.« Mit diesen Worten hielt er die Eingangstür auf.

»Sehr zuvorkommend«, erwiderte der Junge und ging festen Schrittes in den Laden. Ganz Geschäftsmann, prüfte Ursay unauffällig die Robe des Besuchers, als der an ihm vorbeiging. Er sah seinen ersten Eindruck bestätigt und schüttelte den Kopf. Ja, das würde schnell und schmerzlos über die Bühne gehen. Mit diesen Gedanken folgte er dem Jüngeren in sein Geschäft.

 

Mit einem Kopfnicken und ein paar schnellen Gesten machte er seinem Primär klar, dass er den Gast bedienen durfte. Dieser Muskelberg, eines humanoiden gelben Tigers, mit schwarzen Streifen, war schon lange in Ursays Diensten und wusste genau, was sein Meister von ihm erwartete. Mit einem Schmunzeln sah Ursay, dass der Junge vor Schreck zusammenzuckte, als der Sklave aus dem Schatten trat und sich tief verbeugte. »Seid gegrüßt, Herr, ich bin der Primär des Hauses. Bitte vergebt mir mein ungebührliches Erscheinen. Es lag nicht in meiner Absicht euch zu erschrecken. Wenn der Herr mir bitte folgen möge.«

Der Kunde straffte seine Robe, wie um seine Verlegenheit zu überspielen und staunte: »Wow, du bist also einer der Sklaven, die man hier erwerben kann? Was ist ein Primär? Du siehst aus wie eine Mischung aus Mensch und Tiger. Ich hoffe, dass ich dich mit diesen Worten nicht beleidigt habe?«

Völlig verdattert hob das Wesen den Blick und suchte den seines Herrn. Empört rümpfte der Händler die Nase. Dieser Junge kannte nicht einmal die Grundlagen der Sklavenhaltung. Ein solch unsägliches Verhalten musste er augenblicklich unterbinden. Nicht auszudenken, welch schädlichen Einfluss so etwas auf seine Ware haben konnte.

Mit einem Räuspern trat Ursay näher zu dem Knaben. »Verzeiht, junger Herr, aber ein Sklave wird nicht nach seiner Meinung oder seinen Gefühlen gefragt. Ein Sklave ist nichts weiter als ein Gegenstand. Der Meister sagt dem Sklaven, was er wie zu tun hat und dann hat dieser die Befehle umzusetzen.« Etwas freundlicher klärte er den Jüngling über die Ränge auf: »Der Primär ist der oberste Sklave in einem Haushalt. Er ist eine Art Verwalter und befehligt die anderen Sklaven.«

»Oh, ich wusste nicht, dass es so strenge Regeln gibt. Bitte verzeiht mir meinen Fehler, werter Tigermensch«, flötete der Junge und deutete eine höfliche Verbeugung an.

Dem Händler stieg die Zornesröte ins Gesicht. Der Primär hingegen ließ sich auf die Knie fallen und drückte den Kopf zitternd auf den Boden.

»Habe ich was Falsches gesagt?«

Innerlich kochend, antwortete Ursay mit bemüht freundlicher Stimme: »Werter Herr, wenn ein Gast sich bei einem Wesen entschuldigt und sich auch noch verbeugt, dann ist es das Todesurteil für den Sklaven.«

»Aber er hat doch gar nichts getan?«, erwiderte der Junge schockiert.

Ursay verschränkte die Arme und sah unbarmherzig zu seinem Primär hinab.

»Es ist egal, ob der Sklave etwas getan hat oder nicht. Übertriebene Freundlichkeit ist eine der Möglichkeiten, auf das Fehlverhalten eines Wesens hinzudeuten. Nach den Gesetzen der Sklavenhaltung bin ich verpflichtet, meinen Primär zu entsorgen.«

Schlagartig änderte sich das Gebaren des Knaben und er entschied mit fester Stimme: »Nein! Das möchte ich nicht.«

Jetzt reichte es aber, schoss es Ursay durch den Kopf und er schimpfte mit zornigem Unterton: »Junger Herr…« Doch weiter kam er nicht. In seiner überschäumenden Wut vergaß auch er die Regel des Anstands und ließ seine Hand auf die Schulter des Unruhestifters niederfahren. Doch noch ehe er den Knaben berühren konnte, wurde er von einer unsichtbaren Macht erfasst und etwa zwei Meter zurückgeschleudert. Unsanft landete er auf seinem Allerwertesten. Mit weit aufgerissenen Augen hob er den Blick und erstarrte. Magische Runen waberten über die Robe des Gastes und tanzten unheilvoll. Einen Augenblick später verschwanden die Zeichen und die Kleidung war wieder makellos weiß. In diese Robe war Magie mit eingewoben worden.

»Eure… Robe…«, brachte der Ladenbesitzer stotternd hervor.

»Die Schutzzauber meines Gewands aktivieren sich von selbst, wenn ich angegriffen werde. Je gefährlicher die Situation, desto mächtiger die Verteidigung«, erklärte der Junge und sah mit kaltem Blick über seine Schulter zum Händler.

Ursay war kein Magier, aber eines wusste er: Magische Gegenstände gehörten zu den teuersten Gütern unter der Kuppel. Der Preis für solche Dienste war dermaßen astronomisch, dass nur die reichsten Nicht-Magier sich so etwas leisten konnten. Er hatte einst einige Schutzzauber erstanden und zahlte seit etlichen Jahren die Schulden dafür ab. Beim Umgang mit den wilden Tieren, die er zu gehorsamen Sklaven erzog, war es unerlässlich, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Notgedrungen musste er seine Meinung über den Kunden revidieren. Dieser Mann war eindeutig kein Magier, also musste er außerordentlich wohlhabend sein. So wie der Rest seiner Kunden. Ächzend erhob sich der Ladenbesitzer und verbeugte sich tief.

»Verzeiht mir, Herr. Ich wollte euch keinesfalls angreifen. Mir ist wohl mein Temperament durchgegangen bei dem Gedanken, meinen Primär zu verlieren.«

»Was das betrifft, so erwarte ich als Entschuldigung diesen Sklaven wohlbehalten das nächste Mal wiederzusehen. Andernfalls muss ich ein ernstes Wort mit dem General reden.« Der Junge hielt einen Augenblick inne, bevor er forderte: »Ich wünsche ein Regelwerk über die korrekte Haltung und den Umgang mit Sklaven. Du, Tiger, du wolltest mich führen, steh auf und geh voraus.«

Erschrocken über diese Wendung sprang der Sklave auf die Beine und ging in gebückter Haltung und mit gesenktem Kopf voraus.

Ursay war sprachlos. Dieser Kunde war eindeutig etwas Besonderes, kein Wunder, dass sich der General so ominös ausgedrückt hatte. Ein Junge mit einer verzauberten Robe, ohne jegliches Wissen über Sklavenhaltung und dennoch … Seinen Primär musste er nicht entsorgen, dafür hatte der junge Herr gesorgt. Nur war es jetzt eine Art Befehl, der Befehl eines Knaben, der ihn dazu zwang, seinen Sklaven zu verschonen. Er schüttelte den Kopf und vertrieb diese wirren Gedanken. Ein angesehener und vor allem reicher Kunde musste zufriedengestellt werden. Sein Händlerherz schlug beim Gedanken an das viele Geld, das er verdienen konnte, schneller.

Nur kurz abreagieren, dachte er sich und rief zwei seiner Haussklaven herbei. Nach ein paar gezielten Schlägen lag der eine am Boden und die schlechte Laune des Geschäftsmannes war wie weggeblasen – oder vielmehr weggeschlagen. Er gluckste über seinen Wortwitz und ging, sich die Hände reibend und in Erwartung eines einfachen Geschäftes mit viel Profit, zu dem Kunden. Der zweite Sklave schleifte den Bewusstlosen weg und machte anschließend sauber.

Unbekannt

Der weiße Tiger

»Aufstehen, ihr Faulpelze! Alle in einer Reihe aufstellen«, schallte die Stimme des Primärs durch die Sklavenunterkunft. Geschmeidig erhob sich der weiße Tiger und reihte sich gehorsam ein. Er war wie alle Wesen hier nur mit einem braunen Lendenschurz bekleidet und schaute mit trostlosem Blick zu Boden. Dabei dachte er allerdings über seine Situation nach.

Vor 123 Monden war er noch frei gewesen, nun fristete er sein Leben als Sklave. Abgerichtet. Gebrochen? Nein! Einen kleinen Teil seines Willens hatte er sich bewahren können. Den anderen und vor allem dem Primär, diesem unbarmherzigen Bastard, gegenüber spielte er den willigen Sklaven. Doch er wartete nur auf seine Chance zur Flucht. Lange hatte er ausharren müssen und unzählige Erniedrigungen eingesteckt. Er konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft man ihn missbraucht hatte.

»Das ist nur zu deinem Besten«, hatte der Primär beim ersten Mal gesagt. »Wenn dein Meister mit dir unzufrieden ist, bist du tot. Also hör auf zu flennen und steh deinen Mann.«

Es hatte viel zu lernen gegeben. Wie man seinem Meister jeden Wunsch von den Augen ablas, wie man sich zu benehmen hatte, wie man sich in Form hielt, wie man zum perfekten Sexspielzeug wurde. 10 Jahre und 3 Monate waren eine verdammt lange Zeit in Gefangenschaft.

Und er wusste, dass seine Uhr ablief. Er war auf der Höhe seiner körperlichen Attribute. In ein paar Jahren würde kein Hahn mehr nach ihm krähen und dann wäre es um ihn geschehen. Also gab er stets sein Bestes, um perfekt auszusehen. Er wusste, dass die Kunden nur die mitnahmen, die ihnen auf Anhieb gefielen. Schon vier Mal war der weiße Tiger in die Endausscheidung gekommen und doch war er immer noch hier. Ein wenig Glück und die Fähigkeit sich zu präsentieren, gehörten eben auch dazu.

Ein neuer Kunde war vielversprechend. Je mehr Käufer kamen, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, gewählt zu werden. Aber neue Kunden waren auch problematisch, stellten einen Risikofaktor dar. Wie würde der neue Besitzer seine Sklaven behandeln? Was waren die Vorlieben dieses Menschen? Diese und noch viel mehr Fragen wurden insgeheim diskutiert, solange die Wesen unter sich waren, fernab der wachsamen Augen ihrer Peiniger. Schon so einige Wesen hatten die Gunst eines Käufers erregt und waren dem Schlächter Ursay entkommen. Ob es ihnen allerdings besser erging als den Zurückgebliebenen, wusste keiner. Also blieb ihnen nur die Hoffnung. Hoffnung auf ein besseres Leben. Hoffnung auf einen guten Meister.

Der Primär kam zurück in den Raum und stellte die Reihe nach seinem Willen um. Nun war der Tiger weit hinten und würde als letztes drankommen. Auch wenn ihm das nicht zusagte, verzog er keine Miene. Für die Wesen war der Primär des Händlers nicht einer der ihren, sondern eine Abscheulichkeit, ein Verräter und ein Monster, der wie alle Menschen, den Tod verdiente.

Mit wachsamen gelben Augen prüfte die rechte Hand des Schlächters die Ware, wobei er penibel Haltung und Aussehen begutachtete.

»Du«, keifte der Teufel und zeigte auf einen Hundesklaven. »Dein Blick gefällt mir nicht und dein Aussehen ebenso wenig. Raus aus der Reihe oder muss ich nachhelfen?«

Gehorsam trottete der angesprochene Sklave aus der Reihe und zu seinem Strohhaufen.

»Mach dich nützlich, Sklave. Wenn ich wiederkomme, hast du alles Stroh hier erneuert, sonst…« Mit einem dämonischen Grinsen im Gesicht wandte der Primär sich ab. »So, alle anderen der Reihe nach und zeigt euch von eurer besten Seite.«

Im Vorzimmer angekommen, mussten alle warten, um dann einzeln durch den Vorhang zu treten. Der weiße Tiger spitzte die Ohren und versuchte, die Kommentare des Kunden zur präsentierten Ware aufzuschnappen. Allerdings konnte er nur vereinzelte Wörter hören.

»Also die Otter …«

»… mein Herr … nicht zu verkaufen … schlechte Ware …«

Oh, die Otterbrüder. Ja, von denen hatte der Tigersklave gehört. Sie waren verkauft und zwei Tage später wieder zurückgebracht worden. Was genau vorgefallen war, wusste er nicht. Zu viel Neugierde war gefährlich. Am Ende war es auch egal, denn er kannte die Strafe für Misserfolg: den Tod.

Der Primär hatte also einen Fehler gemacht und dem Kunden schlechte Ware präsentiert. Sein Herz machte einen schadenfrohen Sprung, wobei er darauf achtete, seine Maske aufrecht zu erhalten. Es geschah diesem Sadisten recht, auch einmal gezüchtigt zu werden. Für diesen Fehler würde der gelbe Tiger leiden müssen, das stand fest. Er verkniff sich ein Grinsen, denn er konnte die wachsamen gelben Augen auf sich gerichtet spüren. Der weiße Tiger wusste, nur ein kleiner Fehler und er hätte keine Chance, sein Glück bei dem Kunden zu versuchen. Sekunden wurden zu Stunden und als sich der Primär von ihm abwandte, atmete er erleichtert aus. Das war nochmal gut gegangen.

Plötzlich kam Bewegung in das Monster und es stürzte sich auf eines der Wesen. »Was gibt es denn da zu grinsen, Abschaum?«, frage der Primär wütend. Der gelbe Tiger war allen anderen was Größe und Muskeln betraf deutlich überlegen und hatte keine Mühe, sein Opfer mit einer seiner Pranken gegen die Wand zu pressen. Ohne eine Antwort abzuwarten, traf die Faust des Monsters den wehrlosen Sklaven und dieser sackte bewusstlos zu Boden.

»Du, räum den Müll hier weg und stell dich wieder in die Reihe«, schnauzte er das nächstbeste Wesen an. Sein Blick glitt über die verängstigten Wesen und nun zeigte sich auf seinem Gesicht ein dämonisches Grinsen. Der Primär war die rechte Hand des Teufels und das zeigte er auch. Schnell wurde sein Befehl umgesetzt, während das Monster an seinen Platz am Vorhang zurückging.

»Der Nächste«, knurrte der gelbe Tiger und sofort trat der erste in der Reihe durch den Vorhang.

»Hm…«, war alles was der Tigersklave vom Kunden hören konnte. Einer nach dem anderen stieg durch den Vorhang und wurde abgelehnt. Der Kunde war offenbar sehr wählerisch.

 

Als der vorletzte Sklave zum Vorzeigen ging, konnte der weiße Tiger einen schnellen Blick auf den Kunden erhaschen. Ein Junge, ein halbes Kind. Na, wenn das nicht seine Chance war, endlich hier herauszukommen und zu fliehen. Angestrengt dachte er über seine Möglichkeiten nach.

»Du bist dran, Kleiner«, schnaubte der Primär abfällig und drängte ihn, sich zu beeilen.

Guten Mutes schritt er majestätisch durch den Vorhang. Nach vier Schritten hatte er die Plattform direkt vor den beiden Menschen erreicht. Die Augen des Jünglings fixierend streckte er sich und zeigte seinen Körper. Der Kunde ließ den Blick über ihn wandern. Ein seltsamer Ausdruck lag in diesen blauen Augen, aber das störte ihn nicht und so wartete er geduldig ab. Genau in dem Moment, als der Blick des Knaben auf seinem Lendenschurz ruhte, setzte er seinen Plan um. Mit einer eleganten Bewegung durchschnitt der Tiger mit einer seiner scharfen Krallen den dünnen Stoff und entblößte sich völlig.

Dazu räkelte er sich ausgiebig und schenkte dem Knaben einen verführerischen Blick. Früher hätte er sich geschämt, nackt vor einem anderen so zu posieren. Früher… Das war lange Vergangenheit. Vor der Gefangenschaft; vor dem, was man ihm angetan hatte. Scham war das erste, was sie einem als Frischfleisch austrieben und heute wusste er, dass sein Körper seine einzige verbleibende Waffe war. Diesen Trumpf auszuspielen, war jedoch ein gefährliches Unterfangen. Bei einem Misserfolg würde er lange nicht vorzeigbar sein.

Aus den Augenwinkeln sah er die Zornesröte im Gesicht des Händlers. Jetzt konnte er nur still beten und hoffen, erwählt zu werden. Stille kehrte ein und nichts geschah. Dann errötete der Junge und hob den Blick. Der weiße Tiger konnte einen Schauer nicht unterdrücken. Diese kristallblauen Augen, dieser wissende, unergründliche Ausdruck, das passte überhaupt nicht zur Schamesröte des Menschen.

Nach wenigen Momenten wandte sich der Kunde an den Händler und stammelte: »Den, ähm, nehme ich.«

Erleichtert atmete der weiße Tiger aus. Er hatte es geschafft. Dieser Knabe würde nicht lange zwischen ihm und seiner Freiheit stehen. Innerlich begann er bereits Fluchtpläne zu schmieden. Noch einmal schenkte sein alter Meister ihm einen bösen Blick, dann wandte sich der Geschäftsmann dem Kunden zu und beachtete den Sklaven nicht weiter.

»Eine vortreffliche Wahl, mein Herr«, schmeichelte er. Mit einer schnellen Geste schickte er den erwählten Sklaven auf ein Podest. Demütig und mit gesenktem Kopf stellte der junge Tiger sich auf den ihm zugewiesenen Platz.

»Wünscht der Herr vielleicht noch ein paar exquisite Spielsachen?«, fragte der Händler, schnippte mit den Fingern und der Vorhang der kleinen Bühne wurde hochgezogen. Zum Vorschein kamen allerlei Dinge. Vom Netzhemd über diverse Dildos und Mundknebel, bis hin zu Peitschen und chirurgisch aussehenden Werkzeugen. Die Augen des Jungen weiteten sich. Nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte, stand er auf, um sich die Spielsachen genauer anzusehen. Der Kunde stöberte ein wenig und besah sich die Lederfesseln genauer.

»Ich nehme die hier. Das hier. Und oh Gott…, was ist denn das

»Das, mein Herr, ist eine neunschwänzige Lederpeitsche mit Stahlkuppen, ein gutes Instrument zum Züchtigen, sowie für die Entspannung des Meisters nach einem harten Tag geeignet.«

»Ok, das auch.« Mit diesen Worten wandte sich der neue Meister von dem Sammelsurium ab und ging zu seinem Platz zurück. Unmerklich schluckte der weiße Tiger. Dieser Knabe war genauso ein Sadist wie der Rest seiner Rasse. In stillen Gedanken schwor er sich, ihm jeden Schlag zweimal zurückzuzahlen, bevor er ihm das Leben nahm.

Der Händler schien überglücklich zu sein, einen Seelenverwandten und guten Kunden gefunden zu haben. »So, mein Herr. Wie soll Euer Eigentum gekennzeichnet werden? Wir haben Halsbänder, stählerne Arm- und Fußfesseln, Ohrmarken und unseren Verkaufsschlager: die Brandzeichnung.«

»Zeig mir doch bitte die Halsbänder. Aus weichem Leder, wenn ich bitten darf«, antwortete der Kunde und genehmigte sich einen Schluck aus seinem Glas.

Kein Brandzeichen? Das waren doch gute Nachrichten. Fast war der Tiger versucht, dem Menschen zum Dank einen schnellen Tod zu gewähren.

Tief über die Lederwaren gebeugt, fuhr der Knabe sanft mit seinen Fingern über die Auswahl. Der Tiger indes nutzte seine Chance und hob verstohlen den Blick. Erneut trafen sich die Augen von Wesen und Mensch. Er wollte sich rasch abwenden, aber etwas in dem Blick des Jungen hielt ihn ab. Irritiert stellte der Sklave fest, dass weder Feindseligkeit noch Heimtücke von den blauen Kristallen ausging. Nein, eher ein warmer Ausdruck zeigte sich ihm. Der Knabe sah kurz zur Ware und fixierte seinen Sklaven anschließend wieder. Schnell folgte auch der junge Tiger dieser Aktion und sah den Finger des Menschen langsam über die Ware gleiten. Es schien fast, als ob sein Meister ihm die Wahl lassen wollte. Das war verrückt und er wandte sich rasch ab. So etwas war zu unwahrscheinlich, um wahr sein zu können. Er hörte zu, wie der Kunde sich eines der Lederbänder aussuchte. Er konnte es nicht lassen und hob erneut den Blick. Sein Herr hatte sich für ein feines schwarzes Lederhalsband mit silbernem Anhänger entschieden.

Sofort erhob der Schlächter erneut das Wort: »Wenn der Herr mir sein Siegel überreichen möge, dann bringen wir es sofort an.«

»Nicht nötig«, mit diesen Worten zog der Knabe seinen Siegelring vom Finger und drückte ihn auf den Anhänger. Eine blaue Flamme erschien und erlosch wenige Augenblicke später. Als sich der Ring vom Anhänger löste, kam eine Art Wappen zum Vorschein. Ein rotes Symbol in einer unbekannten Sprache in mitten eines blauweißen Wirbels.

Sprachlos starrte der Händler auf das Wappen. Nein, nicht auf das Siegel, sein Blick galt dem Ring, den er gierig betrachtet.

»So, das wäre dann alles. Also … fassen wir nochmal zusammen. Ich nehme den weißen Tiger, das Buch über Sklavenerziehung, die Lederhandfesseln, das Netzhemd mit Lederhose, die Peitsche und das Halsband.«

»Ähm …, ja Herr. Lassen Sie mich das schnell zusammenrechnen«, stotterte Ursay, sichtlich bemüht, seine professionelle Haltung zurückzuerlangen.

Der Händler begann mit den Zahlen zu jonglieren und kritzelte dabei auf einem Zettel herum.

»Und kommen wir nochmal auf die Otterbrüder zurück«, begann der Junge und brachte den Geschäftsmann abermals völlig durcheinander. »Wenn ich dich recht verstanden habe, handelt es sich bei den beiden um fehlerhafte Ware, die entsorgt werden muss?«

Ein Nicken des Geschäftsinhabers bestätigte diese Annahme und der Knabe fuhr fort: »Na, dann schlage ich einen besseren Weg vor. Wie wäre es, wenn ich dich von dieser Last befreie? Dann hätten wir beide etwas davon. Ich könnte die beiden als Dekoration über den Kamin hängen und du sparst dir weitere Kosten für die Entsorgung und so weiter. Deal?«

Ursay hatte offenbar Mühe, den Worten seines Kunden zu folgen und sah etwas dämlich drein. Doch bevor er antworten konnte, setzte der neue Meister nach: »Ich bin müde und würde die Transaktion gerne schnell beenden. Als Bezahlung sollte das hier mehr als genug sein.« Bei diesen Worten stand der Kunde auf und zog einen leuchtenden, zeigefingerlangen, roten Kristall hervor.

Die Augen des Händlers fixierten das Kleinod und nahmen einen noch gierigeren Ausdruck an. Er nahm den Stein entgegen und ergötzte sich an dessen Schönheit. Ohne den Schatz auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen, gestand der Händler gequält: »Mein Herr, ich muss leider sagen, das ist viel zu viel. Ich bin zwar kein Fachmann, aber ich schätze den Wert auf mindestens zehn meiner besten Sklaven. Das kann ich nicht annehmen.«

»Du, Primär, bring die zwei Otter zu meinem Wagen und steck sie in den Kofferraum. Tiger, ich bin nun dein Meister, leg dein Halsband an und trag meine übrigen Einkäufe.«

In beide Katzenwesen kam Bewegung und sie führten ihre Aufträge gehorsam aus. Während der Primär sich schnell eine Bestätigung von seinem Meister holte, musste sich der kleinere Tiger stark zurückhalten, nicht vor Zorn zu zittern. Die Otter hatten ein solches Schicksal nicht verdient. Niemand verdiente ein solches Schicksal.

Der Junge dehnte gelangweilt die Muskeln und strich sich danach die Robe glatt. Ohne den Blick von seiner Ware zu lassen, sagte er: »Ich möchte nun gehen. Was mein Guthaben anbelangt, so werden wir uns bei meinem nächsten Besuch bestimmt einig werden. Einen guten Tag noch und auf gute weitere Geschäfte.«

Der Händler sprang auf die Beine und verbeugte sich tief. »Ich wünsche Euch einen wunderschönen guten Tag, mein Herr, und viel Spaß mit Eurem neuen Sklaven. Sollte etwas nicht zu Eurer Zufriedenheit sein, scheuen Sie sich nicht, mich zu verständigen.« Mit einem Kopfnicken quittierte der Kunde Ursays Worte und ging schnellen Schrittes in Richtung Ausgang. Sein Wesen folgte ihm in gebührendem Abstand.

Als die beiden das Geschäft verließen, kam ihnen der Primär entgegen. Mit einer tiefen Verbeugung sprach er: »Eure Waren wurden verstaut, werter Herr.«

Ein Nicken war die einzige Erwiderung des Jungen. Schnell überholte der weiße Tiger seinen Herrn und hielt ihm ergeben die Tür des Wagens auf, dabei flötete er: »Meister.«

»Gut, gut. Du bist ein braver Sklave.« Mit diesen Worten verschwand der Knabe im Auto.

Hastig beeilte sich der Sklave, nachzukommen. Er warf noch einen Blick zurück. 10 Jahre und 3 Monate war er hier gefangen gewesen und es gab keine einzige gute Erinnerung an diesen Ort. Nur Schmerz, genug für ein ganzes Leben, verband er mit diesem Komplex des Grauens. Er konnte sich ein erleichtertes Lächeln nicht verkneifen. Nun begann ein neuer Abschnitt. Eine neue Hoffnung. Der Mensch, sein neuer Meister, würde nicht lange zwischen ihm und seiner Freiheit stehen.

Das schwor er sich und schloss die Fahrgasttür. Damit ließ er sein altes Leben hinter sich und bereitete sich auf die Zukunft vor.

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