Tiere mit uns

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Tiere mit uns
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HELEN BRAASCH

TIERE MIT UNS

Zwölf lebensnahe Tiergeschichten für Schulkinder

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2016

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte bei der Autorin

Coverillustration collection animal isolated on white background © evegenesis (FOTOLIA)

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Zwei ungewöhnliche Freunde

Die kleine weiße Maus

Die große graue ‚Maus’, die eine Katze war

Die kleine weiße Maus besucht die graue Katze

Der Weg in die Freiheit

Umzug der Igel

Eine verwundete Katze

Das Leben der Auguste

Die Möwe

Wenn ich ein Vöglein wär

Im Christbaum ist der Wurm drin

Der verschwundene Nuckel

Die Liebe des Schwammspinners

Susi und Mohrle

Mein Freund, das Kaninchen

Ein Schäferhund – größer als ich

ZWEI UNGEWÖHNLICHE FREUNDE
Die kleine weiße Maus

Sie war in einem Käfig im Labor einer Arzneimittelfirma geboren worden. Nackt war sie bei der Geburt gewesen und konnte weder sehen noch hören. Das Fell begann alsbald zu wachsen, und nach nicht ganz zwei Wochen öffnete unser Mäuschen die Augen. Die Enge im Käfig hatte sie nicht gestört. Sie erlebte eine liebende Mäusemutter und mehrere Geschwister. Alle waren sie weiß und hatten rosa Füßchen und lange dünne Schwänze. Als sie größer wurden, passierten komische Dinge. Manchmal wurden einige von den Geschwistern von den großen Zweibeinern weggebracht. Manche von ihnen bekamen eine Spritze. Das war nicht angenehm, es piekste, aber was dann passierte, war viel schlimmer. Einigen Mäusen wuchs eine Knolle unter der Haut, andere konnten sich nicht mehr richtig bewegen, und einige starben sogar. Sie wussten natürlich nicht, wie wichtig diese Versuche bei der Entwicklung neuer Medikamente für Menschen waren. Manche Mäuse wurden schon als Junge weggebracht und kamen nie wieder zu ihrer Familie zurück. Das führte oft zu Zank unter den verbleibenden Mäusen, weil es für sie Stress bedeutete. Unsere kleine weiße Maus hatte Glück. Sie verblieb bei ihrer Familie, starb nicht vorzeitig, hatte kein Fieber und keine Knolle unter der Haut. Nur einmal war ihr etwas benommen zumute. Sie torkelte ein bisschen, und das mag der Grund gewesen sein, dass sie aus dem Käfig fiel, als dieser zur Reinigung geöffnet wurde. War es ihr Glück oder Unglück, dass keiner es bemerkte?

Von ihrem auf einem Regal stehenden Käfig aus hatte die kleine weiße Maus gesehen, dass es eine Welt außerhalb des Käfigs gibt. Die großen Zweibeiner kamen und gingen, brachten den Mäusen Futter und Wasser und säuberten den Käfig. Aber der glatte Boden des großen Laborraumes, auf den die Maus nun gefallen war und auf dem noch viele andere Regale mit Mäusekäfigen standen, flößte ihr riesige Angst ein. Im Käfig gab es Einstreu, aber auf dem Boden rutschte sie ein bisschen aus, sonst war ihr jedoch nichts passiert. In ihrer Panik wollte sie ein Versteck suchen, geriet aber dabei durch die angelehnte Tür ins Treppenhaus und kullerte unversehens die Treppe hinunter. Auch das überstand sie ohne Schaden und kam wieder auf die Beine. Alles war ruhig. So rannte sie weiter durch eine offen stehende Tür hinaus auf die Straße, wo das ungewohnte Sonnenlicht sie stark blendete. In den Laborräumen gab es nicht so helles Licht. Schnell verschwand sie unter einem Brett, welches da nachlässig auf ein paar Steinen herumlag. Der Fluchtreflex und das schnelle Verstecken in einen Unterschlupf war ihr von ihren wilden Vorfahren erhalten geblieben, obwohl das im Käfig kaum eine Rolle spielte. Zitternd kauerte sie sich in ihr Versteck und blieb da, bis es begann zu dunkeln. Mäuse sind Gruppentiere; einzeln fühlen sie sich ohnehin unwohl und ängstlich. So war ihr auch zumute. Ihr Rücken war gekrümmt, und ihr sonst so glattes Fell sträubte sich. Hunger und Durst trieben sie aber schließlich doch aus ihrem Versteck, wo es keinen Trinknippel wie im Käfig und nichts zu fressen gab. Es war auf der Straße außerdem kälter als im Käfig. Sie wünschte sich zurück in die wohlige Wärme ihres Nestes und zu ihren Geschwistern. Sie sehnte sich danach, den Gruppengeruch ihrer Familie wahrzunehmen. Tatsächlich, in der Gemeinschaft fühlte sie sich viel wohler als im Alleinsein. Was waren das außerdem für schreckliche Geräusche, die von vorbeidonnernden Autos herrührten? Die kleine weiße Maus, vielleicht gerade mal zwei Monate alt, war gestresst und zitterte. Sie verstand nichts mehr. Von der großen weiten Welt hatte sie keine Ahnung, und sie vermisste noch und noch ihre Familie. Was sollte sie auch tun? Sie musste das Versteck verlassen, und das war vielleicht ihre einzige Hoffnung, ihre Familie wiederzufinden. So begann sie, in der Dämmerung auf ihren kleinen rosa Füßchen die Straße am großen Gebäude der Arzneimittelfabrik entlang zu trippeln. Sie hielt sich immer dicht an den Mauern und konnte von Glück reden, dass sie keiner herumstreunenden Katze und keinem Hund begegnete.

Sie lief und lief und war schon ganz erschöpft, als sie ein weggeworfenes Schulbrot fand. Brot und fette Wurst – konnte man das überhaupt essen? Im Käfig gab es Futterpellets. Aber das Brot roch so köstlich. Sie hatte großen Hunger und begann, am Brot zu knabbern. Es schmeckte so gut wie es roch. Als sie satt war, lief sie weiter, immer weiter. Ob sie wohl glaubte, ihre Familie endlich wiederzufinden? Sie brauchte ein Zuhause, wo sie sich wohlfühlen konnte. Sie brauchte Artgenossen zum Spielen und Wärmen. Sie brauchte vor allem ein Versteck. Als sie erschöpft und zu müde zum Weiterlaufen war und es bereits stark dunkelte, schlüpfte sie durch ein Gitter am Straßenrand und geriet in einen großen Hof mit einer Wiese und ein paar Büschen und Bäumen. Sie verharrte und wusste nicht so recht, wo sie sich hinbewegen sollte, da hörte sie ein klägliches ‚Miau’ aus einer bestimmten Richtung kommen, sah aber nichts Genaues. Sie hob ihr Näschen und sog den Geruch ein. Was war das? Es roch nicht nach Maus, ja, es jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Ihr Instinkt sagte ihr, dass dort eine Gefahr lauerte. Die kleine weiße Maus kannte diesen Geruch nicht. Sie hatte ihr bisheriges Leben im Laborkäfig verbracht, und ihre Mutter, Großmutter, Urgroßmutter und andere Verwandte waren da auch nie herausgekommen. Sie verstand, da war ein lebendes Wesen, und sie sehnte sich doch so sehr nach Wärme und Geborgenheit. Trotzdem, etwas in ihr gemahnte sie zur Vorsicht. Zögernd näherte sie sich langsam dem Ort, von dem die Laute und der seltsame Duft kamen. Dabei stieß sie auf einen Napf mit Wasser. Sie trank hastig ein paar Tropfen, denn sie war nach ihrem langen Weg sehr durstig. Schließlich gelangte sie an eine Treppe, die mit wenigen Stufen zu einer Tür hinabführte. Unten an der Treppe saß weinerlich miauend ein junges graues Kätzchen. War das eine große Maus, vielleicht von einer anderen Mäusefamilie? Außer Mäusen und Menschen hatte die kleine weiße Labormaus bis jetzt keine Lebewesen gesehen. Die einzig andersartigen Tiere, die sie je gesehen hatte, waren Mäuse mit farbigem Fell und Nacktmäuse, die ohne Fell gezüchtet wurden. Vielleicht war das da unten eine große Muttermaus, eine, die einfach anders roch als ihre Familie. Allerdings roch sie eigentlich gar nicht nach Maus. Es war kalt in dieser Nacht, und das Kätzchen zitterte ebenso wie die Maus vor Kälte. Es rührte sich nicht von der Stelle, auch nicht, als die Maus langsam näher kam. Es war windgeschützt da unten vor der Kellertür. Die Maus näherte sich behutsam dem Kätzchen immer mehr, doch dieses rührte sich nach wie vor nicht, auch nicht, als das Mäuschen sie eingehend beschnupperte. Letztendlich siegte das Bedürfnis nach Wärme und Gemeinsamkeit, und die Maus, der vollkommenen Erschöpfung nahe, kuschelte sich an das Kätzchen, welches es geschehen ließ. Wo sich die beiden berührten, gaben sie sich gegenseitig ein bisschen Wärme ab. Die junge Maus schlief erschöpft ein. Das Kätzchen rührte sich nicht.

 

Gegen Morgen erwachte die kleine weiße Maus plötzlich von einem heftigen Geräusch an der Kellertür. Wie der Blitz war sie auf und davon und versteckte sich hinter einem Busch, dabei beobachtend was geschah. Ein Zweibeiner erschien in der Kellertür und rief: „Sterni, Sterni, da bist du ja, komm!“ Aber das Kätzchen konnte sich nicht bewegen und miaute nur kläglich. War es schwer verletzt oder krank? Da nahm der Zweibeiner es vorsichtig auf den Arm, verschwand in der Kellertür und schloss diese zu. Die kleine weiße Maus war wieder allein und kroch in einen alten Blumentopf, der umgekippt im Blumenbeet lag. Dort verschlief sie den ganzen Tag nach dieser aufregenden Nacht. Aber als der Tag zu Ende ging, fiel ihr die große graue ‘Maus’, die eigentlich ein Kätzchen war, wieder ein. Sie lief zur Kellertür und schnupperte an der Stelle, wo diese gesessen hatte. Die Tür war zu. Sie lief irritiert hin und her und fand auf der Wiese ein bisschen Vogelfutter. Nachdem sie den schlimmsten Hunger gestillt hatte, setzte sie sich wieder unter den Busch, von dem aus sie die Kellertür beobachten konnte. Sie hoffte, die große graue ‘Maus’ würde wieder erscheinen. Sie schauerte, denn es war immer noch sehr kalt.

Manchmal öffnete sich die Tür, und Zweibeiner kamen heraus oder gingen hinein, aber weiter passierte nichts. Doch einmal kam ein kleinerer Zweibeiner heraus und ließ die Tür offen stehen. Die kleine weiße Maus nahm ihren ganzen Mut zusammen und lief hinein in den Keller. Da war es wärmer, und irgendwo musste die große graue ‘Maus’, die ja eigentlich ein Kätzchen war, doch sein. Ein betörender Duft im Kellergang ließ die kleine Maus vergessen, was sie hier eigentlich suchte. Sie ging dem Duft nach und kroch durch einen Holzverschlag in einen Raum, in dem eine Kiste mit Äpfeln stand. Hier war alles ruhig. Sie hatte Hunger, kletterte in die Kiste und fing sofort an zu fressen. Sie fraß und fraß bis sie in der Apfelkiste einschlief. Ganz ruhig atmend und versteckt lag sie in einer Lücke zwischen den Äpfeln. Viel später wachte sie auf und merkte, dass die Kiste bewegt wurde. Sie schaukelte richtig hin und her und wurde schließlich unsanft abgestellt. Die kleine weiße Maus hatte keine Erklärung dafür und wollte sich aus lauter Angst nur noch verstecken. Sie kroch noch tiefer in die Apfelkiste hinein und rührte sich nicht. Weiter geschah nichts. So harrte sie eine Weile aus und schlief wieder ein.

Die große graue ‚Maus’, die eine Katze war

Auch sie hatte eine liebende Mutter gehabt und mehrere Geschwister und kannte nette Zweibeiner, die das Futter brachten und sie streichelten. Eines Tages aber kamen andere Zweibeiner, steckten sie in einen Käfig und nahmen sie mit. Das war sehr aufregend, aber unser Kätzchen war kein Angsthase. Es lag ganz ruhig, und als der Käfig wieder geöffnet wurde, sprang es hinaus in die vollkommen neue Umgebung. Die große Wohnung wurde in allen Winkeln voller Neugier erkundet. Es gab eine Menge kuscheliger Ecken, die einer Katze zum Schlafen zusagten. Am besten gefiel ihr der Bettkasten unter den Betten der Kinder. Dort lagen die Kuscheltiere, und sie legte sich zum Schlafen dazu. Die Zweibeiner waren lieb zu dem Kätzchen, vor allen Dingen die mit den kürzeren Beinen. Sie gaben ihm den Namen ‚Sterni’, spielten mit ihm und schmusten mit ihm, so dass es sich wohlfühlte und den Verlust von Mutter und Geschwistern gut verkraftete.

Aber eines Abends, als es schon dunkel war, passierte etwas Schreckliches. Das Küchenfenster stand einen Augenblick offen, und die unerfahrene junge Katze sprang vom 1. Stock des Hauses hinaus in den Hof. Einen solchen Sprung konnte eine Katze unter Umständen unbeschadet überstehen. Aber unser Kätzchen hatte Pech. Sie fiel auf ein Eisengeländer entlang der Stufen zur Kellertür. Der Schmerz betäubte sie fast, und dann konnte sie kaum noch laufen. Es war dunkel, und ihr ‚Miau’ wurde nicht gehört. So kauerte sie an der Kellertür und saß die ganze Nacht fröstelnd und voller Schmerzen dort. Und hier begegnete ihr zum ersten Mal die kleine weiße Maus, die sich Wärme suchend an sie kuschelte. Sie ließ es geschehen. Zum Fressen oder Spielen war ihr nicht zumute. Sie empfand es sogar ein bisschen tröstlich bei all ihrem Schmerz und der nächtlichen Kälte.

Gegen Morgen kam ein Zweibeiner und rief: „Sterni, Sterni.“ Das Kätzchen kannte die Stimme und antwortete: „Miau, miau.“ Der Zweibeiner nahm es sichtlich erleichtert auf den Arm und trug es in die Wohnung. Aber die Katze hinkte, konnte ein Bein nicht bewegen und wurde zum Arzt gebracht. Schreckliche Angst stand sie dort aus, wurde unter Schmerzen untersucht, erhielt eine Spritze und wurde schließlich operiert, denn der Oberschenkel des einen Hinterbeines war gebrochen. Als sie aus der Narkose erwachte, war ein dicker Verband an ihrem Bein, was sie schrecklich fand. Wieder daheim, wurde sie in einen Käfig eingesperrt. Katzenklo, Futter, Spielzeug waren auf engstem Raum im Käfig verteilt. Sie war unglücklich, wollte hinaus und miaute jämmerlich, sobald sich ein Zweibeiner dem Käfig näherte. Aber es nützte nichts. Nur manchmal nahmen die kleinen Zweibeiner sie auf den Schoß und streichelten sie. Herumlaufen durfte sie nicht.

Besonders langweilig war es nachts, aber auch tagsüber, wenn alle Zweibeiner die Wohnung verlassen hatten. Am lästigsten aber fand Sterni den Verband an ihrem Bein. Sie zerrte so lange daran herum, bis er ab war. Aber das verbesserte ihre Situation nicht. Sie wurde erneut zum Arzt gebracht und bekam einen neuen Verband und dazu eine Halskrause. Nun sah sie wirklich lustig aus und konnte ihren Körper nicht richtig sehen und lecken. Trotzdem brachte sie es fertig, den Verband am Bein ein zweites Mal zu lösen. Der erneute Besuch beim Tierarzt war nicht angenehm. Sie hasste diesen Ort, wo sie immer wieder Schmerzen erleiden musste. Trotzdem entfernte sie den erneut angelegten Verband mit viel Geschick ein drittes Mal, und diesmal entschied der Arzt, keinen neuen Verband anzulegen. Aber die Katze musste weiter und weiter in ihrem Käfig bleiben und langweilte sich Tag und Nacht. Sie hatte keine Ahnung, wann die vom Arzt verordneten 8 Wochen Käfigaufenthalt wohl vorbei wären. Doch eines Nachts kam Abwechslung in ihr Leben.

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