Die betriebliche Führungsorganisation

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Die betriebliche Führungsorganisation
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Horst-Joachim Rahn

DIE BETRIEBLICHE FÜHRUNGSORGANISATION

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2017

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Vorwort

Die betriebliche Führungsorganisation ist einerseits als ein System und andererseits als Tätigkeit zu interpretieren. Sie ist als System ein wesentlicher Bestandteil der gesamten Unternehmensorganisation und der Corporate Governance. Die Führungsorganisation grenzt sich von der Ausführungsorganisation ab, welche die Aufgaben der Nichtführungskräfte betrifft, bezieht sich hinsichtlich der Systeminterpretation im weiteren Sinne auf die Einordnung bzw. Gestaltung aller Instanzen eines Unternehmens und wird dabei aus institutionaler Perspektive bzw. aus funktionaler Sicht gesehen. Um den Text möglichst verständlich zu gestalten, erfolgte die Aufbereitung der Inhalte unter lernpsychologischen Gesichtspunkten mit dem Ziel, den Lesern eine schnelle und leichte Aufnahme des Stoffes zu ermöglichen. Das Buch besteht aus folgenden Kapiteln: Im ersten Kapitel werden die Grundlagen der Führungsorganisation erklärt. Dabei wird vor allem auf die Corporate Governance – d. h. auf die Unternehmensverfassung – eingegangen. Außerdem werden die Unternehmensführung und die Arten der Führungsorganisation vorgestellt. Im zweiten Kapitel geht es um die Vorgehensweise bei der Gestaltung der Führungsorganisation. Nach den vorbereitenden Tätigkeiten wird das Vorgehen bei der Instanzenbildung besprochen. Außerdem wird dargestellt, welche Organisationseinheiten daraufhin erfasst werden und wie die Aufbauordnung bzw. die Tätigkeitsarten zu gestalten sind. Dann werden die Aufgabenträger zugeordnet und die Instanzen mit Kompetenzen und Verantwortung ausgestattet. Nach der Klärung der Informationswege werden die Organisationseinheiten mit den entsprechenden Verbindungen zu einem Gesamtsystem zusammengefügt. Am Ende wird die neue Führungsorganisation im Unternehmen eingeführt. Dabei geht es um den Abschlussbericht, die Präsentation des neuen Systems, die Umsetzung der Führungsorganisation, die Dokumentation und die Aufgaben des Controlling.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit jenen psychologischen Aspekten, die bei der Einführung einer neuen Aufbauorganisation von den Organisatoren zu beachten sind, z. B. Rücksicht auf die Betroffenen nehmen, Widerstände ernst nehmen und psychologisch geschickt die Akzeptanz des neuen Systems bei den Führungskräften zu erwirken versuchen.

Das vierte Kapitel stellt die Möglichkeiten der betrieblichen Spitzenorganisation in Deutschland vor, insbesondere in der Aktiengesellschaft und im Konzern. Im fünften Kapitel geht es um die Aufgaben und die Organisation der Unternehmensleitung im Unternehmen. Hier werden Prinzipienmodelle, Ressortmodelle und das Sprechermodell vorgestellt. Das sechste Kapitel enthält Erläuterungen zu den Formen der Bereichs- und Gruppenorganisation im großen Industrieunternehmen. Hier geht es vor allem um den Material-, Produktions-, Marketing-, Personal-,Finanz- und Informationsbereich bzw. um das betriebliche Rechnungswesen.

Das siebte Kapitel beschäftigt sich zunächst intensiv mit den Formen der klassischen Gesamtorganisation, z. B. Sektoral-, Funktional-, Sparten-, Matrix- und Tensororganisation. Von den daraus abgeleiteten Formen werden die Center-Organisation und die Holding-Organisation besprochen.

Als Hauptzielgruppen für dieses Buch kommen sowohl interessierte Leser an Fachhochschulen, Universitäten, Akademien als auch Praktiker, Lernende an Kammern, Volkshochschulen und Interessierte der den Gewerkschaften nahe stehenden Bildungsinstituten in Frage.

Grünstadt, im März 2017

Horst-Joachim Rahn

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

1. Grundlagen der Führungsorganisation

1.1 Corporate Governance

1.2 Unternehmensführung und Führungsorganisation

1.3 Arten der Führungsorganisation

2. Gestaltung der Führungsorganisation

2.1 Vorbereitende Tätigkeiten

2.1.1 Analyse der Führungsorganisation

2.1.2 Planung der Führungsorganisation

2.2 Gestaltung der Instanzen

2.3 Erfassung der Organisationseinheiten

2.4 Festlegung der Aufbauordnung

2.4.1 Zentralisation

2.4.2 Dezentralisation

2.5 Klärung der Tätigkeitsarten

2.5.1 Zeitbezogene Tätigkeiten

2.5.2 Aufgabenbezogene Tätigkeiten

2.6 Zuordnung der Aufgabenträger

2.6.1 Bezeichnung der Aufgabenträger

2.6.2 Qualifikation der Aufgabenträger

2.7 Ausstattung mit Kompetenzen und Verantwortung

2.7.1 Aufgabe

2.7.2 Kompetenz

2.7.3 Verantwortung

2.8 Bestimmung der Informationswege

2.9 Erfassung der gesamten Führungsorganisation

2.10 Einführung der Führungsorganisation

2.10.1 Abschlussbericht über die Führungsorganisation

2.10.2 Präsentation der Führungsorganisation

2.10.3 Umsetzung der Führungsorganisation

2.10.4 Dokumentation der Führungsorganisation

 

2.10.5 Controlling der Führungsorganisation

3. Psychologische Aspekte der Führungsorganisation

3.1 Rücksicht nehmen

3.2 Widerstände ernst nehmen

3.3 Akzeptanz erwirken

4. Spitzenorganisation in Deutschland

4.1 Grundlagen der Spitzenorganisation

4.2 Spitzenorganisation in der Aktiengesellschaft

4.3 Spitzenorganisation im Konzern

5. Aufgaben und Organisation der Unternehmensleitung

5.1 Aufgaben der Unternehmensleitung

5.1.1 Gründungsentscheidungen

5.1.2 Entwicklungsentscheidungen

5.1.3 Krisenentscheidungen

5.2 Organisation der Unternehmensleitung

5.2.1 Prinzipienmodelle

5.2.2 Ressortmodelle

5.2.3 Sprechermodell

6. Formen der Bereichs- und Gruppenorganisation

6.1 Materialbereich

6.2 Produktionsbereich

6.3 Marketingbereich

6.4 Personalbereich

6.5 Finanzbereich

6.6 Rechnungswesen

6.7 Informationsbereich

7. Gesamtorganisation des Unternehmens

7.1 Einflussfaktoren der Gesamtorganisation

7.2 Klassische Organisationsformen

7.2.1 Sektoralorganisation

7.2.2 Funktionalorganisation

7.2.3 Spartenorganisation

7.2.4 Matrixorganisation

7.2.5 Tensororganisation

7.3 Abgeleitete Organisationsformen

7.3.1 Center- Organisation

7.3.2 Holding-Organisation

7.4 Organisationsformen nach Branchen

7.4.1 Handelsunternehmen

7.4.2 Bankunternehmen

7.4.3 Versicherungsunternehmen

7.4.4 Verkehrsunternehmen

7.4.5 Industrieunternehmen

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Über den Autor

Endnoten

1. Grundlagen der Führungsorganisation

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Führungsorganisation großer Unternehmen in einer sich wandelnden Umwelt hat eine lange Tradition. Besondere Impulse für eine intensive Beschäftigung mit alternativen Strukturformen gingen in den späten 60er und frühen 70er Jahren von einer Reorganisationswelle in deutschen Unternehmen aus, die mit zeitlicher Verzögerung Vorbildern aus der US-amerikanischen Organisationspraxis folgten.1 Bis heute haben Betrachtungen zur Führungsorganisation keinesfalls an Aktualität verloren.

Die betriebliche Führungsorganisation ist einerseits als ein aufbaubezogenes System und andererseits als Tätigkeit zu interpretieren.2 Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der gesamten Unternehmensorganisation und der Corporate Governance. Die Führungsorganisation bezieht sich hinsichtlich der Systeminterpretation im weiteren Sinne auf die Einordnung und Gestaltung aller Instanzen eines Unternehmens und wird dabei aus institutionaler Perspektive bzw. aus funktionaler Sicht gesehen.3 Der Begriff der Führungsorganisation ist dabei weiter als der Begriff Aufbauorganisation4, weil er beispielsweise auch die Instanzen der Spitzenorganisation (z. B. Aufsichtsrat, Hauptversammlung, Betriebsrat) enthält. Nicht zur Führungsorganisation zählt die Ausführungsorganisation mit den Stellen an der Basis des Unternehmens.

1.1 Corporate Governance

Der Begriff Corporate Governance bezeichnet den Ordnungsrahmen (Regeln, Werte und Grundsätze) für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens.5 Diese Regelungen konstituieren damit zugleich auch die zentralen Rahmenbedingungen der Führungsorganisation. Der Gegenstand der Führungsorganisation lässt sich mit der Organisation der Unternehmensleitung und deren Beziehungen zu anderen Unternehmensorganen (Spitzenorganisation) sowie zu den – dem Top-Management nachgelagerten – Bereichen (Leitungsorganisation) umreißen.6 Der Terminus Corporate Governance lässt sich nicht ohne weiteres wörtlich übersetzen, hat aber Schnittmengen zu dem deutschen Begriff Unternehmensverfassung7, der aber durch die Festlegung von Entscheidungsrechten verschiedener Akteure und Interessengruppen primär die Binnenordnung des Unternehmens betrifft. Corporate Governance bezieht darüber hinaus aber auch Fragen der Einbindung des Unternehmens in sein Umfeld ein, beispielsweise den Kapitalmarkt. Dabei sind zu unterscheiden:

• Die Innensicht der Corporate Governance, wo es um die Rollen, Kompetenzen und Funktionsweisen sowie um das Zusammenwirken der Unternehmensorgane, wie z. B. Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung geht.

• Die Außensicht der Corporate Governance, die sich auf die Beziehungen der Unternehmensleitung zu den verschiedenen Interessengruppen (Stakeholder) bezieht, wobei insbesondere den Anteilseignern (Shareholdern) Bedeutung zukommt.

Regelungen zur Corporate Governance haben grundsätzlich die Aufgabe, durch geeignete rechtliche und faktische Arrangements aus Verfügungsrechten und Anreizsystemen die Spielräume und Motivationen der Akteure für opportunistisches Verhalten einzuschränken. Diese Akteure können versuchen, die Unvollständigkeit von Verträgen zu ihren Gunsten und zu Lasten der Betriebswirtschaften auszunutzen. Das Ganze hat zum Ziel, möglichst günstige Bedingungen für eine produktive Wertschöpfung und faire Wertverteilung zu schaffen. Dabei sind folgende Gestaltungsfelder von Bedeutung:8

• Die Regelungen zu Festlegung übergeordneter Zielsetzungen des Unternehmens, wo u.a. darüber zu entscheiden ist, ob im Rahmen der Unternehmensführung die Aktionärsinteressen in den Vordergrund gestellt oder auch die Belange anderer Interessengruppen über die rechtlichen Regelungen hinaus berücksichtigt werden.

• Regelungen für die Unternehmensführung, mit denen die Unternehmensziele erreicht werden sollen, beispielsweise Regelung einer offenen Diskussionskultur zwischen Leitungs- und Überwachungsorganen sowie Standards für die Anforderungen an die Qualifikation und die Vergütung des Vorstands bzw. Aufsichtsrats.

• Regelungen zur Festlegung der Strukturen, Prozesse und Personen zur Unternehmensführung sowie zur Bestandsaufnahme und kontinuierlichen Verbesserung von Modalitäten der Unternehmensführung, beispielsweise die Empfehlung an den Aufsichtsrat, die Effizienz seiner Tätigkeit regelmäßig zu überprüfen.

• Klare Regelungen zur Kommunikation9 im Unternehmen, d.h. durch Schaffung von mehr Transparenz das Vertrauen in das Unternehmen und die notwendige Unterstützung der verschiedenen Anspruchsgruppen auf Dauer zu gewinnen.

 

Damit hat die Corporate Governance das vorrangige Anliegen, zur effizienten Unternehmensführung einen entsprechenden Ordnungsrahmen zu schaffen, um damit betriebliche Schwierigkeiten bzw. ernsthafte Unternehmenskrisen zu vermeiden.

1.2 Unternehmensführung und Führungsorganisation

Unter der strukturbezogenen Unternehmensführung10 ist die Steuerung, Gestaltung und Entwicklung der gesamten Organisation11 eines Unternehmens zu verstehen.12 Dabei hat die Unternehmensleitung zu entscheiden und durchzusetzen, welche Organisationsstruktur das System Unternehmen haben soll und wie dieses zu gestalten ist. Ohne effiziente Organisationsstruktur funktioniert kein Unternehmen. Die organisatorische Führungsstruktur zeigt sich in den Ebenen des Managements, beispielsweise im Top Management (Unternehmensleitung), Middle Management (Bereichsleitung) und im Lower Management (Gruppenleitung). Im weiteren Sinne umfasst die institutionsbezogene Führungsorganisation die Unternehmensleitungs-Organisation bzw. die Bereichs- und Gruppenorganisation, die sich in den verschiedenen Organisationsformen zeigen. Zur Führungsorganisation zählt auch die Spitzenorganisation eines Unternehmen [Symbol: ----- Unternehmensleitung (z. B. Vorstand), außerdem nicht angezeigt: Aufsichtsrat, Hauptversammlung]. Im engeren Sinne betrifft die Führungsorganisation nur die Organisation der Unternehmensleitung. Die Führungsorganisation reicht bis zur letzten Führungsebene13 und ergibt sich aus folgender Darstellung (Abb. 1):14

Abb. 1: Führungsorganisation eines Unternehmens

Wenn alle Instanzen eines Unternehmens in strukturierter Form vorliegen, dann lässt sich die Führungsorganisation nach Ebenen gliedern in: 15

• Die Gesamtorganisation mit allen Stellen einschließlich der Organisation der Unternehmensleitung. Hier werden Unternehmer oder Top Manager aktiv, z. B. Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer.

• Die Bereichsorganisation als Aufbauorganisation. Auf dieser Ebene wirken Middle Manager, z. B. Materialbereichs-, Produktions- und Marketingleiter als Bereichsleiter.

• Die Gruppenorganisation als Aufbauorganisation. Hier agieren Lower Manager, z. B. Meister, Büroleiter und andere Gruppenleiter.

Dieser ebenenorientierte Ansatz der Unternehmensführung16 ist Ausdruck der strukturbezogenen Dimensionen des Managements (strategische, taktische und operative Führung) eines Unternehmens. Führungskräfte erledigen auf der jeweiligen Unternehmensebene ihre Führungsaufgaben. Wie grenzt sich die Führungsorganisation von anderen Organisationsbegriffen ab?

• Die gesamte Organisation eines Unternehmens besteht als System aus der Führungsorganisation und der Ausführungsorganisation. Die Führungsorganisation grenzt sich damit von der Ausführungsebene17 ab, welche die Entscheidungen der Führungskräfte umzusetzen hat. Hier erledigen Arbeiter und Angestellte ihre Ausführungsaufgaben.

• Die Führungsorganisation unterscheidet sich von der Personalorganisation.18 Sie lässt sich ebenfalls unter System- und unter Tätigkeitsaspekten diskutieren. Sie ist zunächst eine strukturbezogene Funktion des Personalwesens, die im weiteren Sinne ein dauerhaftes arbeitsteiliges System von allen betrieblichen Stellen bzw. deren Stelleninhabern (Personal mit Namen pro Stelle) und deren Verbindungen zueinander umfasst. Im engeren Sinne ist es ein System, welche insbesondere die Personalabteilung betrifft. 19

• Die Führungspsychologie analysiert die Führungsorganisation vorrangig unter psychologischen Aspekten. Das gilt sowohl für die Führungsorganisation als System als auch für die Tätigkeit des Organisierens der Instanzen des Unternehmens.

1.3 Arten der Führungsorganisation

In jedem Unternehmen bestehen zwei Führungssysteme, nämlich einerseits ein bewusst gestaltetes, zweckgerichtetes Organisationssystem und anderseits ein unbewusst gebildetes System.20 Als Arten der Führungsorganisation sind also die formelle und die informelle Führungsorganisation zu unterscheiden.

Die formelle Führungsorganisation ist als Aufbausystem die bewusst geschaffene und rational gestaltete Struktur zur Erfüllung unternehmerischer Zielsetzungen.21 Bei ihr steht die geplante Aufgabenstellung im Vordergrund, und die Rangordnung der Instanzen wird von außen vorgegeben. In Unternehmen kann es folgende Teilnehmer der formellen Führungsorganisation geben:

• Unternehmensleiter, z. B. Unternehmer oder Vorstand in einer Aktiengesellschaft (Top Management)

• Hauptabteilungsleiter, z. B. Marketingdirektor in einem Großunternehmen (Middle Management)

• Abteilungsleiter, z. B. Verkaufsleiter in einem Industrieunternehmen (Middle Management)

• Gruppenleiter, z. B. Meister in einem Fertigungsunternehmen (Lower Management)

Aus der formellen Organisation ergeben sich die betrieblichen Unter- und Überordnungsverhältnisse22 bzw. die Befugnisse und Verantwortungsbereiche. Sie schlagen sich im Organigramm des Unternehmens nieder. Die Gestaltung der formellen Organisation ist ein Problem der Aufbau- bzw. Projektorganisation.

• Die informelle Führungsorganisation gilt als ein soziales System, das durch persönliche Wünsche, Ziele, Sympathien, Antipathien und Verhaltensweisen der Führungskräfte geprägt ist. Sie bildet sich nach menschlichen Gesichtspunkten spontan bzw. ungeplant heraus und hat positive und negative Auswirkungen.23 Die informelle Führungsorganisation hat ihre Ursache in der Bildung informeller Gruppen24, die durch gleiche Interessen, räumliche Gemeinsamkeiten bzw. gemeinsame soziale Merkmale entstehen, z. B. Alter, Beruf, Geschlecht. Das Phänomen der informellen Beziehungen und die Existenz informeller Gruppen wurde erstmals im Rahmen der Hawthorne-Studien nachgewiesen.25 Die Rangordnung kommt aus den Sympathiebeziehungen zu Stande. Als Teilnehmer der informellen Organisation gelten:

• Informelle Führer, z. B. eine beliebte Führungskraft in einer Führungsgruppe des Unternehmens.

• Teilnehmer, die beliebt sind, z. B. Führungskräfte als Frohnaturen und ausgleichende Menschen

• Außenseiter, der als Führungskräfte im Unternehmen unbeliebt ist. Hier spielt oft Mobbing eine Rolle.

Nicht nur bei Außenseitern kann es zu Mobbing kommen (engl. to mob = bedrängen, anpöbeln). Dieser Begriff wurde von dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz geprägt. Mobbing beschreibt negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind und sehr oft bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg vorkommen.26 Mittlerweile sind viele Begriffe und Ursachen für das Phänomen des Psychoterrors im Unternehmen bekannt, z. B. Bullying (engl. to bully = schikanieren, einschüchtern) und Bossing (engl. to boss = kommandieren durch den Chef).27 Das bloße Erkennen von Ursachen des Mobbing reicht aber nicht aus. Für das Individuum stellt sich vielmehr die Frage, was es selbst tun kann.28

Mobbing bezieht sich auf ein Verhaltensmuster, d.h. die Handlungen wiederholen sich beständiger Form. Das Verhalten kann verbaler (z. B. durch beschimpfen) oder nonverbaler (z. B. Vorenthalten von Informationen) bzw. physischer Art sein, z. B. durch körperliche Gewalt. Oft sind ungleiche Machtverhältnisse der Auslöser von Mobbing, allerdings ist dazu kein Rangunterschied nötig, sondern es reicht aus, wenn viele Personen gegen einen Menschen sind. Auf Grund der ungleichen Machtverhältnisse hat das Opfer Probleme, sich zu verteidigen.29 Somit hat Mobbing für den Betroffenen sehr weitreichende Folgen für seine Gesundheit und seine Berufs- und Privatsituation. Gegen Mobbing gibt es kein Allheilmittel. Nicht wenige Mobbingopfer sehen als Ausweg die eigene Kündigung. Das Opfer sollte dem Täter frühzeitig deutlich machen, dass es so nicht weitergehen kann. Unterstützung kann sich der Betroffene auch beim Betriebsrat des Unternehmens holen. Im Falle einer Gerichtsverhandlung kann ein genau geführtes Tagebuch (Situation, Tag und Uhrzeit, Arztbesuche) des Betroffenen zur Beweissicherung dienen.

Als zentrale Maßnahme der im Unternehmen für das Betriebsklima Verantwortlichen ist eine Führungsorganisation notwendig, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit garantiert. Dazu sind auch Maßnahmen der Aufklärung über Mobbing nötig, z. B. in einer Betriebsvereinbarung. Auch Selbsthilfegruppen und medizinische Maßnahmen sind zur Unterstützung geeignet.