Traumprinz nicht gesucht und doch gefunden

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Traumprinz nicht gesucht und doch gefunden
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

1. Kapitel







2. Kapitel







3. Kapitel







4. Kapitel







5. Kapitel







6. Kapitel







7. Kapitel







8. Kapitel







9. Kapitel







10. Kapitel







11. Kapitel







12. Kapitel







13. Kapitel







14. Kapitel







15. Kapitel







16. Kapitel







17. Kapitel







18. Kapitel







19. Kapitel







20. Kapitel







Nachwort







Leseprobe aus Patchwork mit Herz








Traumprinz nicht gesucht und doch gefunden







Von Isabella Lovegood











Über die Autorin:





Isabella Lovegood ist das Pseudonym einer österreichischen Autorin, die seit Juli 2016 mit ihrem Mann auf Mallorca lebt.



Ihr Spezialgebiet sind sinnlich-erotische Romane. Sie handeln von Liebe, Lust und Zärtlichkeit, und sehr oft von Menschen mit Lebenserfahrung, die sich trotz allem die Hoffnung bewahrt haben oder wieder für sich entdecken.



Ihre Wohlfühlromane sind geprägt von prickelnder Erotik und der tiefen Sehnsucht nach harmonischen, liebevollen Beziehungen.




Copyright © 2021 Isabella Lovegood



Alle Rechte vorbehalten.

 Nachdruck, auch auszugsweise, nur

 mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Jede Weitergabe, Kopie oder sonstige Vervielfältigung verletzt das Urheberrecht und fügt der Autorin finanziellen Schaden zu.



www.Isabella-Lovegood.at


feedback@isabella-lovegood.

at



Korrektorat: Lisa Diletta



Covergestaltung: Ingrid Fuchs



Cover-Fotos:

 ©adrenalinapura - stock.adobe.com

 Weitere grafische Elemente Canva.com



Dieser Roman enthält liebevoll-erotische Szenen.

 Die Personen und Handlungen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig und ungewollt.





1. Kapitel



Mario betrachtete prüfend das Regal über den beiden Wickeltischen. Er hatte den Auftrag bekommen, alles aufzufüllen, was die Säuglingsschwestern brauchten, um die Neugeborenen zu versorgen. Windeln, Wundpuder und Nabelbinden, sterile Tupfer ... Alles lag in ausreichender Menge an seinem Platz.



Schwester Sigrid steckte den Kopf zur Tür herein. »Fertig? Die Visite kommt gleich!«



Mario nickte, doch bevor er den Raum verließ, ging er noch, wie immer, an den Bettchen entlang. Die winzigen Menschlein faszinierten ihn. Nirgends fühlte er sich dem ›Wunderwerk Mensch‹ näher als hier und das bestätigte ihm, dass er die richtige Berufswahl getroffen hatte, auch wenn der Weg dahin noch weit war.



Schneller als erwartet näherten sich Stimmen, dann betrat auch schon die Visite den Raum, allen voran Herr Universitätsprofessor Dr. med. Georg Willnauer, der ärztliche Leiter der Kinderwunsch- und Gebärklinik, in der Mario während des Sommers ein freiwilliges sechswöchiges Praktikum absolvierte. Der grauhaarige Arzt streifte ihn mit einem flüchtigen Blick, bevor er sich an Stationsschwester Verena wandte, um die aktuellen Fälle zu besprechen. Mario hielt sich dezent im Hintergrund und bemühte sich, nicht aufzufallen, während er die Ohren spitzte, um kein Wort zu verpassen, das über die kleinen Patienten gewechselt wurde.



Er bewunderte, wie ruhig der erfahrene Arzt sich mit dem Kinderarzt austauschte und sein Wissen mit den Schwestern und Assistenzärzten teilte. Warm breitete sich die Genugtuung darüber aus, wie gut er den medizinischen Fachgesprächen folgen konnte.



Die Visite kam an ihr Ende.



»Noch Fragen?« Doktor Willnauer wandte sich an den gesamten Trupp, der ihn begleitete. Niemand meldete sich und der Arzt nickte befriedigt. »Wenn Sie bitte vorausgehen? Ich komme gleich nach.« Alle drängten zur Tür hinaus. Mario hatte nicht erwartet, dass er ihn überhaupt richtig zur Kenntnis genommen hatte. Deshalb überraschte es ihn, als der Professor ihn nun ansprach. »Herr Fischer, nicht wahr?«



Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg, während er nickte und nähertrat. Würde er nun auch noch vom obersten Chef persönlich einen Rüffel für sein eigenmächtiges Handeln vor ein paar Tagen erhalten?



»Es freut mich, zu sehen, dass es dem kleinen Manuel gut geht.«



»Mich auch«, entschlüpfte Mario und sein Blick schwenkte automatisch zu dem Säugling im mittleren der fünf Bettchen. »Ich habe ganz instinktiv reagiert, auch wenn das gegen ...«, setzte er an, um sich zu verteidigen, doch der Professor stoppte seinen Redefluss.



»Sie haben sich vorbildlich verhalten und ich bedaure, dass Sie deshalb gerügt wurden.«



Mario blieb beinahe die Luft weg.



»Ihr beherztes und verantwortungsvolles Eingreifen hat möglicherweise ein Menschenleben gerettet oder zumindest, soweit wir das zum jetzigen Zeitpunkt feststellen können, Spätfolgen verhindert. Es war absolut richtig, sofort mit der Reanimation zu beginnen, nachdem Sie auf den Rufknopf gedrückt hatten. Es wäre wertvolle Zeit vergangen, bis jemand vom Pflegepersonal oder ein Arzt kam.« Er nickte ihm wohlwollend zu. »Ich habe mir Ihre Personalakte angesehen. Sie haben sich drei Mal um eine Praktikumsstelle bei uns beworben, bis Sie angenommen wurden. Das nenne ich hartnäckig. Und warum als Pflegekraft, obwohl Sie Medizin studieren?«



Mario musste sich zusammennehmen, um nicht nervös an seiner Kleidung zu zupfen. Ein persönliches Gespräch mit seinem großen Vorbild war mehr, als er zu hoffen gewagt hatte.



»Ich will den Klinikbetrieb auch von dieser Seite kennenlernen, weil ich der Meinung bin, dass es wichtig ist, die Abläufe und Problematiken zu kennen.«



»Guter Ansatz. Sie haben also vor, später in einer Klinik zu arbeiten?«



»Ja, das strebe ich an. Am liebsten in einer Spezialklinik wie dieser hier. Deshalb war ich auch so hartnäckig«, wiederholte er den Begriff, den der Arzt vorhin verwendet hatte.



»Wie weit sind Sie schon mit dem Studium?«



»Ich hoffe, in zwei Jahren fertig zu sein.«



»Bewerben Sie sich zeitgerecht bei mir. Gute, engagierte Assistenzärzte kann ich immer gebrauchen.« Der Professor nickte ihm zu und wandte sich zum Gehen, doch an der Tür drehte er sich noch einmal um. »Hätten Sie Lust, an der täglichen Visite teilzunehmen?«



Mario strahlte. »Selbstverständlich! Das wäre unheimlich interessant!«



Doktor Willnauer lächelte über seinen Eifer. »Ich regle das mit Schwester Verena.«



Als sich die Tür hinter ihm schloss, blieb Mario einen Moment regungslos stehen, dann fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht. Der Professor war tatsächlich so wie sein Ruf: nicht nur eine fachliche Kapazität, sondern auch menschlich.





Als er am Abend mit seinen Freunden darüber sprach, strahlte Sonja vor Stolz über das ganze Gesicht.



»Das ist toll! Ja, so ist mein Papa!« Sie beugte sich vor und drückte spontan Marios Arm. »So ein Zufall, dass du dich ausgerechnet in der Klinik meines Vaters beworben hattest.« Ihre Hand auf seiner Haut löste ein Kribbeln aus, das auch nicht aufhörte, als sie sie längst wieder zurückgezogen hatte.



»Vor allem, weil das ja schon lange war, bevor wir dich überhaupt kennengelernt hatten«, ergänzte Carolin, ihre beste Freundin und Mitbewohnerin. Sie war vor drei Monaten in die Wohnung neben Mario und Oliver eingezogen, Sonja kurze Zeit später.



»Ich bewundere ihn sehr«, gab Mario zu. »Seine Fachartikel und Publikationen habe ich alle verschlungen.«



»Ja, er ist sehr angesehen. Deshalb gibt es lange Wartelisten für die Patientinnen. Er überlegt schon eine Weile, die Klinik um einen Anbau zu erweitern, aber ...« Sie schlug die Hand vor den Mund. »Ups, das hätte ich gar nicht ausplaudern dürfen. Vergesst das ganz schnell wieder, okay?« Hektisch strich sie über das Fell der dreifarbigen Katze, die zusammengerollt auf ihrem Schoss schlief. Kitty streckte sich und drehte sich auf den Rücken, um sich den Bauch kraulen zu lassen. Ihr Bruder Tiger sprang vom Sofa und setzte sich vor Sonja hin. »Du kannst doch nicht schon wieder hungrig sein?«

 



»Das ist bei ihm ein Dauerzustand«, lachte Oliver.



»Aber er sieht auch schon deutlich rundlicher aus als vor zwei Wochen, als wir ihn aus dem Tierheim holten«, lobte Carolin den kleinen Kater. »Komm, du Süßer, ich geb dir etwas in deinen Napf, damit du bald groß und stark wirst!«



Als sie sich wieder zu ihren Freunden gesetzt hatte, fragte Mario: »Wie geht es dir? Bist du noch immer so erledigt?«



Sie schüttelte den Kopf. »Nein, langsam gewöhne ich mich daran. Ich nutze die Mittagspause jetzt bewusst zum Entspannen, und bin dann auch noch bei den letzten Patienten des Tages fit.« Bis vor Kurzem hatte sie nur halbtags als Assistentin eines Tierarztes gearbeitet. Obwohl sie ihren Job liebte, war ihr die Umstellung anfangs schwergefallen, nach einer zweistündigen Pause auch noch am Nachmittag in der Praxis zu stehen.



»Für mich ist es ungewohnt, nach der Arbeit in eine leere Wohnung zu kommen«, merkte Sonja an.



»Vor allem, weil niemand da ist, der dich bekocht, nehme ich an«, neckte Carolin. Ihre Freundin widersprach nicht.



»Ja, das auch. Jetzt wird mir erst bewusst, wie sehr ich verwöhnt wurde. Aber ich bin ja bereits dabei, das zu ändern.« Sie griff hinter sich auf das Board. »Seht mal. Meine neue Bibel.«



»Lecker und schnell. Kochen für Anfänger«, las Oliver den Titel laut vor. »Das klingt gut. Schon etwas ausprobiert?«



»Ja, einiges. Die Pasta mit Thunfisch und Gemüse war echt lecker, oder?«, wandte sie sich Beifall heischend an Carolin.



»Sag jetzt ja nichts Falsches«, warnte Mario sie zwinkernd.



»Es war wirklich gut, da brauche ich gar nichts zu beschönigen. Und außerdem sehr angenehm, mich nach einem langen Tag nur noch an den Tisch zu setzen.« Sie lächelte ihrer Freundin zu. »Du bist eine tolle Mitbewohnerin!«



»Du könntest es dir doch mal ausleihen«, schlug Mario seinem Freund vor, der interessiert in dem Kochbuch blätterte. »Ich hätte auch nichts dagegen, wenn du mal den Küchendienst übernehmen würdest.«



»Oh, echt?«, fragte Oliver überrascht zurück. »Du hast noch nie was gesagt. Oder doch, und ich habe es ignoriert?«



»Du bist bisher allem, was nur irgendwie mit dem Kochen zu tun hat, so vehement ausgewichen, dass ich es mir verkniffen habe. Ich koche ja gerne, aber gerade jetzt, wenn ich in der Klinik den ganzen Tag auf den Beinen bin, wäre es schon fein, wenn du das mal übernehmen würdest.«



Die beiden Frauen verfolgten das Gespräch amüsiert. »Ihr klingt wie ein altes Ehepaar.« Sonja grinste.



»Immerhin leben wir schon seit fünf Jahren gemeinsam hier und es passt gut. Wir haben Arbeitsteilung. Ich putze, er kocht«, meinte Oliver zufrieden. »Wir sind ja ohnehin fast jeden Abend zu Hause.«



»Das kenne ich von meinem Bruder ganz anders«, stellte Sonja fest, der schon aufgefallen war, dass Mario das Studium sehr viel ernster nahm. Fast immer hatte er ein Fachbuch in Reichweite.



»Ich will so schnell wie möglich fertig werden. Es dauert mir ohnehin schon fast zu lange.«



»Obwohl du wahnsinnig fleißig bist und fast jede Prüfung beim ersten Mal schaffst«, stellte Oliver anerkennend fest. »Das muss dir erst einmal jemand nachmachen!«



Spontan legte Sonja ihre Hand auf seine Schulter und drückte sie leicht. »Ich finde es toll, dass du so ehrgeizig bist! Ich konnte mich gleich gar nicht aufraffen, zur Uni zu gehen, und Tom hängt schon ewig in seinem Maschinenbau-Studium herum und es ist kein Ende in Sicht. Papa wird langsam ungeduldig.«



Mario konnte ihren Worten beinahe nicht folgen, so sehr lenkten ihn die Gefühle ab, die ihre Hand bei ihm hervorrief. Seine Konzentration wanderte zu den wenigen Quadratzentimetern, wo ihre Wärme durch sein Shirt drang, und beinahe hätte er vor Wohlgefühl die Augen geschlossen. Dann fing er sich wieder und beugte sich nach vorne, um nach seinem Glas zu greifen. Dabei verloren sie den Kontakt und gleichzeitig fand er auch seinen Verstand wieder. Er richtete die Aufmerksamkeit darauf, wie der fruchtige Rotwein durch seine Kehle rann. ›Nur nichts anmerken lassen‹, hämmerte es in seinem Kopf, während sich auch eine gewisse untere Körperregion langsam wieder entspannte, die sich spontan mit Blut gefüllt hatte. Obwohl es ihm beinahe Angst machte, wie heftig er auf ihre Nähe reagierte, konnte er sich nicht dazu überwinden, mehr Distanz zwischen sich und Sonja zu bringen. Wenigstens diese von ihrer Seite ganz unbefangenen Kontakte durfte er heimlich genießen, auch wenn es ein bittersüßes Gefühl war, das schon an Masochismus grenzte. Was half es, von einer Frau zu träumen, die unerreichbar war? Mario zwang sich dazu, wieder dem Gespräch der anderen zu folgen, das sich mittlerweile um Carolins Auto drehte. Der alte Kombi machte beim Bremsen seltsame Geräusche und Oliver bestand darauf, damit in die Werkstatt seines Vaters zu fahren.



»Es wäre leichtsinnig, damit zu warten. Bis du wieder Geld auf dem Konto hast, ist vielleicht noch mehr kaputt oder du hast sogar einen Unfall. Ich strecke dir das Geld für Ersatzteile vor, wenn du welche brauchst. Papa soll sich den Wagen ansehen, damit ich wieder ruhig schlafen kann.«



Obwohl es ihr unangenehm war, von Oliver Geld anzunehmen, sah Carolin doch ein, dass er recht hatte. »Okay, danke. Soll ich mitkommen, oder willst du lieber allein fahren?«



»Du kannst gerne dabei sein. Papa freut sich, dich zu sehen, und ich werde mit ihm vereinbaren, dass wir erst nach den Öffnungszeiten kommen.«



»Das ist eine gute Idee. Dann begleite ich dich gerne!« Sie lächelte erleichtert.



Keiner von beiden hatte Lust, Olivers älterem Halbbruder zu begegnen, der ebenfalls in der Werkstatt arbeitete. Kevin kannte keine Skrupel und hatte ihm einmal die Freundin ausgespannt. Auch Carolin hatte er bereits angebaggert. Auf eine Wiederholung konnten sie gerne verzichten.



»Was macht ihr am Wochenende?«, wechselte Sonja das Thema. »Ich wette, etwas Interessanteres als ich.«



»Wir werden einfach nur ausspannen. Und du?«, erkundigte sich Carolin.



»Ich muss heim zu meinen Eltern. Mama hat für Samstagabend mal wieder eine ihrer berühmt-berüchtigten Cocktailpartys angesetzt. Eine stinklangweilige Angelegenheit, bei der Tom und ich Anwesenheitspflicht haben. Ich wette, sie hat wieder potenzielle Heiratskandidaten für uns eingeladen.« Sie verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen, während es Mario einen Stich gab.



»Ich bin am Sonntag bei meinen Eltern zum Mittagessen eingeladen«, berichtete er. Oliver nickte.



»Ja, genau, da leihst du dir ja mein Auto.« Die Freunde nickten sich zu. »Dann werden wir wohl den Sonntag zu Hause verbringen.« Er küsste Carolin zärtlich auf den Hals und es war allen klar, was er mit ihr vorhatte.





2. Kapitel



Sonja strich sich die offenen Haare hinter die Ohren und straffte den Rücken, nachdem sie aus ihrem kleinen roten Smart gestiegen war. Ihr graute vor dem Nachmittag und dem darauffolgenden Abend. Während ihre Mutter bei solchen Cocktailpartys in ihrem Element war und sie in vollen Zügen genoss, fehlte ihr dieses Gen offenbar. Leider hatte sie auch nicht die Geduld, die ihr Vater und ihr Bruder bei solchen Gelegenheiten an den Tag legten. Es war ihr schlichtweg zuwider, mit Leuten, die sie nicht kannte und mit denen sie nichts verband, Small Talk zu betreiben. Es gab vieles, was sie lieber getan hätte: Mit Carolin und ihren Nachbarn ins Kino zu gehen, wäre ganz oben auf der Liste gestanden, aber auch andere Tätigkeiten hätte sie diesem gesellschaftlichen Ereignis vorgezogen. Schmunzelnd fragte sie sich, was ihre Mutter dazu sagen würde, wenn sie wüsste, dass sie lieber im Tierheim die Katzenklos putzen würde, in dem sie ehrenamtlich arbeitete, als hier die Rolle der wohlerzogenen Tochter aus gutem Hause einzunehmen. Sie hätte selbst niemals für möglich gehalten, wie viel Befriedigung es ihr verschaffte, die Tiere zu versorgen, ihnen ein paar Streicheleinheiten zukommen zu lassen und dem hoffnungslos überlasteten Personal zur Hand zu gehen. Die Hunde mochte sie, aber die vielen heimatlosen, oft verängstigten, verwahrlosten oder einfach nach Liebe hungernden Katzen hatten es ihr besonders angetan. Am liebsten hätte sie alle mit nach Hause genommen, aber Tiger und Kitty betrachteten die kleine Wohnung, in der sie seit Kurzem mit Carolin lebte, als ihr Revier und hätten mit weiteren Mitbewohnern vermutlich wenig Freude.



Während sie die Stufen zur Eingangstür hochstieg, überlegte sie, wie viele hilfsbedürftige Vierbeiner in der riesigen Villa und dem parkähnlichen Garten ihrer Eltern Platz hätten. An Geld für Futter und tierärztliche Versorgung würde es ebenfalls nicht mangeln, aber Sonja war sicher, dass sie ihrer Mutter damit nicht zu kommen brauchte.



Sie durchquerte die Eingangshalle. Der Boden war frisch poliert und glänzte noch mehr als sonst. Unwillkürlich lächelte sie.



»Hallo! Du bist ja überraschend gut gelaunt«, sprach ihr Bruder sie an, der soeben aus dem Salon kam, wie ihre Mutter das riesige Wohnzimmer manchmal halb im Scherz nannte.



Sonja zog als Antwort eine Grimasse. »Hey! Nicht wirklich. Mir ist nur gerade eingefallen, wie cool das war, als wir auf Strümpfen durch den Raum geschlittert sind, wenn Mama nicht daheim war.«



Nun grinste auch er. »Ja, das war lustig. Erinnerst du dich daran, dass du einmal gegen eine Stehlampe gestoßen bist und sie umfiel? Der Keramikfuß ist in unzählige Teile zerbrochen.«



Sie verdrehte die Augen. »Oh Gott, war das ein Theater!«



»Papa war so glücklich, als das scheußliche Ding kaputt ging.«



»Ist nicht wahr!«



»Doch, Ehrenwort!« Er legte die Finger der rechten Hand auf sein Herz.



»Dann habe ich also ein gutes Werk getan«, stellte sie lachend fest und schüttelte den Kopf. »Manchmal wünschte ich, noch das unbeschwerte Kind von früher zu sein. Bis zu einem gewissen Grad hatten wir doch Narrenfreiheit. Das ist jetzt vorbei.«



Eine aufgeregte weibliche Stimme näherte sich und Sonja bemühte sich, das Gesicht nicht so unwillig zu verziehen, wie ihr zumute war. Die zehn nächsten Stunden war Maske angesagt.



»Wie schön, dass du pünktlich bist«, begrüßte ihre Mutter sie wohlwollend. »Bist du hungrig? Gaby hat bestimmt einen Happen für dich.«



»Nein, danke. Wenn du mich nicht für die Vorbereitungen brauchst, werde ich zuallererst meinen Kleiderschrank inspizieren, damit ich das perfekte Outfit für heute Abend finde.«



»Mach das, Liebes. Ich habe hier alles unter Kontrolle.« Sie machte eine elegante, alles umfassende Handbewegung. Früher, als Kind, hatte Sonja vor dem Spiegel diese grazilen Bewegungen ihrer Mutter nachzuahmen versucht, doch sie hatte immer das Gefühl gehabt, ein kleiner Tollpatsch zu sein. Besonders, wenn durch ihr ungestümes Verhalten mal wieder etwas zu Bruch ging. Während sie in den ersten Stock hinaufging, fiel ihr die Stehlampe wieder ein. Ihr Papa war viel bodenständiger und sie war sicher, dass er sich ganz anders einrichten würde, als ihre Mutter das tat. Doch auch wenn er in der Klinik der hochgeachtete und allgemein respektierte ärztliche Leiter war, zu Hause hatte sie das Sagen. Doch erst in letzter Zeit, seit sie an Oliver dasselbe Verhalten Carolin gegenüber beobachtete, war ihr klar geworden, dass sich ihr Vater nicht aus Schwäche, sondern aus Liebe zu seiner Frau so verhielt. Ihre beste Freundin vor Glück leuchten zu sehen, verstärkte ihre Sehnsucht, selbst so ein liebevolles Gegenstück zu finden. Sie war sicher, dass es nichts brachte, danach zu suchen, sondern dass es sie wie ein Blitz treffen würde, wenn ihr Mr. Right endlich vor ihr stand. Bisher war das allerdings noch nie passiert.



In ihrem Zimmer ließ sich Sonja mit dem Rücken auf ihr Bett fallen und blieb dort ein paar Minuten liegen, während sie an die Decke starrte. Seit sie nicht mehr hier wohnte, fiel es ihr noch schwerer, in ihre Rolle zu schlüpfen. Es fühlte sich an, als müsste sie sich in eine zu eng gewordene Hülle zwängen. Seufzend trat sie in ihren begehbaren Kleiderschrank. Ein Bewegungsmelder schaltete das Licht ein, das den kleinen Raum gut ausleuchtete. ›Was habe ich denn bei der letzten Hausparty getragen? Ich darf auf keinen Fall zweimal hintereinander das Gleiche anziehen! War es das dunkelblaue oder das moosgrüne Kleid?‹, überlegte sie. Ein anderes aus dunkelrotem Satin sprang ihr förmlich in die Hand. Ihr fiel ein, dass ihre Mutter dieses Kleid an ihr liebte, und obwohl sie selbst die Farbe nicht ganz so sehr mochte, beschloss Sonja, dass es die richtige Wahl sein würde. Fast eine Stunde war sie damit beschäftigt, ihre glatten, seidigen Haare hochzustecken, die sich immer wieder selbstständig machten. Sie schminkte sich dezent, aber sehr sorgfältig, wie ihre Mutter das von ihr erwartete. Auch wenn sie sich in der Pubertät heftige Kämpfe mit ihr geliefert hatte, wäre ihr nicht im Traum eingefallen, sie bei einem solchen Fest zu blamieren.

 





Drei Stunden später war die Abendveranstaltung in vollem Gange. Fünfundzwanzig bis dreißig elegant gekleidete Menschen verschiedenen Alters standen in Grüppchen zusammen, einige wenige hatten sich auf der Wohnlandschaft niedergelassen. An einer Seite des Raumes war ein Buffet mit feinen Häppchen aufgebaut.



»Das Catering hat sich diesmal selbst übertroffen«, stellte Tom zufrieden fest und schob sich den Rest eines Brötchens mit Fischmousse in den Mund, das mit einem Blättchen Petersilie und rotem Kaviar garniert war. Sonja nickte. Sie kaute gerade genüsslich an einer raffiniert gewürzten Garnele.



»Ganz hervorragend«, bestätigte Matthias, der neben ihr stand. »Wie immer, wenn eure Eltern ein Fest geben. Und die Villa ist einfach ein Traum. So elegant!« Er lächelte Sonja an. »So wie du! Absolut perfekt!«



Sie verdrehte innerlich die Augen. Sie kannten sich von Kindheit an, weil ihre Väter gemeinsam die Klinik gegründet hatten. Ihr Vater war der ärztliche Leiter, Herr Magister Fankhauser kümmerte sich um die wirtschaftlichen Belange. Irgendwann hatte ihre Mutter angedeutet, dass sie eine Verbindung der beiden Familien befürworten würde. Das war allerdings schon mehr als zehn Jahre her, also zu einer Zeit, als Sonja noch ein Teenager gewesen war und Matthias gerade angefangen hatte zu studieren. Mittlerweile hatte er den dritten Wechsel der Studienrichtung und seinen dreißigsten Geburtstag hinter sich. Von ihrem Bruder wusste sie, dass er sich lieber in den Studentenkneipen der Grazer Innenstadt und bei seiner Burschenschaft herumtrieb, als in den Hörsälen der Uni.



»Wie gefällt dir Betriebswirtschaft?«, fragte sie ihn mehr aus Höflichkeit als aus ehrlichem Interesse. Schließlich wurde von ihr erwartet, sich um die Gäste zu kümmern.



»Trocken«, stellte Matthias fest und verzog missmutig die schön geschwungenen Lippen. »Aber immer noch besser als Jura und die ganzen anderen Sachen, die ich ausprobiert habe.«



»Viel Auswahl hast du ja nicht mehr«, ätzte Tom. »Vor allem, wenn dir dein alter Herr wie angedroht den Geldhahn zudreht.«



Matthias warf ihm einen strafenden Blick zu. »Du brauchst das aber nicht an die große Glocke zu hängen.«



Sonja verbiss sich ein Grinsen. Ein wenig peinlich schien es ihm ja doch zu sein.



»Ich ziehe das jetzt durch und dann steige ich auch in die Klinik ein. Dann werden wir Kollegen und können uns jeden Tag sehen«, wandte er sich mit einem aalglatten Lächeln an sie. Ihre Freude darüber hielt sich in Grenzen, doch das zeigte sie ihm nicht.



»Ja, mach mal. Das dauert ja noch ein paar Jahre«, erwiderte sie stattdessen. »Ich sehe nach, was es noch zu futtern gibt.« Das Catering war tatsächlich hervorragend. Es hatte sich eindeutig gelohnt, das Unternehmen zu wechseln. Am Buffet begegnete sie ihrem Vater, der gerade überlegte, was er nehmen sollte.



»Hallo, Liebes, amüsierst du dich gut?«, fragte er sie mit einem verständnisvollen Zwinkern. Er mochte diese Art von Veranstaltung ebenso wenig wie sie, nahm es jedoch als Begleiterscheinung seines Jobs gelassen hin. Er hatte ihr einmal verraten, dass er viel lieber ein Picknick an einem See machen würde oder Würstchen am Lagerfeuer grillen, als diese steifen Partys zu veranstalten. Manchmal fragte sie sich, wie sich ihre Eltern überhaupt ineinander verlieben konnten, so verschieden erschienen sie ihr.



»Geht so«, antwortete sie lächelnd. »Matthias versucht mal wieder, mit mir zu flirten. Manche Dinge ändern sich nie.«



»Das ist kein Wunder. Du bist eben eine wunderhübsche, kluge junge Frau.« Solche Worte ließ sie nur ihrem Vater ohne Augenrollen durchgehen. Eigentlich taten sie auch gut, aber das würde sie niemals zugeben. »Ich möchte dir gerne Samuel Hirschnigg und seine Familie vorstellen.« Der Name war ihr bereits geläufig. Ihr Vater und Doktor Hirschnigg waren schon eine ganze Weile in Kontakt und mittlerweile wohl so etwas wie befreundet. Der Kärntner Kollege hatte ihn um Rat gefragt, weil er in dem benachbarten Bundesland eine ähnliche Klinik aufbauen wollte wie ihr Vater hier. Es war typisch für ihn, dass er in Doktor Hirschnigg keinen Konkurrenten sah, den es zu bekämpfen galt, sondern ihn bereitwillig mit seinem Know-how unterstützte. Sie schlenderten zu dem Trüppchen hinüber, das sich gerade mit ihrer Mutter unterhielt. Sonja stellte ihren Teller mit den Häppchen auf dem kleinen Stehtisch ab und wandte sich der Familie zu, die aus einem Paar Anfang Fünfzig und einem jungen Mann bestand, der sie sichtlich bewundernd anlächelte. Während der Arzt bereits graue Strähnen in seinem dunkelblonden Haar hatte, und zwar sympathisch, aber etwas farblos wirkte, hatten Frau und Sohn schwarzes Haar, einen etwas dunkleren, südländisch anmutenden Teint und waren unbestreitbar attraktiv.



»Hallo, Sonja, wir freuen uns sehr, Sie persönlich kennenzulernen«, ergriff die Frau das Wort und reichte ihr die Hand. Sie war ebenso zierlich und zartgliedrig wie Sonja und ihr Händedruck angenehm energisch. »Ich bin Carina. Mein Mann Samuel und unser Sohn Jonas«, stellte sie mit einem offenen Lächeln vor. Zu dem leichten Kärntner Dialekt mischte sich noch ein zarter Akzent, der ihre Sprechweise sehr charmant wirken ließ. Nacheinander schüttelte sie jedem die Hand.



»Ich freue mich auch! Mein Vater hat schon viel von Ihnen erzählt!« Auch auf den zweiten Blick war Jonas ein hübscher Junge, allerdings vermutete Sonja, dass er mindestens fünf Jahre jünger war als sie. Die nächsten Worte Herrn Doktor Hirschniggs bestätigten das. »Jonas ist soeben mit der Schule fertig geworden und wird hier in Graz mit dem Medizinstudium anfangen. Vielleicht könnten Sie und Ihr Bruder ihn ein wenig unter Ihre Fittiche nehmen, damit er hier nicht so allein ist?«



Dem jungen Mann war das sichtlich peinlich und er lief leicht rot an, was aber durch seinen gebräunten Teint fast nicht auffiel.



»Sonja hat bestimmt etwas Besseres zu tun, als für mich den Babysitter zu spielen«, stieß er an seinen Vater gewandt hervor.



»Ich kann dir gerne Graz ein wenig zeigen. Auf der Uni kenne ich mich leider selbst nicht aus, aber ich habe einen Freund, der ebenfalls Medizin studiert. Vielleicht kannst du dich ja an ihn wenden.« Sie lächelte ihn aufmunternd an.



»Danke, aber ich will dir nicht zur Last fallen«, wehrte er ab, obwohl seine Augen etwas anderes sagten. Den schwärmerischen Ausdruck kannte sie nur zu gut und sie würde aufpassen, dass er nicht die falschen Schlüsse aus ihrer Freundlichkeit zog.



»Unsere Tochter Laura ist in Ihrem Alter. Sie steht dort drüben!« Carina Hirschnigg deutete zu einer jungen Frau hinüber, die nun bei Matthias und Tom stand. Sie warf ihr langes, schwarzes Haar mit einer graziösen Geste über die Schulter zurück, als sie über etwas lachte. Sonja kannte ihren Bruder und seiner Miene nach zu schließen, buhlten er und Matthias bereits um ihre Gunst. Sie verbiss sich ein Grinsen.



»Julian, unser Ältester, ist diesmal in Villach geblieben. Er arbeitet seit Kurzem im Landeskrankenhaus als Gynäkologe. Wenn unsere Klinik läuft, wird er miteinsteigen.« Der väterliche Stolz war nicht zu überhören und ein wenig schlechtes Gewissen erfasste Sonja, dass sie und ihr Bruder den eigenen Vater diesbezüglich enttäuscht hatten.



»Noch einen Schluck Champagner?«, bot ihre Mutter nun an und machte sich bei dem Mädchen vom Partyservice mit einer wohldosierten Handbewegung bemerkbar, die gerade mit einer gut gekühlten Flasche vorbeiging. Sie genoss ihre Rolle als Gastgeberin sichtlich und Sonja fragte sich, ob sie diese natürliche Eleganz ihrer Mutter jemals erreichen würde. Andererseits hatte sie auch wenig Ambitionen, einen Haushalt zu führen, in dem das nötig war. Unwillkürlich sehnte sie sich nach der kleinen, schnuckeligen Wohnung, in der sie nun mit ihrer besten Freundin lebte. Da ging es wesentlich ungezwungener und gemütlicher zu und die beiden Jungs aus der Nachbarwohnung waren zwar keine Rüpel, aber auch nicht so überkandidelt wie Matthias. Ein kleines Lächeln hob ihre Mundwinkel, als sie sich daran erinnerte, wie sie am Vormittag gemeinsam mit Carolin und Mario Cupcakes gebacken hatte. Obwohl sie dabei eine Menge Spaß gehabt hatten, konnte sich das Ergebnis sehen lassen.



»Trotzdem wäre es nett, wenn Sie ein Auge auf