Herr Ober, der Tisch wackelt

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Herr Ober, der Tisch wackelt
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Hermann Gutmann

Herr Ober,

der Tisch wackelt

Beim Essen aufgegabelt

1. Auflage 2008

Titelillustration: Peter Fischer

© 2008 Edition Temmen e.K.

Hohenlohestr. 21 – 28209 Bremen

Tel. 0421-34843-0 – Fax 0421-348094

info@edition-temmen.de

www.edition-temmen.de

Alle Rechte vorbehalten

Herstellung: Edition Temmen

Ebook ISBN 978-3-8378-8049-6

Print ISBN 978-3-86108-404-4

Gedächtnis

Stellen Sie sich vor, ich gehe mit meiner Frau in ein besseres Restaurant. Es ist nicht das beste Restaurant, aber, wie gesagt, es ist besser.

Wir sind angemeldet. Denn ich hatte einen Tag vorher einen Tisch für zwei Personen bestellt. Auf unseren Namen.

Wir gehen also in das Restaurant hinein und stehen zunächst etwas ratlos im Eingang, weil sich kein Bedienungspersonal um uns kümmert.

Endlich kommt ein Kellner auf uns zu und guckt uns fragend an.

Ich stelle mich vor, wie es sich gehört, und teile dem Kellner mit: »Wir hatten einen Tisch für zwei Personen bestellt. Auf meinen Namen.«

Nun, der Kellner hat aus dieser Mitteilung wohl nur meinen Namen behalten. Er fragt: »Hatten Sie einen Tisch bestellt?«

Daraufhin sage ich: »Ja, wir hatten einen Tisch bestellt!«

Der Kellner fragt: »Für wie viel Personen?«

Ich wiederhole ganz freundlich: »Für zwei Personen.«

Ich gebe das überdeutlich von mir. Der Kellner blättert in einem schlauen Buch, in dem die angemeldeten Gäste des Abends verzeichnet sind.

Während er blättert, schaut er mich durchdringend an und …

… fragt: »Wie war doch noch Ihr Name?«

Der Tisch wackelt

Herr und Frau Tünnermann hatten ein Restaurant betreten, so eine Art Bistro, um – wie man so sagt –

eine Kleinigkeit zu essen.

Es wurde ihnen ein Tisch zugewiesen. Und Frau Tünnermann, ehe sie sich setzte, sagte: »Ich wasch’ mir mal eben die Hände!«

Herr Tünnermann hingegen setzte sich und stellte fest, dass der Tisch wackelte.

In diesem Augenblick sagte sein Nachbar am Nebentisch: »Der Tisch wackelt!«

»Woher wissen Sie das?«, fragte Herr Tünnermann.

»Weil ich daran sitze!«

»Ach so!«, sagte Herr Tünnermann. »Ihr Tisch wackelt auch?«

»Was heißt auch?«, fragte der Nachbar.

»Mein Tisch wackelt auch«, meinte Herr Tünnermann.

Er wandte sich an den Ober.

»Mein Tisch wackelt«, sagte er. Und Tünnermanns Nachbar sagte: »Meiner auch!«

Der Ober nahm das sportlich. Er holte zwei Bierfilze, verschwand unter den Tischen, schob sie darunter, kam wieder hoch und ruckelte an den Tischen.

»So«, sagte er. »Alles in Ordnung!«

»So weit ja«, meinte Herr Tünnermann. »Doch jetzt wackelt der Tisch an der anderen Seite.«

»Kein Problem«, sagte der Ober.

Er holte noch einen Bierfilz, tauchte ab, schob ihn unter den Tisch und tauchte wieder auf.

»Siehste«, sagte er. »Jetzt wackelt er bestimmt nicht mehr.«

Indem kam Frau Tünnermann. Der Ober rückte den Tisch zur Seite, damit sie sich setzen konnte. Frau Tünnermann setzte sich. Der Ober stellte den Tisch zurück.

Herr Tünnermann griff nach der Speisekarte, die auf dem Tisch lag. Dabei merkte er, dass der Tisch wackelte.

Er rief den Ober und sagte: »Herr Ober, der Tisch wackelt!«

Gruß aus der Küche

Feinschmecker, die auf sich halten, und die für sie

kochenden Küchenmeister werden immer vornehmer.

Bis vor gar nicht langer Zeit wurden die sogenannten Grüße aus der Küche als »Amuse-Gueule«

bezeichnet.

La gueule ist, versteht sich, französisch und bedeutet Maul, Rachen, Schnauze – Ausdrücke, die im Deutschen nicht gerade als fein gelten. Doch als kultivierter Mensch soll man ja die deutsche Sprache ohnehin nach Möglichkeit meiden. Man sieht ja, was dabei herauskommt.

Also diese Schnauze, um dabei zu bleiben, sollte amuse, nämlich belustigt, werden.

Was mich betrifft, ich nahm das hin, obwohl

meine Schnauze durch den »Gruß aus der Küche« in der Vergangenheit so manches Mal wenig belustigt worden ist.

Neuerdings aber heißt das »Amuse-Gueule« in

fortschrittlichen Feinschmecker-Kreisen »Amuse- Bouche«, was aber, wie man sich vorstellen kann, nichts Unanständiges ist.

Bouche ist ebenfalls französisch. Es bedeutet Mund oder Mundhöhle, sodass also nicht mehr die Schnauze des Feinschmeckers amüsiert werden soll, sondern die Mundhöhle.

Doch ob nun »Amuse-Gueule« oder »Amuse- Bouche« – die etwas lächerliche Zeremonie bleibt die gleiche.

Am Anfang eines feinen, aber auch eines weniger feinen Essens wird dem Gast mit feierlicher Geste ein oftmals übergroßer Teller offeriert, auf dem sich eine winzige Essensportion verliert.

Sie ist mit bloßen Augen kaum zu erkennen, weshalb der Kellner oder die Serviererin auch vorträgt, was sich im Einzelnen auf dem Teller befindet. Eben das »Amuse-Bouche«, der »Gruß aus der Küche«, das der Gast gar nicht bestellt hat und das auch nicht unbedingt zu seinem Menü passen muss.

Nun gut, als geschulter Gast verziehe ich keine Miene. Ich putze weg, was mir vorgesetzt wird, und »belustige« meine Mundhöhle, zumal ich bisher in meiner Naivität glaubte, der Gruß aus der Küche sei kostenlos.

Ein mir bekannter freundlicher Koch hat mir dieser Tage die Augen geöffnet.

»Kostenlos?«, fragte er. »Für uns ja, aber nicht für Sie. Der ›Gruß aus der Küche‹ erscheint nur nicht auf der Rechnung.«

Herr Professor

Karl, trotz seiner großen Klappe, ist ein empfindsamer Mensch.

Ich weiß davon ein Lied zu singen, und nun wird mir das wieder bestätigt durch Karl selbst.

»Stell dir vor«, sagt Karl, »was mir passiert ist!«

»Was denn?«, frage ich.

»Vorige Woche«, berichtet Karl, »besuchte ich zusammen mit meiner Lebensgefährtin und einem befreundeten Ehepaar, er ist Professor an einer Hochschule, du kennst ihn nicht, ein uns allen gut bekanntes Speiselokal.«

»Und?«, frage ich. »Hat’s euch nicht geschmeckt?«

»Darum geht es nicht«, antwortet Karl. »Der Zufall wollte es, dass wir vier uns an der Tür des Lokals trafen, sodass wir einander schon mal die Hände schütteln konnten, um dann gemeinsam und gut gelaunt das Restaurant zu betreten.«

»Interessant«, bemerke ich.

»Veräppeln kann ich mich selbst«, knurrt Karl.

Er fährt fort: »Im Lokal suchten wir Augenkontakt zu dem Kellner, den wir ebenfalls alle gut kannten, damit er uns an unseren Platz führen konnte. Aber der Kerl hatte uns, wir sind ja immerhin Stammgäste, längst bemerkt. Er eilte herbei.«

»Und dann?«, frage ich.

»Und dann?« Karl schnaubt.

»Als er uns erreicht hatte, grüßte er mit schöner und lauter Betonung: ›Guten Tag, Herr Professor!‹«

Löffel

Wie das manchmal so ist, ich saß zusammen mit meiner Frau in einem ordentlichen Restaurant.

Wir warteten auf das Essen, und ich nutzte die Zeit, einen bedeutenden Vortrag über die politische Lage zu halten, so, wie ich sie verstehe.

Dabei redete ich etwas ungeschickt mit den Händen und wischte mit einer unkontrollierten Bewegung meinen Suppenlöffel vom Tisch.

»Immer das Gleiche!«, meinte meine Frau. »Meistens sind es ja volle Gläser, die du umstößt.«

Ich hob ohne Umstände den Suppenlöffel vom Fußboden auf, säuberte ihn kurz mit einem sauberen Papiertaschentuch und legte ihn wieder zurück an seinen Platz neben meinem Teller.

Ich hatte aber nicht mit der Aufmerksamkeit des Kellners gerechnet.

Der eilte herbei, sagte: »Entschuldigung!«, nahm den Suppenlöffel und bemerkte: »Ich bringe Ihnen sofort einen anderen.«

»Das ist nicht nötig«, wandte ich ein. »Ich hab’ den Löffel doch schon abgewischt, und so dreckig ist das hier bei Ihnen ja auch nicht.«

»Nein, nein«, sagte der Kellner. »Das ist keine Frage der Sauberkeit, sondern eine Frage des Stils. Außerdem kommt es auf den einen Löffel beim Abwasch nicht an.«

Mit diesen Worten begab er sich an den Besteckkasten, legte den von mir zu Boden geschleuderten Löffel daneben, griff in den Kasten, holte einen anderen Löffel heraus und trug ihn zu mir.

Dabei schlug er spielerisch und melodisch in sich hinein pfeifend den Löffel im Takt gegen seine Hose.

Salat

Ich stand mit meiner Frau vor den Auslagen eines Delikatessenhändlers.

Meine Frau sagte: »Du könntest allein reingehen. Ich habe noch was zu besorgen.«

»Gut«, sagte ich. »Was soll ich kaufen?«

Meine Frau meinte: »Also, für mich könntest du einen Salat mitbringen.«

»Gern«, sagte ich. »An was für einen Salat denkst du?«

Meine Frau zeigte ins Schaufenster und sagte: »Ich möchte gern den Salat hinten rechts.«

»Hinten rechts?«, fragte ich zurück. »Ich sehe hinten rechts keinen Salat.«

»Nein, weil du immer nur auf die Frikadellen schielst. Guck doch mal genau hin!«

»Natürlich sehe ich die Frikadellen. Aber ich sehe keinen Salat.«

»Mensch«, schalt meine Frau. »Den Salat mit Oliven, Tomaten, mit Blattsalat und … «

»Blattsalat?«, fragte ich. »Seh’ ich nicht. Wo steht er denn?«

»Geh rein und kauf den Salat«, resignierte meine Frau. »Du brauchst nur zu sagen, dass du den Salat hinten rechts im Schaufenster haben möchtest. Aber bring nicht zu viel. Morgen schmeckt der nicht mehr so gut.«

Ich ging in den Laden.

Eine freundliche Verkäuferin fragte: »Was darf’s sein?«

 

Ich sagte: »Ich hätte gern Salat. Aber nicht zu viel.«

»Welchen Salat?«, fragte die Verkäuferin, und sie fing an aufzuzählen: »Nizzasalat mit Thunfisch, Nizzasalat mit Hähnchenbrust, Nizzasalat mit Käse, Bauernsalat, Kartoffelsalat, Fleischsalat, Krabbensalat oder … «

Ich bekam eine Panik und sagte: »Unter diesen Umständen möchte ich zwei Frikadellen.«

Pflege der Fingernägel

Leute, die sich in einem Restaurant und obendrein mit größter Hingabe der Pflege ihrer Fingernägel widmen, gibt es überall auf der Welt. Obwohl man davon ausgehen sollte, dass Restaurantbesucher im Allgemeinen wissen, was sich gehört.

Es mag Sie verwundern, aber ich glaube, es zu wissen.

Allerdings will ich nicht ausschließen, dass auch ich schon in einem Restaurant gesessen und mich mit meinen Fingernägeln beschäftigt habe. Wenn auch sehr diskret.

Die Rede ist aber nicht von mir, sondern von einem Herrn, der sich in einem Restaurant in meine Nähe setzte und sofort damit begann, seine Finger-

nägel zu bearbeiten. Und zwar sehr intensiv.

Nun kann man alles in dieser Welt von zwei Seiten betrachten.

Wenn ich zum Beispiel meine Fingernägel säubere, dann finde ich im Grunde nichts dabei. Wenn sich andere in meiner Gegenwart die Fingernägel säubern, dann ekele ich mich.

Warum das so ist, weiß ich auch nicht. Ich habe menschliche Verhaltensweisen nicht an der Universität studiert. Aber ich weiß, dass es so ist.

Ich wartete auf meine Suppe und letztlich darauf, dass der Herr am Nebentisch mit seinen Fingernägeln fertig wurde.

Aber so schnell wurde er nicht fertig.

Ich bekam meine Suppe und aß sie ohne besonderen Appetit. Denn mit einem Auge war ich am Nebentisch.

Natürlich hatte das Auge dort nichts zu suchen. Aber nun machen Sie das mal einem Auge klar.

Das Hauptgericht kam. Es schmeckte mir nicht.

Das Dessert kam. Ich ließ es zurückgehen.

Kaum hatte die Kellnerin abgeräumt, war der Herr mit seinen Fingernägeln fertig und betrachtete sie entzückt, setzte sich in Positur, denn – seine Suppe wurde serviert.

Ich aber bezahlte und schickte mich an zu gehen.

Während ich das Lokal verließ, aß der Herr seine Suppe. Ich sagte zu ihm: »Guten Appetit!«

Tischsitten

Kennen Sie Jesaias Rompler von Löwenhalt? Nun, er wurde auch Rumpler von Löwenhalt genannt.

Nein?

Machen Sie sich nichts daraus. Ich kannte ihn bisher auch nicht.

Jetzt weiß ich aber wenigstens etwas über ihn.

Ich habe nämlich gelesen, dass Jesaias Rompler von Löwenhalt, Dinkelsbühler von Geburt, von 1628 bis 1658 gelebt hat. Er war Magister in Straßburg, arbeitete danach in Karlsruhe und veröffentlichte Gedichte, religiöse, weltliche und höfische.

Von Löwenhalt stammt das Wort: »Messer in des Kindes Händen / machen, dass das Kind sich sticht.«

Als ich das las, musste ich automatisch an meine Kindheit denken. Damals hieß es: »Messer, Gabel, Schere, Licht / sind für kleine Kinder nicht.«

Als ich dann zum ersten Mal in meinem Leben dazu angehalten wurde, mit Messer und Gabel zu essen, wurde mir die Gefahr, die im Messer lauert, eindrucksvoll geschildert. Der Name Jesaias

Rompler von Löwenhalt spielte dabei aber keine Rolle. Sein Wort »Messer in des Kindes Händen / machen, dass das Kind sich sticht« war längst – manchmal auch in Abwandlungen – Volksgut geworden.

Eines wurde mir jedenfalls streng verboten: Das Messer beim Essen in den Mund zu nehmen.

Ich habe mich an dieses Verbot mein Leben lang gehalten.

Der Gedanke, dass man ein Messer in den Mund nehmen könnte, selbst wenn es etwas Leckeres daran abzuschlecken gibt, ist mir nie gekommen.

Dieser Tage nun saß ich in einem Restaurant der gutbürgerlichen Art. Ich aß ein Pfeffersteak und trank dazu einen Rotwein aus der Pfalz. Dornfelder. Er kam von der Südlichen Weinstraße. Im Übrigen dachte ich an nichts Böses.

An einem Tisch schräg gegenüber hatte sich eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter niedergelassen.

Die Mutter bestellte ein Entengericht, die kleine Tochter bestand auf Fischstäbchen, wie »Störtebeker sie liebte«. So jedenfalls stand es auf der Karte.

Das Essen kam, und die beiden fingen an zu essen.

Ich aber traute meinen Augen nicht: Das kleine Mädchen schaufelte sich die Fischstäbchen abwechselnd mit der Gabel oder mit dem Messer in den Mund. Und zwar ganz selbstverständlich.

Na, dachte ich, gleich wird es Ärger geben, sobald die Mutter dieses Malheur gewahr wird.

Aber als die Mutter es sah, gab es zu meinem Erstaunen keinen Ärger. Sie nahm es hin und schob sich, wie von ungefähr, ein wenig Entensauce auf ihr Messer und – schleckte die Sauce ab.

Und nun stellen Sie sich vor: Es passierte nichts.

Das Kind »stach« sich nicht. Die Mutter schon gar nicht.

Da wurde mir klar, dass auf die alten Volksweisheiten kein Verlass mehr ist.

Doch eine Volksweisheit scheint in diesem Fall zu gelten: Übung macht den Meister.

Steakmesser

Ein Steakmesser ist ein Messer, mit dem man ein Steak schneidet, ganz gleich, ob es ein englisch gebratenes oder ein durchgebratenes Steak ist.

Ich bestellte in einem mir noch nicht bekannten Restaurant ein Steak. Der Kellner fragte lakonisch: »Englisch, durchgebraten oder medium?«

Die Frage ist wichtig. Sagt der Gast: »Durchgebraten«, ist er in den Augen des Kellners durchgefallen. Sagt er »Medium«, braucht sich die Küche keine besondere Mühe zu geben. Der Gast ist Durchschnitt! Sagt er »Englisch«, handelt es sich um einen Feinschmecker.

Ich bin in meinem Leben immer gern für die Mitte gewesen, und ob ich ein Feinschmecker bin, wage ich zu bezweifeln.

Es gibt so viele Gerichte, bei denen mir das Wasser im Munde zusammenläuft, meiner Frau hingegen nicht. Und meine Frau ist eine ausgewiesene Feinschmeckerin.

Ich sagte also: »Medium!«

Der Kellner wusste Bescheid.

Nach einiger Zeit servierte er das Steak.

Es wurde mit Bratkartoffeln und Bohnen gereicht. Die Bratkartoffeln waren sehr kross durchgebraten, die Bohnen wirkten etwas schlaff.

Das Steak war tatsächlich nicht englisch, ich mag es nicht so blutig. Es war aber auch nicht durchgebraten. Es war – wie ich es bestellt hatte – medium.

Ich betrachtete das Steak. Danach betrachtete ich mein Besteck.

»Herr Ober!«, rief ich.

Der Kellner kam mit einem fragenden Blick.

»Ist etwas nicht in Ordnung?«, wollte er wissen.

»Das kann ich Ihnen so nicht sagen«, antwortete ich. »Ich habe noch nichts probiert, denn mir fehlt das Besteck.«

Der Kellner guckte irritiert.

Er sagte: »Sie haben ein Messer, und Sie haben eine Gabel. Was braucht man mehr zum Essen? Jedenfalls werden Steaks nicht mit dem Löffel gegessen.«

»Das ist richtig«, gab ich zu. »Doch ich habe – wie Sie schon ganz richtig sagen und wie Sie es mir ja auch gebracht haben – ein Steak bestellt. Doch zum Steak gehört ein Steakmesser!«

»Ein Steakmesser?«, wiederholte der Kellner fragend. »Ist Ihr Messer nicht scharf genug?«

»Das weiß ich nicht«, sagte ich. »Aber ich bin es gewohnt, ein Steak mit einem Steakmesser zu schneiden.«

»Steakmesser haben wir nicht«, sagte der Kellner bedauernd.

»Sie haben keine Steakmesser?«, fragte ich, und eine Welt brach für mich zusammen.

Ich sagte zu ihm: »Im Varta-Führer – Sie müssen wissen, ich lese Jahr für Jahr den Varta-Führer und reise mit ihm –, im Varta-Führer werden Sie wegen Ihrer guten Küche gelobt. Und Sie haben keine Steakmesser?«

»Wir sind im Varta-Führer nicht wegen unserer Bestecke gelobt worden, sondern wegen unserer guten Küche«, sagte der Kellner etwas ungnädig, doch nicht unhöflich.

Er sagte: »Aber ich bringe Ihnen gern ein anderes Messer, ein schärferes Messer. Es ist gerade gestern vom Messerschleifer zurückgebracht worden.«

»Ein anderes Messer ist kein Steakmesser«, belehrte ich den Kellner.

»Das stimmt«, gab der Kellner zu. »Aber vielleicht versuchen Sie einmal mit einem normalen Messer ein Steak zu schneiden! Sie werden sich wundern. Das geht auch!«

Ich musterte das Steak. Danach musterte ich das schärfere Messer, das der Kellner gebracht hatte.

Ich sagte: »Komisch, Sie haben Steaks auf der

Karte stehen. Aber Sie haben keine Steakmesser.«

Und dann fragte ich ihn: »Haben Sie wenigstens Fischbestecke?«

»O ja«, sagte der Kellner. »Fischbestecke haben wir.«

»Gut«, sagte ich. »Dann bringen Sie das Steak wieder in die Küche, und servieren Sie mir Zander!«

Schwimmendes Rinderfilet

»Was soll ich denn mal essen?«, fragte ich mich und den Kellner, der geduldig auf meine Bestellung wartete.

Der Kellner wollte daraufhin wissen, ob ich sehr hungrig sei.

»Nee, nee«, sagte ich. »Ich möchte nur eine Kleinigkeit.«

Der Kellner wusste Rat. »Was halten sie von einem kleinen Rinderfilet?«, fragte er.

»Gar nicht schlecht«, meinte ich, und der Kellner fügte hinzu: »Ein wenig Soße gehört auch dazu.«

»Soße?«, fragte ich. »Zum Rinderfilet? Na ja!«

Das Rinderfilet wurde aufgetragen. Es war ein großes Rinderfilet, das in sehr viel Soße schwamm.

Der Sinn dieser vielen Soße war ganz offenbar der, meinen Geruchssinn von dem Rinderfilet abzulenken.

Doch nicht einmal das war der Küche gelungen.

Ich rief den Kellner und gab fast flüsternd meiner Verwunderung darüber Ausdruck.

Der Kellner räumte den Teller wortlos ab, ver-

schwand damit in der Küche und kehrte nach einer Weile zu mir zurück.

Er teilte mir, ohne die Stimme zu senken, Folgen­des mit:

»Ich habe persönlich an dem Fleisch gerochen und nichts bemerkt. Die Küche hat das Fleisch probiert und ebenfalls nichts bemerkt. Und die Herrschaften am Nebentisch haben das Gleiche bestellt wie Sie, und es hat ihnen geschmeckt, wie sie auf meine Anfrage hin bestätigt haben.«

Ich wurde nach dieser langen Rede, die an den Nebentischen interessiert mitgehört wurde, immer kleiner, und schließlich würgte ich hervor: »Ich möchte wohl zahlen!«

Die Rechnung wurde mir von dem Kellner mit einer Miene präsentiert, die mir klarmachte, dass man auf Gäste, die die Küche des Hauses nicht zu schätzen wissen, gut verzichten könne.

Wo kommt der Harzer Käse her?

»Wo kommt der Harzer Käse her?«

Ich fragte die Serviererin in einem gemütlichen Restaurant in Quedlinburg am Harz.

Die Serviererin guckte etwas irritiert, weil sie sich diese Frage offenbar überhaupt nicht vorstellen konnte.

»Der Harzer Käse kommt aus dem Harz«, sagte sie endlich und schien erleichtert aufzuatmen.

»Natürlich«, bestätigte ich. »Das sagt ja schon der Name.«

»Nicht wahr?«, meinte die Serviererin und wirkte danach sehr entspannt, weil ich von mir aus darauf gekommen war, dass der Harzer Käse aus dem Harz kommt.

Aber so hatte ich die Frage gar nicht gemeint.

Ich wollte wissen, ob der Harzer Käse aus einer großen Harzer-Käse-Fabrik stamme oder aus einer kleinen Käserei, wo der Harzer Käse sozusagen im Handverfahren hergestellt wird, wie in alten Tagen.

Ich fragte also die Serviererin, die schon etwas unruhig wurde, ob der Harzer Käse aus einer Fabrik …

»Ja, ja«, sagte die Serviererin und fügte hinzu, dass sie mich schon richtig verstanden habe.

»Wissen Sie«, sagte sie. Sie habe mal vor einiger Zeit einen Film über die Käseherstellung gesehen, über Käse im Allgemeinen. Und da sei auch die Rede vom Harzer Käse gewesen. Doch darauf habe sie gar nicht geachtet. So spannend sei der Film tatsächlich nicht gewesen. Und den Harzer Käse kenne sie ja nun sowieso. Den müsse sie jeden Tag servieren – vor allem den Touristen. Sie habe sich mehr für andere Käse interessiert, für Tilsiter, zum Beispiel.

»Der nicht mehr aus Tilsit stammt«, räumte ich ein.

»Nein«, bestätigte sie. »Aber der Tilsiter Käse ist ein Schnittkäse.«

»Was der Harzer Käse nicht ist«, meinte ich.

»Der Harzer Käse ist ein Sauermilchkäse«, belehrte sie mich, obwohl ich danach gar nicht gefragt hatte. Aber ob der von ihr servierte Harzer Käse aus einer Fabrik stamme oder aus einer kleinen Käserei – das könne sie nicht sagen.

Und sie fragte: »Schmeckt er Ihnen etwa nicht?«

»Doch, doch«, beeilte ich mich zu versichern.

 

Sie sagte: »Dann ist doch alles in Ordnung.«

Und verschwand.

Eulenspiegel lebt

Till Eulenspiegel hat sich noch nicht von dieser Welt verabschiedet, obwohl er im Jahre 1350 in Mölln gestorben und dort begraben sein soll.

Till Eulenspiegel erscheint uns immer noch in vielerlei Verkleidungen.

Was mich betrifft, ich habe ihn unlängst als Serviererin getroffen.

Die junge Dame, die in einem besseren Lokal ihrer keineswegs leichten Arbeit nachgeht, trug keine Narrenkappe, war also als Till Eulenspiegel nicht ohne Weiteres zu erkennen. Auch sonst machte sie einen durchaus flotten und kompetenten Eindruck.

Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben und in diesem Fall ein Menü nicht vor dem Hauptgang.

Ich hatte eine Tomatensuppe mit einigen Krabben und sehr viel Petersilie, einen Hauptgang, dessen Bestandteile sich um eine Entenbrust gruppierten, und eine Rote Grütze bestellt. Und während ich mich mit dem Rest meines Hauptganges beschäftigte, hatte ich den Eindruck, dass die Küche etwas zu sparsam bei der Kartoffelzuteilung vorgegangen war.

Nun bin ich ein leidenschaftlicher Kartoffel-

esser.

Ich bat die Serviererin an meinen Tisch und sagte: »Ich hätte wohl ganz gern noch eine Kartoffel!«

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