Tatort Rosenheim

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Tatort Rosenheim
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Heinz von Wilk

Tatort Rosenheim

Sammelband Rosenheim-Krimis

Die Einzelbände

Leberkäs-Porno

Max Auer, 45, ledig, Top-Ermittler, wird bei der Münchner Sitte gefeuert – weil er zur falschen Zeit die falschen Dinge gesehen hat. Er zieht zu seiner Tante Friedl nach Rosenheim. Zur gleichen Zeit produziert Sepp Glasl auf dem Samerberg seine »Leberkäs-Pornos« – Hardcore-Streifen für den asiatischen Markt. Sissi, die Porno-Queen, verknallt sich in einen korrupten Bänker. Und Max Auer findet sich mitsamt Tante Friedl in einem Sumpf aus nacktem Fleisch und krummen Deals wieder.

*

Babylon Rosenheim

Der Auer Max will eigentlich nur seine Rosi wieder mal rumkriegen. Da taucht die Besitzerin der Rosenheimer Babylon-Bar, Silikon-Wally, in seinem Leben auf. Ihr Freund, der Günter, wird von der Polizei und einigen Unterwelt-Bossen gejagt. Nach diversen Überfällen auf Geldtransporter ist der Günter nämlich Millionär. Und an diese Millionen wollen sie ran, die Münchner Clan-Chefs. Aber die Wally, die will den Günter und das Geld und mit ihm abhauen. Da kommt Max Auer ins Spiel und die Sache nimmt Fahrt auf …

Der Autor

Heinz von Wilk wurde in Linz/Oberösterreich geboren und wuchs in Rosenheim auf. In den wilden 1970er-Jahren reiste er als Rock ’n’ Roll-Musiker um die Welt. Nach vielen Tourneen durch Europa, Amerika, Asien, Afrika und Südamerika traf er in Osnabrück das norwegische Model Liv, die ebenfalls nicht wusste, was sie hier sollte. Die beiden heirateten und zogen nach Denia an die Costa Blanca, wo sie den Rockstars von damals schicke Villen mit Meerblick von heute verkauften. 2006 zog es ihn, seine Liv und den bayerischen Rauhaardackel Herrn Josef zurück ins Chiemgau. Heute lebt der Autor in Rosenheim und schreibt seine skurrilen Krimis. Ein Ende ist nicht abzusehen. www.heinz-von-wilk.de

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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© 2021 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

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Alle Rechte vorbehalten

E-Book-Produktion: Mirjam Hecht

Covergestaltung: Katrin Lahmer unter Verwendung von © Kanea / shutterstock.com und © rdnzl / fotolia.com

ISBN 978-3-7349-9492-0

Leberkäs-Porno

Copyright der Originalausgabe © 2019 by Gmeiner-Verlag GmbH

Babylon Rosenheim

Copyright der Originalausgabe © 2020 by Gmeiner-Verlag GmbH

Inhalt

Die Einzelbände

Der Autor

Impressum

Leberkäs-Porno

Widmung

Vorwort

Alles auf Anfang

Wer ist Chili?

Was weg is, is weg!

Ja, wo ist denn jetzt die Sissi?

Ehrlich währt am längsten – aber wer nicht bescheißt, der kommt zu nix

Daddy Cool

Kalbsvögel? Echt jetzt?

Auch wenn auf dem Gipfel schon Eis liegt …

Stunde der Wahrheit

Wer mehr Vögel(n) will, muss freundlich sein

Der Mörder ist wieder frei

Die drei großen »B«: Bumsen, Benthaus, Borsche

Die Welt geht noch in Oasch, wenn des so weidageht

Der? Der ist doch ein Kugelfisch

Geh, iss doch was … Ich bin extra aufgeblieben

Und nun: Der schöne Herrmann

Auszeit / Anfang

Auszeit / Ende

Nimm die Finger von dem Schwanz!

Himbeereis zum Frühstück … Käs-Fondue im Iglu

Ja leck mich, der Auer Max!

Vergiss es, Mann!

Telefon!!!

Verbrechen lohnt sich nicht, aber man hat eindeutig die besseren Arbeitszeiten

Inkasso-Manni

Wo, zum Teufel, ist die Sissi?

Wer kauft denn so was?

Wer ist hier der Bolo?

Das ist ja der Brunner, oder?

Iss was, Bub, du bist ja viel zu dünn!

Ab in den Keller

Ey, krass, voll Porno, Alter!

Was weg is, is weg

Habt ihr hier keinen Leberkäs? Echt nicht?

Nachwort

Die Speisen

Babylon Rosenheim

Haftungsausschluss

Vorwort

Einleitung oder: »Die Wally und das sündige Leben«

»Jessas, ned schon wieder eine Leich’«,

Schon, oder?

Im Büro

Mein lieber Schieber,

Das sind ja richtige Fleischfetzen.

Das Essen bei Kerzenlicht

Fünf Minuten vorher. Max Auer schläft.

So, und jetzt machen wir schnell einen Abstecher

Letztendlich

Du magst das bestimmt auch nicht:

Das ganze Leben ist eine Buchstabensuppe …

»Was?«

Die Bluthochzeit der Drohnen.

Max Auers Gespür für Nebel

Der schöne Adi und der Abgrund

Jede Bohne zählt

»Kopi Luwak« ist das Stichwort, der reine Kopi Luwak!

Monzo?

Zuckerschnecke

Drama, Baby, Drama

 

Einen Anwalt, der was kann halt

Döner macht schöner.

Wann kommt denn nun die Rosi?

Wahrheit? Welche Wahrheit denn?

Love hurts (Nazareth, 1975)

Harter Tag? Dann lass dich durchkneten.

Wenn die Sonne tief genug am Horizont steht, dann werfen selbst die Zwerge einen großen Schatten.

Finaaaale, ohooo!

Endspiel. Wer fängt an?

Nachwort 1: Ich hab da noch eine Frage.

Nachwort 2: Alles klar?

Die Speisen

Leberkäs-Porno

Widmung

Für Liv

Vorwort

Ich erzähl dir jetzt eine Geschichte, und die ist richtig gut. Es ist zwar eine Geschichte, die man sich hier hinter vorgehaltener Hand zuflüstert, und ob sie sich genau so zugetragen hat, weiß ich jetzt auch nicht mehr. Für besonders Prüde ist das hier aber sowieso eher nichts. Denn es geht um die Entstehung und die Folgen einer neuen Geschäftsidee. Hardcorepornos auf einer Alm, in den Bergen hinter Rosenheim. Leberkäs-Pornos.

Dieses Buch ist bevölkert von einem schillernden Figurenensemble: Kriminellen Nachtklubbesitzern, Prostituierten. Von Polizisten im und außer Dienst, Zuhältern, adligen Heiratsschwindlern und schrägen Nachtschwärmern. Sie alle trudeln durch diese Welt aus Sex und Crime im Alpenland.

Alles auf Anfang

Der Auer Max war mal eine richtig fette Nummer bei der Sitte in München. KHK Auer, also, wenn der dienstlich in einem Puff aufgetaucht ist, dann ist es am Hintereingang zugegangen wie bei einem Almabtrieb. Aber wen sich der Max greifen wollte, den hat er auch erwischt. So oder so.

Gut, ab und zu hat er auch schon mal ein Glas oder mehr mit den Mädels getrunken. Und in eine rassige Ungarin war er mal richtig verliebt. Die wollte sogar weg vom Strich, wegen ihm, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Auf jeden Fall, am Morgen nach seinem 40sten, den er im »Red Horse« in Schwabing bis zum Abwinken gefeiert hat, ist es passiert. Der Auer, schwer verkatert, kriegt auf dem Weg nach unten aus der Küche einen Streit mit. Er setzt sich auf die Treppe und hält sich den Brummschädel.

Jetzt, laute Männerstimmen, dazwischen die Stimme einer Frau. Die schrie: »Wenn der nicht bald bezahlt, geh ich zu seinem Vater. Da muss ich nicht einmal weit gehen, weil, der ist ja auch Stammkunde bei mir und meiner Pitschko!«

Darauf ein Mann, tief und kehlig: »Anusch, Golubovi, bleib ruhig, meine Schöne. Ich mach das mit Mann. Ist guter Mann. Hat nur viel Stress in Job. Weißt ja, Politik ist böser Job.« Das Wort »Job« klang bei dem Kerl wie »Jooob«.

Eine andere, dünne und weinerliche Männerstimme: »Ich zahl ja. Gib mir nur noch eine Woche, Igor. Und du, Anusch, du kriegst was extra. Eine schöne Uhr oder einen Ring, ein Kleid, was du willst, okay?«

Der Auer Max schlurft hinter die Bartheke, schiebt ein paar Flaschen zur Seite und schaut durch die Klappe in die Küche. Da steht der Münchner Stadtrat Himmlinger in voller Pracht. Neben ihm die rote Anusch, und vor ihm der Igor, dem das »Red Horse« gehört. Igor sagt: »Kolleg, jebem ti majku, du bist bei 40.000. Für Schnee und Mädels und so. Langsam muss was wachsen rüber, verstehst?«

Der Stadtrat fährt sich durch die lichten grauen Haare, schaut sich um und sieht das verquollene Gesicht vom Auer Max in der Durchreiche. Die zwei schauen sich in die Augen. Das war’s. Falsche Zeit, falscher Ort.

Einen Tag später haben sie den Spind vom Max aufgrund eines anonymen Hinweises durchsucht. Und da schau her: Sie fanden 7.000 Euro, eine Rolex und ein Plastiktütchen mit weißem Pulver drin.

Nicht dass du jetzt glaubst, die haben einen Riesenwirbel gemacht. Nein, man hat ihm den vorzeitigen Ruhestand bei halben Bezügen vorgeschlagen. Oder eben halt doch eine hochnotpeinliche Ermittlung, in Farbe und Stereo. Ganz wie du das haben willst, Auer, haben sie zu ihm gesagt.

Und so kam’s, dass der Auer Max eine Woche später in Rosenheim am Küchentisch seiner Tante Friedlinde saß und einen Schweinsbraten mit Knödel nebst einem kalten Hefeweizen vor sich stehen hatte.

Jetzt muss ich das noch kurz erklären: Der Auer ist ja ein Junggeselle und hat seine kleine Dienstwohnung in München ruckzuck geräumt. Und weil sie ihm seinen dunkelblauen Audi auch gleich unter dem Hintern wegkonfisziert haben, ist er mit dem Zug nach Rosenheim zu seiner nächsten Verwandten, besagter Tante, gefahren.

Die Friedlinde, 68, groß, schlank, mit einer gewissen Resterotik, ist eine Witwe, die von ihrem Otti, der Herr hab’ ihn selig, drei Wohnhäuser in der Rathausstraße geerbt hat. Sie selber wohnt in einer 184-qm-Dachterrassenwohnung in der Münchener Straße. Auch geerbt. Jetzt wirst du fragen, ja, womit hat der selige Otti denn so viel Geld verdient? Ich sag mal so: Der Bernrieder Ottfried hat zwar offiziell einen kleinen Malerbetrieb gehabt, für die Steuer und den guten Ruf. Inoffiziell war er aber ein Meister der kreativen Geldbeschaffung. An zwei Rosenheimer Spielhöllen war er beteiligt, und in Österreich drüben, gleich hinter Sachrang, da hat er Hinterzimmer-Pokerrunden organisiert. Und Schlimmeres. Warum ich das erzähle? Na ja, das gehört alles irgendwie schon zu der Geschichte. So, und jetzt pass auf, es geht los:

Wer ist Chili?

»Nimm doch noch einen Knödel, Bub. Du schaust ja schlimm aus. Hat es in ganz München nix G’scheites zum Essen gegeben? Und warum warst du nie bei deiner alten kranken Tante Friedl? Hmh? Ich hab dich so oft angerufen, dass du mich besuchen sollst. Aber der Herr hat ja nie Zeit. Sogar vor zwei Jahren, bei der Urnenfeier vom Otti, da warst du genau einundeinhalb Stunden auf dem Friedhof!«

Auer dachte sich, die ist immer noch ein Kiemenatmer. Die schnauft nicht ein einziges Mal und redet doch in einer Tour. »Du bist nicht krank, Tante, und alt auch nicht. Optisch jedenfalls nicht. Du schaust keinen Tag älter aus wie damals auf dem Friedhof. Ehrlich jetzt.«

Friedl strich dem Auer mit der Hand über das dunkelbraune, lockige Haar: »Iss trotzdem noch was, Bub. Und sag nicht immer Tante zu mir. Da komm ich mir so … mottenkugeltantig vor, verstehst? Sag bitte Friedl, ja?«

Sie ging zur Kommode, streichelte die große, in grauen Marmor gefasste Sanduhr und drehte sie um. Lautlos und langsam rieselte eine graue, körnige Staubmasse durch die Engstelle: »Mach nur langsam, Otti, es pressiert nicht. Weit kannst ja eh nicht mehr laufen, gell?«

Der Max verschluckte sich fast an seinem Knödel. Mit der Gabel zeigte er zur Kommode: »Friedl, sag jetzt nicht, das da drin ist der Otti. Nein, oder?«

Die Friedl strich sich durch das dunkelbraun gesträhnte Haar: »Ja mei, ich kenn halt den Bestatter gut. Der Schorschi, der ist mit mir in die Königschule gegangen. Und er war mir noch einen Gefallen schuldig. Aber jetzt ruft er mich ab und zu an und will sich mit mir treffen. Aber weißt, wenn ich mir überleg, wo der seine Hände immer hat, dann weiß ich auch nicht so recht. Streng riechen tut er auch. Ich meine, ich komm ja gut damit klar, wenn mir in der Fußgängerzone der eine oder andere Rollator-Racer nachpfeift oder mich so ein alter Knabe mit seiner Krücke bei Karstadt betatschelt. Aber einen professionellen Leichenwäscher? Vergiss es. Und das mit der Sanduhr, das darfst du nicht so eng sehen. Jetzt hat er wenigstens immer ein bissel Bewegung, der selige Otti.«

Der Auer Max nickte, seufzte und griff nach dem Weißbierglas. Das Telefon läutete, und die Friedl meinte: »Wenn das jetzt schon wieder der Schorschi ist, dann gehst du ran und sagst mit brasilianischem Akzent, du bist mein neuer Lover, okay?«

Sie nahm den Hörer: »Ja? Wer? Kenn ich nicht. Da sind Sie falsch verbunden.« Friedl schaute zum Auer rüber und zuckte mit den Schultern, dann sprach sie wieder in den Hörer: »Wie? Ja, warum sagst das denn nicht gleich, du blöder Hammel. Woher soll ich wissen, dass du jetzt ›Chili‹ heißt. Das ist doch gar kein richtiger Name. Was? Ja, der ist hier. Woher weißt du das denn schon wieder? Ah da schau her, Buschtrommel, sagst du? Kenn ich die? Nein, du kannst jetzt nicht mit ihm reden. Er isst. Was? Jaja, bei dir ist es immer wichtig. Wart, ich frag ihn.«

Die Friedl legte ihre rechte Hand auf den Hörer und flüsterte: »Der Sepp Glasl, der nennt sich jetzt Chili. Willst mit ihm reden? Ist dringend, sagt er. Und frag ihn, woher er weiß, dass du hier bist.«

Auer wischte sich den Mund ab und winkte mit der Hand nach dem Telefon: »Ja? Max hier.«

»Der Auer Max, ja leck … Dich haben sie aber sauber vom Gleis genommen, mein lieber Schieber. Und jetzt? Was läuft? Brauchst einen Job?«

»Nein danke. Aber woher zum Teufel …«

Wieherndes Gelächter kam durch den Hörer: »Von einem gemeinsamen Bekannten. Erzähl ich dir gleich. Weißt du, wo ich bin?«

»Will ich das wissen?«

»Max, jetzt geh weiter, ich bin’s, dein Spezl. Immerhin waren wir zusammen in der Schule in der Königstraße, und du hast mir in der Pause immer eine Breze gegeben, dass ich dem Vorstuber Lolli eine reinhaue, wenn er dich geärgert hat.«

Max stieß zischend die Luft aus: »Das ist hundert Jahre her. Und außerdem warst du zwei Klassen über mir. Und ich bin zur Polizei gegangen und du hast mit 17 das erste Mal in geschlossenen Räumen Knastpralinen (das sind Frikadellen mit hohem Bratenanteil, Anm. des Autors) gegessen. Also, was soll das?«

Der Glasl, alias Chili, stöhnte: »Hör doch auf mit dem alten Scheiß, Mann. Ich bin Geschäftsmann. Und ich hab ein Riesenproblem an der Backe. Damit kann ich nicht zur Bullerei. Und jetzt, wo ich höre, dass du wieder bei uns bist … das ist Schicksal, Max, Schicksal. Komm vorbei und lass uns reden. Bitte. Ich bezahl dich und du hilfst mir.«

»Vergiss es, Sepp. Mach’s gut. Servus und Ende.«

Der Glasl rief aufgeregt: »Nicht auflegen, nicht! Gib mir die Friedl noch mal bitte, Max.«

Auer verdrehte die Augen und reichte der Tante den Hörer über den Tisch. Sie presste ihn ans Ohr: »Was willst noch? Du hast doch gehört, was er gesagt hat, oder?«

Sie lauschte, dann schlug sie eine Hand vor den Mund und stöhnte: »Nein, oder? Das ist jetzt nicht wahr. Ich hab ihm gleich gesagt, mit dem Miststück kriegt er nix wie Ärger. Und was hab ich jetzt davon? Er redet nix mehr mit mir. Was? Nicht der Otti, der ist tot, das solltest du eigentlich wissen. Wie? Willst du mich erpressen? Das wär aber sehr ungesund für dich. Warum? Ja gut, er kommt vorbei. Nein, ich regle das. In einer halben Stunde ist er bei dir. Was? Ja, ich weiß noch, wo das ist. Gut. Also dann. Und jetzt tu mir einen Gefallen: Geh spazieren und verlauf dich.«

Friedl schaute das Telefon an, unterbrach die Verbindung und stellte sich vor die Sanduhr: »Otti, du hast mir gesagt, du bist raus aus dem Mist. Und jetzt, wo ich gedacht hab, ich bin auch draußen, jetzt ziehst du mich wieder rein. Dafür drehst du jetzt eine Extrarunde. Auf geht’s.«

Sie drehte mit Schwung das Gefäß um und sagte zum Max: »Frag mich jetzt nix, okay?«, dann hob sie die Hände wie zu einem Gebet: »Bitte tu deiner alten, gebrechlichen Tante einen Gefallen. Fahr raus zum Glasl und hör dir an, was er hat. Wenn du was für ihn tun kannst, dann mach es. Nicht umsonst, du kannst richtig Geld verlangen. Der Glasl steckt bis zum Hals in der Kacke, und wenn er Pech hat, muss er sich dabei auch noch hinsetzen. Also? Tust du das für mich?«

Der Auer schloss die Augen und legte seine Handflächen auf die Ohren. Jetzt muss ich sagen, nicht dass du denkst, der Auer hätte keinen Mumm oder so. Er wollte halt einfach erst mal seine Ruhe und ein bissel entspannen. Die Lage checken, ein oder zwei Mädels von früher kontaktieren, halt relaxen, chillen, wie man heutzutage sagt.

 

»Ich hab mir überlegt, dass du die hinteren drei Zimmer haben kannst, rechts vom Lift. Da hast du dann ein Schlafzimmer, ein Bad und ich richte dir eine Wohnküche ein. Deine eigene Dachterrasse hast du auch, und wir laufen uns nicht über den Weg. Miete zahlst du keine, ich koch für dich und mach deine Wäsche. Wie klingt das?«

»Für mich? Wie wenn du plötzlich auch ein Problem hättest, Friedl. Was hat der selige Otti mit dem hier eben zu tun?« Auer zeigte auf das Telefon.

Friedl fuhr sich wieder nervös durch die Haare: »Nix, ehrlich. Oder, anders rum, fast nix. Weil, der Otti, der ist ja tot.« Mit dem Ringfinger klopfte sie auf die Sanduhr: »Es ist nur so, dass ich nicht möchte, dass da posthum was hochkocht. Jetzt, wo er sich nicht mehr verteidigen kann, der liebe Mann. Und ich arme Frau auch nicht. Ich hab ja niemanden außer dir, mein lieber Max.«

Ihre Stimme veränderte sich leicht ins Scharfe: »Was is jetzt? Fahrst oder fahrst freiwillig? Ogottogott, hilf!«

»Der hält sich wie üblich höflich zurück, denke ich. Und außerdem: Ich hab kein Auto.«

»Haha, hast du ab jetzt schon. Geschenk des Hauses. Warte.« Friedl ging in die Diele, Max hörte eine Schublade auf- und zugehen, dann war sie wieder im Wohnzimmer und klingelte mit einem Schlüsselbund: »Da schau her. Du hast ab sofort die Rentnerschleuder vom Otti. Die mag ich eh nicht so gerne. Ich fahr immer mit dem Ghia-Cabrio. Der Benz, der ist jetzt deiner. Silbergrau, steht hinten in der Ecke. Lass dich von dem harmlosen Aussehen und dem Alter der Karre nicht täuschen. Das ist zwar ein1974er, aber der ziemlich seltene 450er. Achtzylinder, Viereinhalb-Liter-Maschine mit Spezial-Vergasern. Den hat er sich optisch auf einen harmlosen 250er-Oldtimer runtertrimmen lassen, der alte Mistkerl. Und hier sind auch alle Schlüssel: Lift, Wohnung, Piepser für die Tiefgarage, alles. Ich bin ja so froh, dass du jetzt hier bei deiner armen alten Tante wohnst, mein Bub. Komm, gib mir ein Bussi!«

Friedl scharwenzelte um den Tisch herum, gab dem Max einen Schmatzer auf die Wange und legte den Schlüsselbund neben den Teller: »Der Laden vom Glasl heißt ›Wild Wild West‹ und ist da drüben in der Klepperstraße, am McDonalds rechts, an den Autotandlern vorbei und dann, nach dem Klepperpark irgendwo links rein. Du wirst das schon finden als Ex-Polizist, nicht wahr?«

Natürlich ist es so, dass der Max weder naiv ist noch mit dem Klammerbeutel gepudert wurde. Der hat genau gewusst, dass da was nicht stimmt. Und das hat er die Friedl nach einer kurzen Pause auch gefragt.

Und sie? Fährt sich wieder fahrig durch die Haare und legt den Kopf schief. Dann klatscht sie die Hände zusammen und hebt sie wieder theatralisch zur Decke hoch und sagt mit bebender Stimme: »Lieber Herr da oben, wie kann man nur so misstrauisch sein? Gib dem Buben hier eine Erleuchtung, Herr, und sag ihm, Blut ist halt mal dicker als Wasser. Und er ist mein letzter lebender Verwandter, der Bub. Und wenn ich mal tot umfalle, was eh nicht mehr lange dauern kann, dann erbt er alles. Vielleicht, möglicherweise, unter Umständen. Schaun mer mal, dann seng mas scho’, ned wahr, das hat mein seliger Otti immer gesagt. Der ist jetzt bei dir, Herr, oder? Und wenn er tatsächlich bei dir ist, dann lass dir von ihm nichts andrehen, ja, Herr?«

Und zum Auer, diesmal in einem sehr barschen Ton:

»Jetzt stell dich nicht so an. Mein Gott, der Otti hat sein Geld auf vielfältige Weise kreativ verdient, und mit dem Glasl Sepp, da hat er auch ein paar Deals am Laufen gehabt, die waren alle nicht so farbecht, was weiß ich. Steh jetzt auf und fahr da rüber, Max, und wenn du heimkommst, mach ich dir was Schönes, ja?« Sie klimperte mit den Augenlidern, der Auer seufzte wieder und stand auf.

Unten, in der Tiefgarage, da stand der silberne Benz. Ohne Typenbezeichnung, aber dem Auer fiel gleich die Auspuffanlage auf, und auch die Reifen machten was her. Max ging vor der Fahrertür in die Knie und schaute in den Radkasten: rote Spezialstoßdämpfer, die ganze Kiste ein bisschen tiefer gelegt, Michelin-Race-Reifen, gutes Material.

Er ließ den Motor an, der mit einem dumpfen Grummeln erwachte. Automatisches Dreiganggetriebe am Lenkrad und ein Becker-Mexiko-Radio mit Kassette in der Konsole. Max grinste, öffnete das elektrische Schiebedach und gab Gas.