Plastik im Blut

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Plastik im Blut
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Heike Schröder

Hinweis des Verlags

Dieses Buch dient der Information über Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge und Selbsthilfe. Wer sie anwendet, tut dies in eigener Verantwortung. Die Autorin und der Verlag beabsichtigen nicht, individuelle Diagnosen zu stellen oder Therapieempfehlungen zu geben. Die Informationen in diesem Buch sind nicht als Ersatz für professionelle Hilfe bei gesundheitlichen Problemen zu verstehen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VAK Verlags GmbH

Eschbachstr. 5

79199 Kirchzarten

Deutschland

www.vakverlag.de

2. Auflage: 2018

© VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg 2017

Abbildungen: siehe Bildquellenverzeichnis

Lektorat: Norbert Gehlen

Coverdesign: X-Design, München

Coverabbildung: Shutterstock.com/Billion Photos

Layout: Karl-Heinz Mundinger, VAK

Satz: Goar Engeländer (www.dametec.de)

Druck: M. P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, Paderborn

Printed in Germany

E-Book-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-86731-200-4 (Printausgabe)

ISBN 978-3-95484-372-5 (ePub)

ISBN 978-3-95484-373-2 (kindle)

ISBN 978-3-95484-374-9 (PDF)

Inhalt

Vorwort

1. Wir leben in einer Welt voller Plastik

Plastik – eine Erfindung mit fatalen Folgen für die Menschheit

Kunststoffe – ihre Herstellung und ihre Geschichte

2. Plastik im Körper

Gefährliche Zusatzstoffe in Plastik

Bisphenol A (BPA)

Weichmacher

Flammschutzmittel

Sondermüll im Kinderzimmer – Plastikspielzeug

Plastik in den Zähnen – Kunststoff-Füllungen

3. Wie kleine Teilchen zur großen Gefahr werden: Mikroplastik

Mikroplastik bindet Gifte

Mikroplastik in Kosmetikprodukten

Mikroplastik in Textilien

Mikroplastik in Fisch und Meeresfrüchten

Wie Mikroplastik auf unserem Teller landet

4. Wenn Plastik krank macht

Fördert Mikroplastik entzündungsbedingte Krankheiten?

Chronische Entzündungskrankheiten nehmen zu

Fördern Chemikalien aus Plastik hormonell bedingte Krankheiten?

Hormonell bedingte Erkrankungen nehmen zu

Prostatakrebs und Brustkrebs

Schilddrüsenerkrankungen und Hashimoto-Thyreoiditis

Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten

Verweiblichung

Fettleibigkeit und Diabetes Typ 2

Aufmerksamkeitsstörungen bei Kindern

Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Zellwachstum

Zahnschädigung bei Kindern

Wie Plastik die Mitochondrien stresst und wie Sie sie schützen

Wie Sie Ihren Körper entgiften und die Abwehr stärken

Auf Plastikprodukte verzichten

Natürlich entgiften

Regeneration und Entgiftung im Schlaf

Unterstützung mit Mikronährstoffen

5. Plastik in der Umwelt

Wie die Meere zu Mülldeponien werden

Müll sammelt sich in riesigen Strudeln

An jedem Strand der Weltmeere: Plastik

Wie der Müll ins Meer gelangt

Welche Länder sind die Hauptverantwortlichen?

Wenn Plastikmüll zur Todesfalle wird

Wie invasive Arten Ökosysteme bedrohen

Initiativen gegen Plastikmüll in den Weltmeeren

6. Boykottieren Sie den Verpackungswahnsinn!

Der tägliche Müllkauf im Supermarkt

Warum die Bio-Gurke in Plastik steckt

„Aber wir recyceln doch!“

„Take away“ und „to go“ – Müll zum Mitnehmen

Vorbildlich: Supermarktketten verbannen die Plastiktüten

Regelungen zu Plastiktüten im internationalen Vergleich

Neue Verkaufsformen – eine Trendwende?

7. Wie Sie Plastik und die darin enthaltenen Chemikalien vermeiden können

Stellen Sie die Giftfrage!

Wie der Recyclingcode hilft, bedenkliche Kunststoffe zu meiden

Alternativen zu Plastik und ihre Ökobilanzen

Häufige Denkfehler, die Plastikreduzierung verhindern

Plastik reduzieren – in kleinen Schritten

8 Schritte zum Vermeiden von Plastik

Wo man leicht in die Plastikfalle tappt

Checkliste zum Vermeiden von Plastik – Worauf Sie achten sollten

Anhang

Hilfreiche Adressen

Literaturverzeichnis

Bildquellenverzeichnis

Über die Autorin

Vorwort

„Die Menschen sind grob in drei Kategorien einzuteilen: die wenigen, die dafür sorgen, dass etwas geschieht, die vielen, die zuschauen, wie etwas geschieht, und die überwältigende Mehrheit, die keine Ahnung hat, was überhaupt geschieht.“

 

Karl Weinhofer (deutscher Politiker)

Geht es Ihnen auch so? Wenn ich nach einem Einkauf im Supermarkt zu Hause die Waren auspacke und zunächst einmal Berge von Plastikverpackungen in die Wertstofftonne werfe, fühlt sich das irgendwie falsch an. Dennoch hatte ich dabei eigentlich nie ein schlechtes Gewissen, denn gerade hier in Deutschland wird ja sortengerecht recycelt. Und wir packen ja auch immer den richtigen Müll in die richtige Tonne. Trotzdem bleibt ein seltsames Gefühl, wenn ich am Tag der Müllabfuhr die letzten Plastikverpackungen in die gelbe Tonne quetsche und manchmal einen zusätzlichen gelben Sack nehmen muss.

Dann kam der Tag, an dem ich im Fernsehen zufällig eine Reportage sah, die belegte, dass jeder von uns Plastik im Blut hat. Genauer gesagt: Chemikalien, die aus Plastik stammen, wie Bisphenol A, Flammschutzmittel und Weichmacher. Ich hatte das nicht für möglich gehalten und war ziemlich schockiert. Als Baubiologin sah ich bei den sogenannten Zivilisationskrankheiten immer einen Zusammenhang mit den künstlichen Strahlungen, die unsere „zivilisierte“ Welt vernetzen, und mit den Wohnraum- und Umweltgiften – aber jetzt drängte sich mir der Verdacht auf, dass die allgegenwärtigen Kunststoffe, deren Chemikalien wir alle im Körper haben, ebenfalls eine große Rolle dabei spielen könnten.

Wir leben in einem „Plastikzeitalter“ – mit gravierenden Folgen für die Umwelt und für die Menschen. Der größte Teil des Plastikmülls landet über Abwässer, Flüsse oder direkte Entsorgung im Meer. 2010 gelangten 8 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Ozeane und diese Zahl könnte sich bis 2030 verdoppeln. Plastik ist biologisch nicht abbaubar und zerfällt teilweise erst in mehreren Hundert Jahren in immer kleinere Teile. Dabei setzt es gebundene Chemikalien frei und zieht weitere Chemikalien aus der Umgebung an, sodass Mikroplastikteile wie kleine Giftmülltransporter im Meer schwimmen und schließlich in unsere Nahrungskette gelangen. Aus Plastik, das uns umgibt und mit dem unsere Nahrung in Kontakt kommt, können sich ebenfalls giftige Chemikalien lösen, die wir einatmen und die wir essen. Jeder von uns hat heute bereits Chemikalien aus Plastik im Blut!

Mit dem rasanten Anstieg der Plastikproduktion in den letzten 50 Jahren nahmen auch die sogenannten Zivilisationskrankheiten zu: Allergien, Asthma, Arthritis, Alzheimer, Autoimmunerkrankungen, Rheuma, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, Magen-Darm-Krankheiten, Parodontitis und chronische Infektionen. An all diesen Erkrankungen sind Entzündungen als allgemeine Abwehrreaktion des Immunsystems beteiligt. Das spricht dafür, dass das Immunsystem überfordert ist und keine zusätzlichen Reize mehr abwehren kann. Auch hormonbedingte Erkrankungen nehmen signifikant zu. Viele Wissenschaftler machen synthetische Substanzen dafür verantwortlich, die im Körper ähnlich wie Hormone wirken, zum Beispiel Chemikalien aus Plastik.

Dieses Buch richtet sich an alle, die die Umwelt und sich selbst schützen wollen, auch an diejenigen, die glauben, dass Plastik nur für Menschen ohne Wertstofftonne ein Problem sei, ja, generell an alle, die „natürlich“ gesund leben wollen.

Heike Schröder

1. Wir leben in einer Welt voller Plastik



Plastik – eine Erfindung mit fatalen Folgen für die Menschheit

„Nach der Steinzeit, der Bronze- und der Eisenzeit haben wir jetzt die Plastikzeit.“ So lautet die drastische Aussage von Werner Boote, Regisseur des Dokumentarfilms Plastic Planet, der einen Zeitenwandel mit erheblichen Folgen für Mensch und Umwelt beschreibt. Plastikmüll gehört zu den größten Gefahren für die Zukunft unseres Planeten – und damit auch für uns.

Lassen Sie uns hier zu Anfang kurz klären, was wir mit „Plastik“ meinen. „Plastik“ ist ein umgangssprachliches Wort für Kunststoffe aller Art. Das sind „künstlich“ hergestellte Stoffe, die also nicht in der Natur vorkommen und nicht auf natürliche Weise zersetzt und abgebaut werden können. Seit dem Beginn der Produktion von Kunststoffen Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich unsere Welt grundlegend verändert, dazu brauchen wir nur in unseren Einkaufswagen zu schauen: 80 Prozent der im Supermarkt verfügbaren Waren sind in Plastik verpackt. Wir leben in einer Welt voller Kunststoffe, die unseren Alltag prägen. Plastikflaschen und -tüten, Plastikverpackungen, Plastikspielzeug, Plastikzahnbürsten, Flip-Flops und Ähnliches finden sich in jedem Winkel der Erde – mittlerweile leider auch dort, wo man es nicht vermuten würde, wie in der Tiefsee oder am Nordpol.

Was macht diese Kunststoffe so beliebt, dass immer mehr davon produziert wird? Der Vorteil liegt sicherlich in den vielen praktischen Eigenschaften. Plastik kann hart sein wie Stahl, ist aber viel leichter; es kann klar sein wie Glas, ist aber nicht so zerbrechlich. Plastik schützt Lebensmittel vor Schmutz und Keimen, es verhindert, dass sie austrocknen oder verderben, es ist leicht, biegsam und flexibel, bruchfest, temperaturbeständig, transportabel und widerstandsfähig. Außerdem lässt es sich sehr günstig produzieren. Seine Eigenschaften ermöglichen vor allem in der Medizin, der Gebäudetechnik und der Luftfahrt innovative Lösungen.


Doch der beliebte Kunststoff hat auch seine dunklen Seiten. Überall auf der Erde werden Menschen in der Zukunft Plastik vorfinden, denn es ist biologisch nicht abbaubar. Plastikmüll bleibt über Jahrzehnte bis Jahrhunderte erhalten und belastet unsere Umwelt. Der Kunststoff wird nicht durch Bakterien zersetzt, er zerfällt nur über einen sehr langen Zeitraum hinweg in immer kleinere Teile, zum Beispiel durch mechanische Kräfte wie Reibung, durch Kontakt mit Sonnenlicht oder mit Salzwasser. Eine Plastiktüte benötigt 10 bis 20 Jahre, ein Styroporbecher 50 Jahre und eine PET-Einwegflasche sogar 450 Jahre, bis sie vollständig zersetzt sind. Und wir produzieren immer mehr davon.

Bei dem Zersetzungsvorgang werden fatalerweise auch noch die im Plastik gebundenen chemischen Giftstoffe freigesetzt. Selbst wenn sich Kunststoffe letztendlich doch schneller zersetzen sollten, als bislang vermutet (so eine japanische Studie der Forschergruppe um Katsuhiko Saido, nach einer Präsentation von K. Saido von der Nihon University in Chiba, Japan, 08/09, vor der American Chemical Society), bedeutet dies vor allem, dass die darin enthaltenen Gifte noch schneller in die Umwelt entweichen. Das hat verhängnisvolle Auswirkungen auf das Ökosystem und auf unsere Gesundheit – nämlich wenn die Chemikalien in unsere Nahrungskette gelangen. Und das tun sie, wie wir weiter unten sehen werden. Aber auch bereits durch die Verwendung von Plastik im Alltag können giftige Chemikalien in unseren Körper gelangen und uns krank machen; sie könnten vielleicht sogar mitverantwortlich sein für den enormen Anstieg von Zivilisationskrankheiten.

Plastik bringt leider noch weitere Probleme mit sich: Mehr als die Hälfte des Plastikmülls wird nicht recycelt, sondern verbrannt, und beim Verbrennen von Plastikmüll wird Kohlendioxid (CO2) freigesetzt und damit das Weltklima negativ beeinflusst.

Wofür Plastik verwendet wird

In den 1950er-Jahren setzte der massenhafte Einsatz von Plastik ein und in den letzten 50 Jahren ist die Plastikproduktion explosionsartig angestiegen. Kein anderer Werkstoff wird so weitreichend und vielfältig eingesetzt wie Kunststoff.

Heute werden weltweit jährlich um 300 Millionen Tonnen Plastik produziert, mit steigender Tendenz vor allem in den sogenannten Entwicklungsländern.

„Die Menge an Kunststoff, die wir seit Beginn des Plastikzeitalters produziert haben, reicht bereits aus, um unseren gesamten Erdball sechs Mal mit Plastikfolien einzupacken.“

Werner Boote im Dokumentarfilm Plastic Planet

In Europa wird Plastik hauptsächlich für Verpackungen eingesetzt. Fast 40 Prozent des Kunststoffs landen auf diese Weise nach sehr kurzer Anwendung sofort wieder im Müll. Alleine in Deutschland wird so viel Verpackungsmüll produziert wie niemals zuvor. Im Jahr 2014 kamen bei uns durch Entsorgung von Verpackungen 17,8 Millionen Tonnen Plastikmüll zusammen (Umweltbundesamt 2015) – ein neuer Negativrekord, und die Tendenz ist steigend. Damit ist Deutschland „Europameister“ im Produzieren von Verpackungsmüll – sicherlich kein erstrebenswerter Titel.

Aus der nachfolgenden Grafik ersieht man, dass mehr als ein Drittel der in Deutschland verarbeiteten Kunststoffe für Verpackungen eingesetzt wurden; der Bausektor belegte den zweiten Platz, gefolgt vom Fahrzeugbau.


Kunststoffverarbeitung in Deutschland nach Branchen 2013–2015 (in 1000 t; © Consultic Marketing & Industrieberatung 2015, S. 7; siehe Literaturverzeichnis)

Kunststoffe – ihre Herstellung und ihre Geschichte

Synthetische Kunststoffe werden künstlich hergestellt, hauptsächlich aus Erdöl (– circa 5 Prozent des Erdöls aus den Raffinerien gelangt in die Produktionsanlagen der Kunststoffindustrie), und zwar durch Verknüpfung vieler kleiner Moleküle (Monomere) zu großen Makromolekülen (Polymere). Je nach chemischer Eigenschaft der Monomere werden verschiedene Verfahren zum Verknüpfen verwendet: die Polymerisation, die Polykondensation oder die Polyaddition. Daraus entstehen verschiedene Arten von Kunststoffen, die in drei Gruppen unterteilt werden können:

• Thermoplaste, die bei höheren Temperaturen erneut verformbar sind. Hierzu zählen Polyethylen oder Polyester als Grundlage etwa für Plastiktüten oder Verpackungen.

• Duroplaste, die nach der Formgebung auch bei höheren Temperaturen nicht wieder verformbar sind. Verwendung finden sie häufig bei Elektroinstallationen.

• Elastomere, die durch Druck oder Dehnung kurzzeitig verformbar sind, danach aber wieder in ihre ursprüngliche Form zurückkehren. Hierzu zählen Autoreifen, Gummibänder oder Chemikalienhandschuhe.

In weiteren Arbeitsschritten werden verschiedenartige kleine Plastikpellets erzeugt, denen man chemische Zusatzstoffe – sogenannte Additive – beimischt, um die Eigenschaften des Kunststoffs fast frei bestimmbar zu verändern. Diese Zusatzstoffe sind chemische Wirkstoffe, die die Materialeigenschaften des Kunststoffs auf die Erfordernisse der jeweiligen Anwendung einstellen, damit man genau angepasste mechanische, chemische oder elektrische Eigenschaften erzielt. Allein die Zusatzstoffe sorgen für die Vielfältigkeit von Plastik und seinen Einsatzmöglichkeiten; dies sind zum Beispiel Weichmacher, Stabilisatoren, Flammschutzmittel, Farbstoffe, Gleitmittel, Verstärkungsmittel, Antistatika und Füllstoffe.


Eine kurze Geschichte des Kunststoffs

1839: Charles Goodyear (Urvater des Plastiks) mischt Kautschuk mit ein wenig Schwefel; dadurch wird der Kautschuk formbar. So erfindet er Gummi. In weiteren Entwicklungsprozessen erzeugt er Hartgummi (Duroplast), das dann für Schmuckstücke und Telefonteile verwendet wurde.

1870: John Wesley Hyatt erfindet den wohl bekanntesten frühen Kunststoff – das Zelluloid – als Ersatzmaterial für Elfenbein in Billardkugeln. Zelluloid erweist sich als bahnbrechend für die Filmindustrie.

1872: Adolf von Baeyer beschreibt die Polykondensation (Überführung von Monomeren in Polymere = Kunststoffe) von Phenol und Formaldehyd und schafft damit die Grundlage für die heutige Kunststoffchemie.

1907: Leo Baekland entwickelt mit Bakelit den ersten synthetischen Duroplasten, der industriell in großen Mengen hergestellt werden kann. Mit Bakelit verändert sich die Konsumwelt: Zuvor unerschwingliche Geräte wie Telefon und Radio („Volksempfänger“) werden erschwinglich.

1911: Ernst Richard Escales gibt zum ersten Mal die Fachzeitschrift Kunststoffe heraus.

 

1920: Hermann Staudinger (Begründer der Polymerchemie) veröffentlicht eine Arbeit über seine Theorie der langen Moleküle – Makromoleküle (Polymere) –, die sich zur Herstellung von PVC eignen. So können bessere Herstellungsverfahren entwickelt werden und der Siegeszug der Kunststoffe beginnt.

1930er-Jahre: Die ersten Materialien, die durch Polymerisation hergestellt werden, sind PVC (Polyvinylchlorid), Plexiglas, Polyurethan (Schaumstoffe), Silikone und Teflon (Polytetrafluorethylen).

1940: „Revolution“ im Bereich der Damenstrümpfe – Nylon (ein Polyamid) kommt auf den Markt und macht als Ersatzmaterial für teure Naturfasern wie Seide Damenstrümpfe erschwinglich. Am Nylon Day (15. Mai 1940) werden mehrere Millionen Paar Strümpfe verkauft. Nylon und chemisch vergleichbare Kunstfasern verändern die Mode- und die Wohnwelt.

Der weltweite Plastikkonsum wächst Jahr für Jahr um Millionen Tonnen. 1950 war unser Leben noch fast frei von Kunststoffen; weltweit wurden gerade einmal 1,7 Millionen Tonnen Kunststoffe hergestellt. 1989 waren es bereits 100 Millionen Tonnen, und seither hat sich die Produktion fast verdreifacht: auf 300 Millionen Tonnen im Jahr.

2. Plastik im Körper


Gefährliche Zusatzstoffe in Plastik

Nicht erst der Plastikmüll ist für die Umwelt ein gravierendes Problem – auch die Nutzung von Plastik kann schon fatale Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Die Eigenschaften von Kunststoffen lassen sich durch Beimengen chemischer Zusatzstoffe beliebig modifizieren und den jeweiligen Bedürfnissen anpassen. Diese Zusatzstoffe machen erst die Eigenart eines Kunststoffs aus; sie bestimmen zum Beispiel, ob Plastik hart oder weich, biegsam oder stabil, bunt gefärbt oder transparent ist. Über diese Inhaltsstoffe von Plastik gibt es noch viel zu wenige Erkenntnisse.

Wussten Sie, dass die Hersteller von Plastikprodukten wie Plastikschüsseln, -flaschen oder Spielzeug in der Regel überhaupt nicht wissen, aus welchen Chemikalien der gelieferte Kunststoff besteht? Die Hersteller bekommen den Kunststoff normalerweise in kleinen Pellets, die sie zum jeweiligen Plastikprodukt verarbeiten. Sie wissen, dass der Kunststoff beispielsweise weich, biegsam und schwer entflammbar ist – diese Eigenschaften hatten sie bestellt. Aber welche Chemikalien für die Schaffung dieser Eigenschaften verwendet wurden, erfahren sie nicht. Das ist nämlich ein gut gehütetes Geheimnis der Plastikindustrie. Im Plastik einer Wasserflasche etwa sind mehr als 2000 verschiedene Inhaltsstoffe enthalten. Jeder Hersteller hat Geheimrezepturen, die er nicht offenlegen muss. Und so landen unzählige Plastikartikel mit bedenklichen Zusatzstoffen in unserem Haushalt.

Es ist paradox: Die Hersteller von Lebensmitteln sind gesetzlich verpflichtet, die Zutaten, Zusatzstoffe und Aromen der verwendeten Nahrungsmittel anzugeben – die Hersteller der Verpackung, deren Kunststoffe mit den Lebensmitteln in Kontakt kommen, sind dagegen nicht verpflichtet, die Inhaltsstoffe der Kunststoffverpackung anzugeben.

Wir wissen also nicht, welche Chemikalien in der Plastikfolie und den Plastikbechern, die unsere Lebensmittel beinhalten oder umschließen, enthalten sind. Wir wissen aber, dass es bei einigen der verwendeten Chemikalien Bedenken bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit gibt und dass manche Chemikalien in die Lebensmittel übergehen können. Von der Plastik- und Verpackungsindustrie wird diese Gefahr heruntergespielt: Die Verwendung von Kunststoffen in den zahlreichen Anwendungen sei geprüft und sicher.

Unabhängige Wissenschaftler sehen das aber ganz anders. Die chemischen Zusatzstoffe im Plastik sind nicht fest gebunden, sie können ausdünsten und die Atemluft und den Hausstaub belasten; Nahrungsmittel – vor allem fetthaltige oder flüssige – können die Schadstoffe aus der Kunststoffverpackung annehmen.

Die Chemikalien gelangen in unseren Körper über:

• Nahrung: Insbesondere fetthaltige Nahrungsmittel nehmen Chemikalien aus Lebensmittelverpackungen auf, wenn sie in Plastik eingeschweißt sind. Beim Erhitzen von Plastik können Chemikalien austreten und Wasser oder Lebensmittel belasten. Weichmacher können auch während der Verarbeitungsprozesse in die Lebensmittel gelangen, zum Beispiel wenn Öl durch belastete PVC-Schläuche abgefüllt wird.

• Atmung: Chemikalien dünsten aus Plastik aus und reichern sich in der Raumluft an oder gelangen durch mechanische Belastung (zum Beispiel Bodenbeläge aus PVC) in den Hausstaub und in die Raumluft. Hohe Schadstoffkonzentrationen befinden sich oft auch in Autoinnenräumen – wegen belasteter Armaturen („Neuwagengeruch“).

• Haut: Schädliche Chemikalien gelangen in die Haut, wenn Kosmetika wie Shampoos, Cremes, Nagellack oder Deos Weichmacher zugesetzt sind, oder über direkten Kontakt (Weich-PVC-Luftmatratze, PVC-Bodenbelag).

• Mund: Insbesondere Kleinkinder nehmen gerne alles in den Mund und können so über PVC-Spielzeug Weichmacher aufnehmen.

Studie: Chemikalien in Mineralwasser

In einer Studie von Martin Wagner und Jörg Oehlmann von der Goethe-Universität Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde wurden 18 Mineralwässer aus Plastikflaschen auf Chemikalien getestet. Die Forscher konnten nachweisen, dass Chemikalien auf das Wasser übergehen. Sie identifizierten Spuren von mehreren Tausend Chemikalien in den getesteten Wässern, unter anderem die Weichmacherchemikalie DEHF, die eine Störung des körpereigenen Hormonsystems verursachen kann. (Wagner 2013)

Als besonders problematisch und gesundheitlich bedenklich gelten vor allem die Zusatzstoffe Bisphenol A, Weichmacher und Flammschutzmittel.