Unternehmensführung

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Unternehmensführung
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ISBN: 978-3-482-75991-8

Vorwort zur 5. Auflage

Die Neuauflage führt das bewährte Konzept des Buchs weiter: Der schrittweise Gesamtaufbau von der Unternehmenspolitik über den Einfluss von Umfeldveränderungen und daraus resultierenden Unternehmensstrategien bis zu der daraus folgenden operativen Unternehmensplanung in Funktionen bzw. Abteilungen, diese werden dann durch die Unternehmensorganisation und Mitarbeiterführung umgesetzt. Danach werden Themen der Unternehmenskonstitution behandelt, da sich diese i. d. R. erst im Verlauf unternehmerischer Tätigkeit ergeben bzw. anpassen. Am Ende zeigt ein fokussierter Überblick die Geschichte des Managements. Die Hauptkapitel behandeln jeweils im ersten Teil theoretische Grundlagen mit Beispielen aus der Unternehmenspraxis und im zweiten Teil jeweils die typischen Managementinstrumente mit Beispielen.

Um den Gesamtumfang des Buchs beizubehalten, wurde mit inhaltlich vertretbaren Kürzungen Raum geschaffen für notwendige Aktualisierungen und neue Entwicklungen. So wurden um der Globalisierung mehr Rechnung zu tragen deutlich mehr Beispiele und Entwicklungen im internationalen Management aufgenommen, wie z. B. internationale Rechtsformen von Unternehmen oder die Rolle internationaler Arbeitnehmervertretungen. Ebenso wurden die Ansätze der Corporate Social Responsibility (CSR) weiter ausgeführt und mit neuen Entwicklungen ergänzt, wie z. B. Corporate Shared Value, dem Nonprofit Management und gemeinnützigen Unternehmensformen. Und „last but not least” wurde wiederum der Bereich des Personalmanagements durch neue Entwicklungen wie z. B. Talent Management oder Personalbindung sowie Fragen des internationalen Personalmanagements weiter vertieft. Denn es zeigt sich immer mehr, dass in den klassischen Industriegesellschaften der Faktor Human Resources inzwischen eine präferenzbildende Funktion für die Unternehmenserfolge hat.

Bonn, im Januar 2015 Harald Meier

… und im Vorgriff auf den einen oder anderen Fehler, den mir nachzuweisen so mancher vermag, möchte ich mich schon hier mit einem Gedicht von Goethe entschuldigen:

Geständnis

Wir: Du toller Wicht, gesteh nur offen: Man hat dich auf manchem Fehler betroffen!

Er: Ja wohl! Doch macht' ich ihn wieder gut.

Wir: Wie denn?

Er: Ei, wie's ein jeder tut.

Wir: Wie hast du denn das angefangen?

Er: Ich hab' einen neuen Fehler begangen, Darauf waren die Leute so versessen, Dass sie den alten gern vergessen.

Vorwort zur 1. Auflage

Das vorliegende Buch enthält eine systematische Darstellung der Unternehmensführung mit dem Ziel, ausgewählte theoretisch relevante Fragen der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre sowie Praxisprobleme aus dem Management systematisch zu entwickeln und mit Praxisbeispielen darzustellen. Damit eignet es sich gleichermaßen für Studium und Praxis. Das Buch geht in seinem Konzept einen praxisorientierten Weg:


zum einen in der Gliederung der Kapitel: von der Unternehmenspolitik und den Veränderungen der Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns über die Entwicklung von Unternehmensstrategien, Geschäftsbereichs- und Abteilungsplanungen und die Unternehmensorganisation und Mitarbeiterführung bis zu den konstitutiven Merkmalen des Unternehmens – ergänzt durch eine abschließende Betrachtung zur historischen Entwicklung von Management,


und zum anderen in der Gliederung innerhalb der einzelnen Kapitel: Im ersten Teil eines Kapitels werden jeweils zuerst die Sachfragen und -zusammenhänge systematisch dargestellt und im zweiten Teil ausgewählte Managementtechniken und -instrumente zur Lösung der vorher behandelten Sachfragen.

Das Buch ist aus meiner Erfahrung als Manager und Unternehmer und als Hochschullehrer entstanden. Es hat nicht den Anspruch, alle theoretisch möglichen betriebswirtschaftlichen Fragen anzusprechen und zu behandeln, sondern es konzentriert sich bewusst auf die wichtigsten Fragen des Handelns als verantwortlicher Manager in der Unternehmensführung oder in der Bereichs- oder Abteilungsverantwortung. Ziel ist die integrierte Darstellung und Erläuterung bereichsspezifischer und bereichsübergreifender Fragen und Handlungsorientierungen für Manager. Damit eignet sich das vorliegende Buch auch für die betriebswirtschaftlich interessierten Studierenden und Praktiker in sozial- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen und Einrichtungen, da es sich auf die wesentlichen und konkreten Managementprobleme konzentriert. Das Werk ist als Vorlesungs- und Seminarunterlage gleichermaßen geeignet und wurde sowohl in Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien erprobt als auch in der Ausbildung von Praktikern in berufsbegleitenden Seminaren.

Emden, im Oktober 1998 Harald Meier

1. Unternehmenspolitik und Unternehmensführung
1.1 Unternehmenspolitik
1.1.1 Unternehmensführung als Geisteswissenschaft

In den klassischen drei Wissenschaftsbereichen ist die Wirtschaftswissenschaft als Realwissenschaft eine Geisteswissenschaft:


Metawissenschaften (z. B. Philosophie, Theologie),


Realwissenschaften (Naturwissenschaften, wie z. B. Physik, Chemie, und Geisteswissenschaften, wie z. B. Rechts-, Sozial- oder Wirtschaftswissenschaften),


Formalwissenschaften (z. B. Logik, Mathematik).

Im Gegensatz zu den klassischen Metawissenschaften, die als eigenständige Wissenschaftsdisziplinen schon rd. 1.000 v. Chr. in Aufzeichnungen existieren, ist eine eigenständige Wirtschaftswissenschaft erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. bekannt. Inzwischen wird in fast allen gesellschaftlichen Bereichen des Lebens vom effizienten wirtschaftlichen Denken und Handeln gesprochen. Damit wird mahnend oder kritisch ein Quasi-Herrschaftsanspruch dieser Disziplin angesprochen – gleichwohl sie es selbst für sich nie formuliert hat.

Ziel von Wissenschaft ist das Finden von letztendlichen Wahrheiten, um daraus Erkenntnisse für die Wirklichkeit zu gewinnen bzw. richtiges Verhalten abzuleiten.

Epochen der Wissenschaftstheorie


Die Ursprünge der Wissenschaftstheorie liegen im Ansatz des Rationalismus und des Empirismus. Während der rationalistische Erkenntnisweg die Vernunft und die Logik als Wesen der Erkenntnis betrachtet, setzt die empiristische Denkweise auf Beobachtung und Erfahrung. Dabei kann allerdings nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass z. B. das erforschte Wissen oder die beobachteten Verhaltensweisen auch wirklich die letztendliche Wahrheit sind. Die Wissenschaftstheorie hilft sich aus diesem Dilemma, indem sie entweder im logischen Zirkel irgendwann die Beweisführung oder Erkenntnissuche abbricht (erkenntnistheoretische Immunisierung), oder sie erklärt keinen weiteren Begründungszwang bzw. lässt keine Kritik mehr gelten. Es muss jetzt umgekehrt die Abweichung erklärt werden und nicht mehr die Erkenntnis.


Daraus hat sich der Kritische Rationalismus gebildet, der von der permanenten Unsicherheit des Wissens ausgeht und letztendliche Wahrheiten nicht mit Beweisen (Verifikation) von Annahmen (Hypothesen), sondern über Ausschluss des Falschen (Falsifikation) sucht. Salopp ausgedrückt: Wenn ich nicht weiß was wirklich wahr ist, so schließe ich aus was unwahr ist und komme damit der letztendlichen Wahrheit näher. Eng einher geht mit diesem Ansatz der Anspruch, dass Wissenschaft wertfrei ist bzw. sein muss. Das heißt aus wissenschaftlichen Erkenntnissen sind z. B. keine gesellschaftlich moralischen Ansprüche abzuleiten. Diese Auffassung prägte das 19. und 20. Jh. und führte auch dazu, dass damit jede Wissenschaft und Forschung gerechtfertigt wurde (bis hin zu den Menschenversuchen im Nationalsozialismus oder bei genetischen Experimenten).


In der zweiten Hälfte des 20. Jh. entwickelte sich der Modernismus, der nach beobachtbaren Vorhersagen sucht (reproduzierbare Experimente). Hier kommen entsprechend vornehmlich quantitative Methoden der Beweisführung zum Einsatz. Die lange Erfahrung mit wichtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zu großen Veränderungen geführt haben, zeigt aber, dass diese i. d. R. nicht durch Vernunft und Logik, Verifikation und Falsifikation oder empirische Ergebnisse ausgelöst oder begleitet wurden, sondern oft durch rhetorische Überzeugungsarbeit oder politische Macht.


Ökonomische Theorie will theoretische (durch rationale Vernunft und Logik) oder empirische (durch Beobachtung und Erfahrung) Tests bestehen, die einmal als Rationalität definiert wurden, mit dem Ziel, aus diesen Modellen wirtschaftsrationale Entscheidungen abzuleiten. Da sich die Realität aber sehr oft anders verhält, reichen heute, im Zeitalter des Konventionalismus, meist einfachere Beweisführungen aus, z. B. indem ökonomische Zusammenhänge definiert werden ohne weitere rationale Begründung (= konventionelle Wahrheit).

Und damit ist das Dilemma perfekt: Während die klassische Wissenschaftstheorie (vom Rationalismus bis zum Modernismus) natürlich weiter nach letztendlicher Wahrheit forscht, hat der Konventionalismus in gewisser Weise auch Recht. Denn i. d. R. besteht bei Entscheidungen oft das Problem, dass wir z. B. zu wenige Informationen haben oder unter Zeitdruck stehen. Deshalb sind äußerlich scheinbar irrationale oder falsche Entscheidungen häufig doch rational. Denn auch äußerlich sichtbares (von Dritten für nicht-rational gehaltenes Verhalten) kann das Ergebnis individueller rationaler Entscheidungen unter den gegebenen Umständen sein.

 

Für die Zukunft der Wissenschaftstheorie zeichnet sich ab, dass immer mehr die Verhaltensspielräume und -grenzen sowie die gesellschaftliche Legitimität untersucht werden, was zunehmend die Entwicklung vom Anspruch einer wertfreien Wissenschaft (die es ja nie geben kann) in Richtung einer angewandten und wertenden Wissenschaft zielt. Nicht mehr das reale Verhalten der Menschen oder die realen physikalischen Gegebenheiten werden allein untersucht, sondern die Spielräume und die gesellschaftliche Legitimität oder Auswirkungen, der über Jahrhunderte i. d. R. unkritisch unterstellten Prinzipien. Dies ist sicher eine gesellschaftliche Entwicklung, die auch ihren Grund in der Nicht-Verantwortung von Wissenschaft für reale Ergebnisse und Anwendung ihrer Forschung hat.

Das wissenschaftliche Ziel der Betriebswirtschaftslehre ist es, Erkenntnisse für das praktische Handeln in Unternehmen zu gewinnen (sog. ökonomische Theoriebildung). Die wissenschaftliche betriebswirtschaftliche Diskussion unterscheidet hierbei hauptsächlich zwischen einem traditionellen faktortheoretischen Ansatz und den moderneren sozialwissenschaftlich beeinflussten system- und entscheidungstheoretischen Ansätzen:


Der faktortheoretische Ansatz (nach E. Gutenberg) geht von der Grundannahme aus, dass das Erkenntnisobjekt im Unternehmen die effizientesten Beziehungen zwischen den im Unternehmen eingesetzten Produktionsfaktoren ermöglicht. Das bedeutet für die Unternehmensführung, dass ihr Hauptaugenmerk auf die möglichst kostengünstigste oder gewinnoptimale Kombination bzw. Variation der eingesetzten Produktionsfaktoren Arbeit (Arbeitskraft, Qualifikation …), Boden (Standort, Gebäude, Maschinen, Betriebsmittel …) und Kapital (Eigen-, Fremdkapital …) liegt. Stark ausgeprägt ist dabei entsprechend eine kostenrechnungsorientierte Unternehmensführung. Dieses Denken ist bis heute fast dogmatisch verbreitet, gekoppelt mit der Auffassung, dass Betriebswirtschaft wissenschaftlich ein wertfreies Forschungsobjekt ist, d. h.es gibt eine reine Theorie der Betriebswirtschaft ohne praktische Einschränkungen. Und wenn etwas nicht stimmt, werden die störenden Bedingungen, z. B. menschliches Handeln, zur weiteren wissenschaftlichen Betrachtung ausgeklammert.


Grundannahme im systemtheoretischen Ansatz (nach O. Ulrich) ist, dass Unternehmen als Betriebswirtschaften produktive soziale Systeme mit interdisziplinären Gestaltungs- und Führungsproblemen sind. Für die Unternehmensführung bedeutet das, dass betriebswirtschaftliches Denken und Handeln eine angewandte (wertende) Wissenschaft ist, die sich an realen Problemen und Erscheinungen im Unternehmen orientiert. Es wird weitestgehend auf eine theoretisch geschlossene Betrachtung und quantitative Beweisführung verzichtet zugunsten praktischer Relevanz. Dies wird auch häufig als sozialwissenschaftliche Öffnung der Betriebswirtschaft bezeichnet. Eine Erweiterung erfährt dieser Ansatz im entscheidungsorientierten Ansatz (nach E. Heinen), der die Grenzen wissenschaftstheoretischer Erkenntnisse durch das nicht uneingeschränkt planbare menschliche Verhalten erweitert und damit den Menschen (z. B. als Mitarbeiter, Kunde, Nachbar) als soziales Wesen in einer dynamischen Entwicklung sieht.

Der faktortheoretische Ansatz wird aber immer noch als Paradigma (= beispielhaftes Vorbild) in der Betriebswirtschaftslehre gesehen. Die beiden eher sozialwissenschaftlich geprägten system- und entscheidungstheoretischen Ansätze haben noch nicht den Stellenwert, dass von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden könnte. Zum Beispiel kommt es durch die Wertevielfalt der Beteiligten zu einer komplexen, oft unüberschaubaren Interessenvielfalt und damit auch zu Zielkonflikten, die mathematisch oder in traditionellen ökonomischen Bewertungsschemata nicht erfassbar bzw. bewertbar sind. Weitere Ansätze, wie z. B. der in US-Managementschulen häufig vertretene situative Ansatz, die in den 1970er Jahren diskutierte arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre (AOEWL) oder der Marketingansatz und informationsorientierte Ansatz der betrieblichen Umweltökonomie, haben nicht oder noch nicht die herrschende BWL geprägt. Damit ist die Managementausbildung (z. B. im Studium) immer noch sehr auf den an den klassischen Produktionsfaktoren ausgerichteten faktortheoretischen Ansatz gerichtet, und es finden sich noch relativ wenig systematisch eingearbeitete sozialwissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden in der Unternehmensführungslehre.

1.1.2 Ökonomische Prinzipien und Unternehmensziele

Jeder Mensch ist vielfältig mit den Begriffen Wirtschaft und wirtschaften verbunden, z. B. als Arbeitnehmer oder Unternehmer, Produzent oder Lieferant, Konsument oder Sparer. Der Begriff Wirtschaft hat in unserer Gesellschaft schon fast eine schicksalhafte Bedeutung bekommen, denn er nimmt Einfluss auf viele Lebensbedingungen und wird oft für gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht, er gilt aber auch als Garant für den materiellen Wohlstand in unserer Gesellschaft. Zu diesen Wohlstandsfaktoren zählen in erster Linie:1)


Pozential menschlicher und natürlicher Ressourcen und ihr sinnvoller Umgang,


Nutzung einer produktivitätsfördernden Arbeitsteilung,


Niveau der Mechanisierung und Automatisierung in Produktions- und Dienstleistungsprozessen,


Standardisierung von Werkstoffen, Produkten und Informationsstrukturen,


Entwicklungsrate des technisch- und geisteswissenschaftlichen Fortschritts,


Effizienz des markwirtschaftlichen Systems (das Gestaltungskräfte der Wirtschaft optimal anreizt und koordiniert).

Die herkömmliche ökonomische Theorie als auch die Betriebswirtschaftslehre stellen fast schon dogmatisch das typisierte Menschenbild vom rational urteilenden den Eigennutz maximierenden homo oeconomicus in den Vordergrund, bei Kunden ebenso wie bei Managern oder Arbeitnehmern. Menschen handeln aber nur eingeschränkt rational, ihr scheinbar bewusstes Denken und Handeln ist sehr stark individuell psychologisch bewusst und unterbewusst sowie durch kulturelle gesellschaftliche Normen oder externen Druck geprägt. Das menschliche Verhalten widerspricht damit häufig der in der Volks- und Betriebswirtschaftslehre zugrunde gelegten Rationalitätsorientierung. Dies zeigt sich besonders z. B. im Marketing und Vertrieb, im Personalwesen und der Mitarbeiterführung, aber auch im Börsengeschehen, wo immer mehr Anlagestrategien nach behavioristischen Modellen (s. auch Kap. 7.3: Der Behaviorismus) arbeiten.

Bedürfnisse und Güterknappheit

Initiator und Katalysator dieser Wirtschaft ist der Mensch mit seinen Wünschen, wissenschaftlich ausgedrückt mit seinen Bedürfnissen und seiner Motivation. Menschliches Handeln wird durch das Schema MotivVerhalten Ziel beschrieben, d. h. ein Mensch hat ein Motiv (ausgelöst durch ein Bedürfnis), welches zielorientiert sein Verhalten bestimmt.

Beispiel: Hat ein Mensch ein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis und sein Ziel ist die Anerkennung durch seine Mitmenschen, wird sein Verhalten das Streben nach besonderen von anderen anerkannten Leistungen sein (s. a. Grundlagen der Motivationstheorie, Kap. 7.3: Der Behaviorismus).

Den i. d. R. unbeschränkten Bedürfnissen und Motiven stehen zur Bedürfnisbefriedigung aber nur beschränkte Ressourcen zur Verfügung (z. B. Naturvorkommen, Zeit, Einkommen). Das heißt es besteht im Allgemeinen Güterknappheit als Rahmenbedingung des Wirtschaftens. Gäbe es keine Güterknappheit, würde es aber wahrscheinlich auch keine materiellen Wünsche geben. Damit gäbe es wahrscheinlich für die meisten Menschen auch kaum Notwendigkeiten oder Anreize, besondere Anstrengungen (Leistungen) in Kauf zu nehmen, um in den Besitz dieser Güter zu gelangen.

Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit

Das Wirtschaftlichkeitsprinzip (auch: ökonomisches Prinzip) fordert wirtschaftlich optimales Handeln. Man handelt nach herkömmlich herrschender Meinung wirtschaftlich, wenn man ein möglichst optimales Verhältnis zwischen dem eingesetzten Aufwand (z. B. Kosten) und dem erzielten Nutzen (z. B. Ertrag) hat. Dabei wird im Allgemeinen unterschieden zwischen dem Maximumprinzip (mit gegebenem Aufwand einen höchstmöglichen Ertrag erzielen) und dem Minimumprinzip (mit geringstmöglichem Aufwand einen bestimmten Ertrag erzielen). Das Maximumprinzip wird meist für privatwirtschaftliche Unternehmen angenommen, das Minimumprinzip i. d. R. für Nonprofit-orientierte Organisationen wie öffentliche Haushalte und Unternehmen oder sog. NGOs (Non-governmental Organisations, z. B. karitative Organisationen). Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Kritik werden diese beiden ökonomischen Rationalprinzipien heute oft als Optimumprinzip zusammengefasst, d. h. eine möglich günstige Relation von Input (Kosten- und Ressourceneinsatz) und Output (Erträge und Güter). Die Erfolgsbewertung kann sich auch nach qualitativen Kriterien wie Umwelt und gesellschaftliche Akzeptanz richten, z. B. als Humanprinzip (Selbstverwirklichung durch Arbeit, Humanisierung der Arbeit) oder das Prinzip der Nachhaltigkeit (Schonung der Umweltressourcen, Verminderung der Umweltbelastung). Man spricht auch vom Spannungsdreieck der Leistungserstellung um unter­nehmerische und gesellschaftliche Zielkonflikte bei der vorrangigen Verfolgung nur einer Kosten-/Ertragsdimension zu verdeutlichen (s. a. folgend: Kritik am klassischen Gewinnmaximierungsprinzip).

 

Problem der unvollkommenen Information

Die Realisierung ökonomischen Handelns hat in der Praxis i. d. R. das Problem der unvollkommenen Information. Niemand weiß sicher, ob sich die wirtschaftlich verfolgten Ziele später als richtig herausstellen, ob alle Handlungsalternativen zur Zielerreichung berücksichtigt wurden, ob nicht unbeabsichtigte Folgen des Handelns die Zielerreichung gefährden, ob im Regelfall der formulierten Ziele und berücksichtigten Alternativen auch tatsächlich die (i. S. d. ökonomischen Prinzips) beste Entscheidung getroffen wurde.

Dies ist eine gesellschaftliche Betrachtung, die individuell natürlich jeweils unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Denn bei der Kalkulation des Aufwands oder der Bewertung des Ertrags spielen natürlich nicht nur direkt quantifizierbare Kosten oder Erträge eine Rolle, sondern die für den Einzelnen individuelle Nutzenbetrachtung, z. B. körperliche oder psychische Belastungen oder Nutzenerwägungen, Zusatznutzen oder Nutzenalternativen.

Kritik am klassischen Gewinnmaximierungsprinzip

Das ökonomische Prinzip wird in unserer Gesellschaft i. d. R. mit dem Ziel der individuellen Nutzenmaximierung gleichgesetzt und steht deshalb wieder mehr sowohl in der Wissenschaft als auch Unternehmenspraxis in vielfältiger gesellschaftlicher Kritik, z. B.:2)


Gewinnmaximierung ist oft nicht quantifizierbar, und unternehmerische Entscheidungen sind stets Ergebnis vieler Ziele. Hierzu gehört zwar auch vorrangig das Gewinnstreben, es ist aber nicht immer die dominierende unternehmerische Zielsetzung.

Beispiel: Viele Kleinunternehmer (Handwerker, Freiberufler) könnten mit ihren Erfahrungen als Fach- und Führungskräfte in einem Großunternehmen durchaus mehr Einkommen bei geringerer Arbeitszeit erzielen. Trotzdem nehmen sie ein geringeres Einkommen und höhere Arbeitszeiten und -belastungen in Kauf, weil sie z. B. ihre Unabhängigkeit oder die Familientradition höher bewerten.


Das Gewinnmaximierungsprinzip wird auch abgelehnt, weil sich viele Unternehmen bei der Realisierung der Gewinnmaximierung sehr oft über ethische und soziale Prinzipien hinwegsetzen und nur den persönlichen Profit suchen.


Das Gewinnmaximierungsprinzip begünstigt ein Ausbeutungsphänomen, weil auf monopolistischen und administrierten Märkten Preise ihre Funktion als Knappheitsindikatoren verlieren.


Kollektive (öffentliche) Güter können meist ohne direkten betrieblichen Aufwand genutzt werden. Dieser muss von der Allgemeinheit getragen werden (z. B. die Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung).


Auch die sozialen Kosten wirtschaftlicher Entscheidungen müssen nicht vom Verursacher, sondern von der Allgemeinheit getragen werden (z. B. Arbeitslosigkeit, Bildung).


Mitnahme- und externe Effekte zeigen auf, dass der Einzelne nicht unbedingt so handelt, wie es auch gesamtwirtschaftlich von Vorteil ist (z. B. Trittbrettfahrer im Dualen System).

Ganz allgemein folgt daraus, dass das Prinzip der Gewinnmaximierung oft zu schweren gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Fehlallokationen führt, deren Folgen und Kosten nicht die Verursacher zu tragen haben. Aber auch aus unternehmensindividueller Sicht ist das Prinzip der Gewinnmaximierung in Frage zu stellen, was schon H. Ford erkannte: Das Geschäftemachen auf der Basis des reinen Geldverdienens ist eine höchst unsichere Sache … Aufgabe des Geschäftslebens ist es, für den Konsum, nicht aber für den Profit oder die Spekulation zu produzieren. Die Produktion für den Konsum bedingt, dass die Qualität des Produktionsartikels gut und der Preis gering sei – dass der betreffende Artikel dem Volke und nicht allein dem Produzenten diene.3)

So formulierte auch der langjährige Daimler-Benz Vorstandsvorsitzende E. Reuter: … dass Gewinn, Verzinsung des Kapitals, das uns die Aktionäre … zur Verfügung stellen sollen, ein völlig unverzichtbarer Bestandteil der Marktwirtschaft sei …, dass Konzerne wie der unsere auch noch andere Verantwortung hätten; es sei nicht so einspurig, dass man einfach nur sagen kann: Profit, Profit, Profit, jedenfalls sei das nicht unsere Meinung bei Daimler Benz.4)

Ökonomische Zielkonzeptionen in Unternehmen

Dies sind z. B.:


Leistungsziele, z. B. Art und Struktur des Produktions- und Absatzprogramms, Marktanteile, Produktions- und Lagerkapazitäten, Produktions- und Absatzmengen, Faktor- und Produktqualität, Innovationsrate, Produktionsstandorte, Absatzwege,


Erfolgsziele, z. B. Umsatzvolumina und -struktur, Wertschöpfung, Risikostreuung, Kostenstruktur, Gewinn/Rentabilität, Dividenden,


Finanzziele, z. B. Zahlungsfähigkeit, Umfang und Struktur der Liquiditätsreserve, Gewinnreservierung, Finanzstruktur, Struktur und Volumen der Investitionen und Finanzierung,


Individualziele (Unternehmer: z. B. Subsistenzwirtschaft, Anteilseigner: z. B. Macht),


ethische/gesellschaftspolitische Ziele, z. B. in Nonprofit-Unternehmen (z. B. gemeinnützige Unternehmen) oder Tendenzbetriebe (z. B. kirchliche oder Verbandsbetriebe).

Abbildung 1 zeigt am Beispiel der Abteilung Produktion die stufenweise Operationalisierung eines übergeordneten Unternehmensziels wie Gewinnerzielung und Rentabilitätssteigerung bis zum Arbeitsplatz in der Produktion.

ABB. 1: Zielhierarchie im Unternehmen


Nonprofit-Organisationen

Eine Nonprofit-Organisation (NPO) zielt nicht auf wirtschaftlichen Gewinn sondern auf gemeinnützige Ziele. Dies sind i. d. R. soziale Ziele, wie z. B. soziale Fürsorge, Umweltschutz und Katastrophenhilfe, internationale Entwicklungszusammenarbeit, gesellschaftspolitische und Menschenrechtsarbeit und nicht zuletzt Kulturförderung und Bildung. In Rechtsformen wie eingetragene Vereine und Verbände, gemeinnützige Unternehmensformen (z. B. gGmbH), aber auch Genossenschaften und Stiftungen sofern sie gemeinnützige Zwecke verfolgen, finanzieren sie sich je nach Rechtsform z. B. über Beteiligungen, Beiträge und Spenden, öffentliche Zuschüsse oder Gebühren. Erwirtschaftete Überschüsse dürfen nicht als Kapitalverzinsung an die Investoren/Eigner zurückfließen sondern verbleiben in der Organisation. Der Erfolgsmaßstab des unternehmerischen Tuns wird also nicht im finanziellen Überschuss gesucht sondern in der Qualität der Leistungserfüllung, der Einhaltung von Budgets oder dem Zufriedenheitsgrad der Stakeholder (s. a. Kap. 1.1.3.5).

Auch wenn die Diskussion um Unternehmensführung und Management in der Öffentlichkeit hauptsächlich am Beispiel privatwirtschaftlicher Unternehmen geführt wird, muss man sich vor Augen halten, dass die Nonprofit-Organisationen einen viel stärkeren Einfluss als allgemein angenommen haben.

Beispiel: Größter deutscher Arbeitgeber ist eine Nonprofit-Organisation

Der größte deutsche Arbeitgeber ist der Deutsche Caritasverband mit rd. 590.000 Mitarbeitern in über 24.000 Einrichtungen mit zus. noch einmal rd. 500.000 ehrenamtlich arbeitenden Freiwilligen. Im Vergleich ist dies weitaus größer als der größte deutsche Konzern Volkswagen einschließlich der chinesischen Tochtergesellschaften mit weltweit rd. 533.000 Mitarbeitern, davon in Deutschland nur rd. 237.000 Mitarbeiter (Zahlen für Geschäftsjahr 2012).

Auch Nonprofit-Organisationen müssen natürlich wirtschaftlich effizient geführt werden um ihren Auftrag i. S. d. Spender und Förderer angemessen qualitativ zu erfüllen. Entsprechend ist die Führung dieser Organisationen durchaus mit der klassischen Unternehmensführung bzw. dem Management vergleichbar. Die Unterschiede liegen hauptsächlich in der Andersartigkeit der Erfolgsmaßstäbe (Qualität, Nutzen, etc. anstatt Profit) und in einigen Besonderheiten in den Quasi-Abteilungsbereichen (z. B. im Marketing das Fundraising oder in der Personalabteilung die Führung und Beschäftigung von freiwilligen Ehrenamtlichen).

Wandel in den Unternehmenszielen

Werden in der Betriebswirtschaftstheorie zumeist die quantitativen ökonomischen Gewinn- oder Ertragsziele des Unternehmens in den Vordergrund gestellt, so ist inzwischen in der Unternehmenspraxis ein weitaus differenzierteres und nicht nur auf ökonomische Größen reduziertes Spektrum der Unternehmensziele zu sehen. In vielen wissenschaftlichen Untersuchungen in der Unternehmenspraxis sind heute Ziele wie z. B. Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, Sicherung des Unternehmensbestands oder Qualität des Angebots oberste Unternehmensziele; dem reinen Gewinn- oder Ertragsziel kommt meistens nur noch eine mittlere Bedeutung zu. Auch nehmen immer mehr Unternehmen soziale und ethische Ziele in ihr Zielsystem mit auf, z. B. Verbraucherversorgung, Schonung der natürlichen Ressourcen oder soziale Verantwortung (s. z. B. die Diskussion zu Shareholder Value- und Stakeholder-orientierter Unternehmenspolitik in Kap. 1.1.3.5 sowie zu Corporate Social Responsibility in Kap. 2.1.5).