Primärziel: Der Werdegang von Luke Stone—Buch #1

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Primärziel: Der Werdegang von Luke Stone—Buch #1
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P R I M Ä R Z I E L 
(DER WERDEGANG VON LUKE STONE—BUCH 1)
J A C K   M A R S
Jack Mars

Jack Mars ist der USA Today Bestseller Autor der LUKE STONE Thriller Serie, welche sieben Bücher umfasst (und weitere in Arbeit). Er ist außerdem der Autor der neuen WERDEGANG VON LUKE STONE Vorgeschichten Serie und der AGENT NULL Spionage-Thriller Serie.

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BÜCHER VON JACK MARS

LUKE STONE THRILLER SERIE

KOSTE ES WAS ES WOLLE (Buch #1)

AMTSEID (Buch #2)

LAGEZENTRUM (Buch #3)

JEDEM GEGNER ENTGEGENTRETEN (Buch #4)

DER WERDEGANG VON LUKE STONE

PRIMÄRZIEL (Buch #1)

PRIMÄRKOMMANDO (Buch #2)

EINE AGENT NULL SPIONAGE-THRILLER SERIE

AGENT NULL (Buch #1)

ZIELOBJEKT NULL (Buch #2)

JAGD AUF NULL (Buch #3)

EINE FALLE FÜR NULL (Buch #4)

AKTE NULL (Buch #5)

RÜCKRUF NULL (Buch #6)

ATTENTÄTER NULL (Buch #7)

KÖDER NULL (Buch #8)

EINE AGENT NULL KURZGESCHICHTE

KAPITEL EINS

16. März 2005

14:45 Uhr Arabische Standard Zeit (5:15 Uhr USA Eastern Daylight Zeit)

Bagram Luftstützpunkt

Parwan Provinz, Afghanistan

„Luke, du musst das nicht tun” , sagte Oberst Don Morris.

Oberfeldwebel Luke Stirn stand bequem in Dons Büro. Das Büro selbst befand sich in einer glorifizierten Metallhütte nicht weit vom Standort der neuen Landebahn.

Der Luftwaffenstützpunkt war ein Wunderland ständigen Lärms – Bagger gruben und pflasterten. Bauarbeiter hämmerten Hunderte von Sperrholzhütten zusammen,  welche die Zelte ersetzen sollten, in denen die Soldaten, die hier stationiert waren, bisher gelebt hatten. Als ob das noch nicht ausreichte, gab es Raketenangriffe durch den Taliban aus den umgebenden Bergen und Selbstmordattentäter auf Motorrädern, die sich vor den Eingangstoren in die Luft jagten.

Luke zuckte mit den Schultern. Sein Haar war länger als das Militär es eigentlich erlaubte. Er hatte drei Tage Stoppel im Gesicht. Er trug einen Fliegeranzug, auf dem sich kein Rangabzeichen befand.

„Ich folge nur Befehlen, Sir.”

Don schüttelte seinen Kopf. Sein eigener militärischer Haarschnitt war schwarz mit grauen und weißen Strähnen. Sein Gesicht hätte aus Granit gemeißelt sein können. Das traf eigentlich auf seinen ganzen Körper zu. Seine blauen Augen waren tiefliegend und intensiv. Seine Haarfarbe und die Falten in seinem Gesicht waren die einzigen Zeichen davon, dass Don Morris schon seit mehr als 55 Jahren auf der Erde lebte.

Don packte die wenigen Dinge in seinem Büro in Kisten. Einer der legendären Begründer der Delta Force zog sich von der United States Armee zurück. Er wurde speziell auserlesen, um eine kleine Geheimagentur in Washington DC zu eröffnen und zu leiten. Es handelte sich um eine halbautonome Gruppe innerhalb des FBI. Don bezog sich darauf als eine Art zivile Delta Force.

„ Wag es nicht, mich Sir zu nennen”, sagte er. „ Und wenn du heute Befehle befolgst, dann befolge diesen: lehne die Mission ab.”

Luke lächelte. „ Leider sind Sie nicht mehr mein befehlshabender Offizier. Ihre Befehle tragen derzeit nicht sehr viel Gewicht, Sir.”

Don blickte ihm für lange Zeit in die Augen.

„ Das ist eine Todesfalle, mein Sohn. Zwei Jahre nachdem Bagdad fiel, ist der Krieg in Irak ein totales Chaos. Hier in Gottes Land kontrollieren wir das Umfeld dieses Stützpunktes, den Flughafen in Kandahar, die Innenstadt von Kabul und ansonsten nicht viel. Amnesty International, das Rote Kreuz und die europäische Presse berichten alle über geheime Lager und Foltergefängnisse, sogar hier, dreihundert Meter von unserem Standort. Die Mächtigen wollen die Geschichte ändern. Sie brauchen einen großen Sieg. Und Heath möchte eine Feder im Hut. Er will immer dasselbe. Nichts davon lohnt sich, um dafür zu sterben.”

„Oberstleutnant Heath  hat entschlossen, den Einsatz persönlich zu leiten”,  sagte Luke. „ Ich wurde vor weniger als einer Stunde darüber informiert.”

Dons Schultern fielen nach vorne. Dann nickte er.

„Das überrascht mich nicht”,  sagte er. „ Weißt du, wie wir Heath früher nannten? Kapitän Ahab. Der fixiert sich auf etwas, gerade so wie bei der Walgeschichte, und dann jagt er ihn bis zum Grund des Meeres. Und es macht ihm nichts aus, alle seine Männer mit sich in den Abgrund zu ziehen.”

Don hielt inne. Er seufzte.

„ Hör zu, Stone, du musst mir und auch sonst niemandem etwas beweisen. Du hast dir einen Freipass verdient. Du kannst diese Mission ablehnen. Zum Teufel, du könntest die Armee verlassen und mit mir nach Washington DC kommen. Mir würde das gefallen.”

Jetzt lachte Luke fast. „Don, nicht alle hier sind mittleren Alters. Ich bin einunddreißig Jahre alt. Ich glaube, Anzug und Krawatte und Mittagessen am Schreibtisch sind noch nicht so ganz mein Ding.”

Don hielt ein gerahmtes Foto in seinen Händen. Er hielt es über eine offene Kiste. Er starrte in die Kiste hinunter. Luke kannte das Foto gut. Es war ein verblasster Schnappschuss von vier jungen Männern ohne Hemden. Es waren Green Berets, die vor einer Mission in Vietnam in die Kamera grinsten. Don war der einzige dieser jungen Männer, der noch am Leben war.

„Meins auch nicht”, sagte Don.

Er blickte Luke erneut an.

„Stirb nicht heute Nacht da draußen.”

„Ich habe es nicht vor.”

Don blickte wieder auf das Foto. „Das hat keiner”,  sagte er.

Für einen Augenblick starrte er aus dem Fenster auf die schneebedeckten Gipfel des Hindu Kush um sie. Er schüttelte seinen Kopf. Seine breite Brust stieg an und fiel. „Mann, ich werde diesen Ort vermissen.”

* * *

„Meine Herren, diese Mission ist Selbstmord”,  sagte der Mann vorne im Raum. „Und deshalb schicken sie Männer wie uns.”

Luke saß auf einem Klappstuhl in dem nüchternen Einweisungsraum aus Beton. Zweiundzwanzig weitere Männer saßen auf den Stühlen um ihn herum. Sie alle gehörten zur Delta Force, waren die Besten der Besten. Und der Einsatz, soweit Luke ihn verstand, war schwierig –  aber nicht unbedingt Selbstmord.

Der Mann, der diese letzte Einweisung gab, war Oberstleutnant Morgan Heath, ein sehr mutiger Kommandant, der selbst gerne Hand anlegte. Er war noch keine vierzig Jahre alt und es war offensichtlich, dass Heath noch über Delta hinaus wollte. Er war zu seinem derzeitigen Rang hinaufgeschossen und seine Ambitionen schienen auf ein höheres Profil hinzuweisen. Politik, vielleicht ein Buch, vielleicht eine Zeit im Fernsehen als Militärexperte.

Heath sah gut aus, war sehr fit und mehr als eifrig.  Das war für einen Delta nicht ungewöhnlich. Doch er redete auch viel. Und das war gar nicht typisch für Delta.

Luke hatte ihn eine Woche zuvor dabei beobachtet, wie er einem Reporter und einem Fotografen vom Rolling Stone Magazin ein Interview gab. Er erklärte den beiden die fortgeschrittenen Tarn- und Navigationsfähigkeiten eines MH-53J  Helikopters – nicht unbedingt geheime Informationen, doch ganz bestimmt keine, die man mit jedem teilen wollte.

Stone hätte ihn deswegen fast gemeldet. Doch er tat es nicht.

Das lag nicht daran, dass Heath einen höheren Rang als er hatte – das machte bei Delta nichts aus, oder sollte es zumindest nicht – sondern weil er sich schon zuvor Heaths Antwort vorstellen konnte: „Glauben Sie, dass der Taliban amerikanische Popmagazine liest, Feldwebel?”

Heaths Präsentation wäre zehn Jahre zuvor neueste Technologie gewesen, PowerPoint auf einem weißen Hintergrund. Ein junger Mann mit einem Turban und einem dunklen Bart erschien auf dem Bildschirm.

„Ihr kennt ihn alle”,  sagte Heath. „Abu Mustafa Faraj al-Jihadi wurde etwa 1970 in einem Nomadenstamm im östlichen Afghanistan oder in den stämmischen Regionen im westlichen Pakistan geboren. Er hatte wahrscheinlich keine formelle Bildung und seine Familie überquerte die Grenze vermutlich einfach so als gäbe es sie nicht. Al Qaeda liegt ihm in den Adern. Als die Sowjet 1979 in Afghanistan einmarschierten, nahm er an der Resistenz als Kind-Soldat teil,  vielleicht war er erst acht oder neun Jahre alt. Nach Jahrzehnten unaufhörlichen Krieges später ist er irgendwie immer noch am Leben. Verdammt, dem geht's noch richtig gut. Wir glauben, dass er mindestens zwei Dutzend größere Terroranschläge organisiert hat, eingeschlossen der Selbstmordattentate in Mumbai im letzten Oktober und dem Anschlag auf die USS Sarasota im Hafen von Aden, bei dem 17 amerikanische Seemänner starben.”

 

Heath hielt dramatisch inne. Er blickte jedem im Raum an.

„Der Typ bringt nichts Gutes. Ihn zu fangen ist fast so, wie Osama bin Laden auszuschalten. Wollt ihr Jungs Helden sein? Heute Nacht ist eure Chance.”

Heath drückte auf einen Knopf in seiner Hand. Das Foto auf dem Bildschirm veränderte sich. Es war jetzt ein geteiltes Bild –  auf der einen Seite der vertikalen Grenze war eine Luftaufnahme von al-Jihadi’s Lager direkt außerhalb eines kleinen Dorfes. Auf der anderen Seite befand sich eine 3D-Abbildung von dem, was man für al-Jihadi’s Haus hielt. Das Haus hatte zwei Stockwerke, war aus Stein und an einem steilen Hügel gebaut – Luke wusste, dass es möglich war, dass das Haus zu einem Tunnelkomplex führte.

Heath beschrieb dann, wie die Mission vonstatten ginge. Zwei Hubschrauber, zwölf Mann auf jedem. Die Helikopter würden auf einem Feld direkt außerhalb der Mauern des Lagers landen, die Männer absetzen und dann wieder abheben, um sie von der Luft aus zu unterstützen.

Die zwölf Mann des A-Team – Luke und Heaths Team – würden die Mauern durchbrechen, in das Haus eindringen und al-Jihadi töten. Falls möglich, würden sie die Leiche auf einer Bahre heraus tragen und sie zum Stützpunkt zurück mitnehmen. Falls nicht, würde man sie für spätere Identifizierung fotografieren. B-Team würde die Mauern und den Zugang zum Lager vom Dorf aus sichern.

Die Helikopter würden dann wieder landen und beide Teams herausholen. Falls die Helikopter aus irgendeinem Grund nicht landen könnten, würden die beiden Teams sich auf den Weg zu einem alten, verlassenen amerikanischen Feuer-Stützpunkt auf einem steinigen Hügel weniger als einen Kilometer außerhalb des Dorfes machen. Dort würde man sie dann abholen oder die Teams würden die Stellung halten, bis man sie dort herausholte. Luke wusste das alles auswendig. Doch der Gedanke an ein Rendezvous an dem alten Feuer-Stützpunkt gefiel ihm gar nicht.

„Was, wenn der Feuer-Stützpunkt kompromittiert ist?” fragte er.

„Auf  Welche Weise kompromittiert?” sagte Heath.

Luke zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Sagen Sie es mir. Versteckte Fallen. Voll von Talibanschützen. Schäfer, die dort ihrer Herde Unterschlupf gewähren.”

Ein paar Leute im Raum lachten.

„Nun”,  sagte Heath, „die letzten Satellitenbilder zeigen uns, dass der Ort leer ist. Sollten dort Schafe sein, dann haben wir es wenigstens bequem und viel zu essen. Keine Angst, Feldwebel Stone. Dies wird ein präziser Enthauptungsschlag. Rein und raus, bevor die überhaupt bemerken, dass wir da sind, sind wir schon fast wieder weg. Wir werden den alten Feuer-Stützpunkt nicht benötigen.”

* * *

Madre de Dios, Stone,” sagte Robby Martinez. „Mann, ich habe kein gutes Gefühl hierbei. Schau dir die Nacht da draußen an. Kein Mond, kalt, heulende Winde. Heute werden wir Staub aufwühlen, so viel steht fest. Heute Nacht wird es eine Hölle geben. Ich weiß es.”

Martinez war schmal, klein, rasiermesserscharf. Es gab kein verschwendetes Gramm Fleisch an seinem Körper. Wenn er in Shorts und ohne Hemd Fitness machte, dann sah er aus wie eine Zeichnung der menschlichen Anatomie, jede Muskelgruppe war sorgfältig abgezeichnet.

Luke überprüfte wieder und wieder sein Pack und seine Waffen.

„Du hast immer ein schlechtes Gefühl, Martinez”, sagte Wayne Hendricks. Er saß neben Luke. „So wie du redest, könnte man meinen, dass du noch nie im Gefecht warst.”

Hendricks war Lukes bester Freund beim Militär. Er war ein großer dicker Kerl aus den wilden Gegenden nördlich von Zentralflorida, der in seiner Kindheit mit seinem Vater Wildschweine gefangen hatte. Sein rechter Vorderzahn fehlte – er wurde ihm als er siebzehn war bei einem Kampf in einer Kneipe in Jacksonville ausgeschlagen, und er hatte ihn nie ersetzen lassen. Er und Luke hatten fast nichts gemeinsam, außer  Football – Luke war der Quarterback in seiner Schule gewesen,Wayne hatte im hinteren Feld gespielt. Trotzdem hatten sie sich sofort gut verstanden, als sie sich in den 75th Rangers zuerst kennenlernten.

Es schien als ob sie alles zusammen täten.

Waynes Frau war im achten Monat schwanger. Lukes Frau Rebecca, war im siebten Monat. Wayne erwartete ein Mädchen und hatte Luke darum gebeten, ihr Pate zu werden. Luke erwartete einen Jungen und hatte Wayne darum gebeten, der Pate des Jungen zu werden. Als sie eines Nachts betrunken in einer Kneipe außerhalb von Fort Bragg waren, hatten Luke und Wayne ihre rechte Handfläche mit einem Messer aufgeschnitten und sich die Hand geschüttelt.

Blutsbrüder.

Martinez schüttelte seinen Kopf. „Du weißt, wo ich war, Hendricks. Du weißt, was ich gesehen habe. Ich habe sowieso nicht mit dir geredet.”

Luke blickte aus der offenen Buchtentür. Martinez hatte recht. Es war kalt und windig. Eisiger Staub blies über die Landefläche, als sich die Helikopter für den Start bereit machten. Wolken flitzen über den Himmel. Es würde eine schlechte Nacht, um zu fliegen.

Trotzdem war Luke zuversichtlich. Sie hatten, was sie brauchten, um das hier zu gewinnen. Die Helikopter waren MH-53J Pave Lows, die fortgeschrittensten und stärksten Transporthelikopter im Arsenal der Vereinigten Staaten.

Sie hatten einen hochmodernen Gelände-Radar, was bedeutete, dass sie sehr niedrig fliegen konnten. Sie hatten Infrarotsensoren, damit sie auch bei schlechtem Wetter fliegen konnten, und sie konnten eine Höchstgeschwindigkeit von zweihundertsechzig Stundenkilometern erreichen. Sie waren gepanzert, um alle, abgesehen von den schwersten feindlichen Geschützen, abzuwehren. Und sie wurden vom 160. Sondereinsatzflugbataillon der US-Armee geflogen. Ihr Codename war Nightstalkers, es waren Delta Force Helikopterpiloten – wahrscheinlich die besten Helikopterpiloten der Welt.

Die Razzia sollte an einer Nacht ohne Mondlicht stattfinden, damit die Helikopter nah am Boden und unentdeckt in die Gegend fliegen konnten. Die Helikopter würden das hügelige Gelände und Konturenflug-Techniken verwenden, um das Lager zu erreichen, ohne auf dem Radar zu erscheinen und  mögliche ungewollte Mitwisser zu warnen. Dazu gehörten besonders das pakistanische Militär und der Geheimdienst, von denen man vermutete, dass sie mit dem Taliban zusammenarbeiten, um das Zielobjekt zu verstecken.

Mit Freunden wie den Pakistanern…

Die niedrigen Gebäude des Luftwaffenstützpunktes und der größere Flugkontrollturm kontrastierten gegen den atemberaubenden Hintergrund der schneebedeckten Berge. Als Luke aus der Buchtentür starrte, hoben zwei Kampfjets einen halben Kilometer weit entfernt ab, das Dröhnen ihrer Motoren war fast ohrenbetäubend. Einen Moment später erreichten sie die Schallgrenze irgendwo in der Ferne. Der Abflug war laut, doch der Knall wurde durch den Wind bei hoher Flughöhe gedämpft.

Der Motor des Helikopters heulte zum Leben auf. Die Rotoren begannen sich zu drehen, zuerst langsam, dann mit zunehmender Geschwindigkeit. Luke blickte die Reihe entlang. Zehn Mann in Overalls und mit Helmen, er selbst nicht eingeschlossen, checkten alle immer wieder ihre Ausstattung. Der Zwölfte, Oberstleutnant Heath, lehnte sich nach vorne in das Cockpit des Helikopters und redete mit den Piloten.

„Ich sag's dir Stone”,  sagte Martinez.

„Ich habe dich schon beim ersten Mal gehört, Martinez.”

„Glück hält nicht für immer an, Mann. Eines Tages ist es damit vorbei.”

„Ich mache mir darüber keine Sorgen, weil es sich bei mir nicht um Glück handelt”, antwortete Wayne. „Es ist Können.”

Martinez schnaubte daraufhin verächtlich.

„Ein dickes, fettes Arschloch wie du? Du hast jedes Mal Glück, wenn eine Kugel dich nicht trifft. Du bist das dickste, langsamste Ding überhaupt.”

Luke unterdrückte ein Lachen und wandte sich wieder an seine Ausrüstung. Zu seinen Waffen gehörte ein HK416  Sturmgewehr und eine MP5 für den Nahkampf. Die Waffen waren geladen und er hatte sich weitere Magazine in seine Taschen gesteckt.  Er hatte eine SIG P226 Seitenwaffe, vier Granaten, ein Schneidewerkzeug und eine Nachtsichtbrille. Es handelte sich hierbei um die GPNVG-18, viel fortgeschrittener und mit einem viel besseren Sichtfeld als es die Standard-Nachtsichtbrillen den Soldaten typisch boten.

Er war bereit für den Einsatz.

Luke spürte, wie der Helikopter abhob. Er blickte hinauf. Sie waren auf dem Weg. Links von sich sah er einen zweiten Helikopter, der ebenfalls abhob.

„Ihr seid die größten Glückspilze überhaupt, wenn ihr mich fragt”,  sagte er.

„Ach ja?” antwortete Martinez. „ Und warum das?”

Luke zuckte mit den Schultern und lächelte. „Ihr seid mit mir unterwegs.”

* * *

Der Helikopter flog tief und schnell.

Die steinigen Hügel flogen unter ihnen vorbei, vielleicht in siebzig Metern Abstand, fast nah genug, um sie zu berühren. Luke sah sich die finstere Dunkelheit durch das Fenster an. Er schätzte, dass sie über hundertsechzig Stundenkilometer schnell flogen.

Die Nacht war schwarz  und sie flogen ohne Scheinwerfer. Er konnte nicht einmal den zweiten Helikopter sehen.

Er blinzelte und sah stattdessen Rebecca. Sie war etwas Besonderes. Es ging dabei nicht so sehr um die Details ihres Gesichts und Körper, die wirklich ausgesprochen schön waren. Es war ihre Essenz. In den Jahren, seit denen sie zusammen waren, hatte er gelernt, an dem körperlichen vorbeizusehen. Doch die Zeit verging so schnell. Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte —wann war das, vor zwei Monaten? – Konnte man ihre Schwangerschaft gerade erkennen.

Ich muss dahin zurück.

Luke blickte hinunter –  seine MP5 lag auf seinem Schoß. Für den kürzesten Moment schien es fast als wäre sie lebendig, als würde sie sich plötzlich dazu entscheiden, von selbst zu schießen. Was machte er mit diesem Ding? Es war ein Baby unterwegs.

„Meine Herren!”  rief eine Stimme. Luke schreckte auf. Er blickte hinauf und Heath stand vor der Gruppe. „Wir nähern uns dem Ziel an, geschätzte Ankunftszeit in etwa zehn Minuten. Ich bekam gerade einen Bericht vom Stützpunkt. Die starken Winde haben viel Staub aufgewirbelt. Wir werden auf dem Weg zum Ziel in schlechtes Wetter geraten.”

„Super”, sagte Martinez. Er blickte Luke bedeutungsvoll an.

„Was soll das bedeuten Martinez?” fragte Heath.

„Ich liebe schlechtes Wetter, Sir!” rief Martinez.

„Ach ja?”  wollte Heath wissen. „Warum denn?”

„Dabei kommt man so richtig ins Zittern. Es macht das Leben einfach spannender.”

Heath nickte. „Gut, Mann. Du willst Spannung? Sieht so aus,  als würden wir womöglich in Null-Null Bedingungen landen.”

Das gefiel Luke gar nicht. Null-Null  bedeutete, keine Deckung-keine Sicht. Die Piloten wären dazu gezwungen, dem Navigationssystem des Helikopters das Sehen zu überlassen. Das war in Ordnung. Schlimmer jedoch war der Sand. Hier in Afghanistan war er so feinkörnig, dass er fast wie Wasser floss. Er kam durch die kleinsten Ritzen. Er konnte in die Schaltungen und Waffen geraten. Sandwolken konnten Verdunkelungen hervorrufen, komplett feindliche Hindernisse verdecken, die in der Landezone auf sie warten könnten.

Sandstürme waren die Albträume jedes Soldaten, der sich in Afghanistan in der Luft befand.

Wie gerufen zitterte der Helikopter plötzlich und wurde von einer Böe Seitenwind getroffen.

Und schon waren sie direkt in einem Sandsturm. Die Geräusche außerhalb des Helikopters änderten sich –  vor einem Moment konnte man nur das laute Schwirren der Rotoren und das Röhren des Windes hören. Jetzt kam der Lärm des prasselnden Sandes, der auf die Außenwände des Helikopters hagelte, hinzu. Es klang fast wie Regen.

„Meldet den Sand!” rief Heath.

Die Männer schauten aus dem Fenster auf die brodelnde Wolke draußen.

„Sand am hinteren Rotor!” rief jemand.

„Sand an der Frachttür!” sagte Martinez.

„Sand im Fahrwerk!”

„Sand in der Tür zum Cockpit!”

Binnen Sekunden war der Helikopter umhüllt. Heath wiederholte jede Meldung durch seinen Kopfhörer. Sie flogen jetzt blind, der Helikopter drängte durch einen dichten, dunklen Himmel.

Luke starrte hinaus auf den Sand, der auf die Fenster prasselte. Es war schwer zu glauben, dass sie immer noch in der Luft waren.

Heath legte eine Hand an seinen Helm.

„Pirat 2, Pirat 2… Ja, ich höre. Sprich, Pirat 2.”

Heath hatte in seinem Helm Kontakt mit allen Teilnehmern der Mission. Anscheinend kontaktierte ihn der zweite Helikopter wegen des Sturmes.

 

Er hörte zu.

„Negativ, nicht zum Stützpunkt zurückkehren, Pirat 2. Weiterfliegen wie geplant.”

Martinez’ Blick traf wieder auf Luke. Er schüttelte seinen Kopf. Der Helikopter buckelte und schwankte. Luke blickte auf die Reihe von Männern. Dies waren harte und erfahrene Kämpfer, doch keiner von ihnen schien erpicht darauf, diese Mission weiterzuführen.

„Negativ Pirat zwei. Wir brauchen euch hierbei…”

Heath hielt inne und hörte wieder zu.

„Mayday?  Jetzt schon?”

Er wartete. Jetzt blickte er Luke an. Seine Augen waren verengt und hart. Er schien keine Angst zu haben. Er schien frustriert.

„Wir haben sie verloren. Das war unsere Unterstützung. Kann jemand von euch Jungs die da draußen sehen?”

Martinez blickte aus dem Fenster. Er brummte. Es war nicht einmal mehr Nacht. Da draußen konnte man nichts außer braunem Sand sehen.

„Pirat 2, Pirat 2, hörst du mich?” rief Heath.

Er wartete einen Augenblick.

„Melde dich, Pirat 2. Pirat 2, Pirat 2.”

Heath hielt inne. Jetzt hörte er zu.

„Pirat 2,  Statusbericht. Status…”

Er schüttelte seinen Kopf und blickte Luke wieder an.

„Die sind abgestürzt.”

Er hörte wieder. „Nur kleinere Verletzungen. Helikopter untauglich. Motoren tot.”

Plötzlich schlug Heath auf die Wand in der Nähe seines Kopfes.

„Verdammt!”

Er starrte Luke an. „ Hurensöhne. Die Feiglinge. Die haben uns stehen gelassen. Ich weiß, dass sie das gemacht haben. Was für ein Zufall, dass Ihre Instrumente haben versagt haben, sie im Sturm verloren gingen und zwölf Kilometer von einem Feldlager der zehnten Bergdivision abgestürzt sind. Wie praktisch. Die werden dahin laufen.”

Er hielt inne und atmete aus. „Ist das nicht das Höchste? Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals eine Delta Force Einheit dabei beobachten würde, vor einem Einsatz Mission abzuhauen.

Luke beobachtete ihn. Heath vermutete, das Pirat 2 eigenmächtig den Einsatz verlassen hatte. Vielleicht war dem so, vielleicht auch nicht. Doch möglicherweise war es die richtige Entscheidung.

„Sir, ich glaube wir sollten umdrehen”,  schlug Luke vor. „Oder vielleicht sollten wir dieses Ding landen. Wir haben keine Unterstützungseinheit und ich glaube, ich habe noch nie einen solchen Sturm gesehen…”

Heath schüttelte seinen Kopf. „Negativ, Stone. Wir fahren mit kleinen Veränderungen fort. Ein Team aus sechs Männern übernimmt das Haus. Ein weiteres Team aus sechs Männern überwacht die Zufahrten aus dem Dorf.”

„Sir, bei allem Respekt, wie wird dieser Helikopter landen und wieder abheben?”

„Keine Landung”,  sagte Heath. „Wir seilen uns ab. Dann kann der Helikopter vertikal nach oben fliegen, über diesen Sturm hinaus. Sie können wieder zurückkommen, wenn wir das Ziel gesichert haben.”

„Morgan…” begann Luke, nannte  seinen Vorgesetzten bei seinem Vornamen, was er nur an wenigen Orten tun konnte. Einer von denen war die Delta Force.

Heath schüttelte seinen Kopf. „Nein, Stone. Ich will al-Jihadi und ich werde ihn bekommen. Dieser Sturm erhöht nur unseren Überraschungseffekt –  die erwarten nicht, dass wir an einer solchen Nacht aus dem Himmel fallen. Denk an meine Worte. Nach dem hier werden wir Legenden sein.”

Er hielt inne, starte direkt in Stones Augen. „Geschätzte Ankunft in fünf Minuten. Versichern Sie sich, dass Ihre Männer bereit sind, Feldwebel.”

* * *

„OK, OK”, rief Luke über das Dröhnen der Motoren, der Rotorenblätter und dem Sand, der gegen die Fenster prasselte.

„Hört zu!” Die zwei Reihen Männer in Overalls und Helmen starrten ihn an, ihre Waffen waren bereit. Heath beobachtete ihn vom anderen Ende. Dies waren Lukes Männer und Heath wusste es. Ohne Lukes Führerschaft und Mitarbeit könnte es für Heath schnell zu einer Meuterei kommen. Für einen kurzen Augenblick erinnerte Luke sich daran, was Don gesagt hatte:

Wir nannten ihn früher Kapitän Ahab.

„Der Missionsplan hat sich verändert. Pirat 2 is komplett außer Aktion. Wir schreiten mit Plan B voran. Martinez, Hendricks, Colley, Simmons. Ihr seit bei mir und Oberstleutnant Heath. Wir sind das A-Team. Wir nehmen das Haus ein, eliminieren jegliche Opposition, erreichen das Zielobjekt und setzen es außer Gefecht. Wir werden sehr zügig vorgehen. Verstanden?”

Martinez, wie immer: „Stone, wie hast du vor, daraus einen Zwölf-Mann-Einsatz zu machen? Das ist ein Vierundzwanzig-Mann-”

Luke starrte ihn an. „Ich sagte verstanden?”

Ein allgemeines Brummen und Knurren zeigte ihm, dass sie verstanden hatten.

„Niemand widersetzt sich uns”, sagte Luke. „Sollte jemand schießen oder auch nur eine Waffe zeigen, dann sind sie draußen aus dem Spiel. Alles klar?”

Er blickte durch die Fenster. Der Helikopter kämpfte sich durch einen braunen Sturm, flog schnell, doch viel langsamer, als es seine Höchstgeschwindigkeit zuließ. Es gab null Sichtbarkeit. Weniger als null. Der Helikopter zitterte und wankte, als ob er diese Einschätzung bestätigen wollte.

„Verstanden”, sagten die Männer um ihn. „Alles klar.”

„Packard, Hastings, Morrison, Dobbs, Murphy, Bailey. Ihr seid das B-Team. B-Team, ihr unterstützt uns und gebt uns Deckung. Wenn wir uns abseilen, dann decken zwei von euch den Ort, an dem wir uns abseilen und die anderen beiden das Umfeld in der Nähe der Tore zum Lager. Wir wir eindringen, dann gehen zwei von euch vor und schützen den Vorderteil des Hauses. Ihr seid auch die Letzten beim Abzug. Augen aufhalten und benutzen. Niemand bewegt sich gegen uns. Eliminiert allen Widerstand und allen möglichen Widerstand. Dieser Ort muss heißer als die Hölle sein. Es ist eure Aufgabe, ihn abzukühlen.”

Er blickte sie alle an.

„Haben wir uns verstanden?”

Ein Chor aus Stimmen antwortete ihm, alle hatten eine andere Tiefe und einen anderen Klang.

„Verstanden.”

„Verstanden.”

„Verstanden.”

Luke hockte sich auf eine niedrige Bank im Personenraum. Er spürte das bekannte Rinnsal von Angst, Adrenalin, Anspannung. Er hatte direkt nach dem Abflug eine Dexedrin geschluckt und sie begann zu wirken. Plötzlich fühlte er sich aufmerksamer und wachsamer als zuvor.

Er kannte die Wirkungen des Arzneimittels. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Seine Pupillen weiteten sich, ließen mehr Licht hinein und verbesserten seine Sicht. Sein Gehör wurde schärfer. Er hatte mehr Energie, mehr Ausdauer und konnte für lange Zeit wach bleiben.

Lukes Männer lehnten sich auf ihren Bänken nach vorn, ihre Augen auf ihn gerichtet. Seine Gedanken waren viel schneller, als er sie aussprechen konnte.

„Kinder”, sagte er. „Achtet auf sie. Wir wissen, dass es Frauen und Kinder in dem Lager gibt, einige sind Familienmitglieder des Zielobjektes. Wir schießen heute Nacht nicht auf Frauen und Kinder. Verstanden?”

„Verstanden.”

„Verstanden.”

Das war etwas Unumgängliches bei diesen Einsätzen. Das Zielobjekt lebte immer zwischen Frauen und Kindern. Die Einsätze fanden immer in der Nacht statt. Es gab immer Verwirrung. Kinder taten oft unvorhersehbare Dinge. Luke hatte gesehen, wie Männer zögerten Kinder zu töten und dann den Preis dafür bezahlten, da diese Kinder anschließend plötzlich Soldaten waren, die nicht zögerten, zu töten. Um die Dinge dann noch schlimmer zu machen, töteten ihre Teamkollegen dann die Kindsoldaten zehn Sekunden zu spät.

Menschen starben im Krieg. Sie starben plötzlich und oft aus den verrücktesten Gründen -weil sie beispielsweise keine Kinder töten wollten, die eine Minute später dann dennoch starben.

„Trotz allem, sterbt heute Nacht nicht. Und lasst eure Brüder nicht sterben.”

Der Helikopter flog weiter, raste durch die tosende Dunkelheit. Lukes Körper wankte und federte mit dem Helikopter. Draußen wirbelten Staub und Sand um sie. In ein paar Momenten wären auch sie da draußen.

„Sollten wir die im Schlaf überraschen, dann wird es vielleicht ganz einfach. Die erwarten uns sicher nicht heute Nacht. Ich will, dass wir da in zehn Minuten reinkommen und uns das Ziel aneignen, damit wir binnen fünfzehn Minuten wieder abfliegen können.”

Der Helikopter trudelte und buckelte. Er kämpfte darum, in der Luft zu bleiben.

Luke hielt inne und atmete durch.

„Zögert nicht! Ergreift die Initiative und behaltet sie. Drängt und drängt nach vorn. Jagt ihnen Angst ein. Handelt instinktiv.”

Und das, nachdem er ihnen gerade gesagt hatte, dass sie auf Kinder achten sollten. Er widersprach sich selbst. Er musste sich an das Protokoll halten, doch es fiel ihm schwer. Eine dunkle Nacht, ein verrückter Sandsturm, ein Helikopter war schon abgestürzt, bevor die Mission überhaupt begonnen hatte, und ein befehlshabender Offizier, der nicht umdrehen wollte.