Die Geschichte der Luftfahrt – kurz und bündig

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Die Geschichte der Luftfahrt – kurz und bündig
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Helmut Igl

Die

Geschichte

der

Luftfahrt

kurz und bündig

Zu diesem Buch:

Die vorliegende Lektüre ist eine Zusammenfassung der Entwicklungsgeschichte der Luftfahrt in chronologischer Abfolge mit über 100 Abbildungen. Sie ist für alle Leser/-innen gedacht, die sich über die wichtigsten Ereignisse seit Anbeginn der Luftfahrt bis in die heutige Zeit informieren möchten.

Vom ersten Ballon bis hin zum suborbitalen Weltraumflug werden auch die unterschiedlichen Flugzeugarten und -typen in komprimierter Form vorgestellt.

Der Autor:

Helmut Igl ist Dipl.Ing. (FH) und war über 25 Jahre als Lehrer im technischen und bildnerischen Bereich an bayerischen Schulen tätig. Schon immer von der Fliegerei begeistert, befasste sich der passionierte Modellpilot jahrelang intensiv mit der Luftfahrtgeschichte, sodass im Ergebnis ein Werk entstand, das nicht nur dem Insider einen zusammenfassenden Überblick vermittelt, sondern auch alle interessierten Leser inspirieren soll.

Zusatzfunktionen:

Alle Bilder können mittels Zoomfunktion vergrößert dargestellt werden.

Für diejenigen Leser/-innen, die sich intensiver mit der Materie beschäftigen möchten, steht ein verlinktes Quellenverzeichnis mit weiterführenden Informationen zur Verfügung.

Im Anhang befindet sich ein Schlagwortverzeichnis, von dem aus die einzelnen Themen und Personen sowie die verschiedenen Flugzeugarten und -typen direkt anwählbar sind.

Inhaltsverzeichnis

Die Ballonfahrt

Der Beginn der Fliegerei

Das Luftschiff

Der erste Motorflug

Der Segelflug

Die Anfänge der Hubschrauber

Der Beginn der Passagierluftfahrt

Die ersten Langstreckenflüge

Flugboote

Landgestützte Verkehrsflugzeuge

Der militärische Flugzeugbau

Die weitere Entwicklung des Helikopters

Die Ära der kolbenbetriebenen Großflugzeuge

Die ersten Flugzeuge mit Strahltriebwerk

Das Turbinenstrahltriebwerk

Propellerturbinen-Luftstrahltriebwerke

Das Jet-Zeitalter

Das Mantelstromtriebwerk

Die Turbinen-Hubschrauber

Der Überschallflug

Moderne Großraumflugzeuge

Die Hubschrauber der Neuzeit

Senkrecht startende Flugzeuge

Die Zukunft der Luftfahrt

Der Flugschrauber

Das elektrische Fliegen

Das Wasserstoffflugzeug

Das Solarflugzeug

Der Multikopter

Der suborbitale Raumflug

Das Hyperschallflugzeug

Der Weltraumtourismus

Die Sicherheit im Flugverkehr

Impressum

Schlagwortverzeichnis

Autoren- und Quellenverzeichnis

Bildquellenverzeichnis

Die Geschichte der Luftfahrt

kurz und bündig

Der Traum vom Fliegen beschäftigte die Menschen schon von alters her und seit ewigen Zeiten wird der faszinierende Flug der Vögel neidvoll bestaunt. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass bereits im klassischen Altertum mensch- oder tierähnliche Geschöpfe mit Flügeln behaftet dargestellt wurden.

In der griechischen Mythologie findet sich sogar der sagenumwobene Hinweis auf Dädalus (Daidalos), einem ideenreichen Erfinder, der zusammen mit seinem Sohn Ikarus auf der Insel Kreta in einem Turm eingesperrt worden war. Um der Gefangenschaft zu entkommen, fertigte Dädalus für sich und seinen Jungen aus dem Federkleid von Vögeln zwei Flügelpaare, die er mit Kerzenwachs bestrich und mit denen die beiden das halsbrecherische Risiko eingingen, von hoch oben aus dem Turmgefängnis in die Tiefe zu springen. Nachdem sie es mit ihren Fluggeräten auf wundersame Weise geschafft hatten, sogar über mehrere Inseln hinwegzufliegen, wurde Ikarus offensichtlich von der Fluglust gepackt. Die Warnungen seines Vaters missachtend stieg er immer höher in den Himmel auf, bis er irgendwann der Sonne zu nahe kam. Bedingt durch die Sonnenglut schmolz das Wachs, die Federn der Flügel fielen ab - und Ikarus stürzte ins Meer.

In ähnlicher Weise erging es anfangs so manchen Flugpionieren, die, vom Vogelflug animiert, oft mit Flügeln ausgerüstet von Gebäuden und Anhöhen in den Tod sprangen. Im Laufe der Jahrhunderte sollte es jedoch der menschliche Erfindungsgeist zustande bringen, durch Versuch und Irrtum gepaart mit Kreativität neue Erkenntnisse zu gewinnen und damit verlässlichere Flugtechniken zu erforschen.

Die ersten dokumentierten, vom Menschen geschaffenen Flugapparate in Form unterschiedlicher Drachen stammen aus China (5. Jh. v. Chr.) und auch Marco Polo schrieb schon 1282 in seinen Berichten, dass er dort bemannte Drachenaufstiege beobachtet hatte.

Mit diversen Fluggeräten setzte sich Ende des 15. Jhs. auch Leonardo da Vinci auseinander, indem er den Aufbau von Tierflügeln sehr genau aufzeichnete und außerdem verschiedene Flugobjekte wie z. B. eine Flugspirale oder Schwingenflugzeuge entwarf. Aus heutiger Sicht wäre allerdings keines dieser Modelle, hätte man sie gebaut, flugtauglich gewesen.

Erst im 18. Jh. sollte es möglich werden, den Menschheitstraum vom Fliegen in die Tat umzusetzen. Es begann mit zwei Brüdern, die es zuwege brachten, vor den Augen tausender Schaulustiger erstmals den Luftraum zu erobern:

Die Ballonfahrt

Joseph und Jacques Montgolfier waren die Söhne eines französischen Papierfabrikanten, die sich schon in frühen Jahren für das Fliegen interessierten. Als Joseph in einem Bericht von einem Gas erfuhr, das der Brite Henry Cavendish 1766 entdeckt hatte und das 14-mal leichter als Luft sein sollte (Wasserstoff), füllte er Papierkugeln mit diesem Gas und ließ sie versuchsweise emporsteigen. Doch aufgrund der undichten Hülle sanken diese schnell wieder zu Boden. Danach beschäftigte sich Joseph mit einem anderen Phänomen. Er hatte nämlich eines Tages ein am Kamin zum Trocknen aufgehängtes Hemd beobachtet, das sich durch die heiße, verrauchte Luft des Feuers aufblähte. Angesichts der Tatsache, dass Rauchschwaden nach oben steigen schloss er daraus, dass Rauch, in einem leichten Behälter verpackt, diesen nach oben ziehen müsste. Folglich probierten er und sein Bruder eine Reihe von mit qualmendem Rauch gefüllten Papierhüllen aus, die bald in immer größere Höhen aufstiegen. 1783 führten sie einer breiteren Öffentlichkeit vor, wie ein durch Schafwolle und Stroh erzeugtes und stark rauchendes Feuer einen riesigen Ballon über einen Kilometer in die Höhe steigen und zwei Kilometer weit treiben ließ.

Die Nachricht von diesem spektakulären Ereignis wurde auch an der Akademie der Wissenschaften in Paris wahrgenommen. Dort wurde der Physiker Jacques Charles damit beauftragt, diesen ungewöhnlichen Versuch zu wiederholen und seine Durchführbarkeit zu bestätigen. Doch durch einen gerade erschienenen Zeitungsartikel wurde Charles in die Irre geführt. Dort stand zu lesen, dass es den Montgolfiers gelungen sei, ein Gas herzustellen, das leichter als Luft ist und somit Ballone flugfähig mache. Da Wasserstoff aber das derzeit einzig bekannte Gas mit dieser Eigenschaft war, experimentierte Charles nur noch mit diesem und entwickelte auf diese Weise eine völlig andere Ballonart: den Wasserstoffballon.

 

Mit Hilfe eines neuen Verfahrens zur Herstellung gummibeschichteter Seide für die Ballonhülle bekam er bald auch das Problem mit der Undichtigkeit in den Griff. Noch im selben Jahr ließ Charles einen vier Meter großen wasserstoffgefüllten Ballon steigen, der wegen seines hohen Auftriebs schnell aus dem Blickfeld der Zuschauer verschwand und nach 45 Minuten und 25 Kilometern zurückgelegter Strecke wieder außerhalb von Paris landete.

Auf diese Weise waren beinahe zeitgleich zwei verschiedene Ballonarten erfunden worden, die heute nach ihren Erfindern benannt werden: die mit heißer Luft betriebene Mongolfière und der mit Gas gefüllte Ballon, die Charlière.

Bis zu diesem Zeitpunkt war aber noch kein Mensch in einem Ballon gefahren. Als König Ludwig XVI. die Brüder Montgolfier in den Schlossgarten von Versailles berief, um sich deren Erfindung vorführen zu lassen, traf sich dort halb Paris, um dieses außergewöhnliche Schauspiel miterleben zu können. Nachdem man aber eine menschliche Besatzung als zu gefährlich erachtete, überließ man zunächst Tieren das vermeintliche Risiko - einem Hahn, einer Ente und einem Hammel, die dann gemeinsam die erste, 8 Minuten dauernde Fahrt in die Tat umsetzten.


Start einer Montgolfière, 1783 (1)

Nach diesem durchschlagenden Erfolg nahmen die Montgolfiers jetzt auch einen größeren Ballon zur Beförderung von Menschen in Angriff. Der König bestand jedoch darauf, dass als Passagiere nur zum Tode verurteilte Gefangene in Frage kämen. Aber letztendlich konnte man ihn doch davon überzeugen, dass keinesfalls Strafgefangene diesen Ruhm ernten dürften. Im November 1783 stiegen schließlich unter dem Anblick tausender Neugieriger ein Adeliger und ein Offizier in den ringförmigen Korb der Mongolfière. Aus einem riesigen, ofenartigen Gemäuer entstieg heißer, qualmender Rauch und befeuerte so lange den 22 m hohen, blau-goldenen Ballon, bis dieser erhaben in die Lüfte abhob. Nach 25 Minuten und acht Kilometer Fahrt kamen die beiden Draufgänger dann unter den Augen einer staunenden Bevölkerung wieder sanft auf die Erde zurück.


Aufstieg der Charlière, 1783

Library of Congress (2)

Nur 10 Tage später hatte es auch Professor Charles geschafft. Unter dem Jubel von 300.000 Menschen entschwebten vor dem Pariser Tuilerienpalast er und ein Kollege in ihrem Gasballon lautlos in die Luft. Die Produktion des benötigten Wasserstoffgases aus Eisenspänen und Schwefelsäure hatte zuvor fast drei Tage gedauert. Nach einer 2 ½-stündigen Ballonfahrt kamen sie, nachdem sie in einer Höhe von rund 450 Metern eine Strecke von 36 km zurückgelegt hatten, wieder glücklich und unversehrt am Boden an. Im Anschluss daran stieg Charles noch einmal ohne Begleitung auf.

Im Folgejahr führten die Brüder Montgolfier noch einen weiteren, größeren Versuch durch. Unter den jetzt sieben Passagieren befand sich nun auch Joseph, der damit seinen ersten und einzigen Aufstieg unternahm. Danach verloren die Montgolfiers ihre Motivation an der Ballonfahrerei, denn damaliges Ballonmaterial hatte so seine Tücken. So bestand das Hüllenmaterial der Montgolfieren aus leinenverstärktem Papier und war extrem feuergefährdet. Und da man in dieser Zeit noch den Auftrieb mit Hilfe eines qualmenden Strohfeuers erzeugte, ist so mancher Ballon ein spektakuläres Opfer der Flammen geworden.

Auch andere begeisterte Himmelsstürmer beschäftigten sich damals mit solcherlei Ballonen, doch mit der Zeit ließ auch deren Interesse immer weiter nach.

Erst nach 150 Jahren besannen sich Wissenschaftler wieder auf die Ballonfahrt, als sie damit begannen, mit Gasballonen den Luftraum zu ergründen. 1931 schaffte der schweizer Physiker Auguste Piccard in einem Gasballon zur Messung der kosmischen Höhenstrahlung den ersten Höhenrekord von annähernd 16 Kilometer, den er später noch auf 23 Kilometer steigern konnte.

Augustes Enkel Bertrand Piccard gelang 1999 in Begleitung des Engländers Brian Jones mit seinem ‚Breitling Orbiter 3‘ die erste Erdumrundung in einer Art Zwitterballon, einem mit Heliumgas gefüllten und zusätzlich mit Heißluft betriebenen Ballon. Sie waren 20 Tage lang in den Jetstreams, den in der oberen Troposphäre vorkommenden Starkwinden von bis zu 650 km/h, unterwegs und legten dabei eine Strecke von 45.000 Kilometer zurück.

Der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner erreichte 2012 in einem Heliumballon die Weltrekordhöhe von 38.969,4 m – bis er absprang und mit Überschallgeschwindigkeit im freien Fall der Erde entgegenraste.

Auch in der Klimaforschung und zum Erfassen von Wetterdaten schweben heute jeden Tag hunderte von Gasballonen rund um den Globus in die Stratosphäre.

Der Beginn der Fliegerei

Die Alternative zu den Ballonen waren Fluggeräte, die trotz ihres Eigengewichts durch den Auftrieb an ihren Tragflächen in der Luft gehalten werden konnten. Richtungsweisende Erkenntnisse hierfür schuf der englische Ingenieur Sir George Cayley, der nach ausgiebigen Studien zunächst herausfand, dass es für den Menschen nicht möglich sei, mit Federflügel ausgestattet aus eigener Muskelkraft fliegen zu können. 1799 formulierte er in einer Abhandlung zwei wichtige Grundelemente der Aerodynamik: den Auftrieb und den Widerstand an einer Fläche. Nach weiteren zehn Jahren veröffentlichte Cayley eine wissenschaftliche Arbeit, in der er erstmals beschrieb, dass die Querstabilität eines Flugkörpers durch eine leichte positive V-Stellung der Tragflächen zu erreichen sei, die Längsstabilität durch die Installation eines ‚Höhenleitwerks‘ und die Richtungsstabilität durch die Verwendung eines ‚Seitenleitwerks‘. Außerdem fand er heraus, dass gewölbte Flügelprofile bedeutend mehr Auftrieb erzeugen als ebene Flächen.


Sir George Cayley‘s Lenkbarer Fallschirm (105)

Cayley hatte schon viele Versuche mit selbst konstruierten Gleitflugzeugen unternommen, bis er 1853 im Alter von 80 Jahren seinen letzten Drachengleiter baute. Der Überlieferung nach musste als Pilot sein nicht gerade begeisterter Kutscher herhalten, der damit 130 m weit geflogen sein soll. Er überstand den Flug zwar ohne Blessuren, reichte aber anschließend sofort seine Kündigung ein.

Oft als ‚Vater der Aerodynamik‘ bezeichnet, machte Sir George Cayley mit der Veröffentlichung seiner Theorien seine Erfahrungen für jedermann zugänglich, sodass nachfolgende Luftfahrt-Pioniere darauf aufbauen konnten.

Einer dieser Pioniere war der 1848 in der Nähe von Greifswald im Königreich Preußen geborene Otto Lilienthal. Nach heutigem Wissensstand war er der erste Mensch, der nachweislich erfolgreiche Gleitflüge durchführte.

Schon in jungen Jahren widmete sich Otto dem Studium des Vogelflugs und experimentierte zusammen mit seinem Bruder Gustav mit diversen Fluggeräten. Nach seinem Studium arbeitete Lilienthal als Maschinenbauingenieur und gründete in Berlin eine eigene Firma zur Herstellung von Dampfmaschinen und Dampfkessel. Mit diesen Produkten verdiente er sich das Geld für den Bau seiner späteren Gleitflugzeuge. Im Alter von 26 Jahren führte Lilienthal unterstützt von seinem Bruder systematische Messungen zum Auftrieb an ebenen und gewölbten Flächen durch und bestätigte so die Aussagen Cayleys, dass die geschwungene Flügelform der Vögel die günstigsten Widerstandswerte bei größtmöglichem Auftrieb liefert. Die aus zahlreichen Versuchen gewonnenen Erkenntnisse publizierte er 1889 in seinem Buch ‚Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst‘. Dieses bahnbrechende Werk beinhaltete bereits die physikalischen Grundlagen des Fliegens und wird heute als die wichtigste Veröffentlichung aus der Frühzeit der Luftfahrt angesehen.

Mehr als 20 Jahre hatte sich Otto Lilienthal mit der Theorie des Fliegens beschäftigt, bevor er mit einem selbst gebauten Fluggerät einen ersten Flugversuch wagte. Gemäß seinem Leitsatz „Vom Schritt zum Sprung, vom Sprung zum Flug“ begann er zunächst mit Stehübungen gegen den Wind, denen anschließend Sprünge von einer Rampe im Garten seines Hauses folgten. 1891 gilt als das Jahr, in dem zum ersten Mal ein Mensch sicher nachgewiesen mit einem flugtauglichen Objekt flog. Mit dem ‚Derwitzer Apparat‘, wie er sein Fluggerät nannte, legte Lilienthal am Mühlenberg bis zu 25 m weite Flüge zurück, wobei er jeden Versuch akribisch auswertete und danach seinen Flugapparat kontinuierlich verbesserte. Von Hügeln und Hängen in seiner Umgebung startete er nun zu wiederholten Gleitflügen, steigerte diese bis etwa 250 m Weite und ließ sich in der Nähe seines Wohnorts sogar einen 15 m hohen Hügel, den ‚Fliegeberg‘, aufschütten, an dem er tausende von Flügen absolvierte.


Lilienthal mit seinem Normalsegelapparat, 1895 (3)

Neben möglichst guten aerodynamischen Eigenschaften legte Lilienthal auch auf die leichte Handhabung und Transportierbarkeit seiner Fluggeräte großen Wert. 1893 entwickelte er seinen Normalsegelapparat, einen aus einem Geflecht von Weidenzweigen und mit Baumwollstoff bespannten, zusammenklappbaren Hängegleiter mit 14 m² Tragfläche, den er anschließend patentieren ließ. Ein Jahr danach ging Lilienthals Normalsegelapparat in seiner Berliner Firma in Serienproduktion, die damit zur ersten Flugzeugfabrik der Geschichte wurde. Laut einer Verkaufsanzeige aus dem Jahr 1895 wurde das Segelfluggerät „zur Uebung des Kunstfluges“ für den Preis von 500,- Mark angeboten und fand (mindestens) neun namentlich bekannte Käufer. Außerdem war seinen Flugzeugen stets ein Zettel beigefügt, der vor den Gefahren des Fliegens warnen sollte: „Also bedenken Sie, dass Sie nur ein Genick zum Zerbrechen haben!“


Lilienthals Flug vom Fliegeberg, 1895 (4)

In seinen letzten beiden Lebensjahren nutzte Otto Lilienthal auch den Gollenberg im Nordosten Berlins regelmäßig für seine Erprobungsflüge. Hier stürzte er, von einer heftigen Windböe erfasst, 1896 bei einem Flugversuch aus etwa 15 m Höhe senkrecht ab und brach sich dabei die Halswirbelsäule. Er wurde in eine Berliner Klinik gebracht, wo er am Folgetag mit 48 Jahren starb.

Insgesamt baute Otto Lilienthal in seinem Leben etwa 20 Fluggeräte, darunter auch Flügelschlagapparate und zwei verschiedene Doppeldecker mit bis zu 7 m Spannweite.

Indem er die grundlegenden Prinzipien des Fliegens erforschte und darauf aufbauend etwa 2.000 kontrollierte Versuchsflüge durchführte, verhalf Lilienthal der Fliegerei zu ihrem Durchbruch und führte nur wenige Jahre später zur Verwirklichung des Motorflugs durch die Gebrüder Wright.

Doch zuvor konnte sich noch für wenige Jahrzehnte ein anderer Luftfahrzeugtyp durchsetzen:

Das Luftschiff

Das größte Problem der Ballone, deren fehlende direkte Lenkbarkeit und geringe Eigengeschwindigkeit, konnte erst ab 1883 mit der Erfindung des relativ leichten Verbrennungsmotors Gottlieb Daimlers gelöst werden. Aufgrund seines günstigeren Verhältnisses zwischen Leistung und Gewicht im Gegensatz zu den schweren Dampfmaschinen und frühen Ottomotoren eignete er sich nun zunehmend auch für Luftfahrzeuge.

Seit 1850 gab es zwar schon erste experimentelle Luftschiffe, die mehr oder weniger schon die heute bekannte typische Form aufwiesen, konnten aber wegen ihrer schlechten Manövrierbarkeit letztlich doch nur für Luftaufnahmen oder zu Beobachtungszwecken eingesetzt werden. Diese nicht starren Luftschiffe werden Prallluftschiffe oder Blimps genannt. Ihre mit Wasserstoff gefüllte Hülle bestand aus Stoff und wurde anfänglich mit einem Netz überzogen, an dem die Gondel befestigt war.

 


Giffards Dampf-Luftschiff, 1852 (5)

Dem Franzosen Henri Giffard gelang es als Erstem, Auftrieb und Vortrieb zu kombinieren. Er konstruierte 1852 einen zigarrenförmigen Ballon, der durch den Gasdruck im Innern geformt und von einer 45 kg schweren und 3 PS leistenden Dampfmaschine angetrieben wurde. Die anschließende fast 30 Kilometer lange Fahrt mit einer Geschwindigkeit von 8 km/h wird als der erste bemannte motorisierte Flug der Geschichte angesehen.

Nachdem er bei einem weiteren Versuch verunglückte, bei dem das Luftschiff explodierte und er nur knapp den Flammen entkommen war, nahm allerdings danach das Interesse am Bau von Luftschiffen spürbar ab.

Das erste Starrluftschiff war ein von dem gebürtigen Ungarn David Schwarz entwickeltes Ganzmetall-Luftschiff. Es bestand aus einem Gitterträgergerüst, war mit einem gerade auf den Markt gekommenen Aluminiumblech beplankt und wurde von einem 12 PS-Benzinmotor angetrieben.


David Schwarz' Luftschiff, 1897

Hans-Peter Papke (6)

Die äußere Form bestand aus einem Zylinder mit kegelförmigem Bug. Das Luftschiff wurde jedoch bei seiner Probefahrt 1897 auf dem Tempelhofer Feld in Berlin zerstört. Unter den Beobachtern des Geschehens befand sich auch ein gewisser Graf Zeppelin, der die Idee von Schwarz übernahm und mit seinen späteren Luftschiffen Weltruhm erlangen sollte.

Alberto Santos Dumont war ein in Frankreich lebender brasilianischer Luftschiff- und Motorflugpionier, der insgesamt elf Luftschiffe baute. Um den mit 100.000 Franc dotierten Deutsch-Preis (gestiftet von dem französischen Öl-Industriellen Henri Deutsch) zu gewinnen, unternahm er 1901 drei Anläufe. Die ersten beiden missglückten, wobei beim zweiten Versuch sein Luftschiff Nr. 5 das Dach eines Hotels streifte und dabei explodierte. Dumont hing mit seinem Korb an der Außenwand des Gebäudes fest und konnte gerade noch rechtzeitig von der Feuerwehr aus seiner misslichen Lage befreit werden.


Santos Dumonts Luftschiff N° 6, 1901 (7)

Erst beim dritten Anlauf schaffte er es, mit seiner ‚Santos Dumont Nr. 6‘ und einem 12 PS-Motor die Bedingung für das Preisgeld zu erfüllen, innerhalb von 30 Minuten die fast 6 Kilometer lange Strecke vom Pariser Vorort Saint-Cloud um den Eiffelturm herumzufahren und wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren.

Santos-Dumont befasste sich danach auch mit motorgetriebenen Flugzeugen, die er so weit entwickelte, dass ihm 1906 mit einem selbststartenden Experimentalflugzeug ein offiziell anerkannter Motorflug von über 25 m gelang und der ihm 3.500 Franc Preisgeld einbrachte. Zu seinen Ehren wurde einer der beiden Flughäfen Rios nach ihm ‚Rio de Janeiro Aeroporto Santos Dumont‘ benannt.

Der bedeutendste Luftschiff-Pionier war jedoch der in Konstanz am Bodensee geborene Ferdinand Graf von Zeppelin. Als deutscher Berufsoffizier wurde er mit 25 Jahren als Militärbeobachter im amerikanischen Bürgerkrieg eingesetzt, in dem die Kriegsgegner auch Ballone zum Ausspähen feindlicher Stellungen verwendeten. Als er sogar selbst an einer Ballonfahrt teilnehmen durfte, war er von diesem Erlebnis so fasziniert, dass er sich nach seinem frühzeitigen Ausscheiden aus dem aktiven Dienst als 52-jähriger Generalleutnant nur noch mit der Verbesserung der Ballontechnik beschäftigte. Zeppelin beobachtete intensiv die Luftfahrtszene und erwarb von der Witwe des Luftschiffkonstrukteurs David Schwarz dessen Entwürfe und Patente. 1895 ließ er sich sein eigenes Konzept für ein ‚Lenkbares Luftfahrzeug mit mehreren hintereinander angeordneten Tragkörpern‘ patentieren. Danach begann er mit der Realisierung des ersten, über drei Achsen lenkbaren Starrluftschiffs. Die wichtigsten Merkmale seiner Konstruktion waren das starre Gerippe aus Aluminium, das aus Ringen und Längsträgern aufgebaut war, sowie die gesonderten Gaszellen für das Füllgas im Innern des Gefährts. An dem mit Stoff überspannten Gerüst waren unterhalb die beiden separaten Gondeln für Passagiere und Besatzung befestigt. Da eine staatliche Finanzierung seines Unternehmens abgelehnt wurde, gründete er nach einem Spendenaufruf die ‚Gesellschaft zur Förderung der Luftschifffahrt‘, für die er selbst mehr als die Hälfte des Aktienkapitals in Höhe von umgerechnet ca. 5 Mio. Euro aufbrachte. Der Prototyp wurde in einer auf Pontons schwimmenden Halle, die für den schwierigen Startvorgang in den Wind gedreht werden konnte, in der Manzeller Bucht bei Friedrichshafen gebaut.


LZ1 bei seiner Jungfernfahrt, 1900 (8)

Schließlich stieg im Juli 1900 über dem Bodensee das erste, nach ihm benannte Starrluftschiff LZ 1 (= Luftschiff Zeppelin 1) auf. Es hatte eine Länge von 128 m, einen Durchmesser von 11 m und verfügte über zwei Daimler-Motoren mit jeweils 15 PS. Tausende von Zuschauern beobachteten vom Ufer aus, wie das Monstrum über dem Wasser schwebend einige Kehren drehte und nach 18 Minuten notwassern musste.

Die nachfolgenden Zeppelinreihen wurden hauptsächlich für Passagierfahrten im Kurzstreckenbetrieb eingesetzt.

Den ersten großen Erfolg erlebte Graf Zeppelin jedoch erst 1908 mit seinem 4. Luftschiff LZ 4, das bereits über einen Aufenthaltsraum verfügte und in einer 12-stündigen Fahrt knapp 400 Kilometer zurücklegte. Als der LZ 4 noch im selben Jahr verunglückte, hätte dieser Unfall vermutlich das wirtschaftliche Aus für seine Luftschiffe bedeutet. Doch eine Spendenaktion löste eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft im ganzen Land aus. Mit dieser nationalen ‚Zeppelinspende‘ in Höhe von umgerechnet 35 Mio. Euro war es dem Grafen nun möglich, die ‚Luftschiffbau Zeppelin GmbH‘ und eine Zeppelin-Stiftung zu gründen. Ein Jahr später wurde mit staatlicher Unterstützung die ‚Deutsche Luftschifffahrt-AG‘ ins Leben gerufen, die erste Fluglinie der Welt unter der Leitung von Hugo Eckener. In der Reihe der Zeppeline beförderte danach der LZ 7 bis 1914 auf mehr als 1.500 unfallfreien Fahrten insgesamt fast 35.000 Passagiere.

Im Ersten Weltkrieg wurden die Starrluftschiffe anfangs noch in großem Stil zur Aufklärung und für Luftangriffe mit Bombenabwurf verwendet. Doch im Laufe des Krieges ging die flugtechnische Entwicklung über sie hinweg, da die inzwischen zuverlässiger gewordenen Flächenflugzeuge immer mehr die Rolle der Luftschiffe übernahmen.

Als nach dem Ende des Ersten Weltkrieges auch das Ende des deutschen Luftschiffbaus gekommen zu sein schien, gelang es Graf Zeppelins Nachfolger Hugo Eckener, das Interesse der USA für das Luftschiff zu wecken. Es kam ein Vertrag zustande, der aber erst nach erfolgreicher Überführung des LZ 126 über den Atlantik als erfüllt betrachtet wurde. 1924 startete Kommandant Eckener von Friedrichshafen aus zur Atlantiküberquerung und landete ohne Zwischenfall nach drei Tagen in Lakehurst, 100 km südwestlich von New York City. Dies war nach dem britischen Starrluftschiff R34 fünf Jahre zuvor der zweite Nonstopflug über den Atlantik.

Ihre Blütezeit erlebten die Luftschiffe in den 1930er Jahren, als LZ 127 Graf Zeppelin und LZ 129 Hindenburg zur regelmäßigen Passagierbeförderung in die USA und nach Rio de Janeiro eingesetzt wurden.

Der 1928 in Dienst gestellte LZ 127 Graf Zeppelin gilt als erfolgreichstes Verkehrsluftschiff der Geschichte. Bei einer Reichweite von 12.000 km kam er auf eine Höchstgeschwindigkeit von 128 km/h und war damit dreimal schneller als ein Ozeandampfer. Zusätzlich zur 50-köpfigen Besatzung konnte der LZ 127 maximal 25 Fluggäste mitnehmen. Als Neuerung wurde zum Schutz gegen die Sonneneinwirkung die Hülle des Luftschiffs mit einem Aluminiumpulver-Anstrich versehen, der ihm seine typisch silberne Farbe gab. 1929 begab sich der Graf Zeppelin auf eine Weltreise, die über Sibirien, Tokio, Los Angeles, Lakehurst und zurück nach Friedrichshafen führte. Wo immer die Riesenzigarre auftauchte, wurde sie zur Sensation und überall frenetisch bejubelt. Insgesamt legte das Schiff fast 1,7 Mio. km bei 590 unfallfreien Fahrten zurück, wobei es etwa 140-mal den Atlantik nach Nord- und Südamerika überquerte.


Postkarte des Luftschiffs Hindenburg, 1936 (9)

Der Nachfolger der Graf Zeppelin, der LZ 129 Hindenburg und sein Schwesterschiff, der LZ 130 Graf Zeppelin II, waren mit einer Länge von 245 m, einem Durchmesser von 41 m sowie einem Leergewicht von 120 Tonnen und ebenso hoher Zuladung die größten Luftschiffe aller Zeiten. Angetrieben wurden sie von vier Dieselmotoren mit je 800 PS, die eine Geschwindigkeit von bis zu 130 km/h möglich machten.


Der Salon der Hindenburg (10)

Die Hindenburg war allerdings nicht auf Geschwindigkeit ausgelegt, sondern auf Komfort. Neben Schlafkabinen, einem separaten Rauchsalon und fließend warmem Wasser verfügte sie auch über einen Speisesaal, in dem Menüs à la carte serviert wurden. Das Luftschiff reiste meist in einer Höhe von 200 m und benötigte für eine Atlantiküberquerung knapp 43 Stunden. Ein Flugticket nach Amerika für die Hin- und Rückfahrt kostete damals umgerechnet rund 10.000 Euro.

Eigentlich sollte die Hindenburg schon mit dem nicht brennbaren Edelgas Helium befüllt werden, doch über dieses Gas verfügten nur die Amerikaner, und die zogen ihre Lieferzusage zurück, nachdem die Nazis die Zeppeline zu Propagandazwecken missbrauchten und auf Kriegskurs gegangen waren.

Seit seiner Inbetriebnahme 1936 hatte der LZ 129 Hindenburg während seiner 63 Fahrten 37-mal den Atlantik überquert. Als er im Mai 1937 bei seiner letzten Fahrt über den Ozean in der Marine-Luftschiffbasis Lakehurst ankam, ereignete sich eine Katastrophe, die die Welt erschüttern sollte: Kurz vor der Landung tauchte plötzlich auf der Außenhülle im Heckbereich eine Stichflamme auf, die in kürzester Zeit den Wasserstoff im Innern des Luftschiffs in ein flammendes Inferno verwandelte. Binnen weniger Minuten blieben von dem einst so stolzen Schiff nur noch Schrott und Asche übrig. Von den 97 an Bord befindlichen Personen kamen bei der Katastrophe 35 ums Leben, die anderen wurden wie durch ein Wunder gerettet. In aller Welt zeigte man danach den Dokumentationsfilm über die letzten 34 Sekunden bis zum Aufprall des Giganten auf dem Boden.


Hindenburg Zeppelin-Katastrophe, 1937 (11)

Mit diesem Absturz endete ein Jahr vor dem 100sten Geburtstag ihres Erfinders auf tragische Weise die fast vierzigjährige Ära dieser majestätischen Luftschiffe und bedeutete für die zivile Luftschifffahrt das sofortige Aus.

Über die eigentliche Ursache des Unglücks wird bis heute viel spekuliert. Womöglich hatte sich das Luftschiff zuvor mit statischer Elektrizität aufgeladen, als es unplanmäßig lange an einer Gewitterfront entlang gefahren war. Als die Festhaltekabel zum Anlegen nach unten geworfen wurden und den Boden berührten, gab es vermutlich eine Funkenentladung, die das Gas entzündet haben könnte. Der verantwortliche Kapitän blieb allerdings bis an sein Lebensende davon überzeugt, dass weder technisches Versagen noch ein unglücklicher Zufall sein Luftschiff zerstört habe, sondern ein Sabotageakt. Auch eine Untersuchungskommission aus deutschen und amerikanischen Fachleuten kam zu keinem eindeutigen Ergebnis und schlussfolgerte, dass die Tragödie ein Fall höherer Gewalt gewesen sei.