Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet

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Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet
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Das Buch

Wie wird der Mensch glücklich? Wie kann seine Glückssuche zugleich den engen Rahmen eines zerstörerischen Egoismus sprengen? Kann das individuelle Streben nach Glück vielleicht sogar dazu beitragen, einige der drängendsten Probleme der Gegenwart zu lösen?

Eine unterhaltsame, spannende und lehrreiche Reise führt den Leser unter anderem zu jahrtausendealten Weisheitslehrern, verschiedensten Philosophen, Theologen und auch modernen Psychologen, Verhaltensforschern und Neurologen. Dort werden interessante Antworten aufgespürt und so präsentiert, dass sie auch im Alltag gut anwendbar sind.

Der Autor

Der Autor Holger Wohlfahrt studierte Politologie, Geschichte, Amerikanistik und Wirtschaftswissenschaften an der LMU München, der Sorbonne in Paris und der Fernuni Hagen. Er war unter anderem als Stadtführer, Entwicklungshelfer, Radiokommentator, Stammzellenkurier oder zuletzt als Angestellter einer Marketing- und Consultingfirma tätig. Privat engagiert er sich für Amnesty International und den Münchner Verein Christophorus Hospiz e.V. Er ist glücklich verheiratet und wird mit seiner Frau demnächst ins schöne Schliersee in Oberbayern ziehen. Bisher sind von ihm erschienen: „Die Vereinbarkeit des Unvereinbaren“. Christliche Bibel und Koran: Vergleich der politischen Inhalte und ihrer Deutungen (2017); Die Anfänge der Filmindustrie in Deutschland: Ein analytischer Vergleich der Filmstädte München und Berlin (2017) und Der politische Gehalt des Neuen Testaments: Eine Analyse (2010). Auch für Webmagazine wie Konstantin Weckers „Hinter den Schlagzeilen“ steuert er immer wieder Artikel bei.

Holger Wohlfahrt

Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet

Wegweiser zum Glück


Inhaltsverzeichnis

Umschlag

Das Buch / Der Autor

Titel

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Noch ein Glücksbuch

Was genau ist eigentlich Glück?

Warum es nicht nur einen Weg zum Glück gibt

Wegweiser zum Glück

I. Die Notwendigkeit eines Lebenssinns

Oder: Das Glück des Sisyphos

II. Das Glück der Generativität

Oder: Von der Unsterblichkeit des Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

III. Die Kraft des Glaubens

Oder: Wie Hiob wieder glücklich wurde

VI. Meditation als Grundlage eines guten Lebens

Oder: Die Erleuchtung des Buddha

V. Das Glück der freiwilligen Selbstbeschränkung

Oder: Candide findet sein wahres Paradies

VI. Positiv Denken

Oder: Wie Hans zum Glück fand

VII. Engagement für andere tut nicht nur anderen gut

Oder: Sophie Scholl als Vorbild

VIII. Das große Glück der Liebe

Oder: Parzival bricht den Bann

IX. Großzügigkeit und die Kettenreaktion des Guten

Oder: Wie Nikolaus zugleich glücklich und heilig wurde

X. Humor und die Fähigkeit des Lachens

Oder: Hermes und das göttliche Lachen

XI. Die Harmonie von Körper und Geist

Oder: Die Ketten des Eisernen Heinrich zerspringen

XII. Dinge um ihrer selbst willen tun

Oder:Heinrich Böll erzählt eine Geschichte

Das Ende des Weges

Dank

Quellen und Literatur

Fußnoten

Impressum

Einleitung
Noch ein Glücksbuch

Der antike Philosoph Seneca (etwa 1-65 n.Chr.) schrieb im ersten nachchristlichen Jahrhundert: „Ein Leben im Glück […] wünschen sich wohl alle, ebenso tappen aber auch alle im Dunkeln, wenn es darum geht, sich die Voraussetzungen für ein echtes Lebensglück deutlich vor Augen zu stellen.“

Knapp 2000 Jahre später ist die Suche nach diesen Voraussetzungen weit fortgeschritten. Inzwischen lassen sich ganze Bibliotheken mit Abhandlungen zum Thema Glück und seinen Voraussetzungen füllen. Allein der deutschsprachige Buchmarkt bietet hierzu rund 3000 Bücher an. Die Suchmaschine Google zeigt fast 140 Millionen Einträge zum Wort „Glück“. Zahlreiche akademische Disziplinen von der Theologie über die Philosophie und Psychologie bis hin zur Neurologie befassen sich genauso wie die Esoterik aus je unterschiedlichen Perspektiven unter anderem auch mit dem menschlichen Glück. Dass die Menschheit deswegen glücklicher geworden ist, lässt sich jedoch nicht ernsthaft behaupten.

Im Gegenteil: Die Zahl der an Depressionen erkrankten Menschen nimmt rasant zu. Ein Grund dafür mag sein, dass heutzutage die Diagnose Depression schlichtweg schneller gestellt wird. Doch nicht nur im groß angelegten historischen Vergleich, sondern auch in jüngster Vergangenheit, in der sich die definierten Krankheitsbilder und die Diagnosemethoden nicht groß verändert haben dürften, nahmen die Depressionserkrankungen weltweit zu.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass Depressionen bis zum Jahr 2030 in den Industrieländern sogar der häufigste Grund für Tod und chronische Behinderung sein werden – noch vor Herzerkrankungen und Verkehrsunfällen. In Deutschland erkranken aktuell jährlich 5,3 Millionen Menschen an Depressionen. Damit ist die Zahl in den letzten zehn Jahren bereits um 70 Prozent gestiegen. Statistisch betrachtet, nimmt sich jede Stunde ein Mensch das Leben.

Natürlich ist das Krankheitsbild der Depression komplex. Eine klinische Depression lässt sich wohl nicht allein durch einen veränderten Lebensstil behandeln. Die neuesten Erkenntnisse der Glücksforschung können hier meist wenig ausrichten. Momente des Glücks kann der Depressive oft gar nicht mehr empfinden. Es hilft also nichts, sie krampfhaft erzeugen zu wollen. Der Kampf gegen die Depression ist daher etwas anderes als ein alltägliches Glücksstreben.

Dennoch lässt sich womöglich prophylaktisch gegen das gesellschaftliche Abdriften in kollektive Depressionszustände vorgehen. Zumindest für den Umgang mit depressiven Verstimmungen kann es hilfreich sein, mehr glücksstiftende Elemente in das Alltagsleben zu integrieren. Depressive Verstimmungen gelten anders als klinische Depressionen nicht als Krankheit, sondern als Symptom.

Die Korrelation zwischen Lebensumständen und depressiven Verstimmungen als deren Symptom ist angesichts der skizzierten WHO-Statistiken offensichtlich. Irgendetwas an den Entwicklungen der hochindustrialisierten Welt scheint dem Glücksempfinden nicht zuträglich zu sein. Vielleicht hat man sich trotz oder vielleicht auch wegen der intensiven Suche und Forschung sogar weiter denn je von den „Voraussetzungen für echtes Lebensglück“ entfernt.

Vielleicht hat man bei der Suche einen falschen Weg gewählt. Bereits Seneca machte auf diese Gefahr aufmerksam: „Hat man nämlich den Weg einmal verfehlt, kann man sich sogar vom Ziel entfernen, und zwar umso weiter, je hastiger man sich ihm nähern will.“ Rennen wir bei unserer Glückssuche in die falsche Richtung?

Oder wenden wir all das gewonnene Wissen nur nicht an? Ergötzen wir uns im Passiven an den Erkenntnissen, aber sind zu behäbig, zu faul oder zu sehr auf anderes fokussiert, um sie in den Alltag zu integrieren? Verhält es sich vielleicht wie bei sehr wohlhabenden Menschen, die Kunst und Schmuck kaufen, um sie dann in geheimen Tresoren zu lagern? Zu wertvoll sind ihre Schätze, um sie gut sichtbar in den eigenen vier Wänden aufzuhängen oder am eigenen Körper zu tragen. Sie könnten gestohlen werden. Und so verkümmern die Kunstwerke im Dunkeln. Sie werden umfunktioniert zu hochwertigen Notgroschen für schlechte Zeiten. Doch oft ist es zu spät, wenn die schlechten Zeiten erst einmal da sind. Plötzlich findet sich kein Käufer oder der Gegenstand hat einen großen Teil seines Werts verloren. Schon manch einer bereute, sich in den guten Zeiten nicht einfach ohne jede Sorge an dem Glanz seiner Schätze erfreut zu haben. So ähnlich könnte es sich mit all den Weisheitslehren und all den Erkenntnissen der Glücksforschung verhalten. Die wohlhabenden Menschen der westlichen Welt wissen um ihre Existenz, tragen sie aber bestenfalls als leere Zitate mit sich herum. Wirklich angewendet wird jenes passive Wissen nicht. Es wird aufgespart für die schlechten Zeiten, für die wahrhaften Krisen. Doch oft ist es dann zu spät. Per Knopfdruck wirkt keine Lehre der Welt. Man hat es versäumt, sie rechtzeitig einzuüben und zum selbstverständlichen Teil seiner selbst zu machen.

 

Lehren und Strategien, die mögliche Wege zu einem glücklichen Leben aufzeigen, sind jedenfalls zahlreich vorhanden und jedem zugänglich. Obwohl die moderne Neurowissenschaft in immer kürzeren Zyklen neue Detailkenntnisse zur chemischen Zusammensetzung des Gehirns und seiner Strukturen liefert, scheint im Bereich der Glücksforschung selten wirklich bahnbrechend Neues entdeckt zu werden. Zu intensiv und lang ist die Auseinandersetzung mit dem Thema. Und so stellen auch vorgeblich neue Erkenntnisse meist nur eine andere Interpretation, maximal die in Nuancen veränderte Herangehensweise, manchmal auch nur den biochemischen Beweis für eine alte Lehre dar.

Zu Recht stellt sich somit vielleicht die Frage, warum es überhaupt noch ein Buch zum Thema Glück braucht. Großartige neue Erkenntnisse oder gar Forschungsergebnisse – so viel sei vorab gerne verraten – kann auch dieses Buch tatsächlich nicht liefern. Es kann lediglich die Mahnung Senecas aufgreifen und versuchen, die richtige Richtung zu weisen. Es soll verhindern, dass der Einzelne ohne klar umrissene Landkarte, sondern nur basierend auf unzuverlässigen Wegbeschreibungen, dem individuellen Glück entgegenhastet und dabei womöglich eine vollkommen falsche Richtung einschlägt.

Vor allem wird aber berücksichtigt, dass auch ein individualistisches Glücksstreben nicht losgelöst von der den Menschen umgebenden Umwelt funktionieren kann. Die meisten der heutigen Ratgeber und Glücksbücher sprechen nur den einzelnen Menschen an. Dieser soll sich rücksichtslos verwirklichen. Oft wird übersehen, dass die Handlungsweise jedes Einzelnen Einfluss auf dessen Umgebung hat, die wiederum rückkoppelnd wirkt. Gerade die individualistische Verwirklichung kann oft eine gesamtgesellschaftliche Bedrohung darstellen.

Ein Buch, das sich wahrhaft mit dem Glück für den Einzelnen befasst, muss daher auch stets die Welt als Ganze im Blick haben. Gerade angesichts zahlloser gravierender Probleme, wie etwa der ins Ungleichgewicht geratenen Natur, die über Jahrhunderte gnadenlos ausgebeutet wurde und sich langsam zu rächen beginnt, muss ein Buch zum Thema Glück auch über die individualistische Perspektive hinausreichen.

Schon der chinesische Weise Konfuzius (551-479 v.Chr.) hatte darauf hingewiesen, dass innere und äußere Harmonie in Einklang stehen müssen. War der Mensch nicht in Harmonie mit sich, konnte er auch nicht in Harmonie mit der ihn umgebenden Welt sein. Sein Handeln drohte dann selbstsüchtig, unharmonisch und schlecht zu werden. Doch Konfuzius warnte, dass die Welt zurückschlagen würde. Daher reagierte er bei „plötzlichem Donnerschlag oder starkem Wind“ zeitlebens besorgt. In der westlichen Neuzeit wurde dieser Aspekt der konfuzianischen Lehre als voraufklärerischer Schwachsinn abgetan. Doch Konfuziusʼ Aberglaube beginnt, sich zu bewahrheiten. Die Natur macht sich tatsächlich immer öfter und immer bedrohlicher bemerkbar. Sie schlägt zurück. Die Wetterextreme nehmen zu, die Erderwärmung lässt die Pole schmelzen und droht ganze Landstriche zu überschwemmen. Die Tektonik der Welt droht aus den Fugen zu geraten. Massive Fluchtbewegungen und Kriege um Lebensraum und Lebensmittel fangen langsam an, Realität zu werden.

Ziel des vorliegenden Buches ist es daher, Wege zu einem individuellen Glück zu weisen, das zugleich die Grundlage für eine veränderte Lebenswelt darstellen kann – eine Lebenswelt, die sich nicht selbst auszurotten droht und deren Glück daher wahrhaft und nachhaltig erscheint.

Was genau ist eigentlich Glück?

Das Wort „Glück“ leitet sich vom mittelhochdeutschen „gelücke/lücke“ ab, womit man einst ausdrückte, dass etwas „gut endet“.

Meist verbergen sich hinter einzelnen Worten aber mehrere Bedeutungen. Der römische Universalgelehrte Marcus Terentius Varro (116 v.Chr.-27 v.Chr.) hat für die lateinische Übersetzung des Wortes „Glück“ denn auch 289 gültige Definitionen aufgeführt. Zu dieser Liste ließen sich heute sicher noch zahlreiche weitere hinzufügen.

Hier sollen drei Bedeutungen berücksichtigt werden, die zugleich als Oberbegriffe für viele der mitunter sehr abstrakten und feinteiligen Glücks-Definitionen betrachtet werden können.

Schicksalsglück

Zunächst ist da das Glück des Zufalls, das Schicksalsglück: Äußere Umstände, die Menschen in eine für sie vorteilhafte Situation versetzen. Unerwartetes, Unverhofftes, oft auch Unwahrscheinliches, das einfach so passiert und für Freude sorgt. Da das Glück des Zufalls immer Wahrscheinlichkeiten sprengt, lässt es sich rational nicht fassen. Der menschliche Verstand versucht meist dennoch, selbst für die absonderlichsten Glücksfälle, Erklärungen zu finden. Eine besonders originelle, wenn aus heutiger Sicht auch befremdliche Erklärung für das Glück Einzelner, begegnete im antiken Rom. Man ging dort davon aus, dass Fortuna, die Glücksgöttin, manipulierbar sei. Sie sei als Frau von besonders männlichem Auftreten angetan. Die Männlichkeit zeichne sich durch tapferes, wagemutiges und kühnes Handeln aus. Wer also nach römischer Vorstellung möglichst „mannhaft“ auftrat (das galt auch für Frauen), ließ Fortuna dahinschmelzen. Ihre Wohlgesonnenheit war die logische Folge. Wer sich also wagemutig und tapfer in kühne Abenteuer schmiss, dem war die Glücksgöttin hold.

In eine ähnliche Richtung dachte auch noch der Philosoph Niccolò Machiavelli (1469–1527) in der Renaissance-Zeit. Bei ihm wird allerdings nicht um Fortuna geworben. Sie wird rücksichtslos erobert. Aus heutiger Sicht ist Machiavellis Wortwahl in ihrer Brutalität erschreckend. So schreibt er in seinem einflussreichen Werk „Der Fürst“: „Gerade hier [wenn es um die Erzwingung des Glücks geht] aber meine ich, dass es besser sei, ungestüm als vorsichtig zu sein, denn Fortuna ist ein Weib, und wer es bezwingen will, muss es schlagen und stoßen; und man sieht, dass es sich leichter von diesen besiegen lässt, als von solchen, die kaltblütig zu Werke gehen. Darum ist es, wie ein Weib, auch den Jünglingen gewogen, weil diese weniger bedächtig und gewalttätiger sind und ihm dreister befehlen.“

Machiavelli dürfte seine brutalen Worte vor allem metaphorisch gemeint haben. Er drückt damit einen Sachverhalt aus, der sich dem Anschein nach oft bewahrheitet. Wer mutig und kompromisslos voranschreitet, wird belohnt. Das Glück scheint den Mutigen besonders oft zu begünstigen. Die Erklärung dafür ist heute jedoch eine andere: Wer mutig ist, wagt bisweilen auch Dinge, die den Rahmen des Gewohnten und Normalen sprengen. Damit stiftet er Verwirrung, schafft neue Situationen und Konstellationen und überrascht seine Umgebung. So kann z.B. der Trainer einer Sportmannschaft, die als Außenseiter äußerst mutig mit fünf Angreifern auftritt, den favorisierten Gegner verwirren. Dieser fühlt sich überrumpelt, verliert seine Souveränität für einen Augenblick und macht tatsächlich Fehler, die schwer erklärbar sind und unter normalen Umständen wohl nicht passiert wären. Trotz aller Unterlegenheit gelingt dem Außenseiter vielleicht ein Erfolg, der in seiner vermeintlichen Unerklärbarkeit dann oft als „glücklich“ eingestuft wird.

Zudem ist der Mutige, so er denn wahrhaft handelt, davon überzeugt, dass sein Handeln gut und erfolgreich enden wird. Andernfalls würde er es wohl von vornherein unterlassen. Diese tiefe Überzeugung lässt manchmal auch unmögliche Dinge möglich werden. Glaube kann bekanntlich Berge versetzen - besonders der Glaube an die eigene Tatkraft. Man spricht in der Soziologie und Psychologie in dem Zusammenhang auch von „selbsterfüllender Prophezeiung“.

Vielleicht ist die seit der Antike verbreitete Annahme, dass mutige Menschen besonders oft vom Glück begünstigt werden, aber auch nur ein Phänomen der Wahrnehmung. Wer mutig voranschreitet, ist wohl meist ein positiv denkender, von einem tiefen Urvertrauen beseelter und von sich selbst überzeugter Zeitgenosse. Anders als ein nervöser Zögerer und Zauderer, der womöglich dazu neigt, überall Gefahr, Bedrohung und Unglück zu suchen und dann auch zu finden, sieht er in den Dingen zunächst das Machbare, die Chancen und auch das Gute. Selbst gelegentliche Niederlagen und Rückschläge werfen ihn nicht aus der Bahn, er definiert sie kurzerhand zu Erfolgen um oder nimmt sie als Anlass, etwas Neues zu wagen – so lange, bis ihm das Glück tatsächlich gewogen ist. Vielleicht erscheint es daher nur so, als ob der Wagemutige mehr äußeres Glück hätte als der Zauderer.

Neben dem Glauben, dass Fortuna vor allem Mut belohnt, gibt es die sprichwörtliche Annahme, dass der Tüchtige vom Glück begünstigt wird. Doch es stellt sich die Frage, ob es wirklich Glück ist, das der Tüchtige hat. Wer sich umfassend und tüchtig vorbereitet, erhöht schlichtweg die Chance, dass er mit dem, was er tut, Erfolg haben wird. Auch hier erscheint nur von außen als „glücklich“, was in Wahrheit Lohn fleißiger Arbeit oder vorausschauenden Handelns ist.

Auch wenn einiges, was vordergründig als glücklicher Zufall erscheint, ansatzweise erklärbar ist: Um Naturgesetze handelt es sich bei all dem natürlich nicht. Oft werden derartige Erklärungen auch erst im Rückblick bemüht, um einem unwahrscheinlichen Geschehen eine inhärente Logik zu geben und das menschliche, stets um Lösungen und Erklärungen bemühte Gehirn zu befriedigen. Eine Widerholbarkeit ist aber nicht gewährleistet. Im Gegenteil: Wie ein bekanntes Sprichwort sagt, kommen oft genug gerade die Mutigen irgendwann in der Gefahr um. Und oft genug wird auch großer Fleiß nicht belohnt.

Glück in seiner Form als unberechenbares Schicksal lässt sich eben gerade nicht berechnen und daher auch nicht erzwingen. Sobald es einen wiederholbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gibt, der Erfolg verspricht, ist eben kein Glück mehr im Spiel. Sobald etwas unabhängig vom Schicksal durch eigenes Tun erreicht oder erzwungen wird, handelt es sich nicht mehr um Glück.

Gerade wer sich voller Fleiß um ein großes Ziel bemüht, sollte sich diesen Sachverhalt klar machen. Andernfalls dürfte die Enttäuschung im Fall des Scheiterns noch größer sein. Fleiß verspricht kein Glück. Mit Fleiß lässt sich lediglich die Wahrscheinlichkeit minimieren, dass man auf Unvorbereitetes trifft und für den Erfolg vor allem das Schicksalsglück benötigt. Doch auch der fleißigste Mensch der Welt kann Pech haben und daher erfolglos bleiben.

Da das schicksalhafte Glück also nicht erklärbar, nicht berechenbar und auch nicht erzwingbar ist, macht es keinen Sinn, sich weiter mit ihm zu befassen. Ob es Teil eines höheren, eines vielleicht göttlichen Plans ist oder tatsächlich nur eine beliebige Spielart des sich willkürlich vollziehenden Weltenlaufs, wird wahrscheinlich nie allgemeingültig zu beantworten sein.

Tatsache jedoch ist, dass das äußere Glück schlicht und ergreifend nicht beeinflussbar ist. Beeinflussbar ist allerdings der Umgang mit ihm. Daher kann auch das Schicksalsglück großen Einfluss auf die beiden anderen Formen des Glücks haben, um die es in dem Buch vorrangig gehen soll.

Glück als Wohlfühlmoment

Wer sich als glücklich bezeichnet, meint in der Regel, dass er sich im Hier und Jetzt gut fühlt. Er meint ein Glück, das schönen, lustvollen Momenten, das Augenblicken des Genusses, Spaßes und Vergnügens oder gar dem Rausch der Ekstase entspringt. Er meint jenes Glück, das sich in einem kurzzeitigen Gefühlshoch bemerkbar macht, in einer hormonellen Explosion, die ein Feuerwerk positiver Emotionen bedingt. Es ist eine Form von Glück, die der mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnete Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell (1872-1970) in seinem Buch „Die Eroberung des Glücks“ als „primitiv“ und „animalisch“ bezeichnet.

 

Diese Form des Glücks scheint in der heutigen Welt von vielen nahezu verbissen gesucht zu werden. Wahre Glücksjunkies sind auf der Jagd nach dem ultimativen Gefühls-Kick. Verantwortlich für die Momente akuter Euphorie sind vornehmlich die sogenannten Glückshormone. Vor allem sind hier sicherlich Oxytocin, Endorphin, Serotonin und Dopamin zu nennen.1 Alle vier Hormone wirken dabei nie isoliert von anderen chemischen und auch physikalischen Prozessen im Gehirn. Dieses Zusammenspiel ist derart kompliziert, dass es nur schwer verständlich ist. Selbst der versierteste Experte muss stark vereinfachen, um in seinen Erklärungen halbwegs nachvollziehbar zu bleiben. Doch der genaue Wirkmechanismus der hormonellen Botenstoffe ist nicht nur hochkomplex, sondern auch noch lange nicht in allen Details geklärt. Vereinfachend kann nach jetzigem Forschungsstand aber gesagt werden: Oxytocin, auch als Kuschel-, Treue- oder Bindungshormon bezeichnet, sorgt vor allem für gute Gefühle bei jeder Form von Zärtlichkeit, Endorphin wirkt schmerzstillend und euphorisierend, Serotonin macht zufrieden und Dopamin weckt das Begehren und die positive Erwartung.

Besonders viele und bedeutende Wirkungen werden dabei dem Oxytocin zugeschrieben. Die physiologische Bedeutung des Oxytocins kommt vor allem bei Geburten zum Tragen. Es sorgt maßgeblich dafür, dass sich die Gebärmutter der Frau zusammenzieht und Wehen ausgelöst werden. Zugleich löst es ein Gefühl tiefer Verbundenheit der Mutter zu dem neugeborenen Kind aus. Es verwundert daher nicht weiter, dass Oxytocin bei Frauen grundsätzlich etwas aktiver ist.

Weiterhin stärkt Oxytocin das Vertrauen in die Mitmenschen. In der Fachzeitschrift „Nature“ wurde 2005 eine aufsehenerregende Studie eines Forscherteams aus Zürich veröffentlicht. In der Studie konnte nachgewiesen werden, dass Probanden, die kleine Mengen von Oxytocin in Form eines Nasensprays verabreicht bekamen, großzügigere und vertrauensseligere Entscheidungen trafen als eine Vergleichsgruppe, die einen bloßen Placebo erhalten hatte.

Schließlich gilt das Oxytocin als Treue-Hormon. So wird von dem Hormon das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert, wenn man mit dem eigenen Partner oder auch vertrauten Leuten zusammentrifft. Das gleiche geschieht bei zärtlichen Berührungen.

Allerdings kann das Hormon gleichzeitig Skepsis gegenüber Unbekannten und Fremden schüren.

Aus evolutionsbiologischer Sicht forciert das Oxytocin vor allem das Bestreben, die eigenen Gene durchzubringen und sich daher z.B. bei der Partnerwahl tendenziell einen vertrauten, vielleicht ähnlichen Partner zu suchen. Weiterhin sorgt die Befriedigung, die aus dem Gefühl der Bindung entsteht, dafür, dass man den eigenen Nachwuchs behutsam und zärtlich beschützt und in einem möglichst geborgenen Rahmen großzieht.

Das zweite besonders beachtenswerte Glückshormon, das Endorphin, wird interessanterweise nicht nur dann ausgeschüttet, wenn man ein freudiges Erlebnis hat, wenn einem also zum Beispiel das beschriebene Schicksalsglück wohl gesonnen ist, sondern auch wenn man Schmerzen erleidet. Endorphine können betäubend und euphorisierend zugleich wirken. Sie scheinen ein Grund zu sein, warum schwer Verletzte in den ersten Momenten nach einem Unfall oft keine Schmerzen spüren und warum gebärende Frauen trotz der unmenschlichen Schmerzen manchmal von unbeschreiblichen Glücksgefühlen überwältigt werden.

Die Lust, die Masochisten im Moment eines Schmerzes empfinden, ist somit unter anderem mit dem Endorphin erklärbar. Auch leichte Schmerzerfahrungen, wie sie etwa Extremsportler bisweilen gezielt suchen, können ein diffuses Glücksempfinden hervorrufen. Wer also beispielsweise einen Marathon läuft, spürt oft in den Momenten größter körperlicher Anstrengung plötzlich eine euphorisierende Wirkung.2

Aber auch wer zum Beispiel ein unverhofftes Geschenk bekommt, wer zufällig einen geliebten Menschen nach langer Zeit wiedertrifft oder wer eine freudige und unerwartete Entdeckung macht, wird die Wirkung der Endorphine spüren.

Evolutionsgeschichtlich dürfte das Endorphin dazu beigetragen haben, dass wir Menschen in Extremsituationen, in Augenblicken größten Schmerzes und Momenten großer Überraschung – im Guten wie im Schlechten – nicht vollkommen erstarren, sondern durch die ausgelöste Euphorie handlungsfähig und aktiv bleiben. Die Wirkung der Endorphine unterscheidet sich jedoch von Mensch zu Mensch und von Situation zu Situation. Nicht jeder Marathonläufer erlebt das sogenannte „Runner’s High“. Und nicht jede gebärende Frau erlebt ein unmittelbares Gefühlshoch.

Das Serotonin findet sich vor allem im Darmnervensystem, im Blut, im Herzkreislaufsystem, in kleinen Mengen aber auch im Zentralnervensystem. Es hat zahlreiche Regulierungsfunktionen. So trägt es auf komplexen Wegen unter anderem zur Steuerung des Blutdrucks bei, wirkt auf den Verdauungstrakt, beeinflusst die Körpertemperatur, die Blutgerinnung, den Schlaf, den Appetit und die Lernprozesse im Gehirn.

Bekannt ist das Serotonin jedoch meist nur in seiner Funktion als „Glückshormon“. Allerdings wäre die Bezeichnung „Zufriedenheitshormon“ treffender. Schließlich dämpft das Serotonin unangenehme Gefühlszustände wie Angst, Traurigkeit, Hunger oder auch Aggression. Stattdessen befördert es Gefühle von Gelassenheit und innerer Ruhe. Ein Mangel an Serotonin kann unmittelbar zu Angststörungen oder depressiven Verstimmungen führen.

Indem es für eine Form von grundlegender Zufriedenheit sorgt, hilft es dabei, den menschlichen Geist zu beruhigen. Evolutionstechnisch war dies hilfreich, um Phasen der Regeneration, der konzentrierten Ruhe (die für Lernprozesse notwendig waren und sind) und der Verdauung zuzulassen.

Das Dopamin ist wohl das wirkmächtigste aller Glückshormone. Der Psychiater Daniel Z. Lieberman von der George Washington University geht so weit, zu behaupten: „Dopamin hängt inzwischen mit dem wichtigsten Teil unseres Wesens zusammen. Es hat von unseren Seelen Besitz ergriffen.“ Das Hormon überflutet uns vor allem dann, wenn wir etwas Gutes erwarten. Es ist der Grund, weswegen wir bereit sind, Mühen auf uns zu nehmen. Das Dopamin kann auch als Hormon des Antriebs und der Vorfreude bezeichnet werden. Der Hirnforscher Gerhard Roth von der Universität Bremen meint daher, dass Dopamin „kein Glücksstoff an sich“ ist. Er meint vielmehr: „Es verspricht uns das Glück.“ Es speist die Erwartung, dass wir uns bald wohl fühlen werden. Trifft der erwartete oder erhoffte Wohlfühlmoment ein, lässt sich im Hirn interessanterweise jedoch keine nennenswert erhöhte Menge an Dopamin mehr messen. Es ist somit gewissermaßen die Voraussetzung jeglichen Glücksstrebens. Das Dopamin ist der Treibstoff, der bereits die antike Glücks-Lehre des Aristoteles (384-322 v.Chr.) antrieb. Aristoteles ging davon aus, dass alles, was der Mensch tut, einem höheren Ziel dient. Für einen Menschen der Gegenwart könnte das Glücksstreben im aristotelischen Sinne etwa so aussehen: Man geht in die Schule und lernt, um gute Noten zu bekommen. Gute Noten ermöglichen dann eine gute Berufsausbildung. Ein guter Beruf ermöglicht ein hohes Einkommen. Ein hohes Einkommen ermöglicht die Erfüllung individueller Wünsche. Die Erfüllung individueller Wünsche scheint ein gutes Leben zu ermöglichen. Ein gutes Leben macht schlussendlich glücklich. Und so treibt das Dopamin uns durch alle möglichen Anstrengungen, Mühen und Ärgernisse hindurch, einer vermeintlich goldenen Zukunft entgegen.

Dabei ist vollkommen gleichgültig, wie der Glücksbegriff am Ende der aristotelischen Handlungskette definiert wird. Der Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) wollte den von Aristoteles ans Ende der Kette gesetzten Begriff beispielsweise abschaffen und durch den der Pflicht ersetzen. Der Mensch solle demnach aus Pflichtgefühl Gutes tun und nicht nach Glück streben. Doch auch wer sich höchsten Prinzipien wie etwa einer strengen Pflichterfüllung verschreibt, wird dies tun, weil ihm die positive Erwartung des Dopamins ein gutes Gefühl für den Moment der Umsetzung seiner Ideale verspricht.

Auch wer für sich entscheidet, dass Erfüllung in persönlichem Leid (etwa einer strengen Askese) oder in der Aufopferung für andere besteht, erwartet für den Moment der Erfüllung jener vordergründig verdrießlich erscheinenden Vorhaben ein gutes Gefühl. Die Momente der Belohnung besonders selbstzerstörerischer Handlungsweisen werden dabei oft in ein idealisiertes Jenseits verfrachtet. Man denke an religiös motivierte Attentäter. Auch sie werden von einer freudigen Erwartungshaltung zu ihrem mörderischen Tun verleitet.

Die Glückshormone sorgen in ihrer Wirkung somit nicht nur für intensive Gefühle und viel Freude, sondern können auch Grund für Terror, Übel und Leid sein. Vor allem waren sie aber ein evolutionsgeschichtlicher Garant für das Überleben der Menschheit. Aus der Perspektive eines Evolutionsbiologen ist das Glücksempfinden tatsächlich nichts weiter als ein Mittel zum Zweck des puren Überlebens. Indem der Mensch auch unabhängig von seinen bewussten Denkvorgängen durch chemische Prozesse in Form von Hormonausschüttungen zu aktivem Tun angeregt wird, konnte er bis heute sehr gut überdauern. Gerade überlebenswichtige Handlungen wie die Nahrungsaufnahme, wie die Zusammenarbeit und die Hilfeleistung untereinander, wie die Anschaffung von lebenssichernden Gütern oder wie die Sexualität, scheinen kulturunabhängig ein besonders hohes Maß an Freude mit sich zu bringen. Sie bedingen stets die Ausschüttung von Glückshormonen.

Durch die Jagd nach guten Gefühlen bzw. durch das, was man neuzeitlich das „Streben nach Glück“ bezeichnet, hat sich der Mensch nicht nur behauptet, sondern rücksichtslos ausgebreitet und in weltgeschichtlich kurzer Zeit explosionsartig vermehrt. Vielleicht ist es gerade die unreflektierte Glücksjagd, die sich inzwischen in ihr Gegenteil verkehrt hat. Sie bringt vielfach kein Glück, sondern Unglück. Und sie scheint die Menschheit als Ganzes an den Rand eines Abgrunds zu führen.