Anschläge auf den Frankenkönig

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Anschläge auf den Frankenkönig
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Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über https://portal.ddb.de abrufbar.

Impressum:

Autor: Hans-Jürgen Ferdinand

E-Book: ISBN 978-3-95924-9683

Herausgeber: ©red scorpion books

Coverfoto: Adobe Stock / ArTo

© Redaktion und Layout: www.evelyne-kern.de

Gedruckte Ausgabe:

ISBN: 978-3-86933-2680

Satz und Layout: www.winkler-layout.de

Herausgeber: Helios-Verlag

© Inhaltliche Rechte beim Autor

Hans-Jürgen Ferdinand

Anschläge auf den Frankenkönig

Aufruhr und Attentate gegen das Leben

Karls des Großen

Historischer Roman

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Der offene Aufruhr gegen Karl den Großen

Herzog Widukind, der sächsische Widersacher des Frankenkönigs

Aufstand des langobardischen Herzogs Hruodgaud

Die Basken überfallen bei Roncevalles die Nachhut des fränkischen Heeres

Die Verschwörung des thüringischen Grafen Hardrad

Der Aufstand des Bayernherzogs Tassilo

Die verdeckten Anschläge/Attentate auf das Leben Karls des Großen

Gedungene Mörder des bayerischen Adels trachten König Karl nach dem Leben

Pippin der Bucklige wählt die subtile Form der Tötung seines Vaters durch Übertragung einer Geschlechtskrankheit

Mordversuch durch Karls Halbbruder Hjalmar

Verzweiflungstat der alten Kräuterfrau

Herzog von Benevent versucht die tödliche Infizierung des Frankenkönigs mittels einer Mückenseuche

Brandanschlag auf König Karl durch einen Mönch des Klosters Reichenau

Komplott des Grafen Warin, einem Gefolgsmann von Karls Bruder Karlmann

Versuchter Giftmord des Bischofs Jesse von Amiens

Tödliche Beschwörungsfantasien seines Eheweibs Fastrada

Vorwort

Karls des Großen Streben seinen Machtbereich zu erweitern, kann zu keinem Zeitpunkt seiner Herrschaft von seiner Absicht getrennt werden, das Christentum über die ihm damals bekannte Welt hinaus zu verbreiten. Der fränkische König sah sich fortwährend dafür verantwortlich, Gottes Reich auf Erden zu vergrößern.

Auch wenn er mit den dabei angewandten Mitteln nicht sehr wählerisch war, darf man ihn wohl in seiner Wirkung als den größten Missionar seiner Zeit bezeichnen. Der geistige Weitblick des fränkischen Herrschers im kirchlichen und wirtschaftlichen Leben, sein stetes Drängen auf Vereinheitlichung staatlicher Ordnung wird in all seinen Handlungen immer wieder erkennbar.

Die Macht des Adels Zug um Zug in eine staatstragende, einheitlichen Gesetzen untergeordnete Verwaltung umzuwandeln, den Adel in ein anfangs wohl eher bescheidenes fränkisches Gemeinwesen zu integrieren, war ein kluger machtpolitischer Schachzug des Frankenkönigs. In einer solchen Phase des Umbruchs war Karls Unversehrtheit, seine Präsenz natürlich unverzichtbar. Sein Tod hingegen hätte alle seine Bestrebungen zunichte gemacht. Das wussten natürlich auch seine Gegner bis hin zu den oströmischen Gegenspielern in Konstantinopel. Es galt daher wachsam zu sein und Vorkehrungen gegen ein Attentat, selbst gegen einen feigen Giftmord zu treffen. Mit all seiner Macht und Härte hatte Karl der Große nicht verhindern können, dass zum wiederholten Mal ein heimtückischer Anschlag auf sein Leben verübt wurde. Alles in allem zeigte sich dem mächtigen König durch diese Ereignisse, wie zerbrechlich letztlich alle Macht auf Erden war.

Der offene Aufruhr gegen Karl den Großen
Herzog Widukind, der sächsische Widersacher des Frankenkönigs

Der Name Widukind bedeutet Kind des Waldes. Offenbar gehörte Widukind einer vornehmen Familie des sächsischen Teilstamms der Westfalen an. Eine Ehefrau Geva oder Gheua wird erstmals in der Braunschweigischen Reimchronik aus der Zeit von 1279 bis 1292 erwähnt. Im Jahr 772 fielen die Franken in Sachsen ein und zerstörten die Irminsul, ein heidnisches Heiligtum der Sachsen. Die Zeit der Sachsenkriege, an denen Widukind vermutlich von Anfang an beteiligt war, hatte begonnen – sie währte bis 804. Im Jahr 773 überfielen die Westfalen als Vergeltung Deventer, während Karl sich in Italien aufhielt und sich mit den Langobarden rumschlug. Im folgenden Jahr 774 belagerte der sächsische Teilstamm der Engern Fritzlar, wurden aber von den dort weilenden Franken zum Rückzug gezwungen. Im Jahre 775 bezwang Karl der Große die Ostfalen und die Engern. Die Westfalen hingegen überlisteten eine fränkische Heeresabteilung und richteten ein großes Blutbad an. Ein Jahr später 776 zwang der Frankenkönig einen großen Teil der frankenfreundlichen Edelinge der Sachsen, mit ihm einen Vertrag zu schließen, danach wurde Sachsen zu einer Mark.

Im folgenden Jahr blieb der westfälische Edeling Widukind – er wird für 777 erstmals in den Fränkischen Reichsannalen erwähnt – anders als die anderen Edelinge, gegen den Willen Karls des Großen der fränkischen Reichsversammlung in Paderborn fern, und begab sich für ein Jahr zum Dänenkönig Sigfrid. Im Jahre 778 fielen die Westfalen, wohl unter Widukinds Führung, ins fränkische Rheinland ein, zerstörten mehrere Siedlungen und richteten großen Schaden an. In der Zeit von 779 bis781 begann im damaligen Sachsen, dem heutigen Westfalen, ein zermürbender Kleinkrieg, ein Bruderkrieg, der sich gegen die frankenfreundlichen sächsischen Edelinge richtete. Auf dem Reichstag zu Lippspringe 782 wurde das damalige Sachsen in fränkische Grafschaften aufgeteilt und damit Teil des Frankenreichs.

Widukind kehrte wieder vom Dänenkönig nach Sachsen zurück, wo er erneut zum Aufruhr gegen die Franken aufreizte. Die Sachsen vernichteten daraufhin in der Schlacht am Süntel ein fränkisches Heer und töteten mit den Grafen Geilo und Adalgis zwei der höchsten Beamten des Frankenkönigs. Karl der Große rächte sich bei Verden an der Aller mit der Enthauptung von ca. 4.500 Sachsen im sogenannten „Blutgericht von Verden“, während Widukind erneut zu den Dänen entkommen konnte.

Ein Jahr später wird Karls Heer 783 zum Rückzug aus der Schlacht an der Grotenburg gezwungen. Die Verstärkung seines Heeres bewirkte allerdings die Niederlage seiner sächsischen Gegner in der Schlacht an der Hase. Im Jahr 784 unterstützten die Friesen Widukind, der den Widerstand gegen die Franken auch im Winter fortsetzte.

Im Sommer 785 rückte Karl dann bis in den Bardengau an der unteren Elbe vor. Widukind und sein jetzt erstmals in den Quellen genannter Gefolgsmann Abbio – eventuell ein Schwiegersohn oder Schwager – wichen zunächst in das nordelbische Sachsen aus, gaben den Widerstand aber kurz darauf auf. So führten unmittelbare Verhandlungen zwischen Karl dem Großen und Widukind im Bardengau noch im gleichen Jahr zur Taufe Widukinds und Abbios. Sie wurde anlässlich des Weihnachtsfestes in Attigny vollzogen. Taufpate war Karl der Große, der damit eine „geistliche Verwandtschaft“ zu Widukind herstellte, ihn durch Geschenke ehrte und seinen Rang bestätigte, wodurch die Bedeutung, die der Frankenkönig Widukind zumaß, deutlich wird. Dieses reflektiert das von der gesamten römischen Christenheit zu feiernde Dankfest, das Papst Hadrian I. 786 anlässlich der Nachricht von Widukinds Taufe anordnete.

In der Folgezeit wurden sächsische Edlinge nach ihrer Taufe in die fränkische Grafschaftsverfassung einbezogen, so dass sich langsam das Zusammenleben beider Völker zu einem Volk vollzog.

Das Nachleben gibt Rätsel auf. Die Annahme Karl der Große habe Widukind auf die Insel Reichenau am Bodensee verbannt ist in der Forschung ebenso umstritten, wie seine angebliche Grabstätte in der Stiftskirche zu Enger.

 

Aufstand des langobardischen Herzogs Hruodgaud

Hruodgaud wurde 774 von Karl dem Großen, der Desiderius, den letzten König des Langobardenreiches besiegt und den Titel Rex Langobardorum angenommen hatte, als Herzog von Friaul eingesetzt. Hrodgaud beanspruchte 776 die langobardische Krone für sich und mehrere Städte, darunter Treviso unter seinem Schwiegervater Stabilinius schlossen sich ihm an. Er wurde aber von Karl dem Großen, der daraufhin in Eilmärschen nach Italien kam, rasch besiegt und getötet.

Mit seinem Tod erlosch das Herzogtum Friaul und wurde eine Markgrafschaft des Karolingerreichs.

Die Basken überfallen bei Roncevalles die Nachhut des fränkischen Heeres.

Die islamischen Statthalter im Norden der Iberischen Halbinsel entschieden nach Streitigkeiten mit dem Emir Abdar-Rahman I. von Cordoba (regierte 756-788), sich unabhängig zu machen, jeder in seiner Provinz. Da sie aber fürchteten, der Macht des Emirs nicht widerstehen zu können, suchten sie nördlich der Pyrenäen, bei dem Frankenkönig Karl, um Hilfe nach, als dieser in Paderborn weilte.

Im Jahre 777, während Karl der Große sich noch im Krieg gegen die Sachsen befand, trafen ein Abgesandter der abtrünnigen Gouverneure, Suleimann ibn al-Arabi, Statthalter von Barcelona, Hussayn, Statthalter von Saragossa, und Abu Taur, Statthalter von Huesca, in Karls Feldlager ein, um sich der Hilfe der Franken gegen den Emir von Cordoba zu versichern. Karl erkannte sofort die Möglichkeit, seinen Machtbereich auszudehnen und Beute zu machen, und sagte zu.

Im Frühjahr 778 fielen zwei christliche Heere in das maurisch kontrollierte Spanien ein. Das größere der beiden Heere, bestehend aus Krieger aus Neustrien und Sachsen, stand unter dem Oberbefehl Karls. Sie versammelten sich in der Nähe von Agen und überquerten die Pyrenäen bei Saint-Jean-Pied-de-Port. Pamplona, Jaca und Huesca öffneten die Tore, der Ebro wurde überquert, und das Heer lagerte schließlich vor den Mauern Saragossas. Die kleinere Armee, deren Soldaten aus Austrasien, Burgund, Italien, der Provence, Septimanien und Bayern kamen, überquerte die Pyrenäen im Osten, fiel in Katalonien ein und traf mit dem größeren Heerzug vor Saragossa zusammen.

Suleimann ibn al-Arabi ließ die Franken nun nicht in seine Stadt Saragossa – die abtrünnigen Statthalter begannen angesichts der christlichen Invasion ihre Entscheidung zur Hilfestellung der Franken zu bereuen, zumal Karl auch in den ihm zugefallenen Städten eigene fränkische und christliche Statthalter einsetzte.

Karl wiederum war nicht auf eine Belagerung vorbereitet, nicht mit dem entsprechenden Belagerungsgerät und schon gar nicht mit Verpflegung, eine Ernährung des Heeres aus dem wenig fruchtbaren Umland kam auch nicht in Frage, so dass Karl nur noch der Rückzug blieb. Während dieses Rückzugs überfiel er Pamplona, ließ es durch seine Truppen plündern und zerstörte die Stadtmauern, damit sich diese Stadt Pamplona nicht gegen ihn erheben konnte. Damit machte sich der Frankenkönig die Basken zum Feind. Karl hatte zwischenzeitlich den Fehlschlag seines Spanienfeldzugs erkannt!

Am 15. August 778 überquerte sein Heer die Pyrenäen am Col de Roncevaux. In dieser engen Passage, zwischen den hohen Bergen eingeschlossen, war das fränkische Heer gezwungen, in einer langen und damit verwundbaren Reihe zu marschieren mit nur jeweils wenigen Männern nebeneinander. Die baskische Bevölkerung des Landes, gedemütigt durch die Zerstörung Pamplonas, aber deutlich in Unterzahl, wartete nur auf die passende Gelegenheit zu einem Überfall.

Mit leichter Bewaffnung und an die Bewegung in dem steilen und felsigen Gelände gewöhnt, ließen sie den Hauptteil der fränkischen Armee passieren, um sich dann auf die Nachhut zu stürzen. Die fränkischen Krieger, auf ihren Pferden und mit ihren langen Lanzen kaum beweglich, wurden völlig überrascht. Die Nachhut wurde vom übrigen Heer abgeschnitten und mitsamt dem Tross in den Hintergrund des Tales gedrängt. Ein verzweifelter Kampf brach aus, bei dem die fränkischen Soldaten bis auf den letzten Mann niedergemacht wurden. Die Basken plünderten den Tross und zogen sich eilends in die Berge zurück. Als die Hauptarmee Hornsignale hörte, machte sie zwar umgehend kehrt, kam aber zu spät um noch helfend einzugreifen.

Unter den Opfern befanden sich hohe Würdenträger des fränkischen Hofes: Karls Hausmeier Egilhard, Pfalzgraf Anselm, sowie der Statthalter der Bretonischen Mark, der Graf Roland.

Die Verschwörung des thüringischen Grafen Hardrad

Graf Hardrad gehörte zu einer thüringischen begüterten Adelsfamilie mit verwandtschaftlichen Beziehungen zur fränkischen Reichsaristokratie der Widonen und Rupertiner. Anlass des Aufstandes des Hardrad soll die Verlobung einer Thüringerin gewesen sein, die nach Thüringer Stammesrecht mit einem Franken verheiratet werden sollte. Karl der Große jedoch forderte eine Verheiratung nach fränkischem Recht. Daraufhin verschwor sich Hardrad mit zahlreichen anderen Thüringer Adligen gegen den Frankenkönig. Diese Darstellung wird jedoch von Historikern als dichterische Überhöhung angesehen. Hintergrund der Verschwörung sei vielmehr die Einführung der karolingischen Reichsordnung in Thüringen gewesen.

Mit Graf Ratulf, dem Vater von Fastrada, Karls vierte Ehefrau, hatte der Aufstand auch Unterstützer am Hofe des Frankenkönigs. Ziel der Verschwörer soll es gewesen sein, Karl gefangen zu nehmen und zu töten. Karl reagierte zunächst vergleichsweise geduldig und beauftragte 786 einen Gesandten, die Thüringer zum Gehorsam zu bewegen, den diese aber verweigerten. Daraufhin sandte König Karl Truppen nach Thüringen, um die Besitztümer der Aufständischen zu verwüsten.

Diese flohen in das Kloster Fulda. Abt Baugulf nahm sie zwar unter seinen Schutz, unterrichtete aber zugleich Karl den Großen davon, dass sich die Thüringer in seiner Obhut befanden. Karl befahl die Aufständischen an seinen Hof. Im dortigen Prozess trug Hardrad als Rechtfertigung für die Verweigerung der Gefolgschaft vor, dass er dem König keinen Treueid geleistet habe. Daraufhin ließ Karl der Große einen Teil der Aufständischen nach Italien verbringen, um ihm und seinen Nachkommen die Treue zu schwören. Dies gilt als erster urkundlich erwähnter Treueid gegenüber Karl dem Großen. Auf dem Rückweg ließ Karl die Aufständischen blenden und konfiszierte ihre Güter.

Über das weitere Leben Hardrads ist nichts bekannt, vermutlich wurde er des Reiches verwiesen.

Der Aufstand des Bayernherzogs Tassilo

König Karl empfing Boten, gab Audienzen, führte Einzelgespräche, sandte Schreiben an ganz unterschiedliche Verantwortungsträger, veranstaltete abends seine geliebten Symposien oder scherzte mit seinen Töchtern.

Immer häufiger frönte er in den häufig angenehmen Frühlingstagen seiner Jagdleidenschaft.

Im Monat Mai anno 788 überschlugen sich dann die Ereignisse. Aus Bayern erging sich Herzog Tassilo, der Vetter des Königs, in despektierlichen Reden gegen König Karl. Angeblich von seiner unversöhnlichen langobardischen Gattin Luitberga aufgestachelt, suchte Tassilo verzweifelt den Rückhalt, den sein verstorbener beneventianischer Schwager Herzog Arichis von den Byzantinern hatte, in einem Bündnis mit seinen östlichen Nachbarn, den heidnischen Awaren im mittleren Donauraum gegen den Frankenkönig zu gewinnen. Es wurde ihm von den Franken sogar vorgeworfen, er habe auf Drängen seiner Gemahlin Luitberga mit der oströmischen Kaiserin Irene korrespondiert und ihr ein Bündnis Bayern-Konstantinopel-Awaren vorgeschlagen, um damit die italienischen Truppen des fränkischen Königs zu binden. Die Vorwürfe gegen den Herzog bestätigten sich sehr schnell, als dem König gemeldet wurde, dass sich jenseits der Enns awarische Reitertruppen zu einem Entlastungsangriff gegen den fränkischen König und zugunsten Tassilos formiert hätten.

„Ich hab’s geahnt“, sagte der König voller Zorn zu seinen umstehenden Beratern und schlug sich mit der geballten Rechten wieder und wieder in die linke offene Handfläche. „Hinter den Absichten meines meineidigen Vetters Tassilo steckt ein Plan, alles ist Absicht, alles ist Intrige“, konnte sich Karl nur schwer beruhigen. „Ich verstehe diesen Mann nicht“, sagte Karl kopfschüttelnd zu Angilbert und Theodulf, die gerade neben ihm standen.

„Er muss doch wissen, dass er keine Unterstützung mehr findet, weder bei den bayerischen Edlen noch bei den Kirchenfürsten Bayerns oder beim Papst“, bestätigte Theodulf des Königs Einschätzung.

„Was macht er denn? Rüstet er gegen uns?“, fragte der König.

„Nein, er verteilt Gold und Silber an seine Klöster, schenkt Ländereien an die Kirche und lässt im ganzen Herzogtum Messen für sich lesen“, antwortete Angilbert, der die Meldungen aus Bayern gesammelt und koordiniert hatte.

„Mein Vetter hat Angst“, sagte König Karl. „Aber Tassilos Stolz ist stärker als sein Verstand. Und sein ehrgeiziges Weib Luitberga wird zu seinem dümmlichen Verhalten sicherlich auch ihren Beitrag geleistet haben. Aber nun gut, dann soll er sehen, wohin ihn seine Unvernunft führt!“

Karl reagierte umgehend und befahl seinem Heerführer Theoderich mit fünf Hundertschaften seiner fränkischen Scaras und mit weiteren alemannischen, ostfränkischen und thüringischen Reiterkontingenten dieser Herausforderung zu begegnen und Flagge zu zeigen. Theoderich wurde angewiesen, Kampfhandlungen nur auf fränkischem Hoheitsgebiet anzunehmen. Dann wurde durch Boten Markgraf Erich von Friaul und auch Graf Adalhard am Hof von Karls Sohn Pippin in Padua Kenntnis über die eingetretenen Ereignisse gegeben. Beide erhielten den Befehl, ein Reiterkontingent von jeweils fünfhundert Scaras in Alarmbereitschaft zu versetzen, um gegebenenfalls die Truppen des Theoderich rasch unterstützen zu können.

Die entsprechenden Dekrete zur Einberufung der Kontingente hatte Karl unterzeichnet und am gleichen Tag durch Boten auf den Weg bringen lassen. Herzog Tassilo konnte sich offensichtlich nicht damit abfinden, dass der fränkische König im Vorjahr mit drei Heeressäulen gegen ihn gezogen war und ihn in demütigender Weise auf dem Lechfeld zu Augsburg einen Vasalleneid hatte leisten lassen. Auch die Stellung von dreizehn Geiseln, darunter sein ältester Sohn und designierter Nachfolger Theodor, hatte Tassilo sehr gedemütigt und zeugte nunmehr von seinem geminderten Rang. Selbst Papst Hadrian hatte Tassilos Autonomiebemühungen durchkreuzt, eine Reihe der hohen bayerischen Geistlichkeit und auch des bayerischen Adels hatten daraufhin oft sehr opportunistisch, nur ihren eigenen Vorteil bedenkend, die Seiten zu König Karl gewechselt. Die Schmähreden und treulosen Machenschaften Tassilos und seines Eheweibs Luitberga gegenüber König Karl konnten somit nicht verborgen bleiben und drangen vielmehr ungeschminkt von der Residenz des bayerischen Herzogs Tassilo in Regensburg zur Pfalz des Frankenkönigs in Ingelheim. Damit dieser bayerische Rebell endlich seine Versuche aufgebe, sich aus dem fränkischen Staatsverband zu lösen, musste König Karl vor aller Öffentlichkeit ein Exempel seiner Macht demonstrieren. Es fiel Karl daher nicht schwer, Tassilo im Juni 788 nach Ingelheim zu zitieren, dort seinen Anklägern, den nach Aussagen der Reichsannalen getreuen Bayern, gegenüberzustellen.

Das Drama um den Bayernherzog und seine Familie nahm seinen Lauf. Herzog Tassilo erschien nicht als demütiger Sünder in Ingelheim oder als unbotmäßiger Vasall, der beim fränkischen König Abbitte zu leisten hatte, sondern traf mit großem Gefolge als ein unabhängiger Reichsfürst ein, der dem Ruf des Königs folgt. Er wusste wohl, dass dies sein letzter Auftritt war und so entfaltete er nochmals allen Glanz. Hoch zu Ross, umgeben von Hofbeamten, einigen Grafen und Bischöfen, strebte Herzog Tassilo auf das Westtor und den Innenhof der Pfalz zu. Auf seinem Kopf funkelte die Lilienkrone, in seinem linken Arm ruhte das Zepter, seine rechte Hand umfasste den Knauf des edelsteinbesetzten Prunkschwertes. Sein stolzes Gesicht zeigte keine Spur von Angst und Unsicherheit, selbst dann nicht, als seinen Begleitern der Zugang zum Innenhof verwehrt und seinem gesamten Tross bedeutet wurde, vor der Pfalz zu lagern. Wer als Betrachter dieses Vorgangs nicht erkannte, dass hier ein Gedemütigter und Gestürzter sich in die Hände seiner Richter begab, konnte meinen, Herzog Tassilo nehme in allen Ehren an einer Reichsversammlung des Königs teil.

 

Der fränkische König schritt jetzt mit Erzkaplan Angilram, Karls Berater Theodulf, Alkuin, Bischof Arno von Salzburg und Kanzler Richbot die Holztreppe hinunter, die von der Königshalle zum Innenhof führte. Als der König mit seinen Beratern im Innenhof angelangt war, reichte Tassilo sein Zepter an Arno von Salzburg, stieg sehr behände vom Pferd und umarmte den König. Der König ließ die Umarmung seines Vetters ohne jegliche Gefühlsregung zu und führte ihn ohne ein Wort zu verlieren zu Graf Meginfred, der nach dem Tod von Haimo als neuer Pfalzgraf bestellt war. Meginfred bat ihn um sein Schwert und teilte dem Herzog mit, er sei festgenommen, bis das Gericht über seine Verbrechen entschieden habe. Die umstehenden Zuschauer wunderten sich, dass Tassilo sich durch diese Vorkommnisse nicht überrascht zeigte und keine Anstalten machte, sich gegen diese unehrenhafte Entwaffnung und anschließende Einkerkerung zu sträuben.

Um Tassilo Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wurde auch seine Ehefrau Luitberga als Drahtzieherin und Feindin des Frankenreichs mitangeklagt. Karl schickte eine Gesandtschaft nach Regensburg, um die Herzogin Luitberga mit ihrem Sohn Theotbert sowie den Töchtern Hroddrud und Cotani nach Ingelheim zu holen. Theodo, der designierte Thronfolger und älteste Sohn Tassilos lebte ohnehin seit letztem Jahr als Geisel des Königs im Kloster St. Goar am Rhein.

Nach einigen Tagen der Vorbereitung trat eines Morgens, eine Stunde nach Sonnenaufgang, im Innenhof der Pfalz unter Vorsitz Erzkaplans Angilram das Gericht aus weiteren zwölf Großen des Reichs zusammen, um über die Schuld Tassilos zu befinden. Im Innenhof, vor der Pfalzkapelle, waren Stühle für König Karl, die Richter, für Ankläger und Verteidiger des Angeklagten aufgestellt.

Eine große Schar von Zuschauern hatte sich im Hof auf Bänken oder auch auf Holzpodesten stehend eingefunden, die Menschen unterhielten sich flüsternd, doch sie verstummten sofort, als die Fanfarenbläser das Erscheinen des Königs ankündigten. Karl trat aus der Pfalzkapelle in den Innenhof, gefolgt von seinen Beratern, den Grafen, Bischöfen und Äbten aus Bayern, aus Lombardien, Sachsen und aus dem Frankenland. Der König nahm auf einem Feldstuhl Platz. Er trug seine gewohnte Kleidung: Wams, geschnürte Hose, einfache derbe Stiefel und wegen der morgendlichen Frische einen kurzen offenen Pelzmantel als Schulterumhang, der durch eine goldene Spange zusammengehalten wurde. An der Hüfte am Waffengurt hing ihm ein drei Fuß langes Schwert, dessen Griff und Gehenk von Gold und Silber waren. Lediglich ein schmaler Goldreif, ein aus Gold und Edelsteinen verfertigtes Diadem auf dem zum Teil schon ergrauten Haar wies auf seinen königlichen Rang hin. Seine gewohnte heitere und freundliche Miene war an diesem Morgen einem düsteren Ernst gewichen. Die großen, klugen Augen blickten hart und fremd über die Versammlung hin.

Schweigend wanderte sein Blick von Mann zu Mann dieses Gerichts, als sollte jeder wissen, was er von jedem erwartete und dass er keinen der hier Anwesenden übersah.

Nach einer Weile der Unruhe, als die hohen Herren Platz genommen hatten, wurde der angeklagte Herzog Tassilo ungefesselt in den Hof geführt. Er war einfach gekleidet und trug kein Zeichen seines Ranges mehr. Sein noch immer volles Haar war grau geworden. Er begrüßte seine Richter mit einer kurzen Verbeugung und nahm dann auf einem Feldstuhl Platz. Ihm folgte sein Sohn Theodo, der sich hinter den Stuhl seines Vaters stellte und mit beiden Händen krampfhaft die Rückenlehne umfasste. Während Herzogin Luitberga mit auf der Anklagebank saß, ersparte man den drei anderen Kindern des Herzogs, die als Gefangene zwischenzeitlich auch am Hof in Ingelheim weilten, diesen Auftritt.

Kanzler Richbot verlas die Anklage gegen den Herzog. Rede und Widerrede wurde von eifrigen Notaren aufgeschrieben. Im Wesentlichen ging es in der Anklage um sein angebliches Bündnis mit den Awaren, seine feindlichen Maßnahmen gegen fränkische Vasallen in Bayern und auch Tassilos Weisung, den Treueeid auf den fränkischen König nur unter Vorbehalt zu leisten.

Karl hatte zugelassen, dass Arno, der Bischof von Salzburg und Hunrich, der Abt vom Kloster Mondsee als Verteidiger des Bayernherzogs und seiner Familie fungierten, obwohl jedermann wusste, dass die beiden längst die Fronten zum Frankenkönig gewechselt hatten.

„Immerhin hat Tassilo das Kloster Innichen bei Bozen gegründet“, warf Waltrich, der Bischof von Passau, entschuldigend ein, „und die Gebeine des heiligen Korbinian nach Freising gebracht.

An Ehrerbietung gegenüber Gott und dem Heiligen Vater mangelt es dem Angeklagten doch wahrlich nicht.“

„Alle hier vorgetragenen Anschuldigungen treffen zu“, sagte der schwarze Arn. „Aber ich weise darauf hin, dass Tassilo sich immer wieder entschuldigt und seine Treue neu beschworen hat.“

„Das ist es ja gerade!“, stieß der König wütend hervor. „Was nützen Treueschwüre, wenn der Wind sie verweht? Und wie kann ich Sachsen, Langobarden, Aquitanier und Bretonen für einen Treuebruch bestrafen, wenn der Sohn von meines Vaters Schwester Hiltrud, der die Gesetze ebenso kennt wie ich, mich seit Jahren missachtet und verhöhnt?“

„Du verdienst auch nur Missachtung, du Bastard!“, schrie Luitberga. „Wer war dein Vater Pippin denn, als du geboren wurdest? Verwalter von stinkenden Ställen und armseligen Waldhufen.“

„Sei still, Luitberga“, keuchte Tassilo entsetzt.

„Ach was! Soll dieser sogenannte König aus der Familie von Brudermördern und Verrätern der Blutsbrüderschaft ruhig hören, was ich von ihm denke!“ Luitberga wurde immer lauter und ihre Stimme immer schriller. „Wir Langobarden hatten bis zuletzt mehr Kultur als jeder dieser blutigen Merowinger und ihrer hochgekommenen Hausmeier!“ Luitberga spuckte vor dem Frankenkönig aus. „Ich hasse dich, Karl! Und Tassilo hasst dich ebenso!“ Der Bayernherzog starrte regungslos auf den Boden. Für endlos lange Minuten sprachen weder Ankläger noch Verteidiger. Schließlich zog Bischof Arno von Salzburg laut hörbar die Luft zwischen den Zähnen ein.

„Das reicht alles nicht für ein echtes Exempel“, meinte Arno nachdenklich. Die Richter wussten zu gut, dass diese Anschuldigungen für einen Schuldspruch nicht ausreichten, dass der Bischof von Salzburg Recht hatte und alle anderen hier anwesenden Edlen des Reichs wussten es ebenfalls. Tassilo brauchte sich nur vor dem König der Franken auf den Boden zu werfen und behaupten, dass ihn die Liebe zu seiner rachsüchtigen Frau wieder und wieder untreu gegen König und Reich gemacht hatte – und jeder würde verstehen und einer erneuten Vergebung zustimmen. Der plötzliche Ausfall von Luitberga kam einigen der Anwesenden auf einmal gar nicht mehr so selbstmörderisch vor. Im Gegenteil – selbst Karl schob die Unterlippe vor und begriff, dass ihm die Hände gebunden waren. Er konnte einfach nichts ausrichten gegen Tassilo und Luitberga. Die Tochter des letzten Langobardenkönigs Desiderius besaß jeden nur denkbaren Freiraum. Sie dafür zu bestrafen, dass sie die Verbannung ihres Vaters, ihrer Schwestern und den Untergang des Langobardenreichs und des bayerischen Herzogtums beklagte, war schier unmöglich. Karl merkte, wie die ursprünglich gegen Tassilo und Luitberga vorhandene Stimmung umkippte.

„Wir wollen noch einmal daran erinnern, dass Herzog Tassilo und seine Gemahlin von königlicher Abkunft sind und stets allen Klöstern in Bayern hochherzige Geschenke gemacht haben“, sagte der Bischof von Salzburg.

„Ja, Klöster, die Tassilo selbst gegründet hat“, rief völlig unerwartet Hunrich, der Abt des Klosters Mondsee, der eigentlich als Verteidiger des Bayernherzogs ausersehen war. „Klöster wie Innichen, Kremsmünster und Mattsee haben stets seine Gunst besessen, wir in Mondsee hingegen nie, aber wir wurden ja auch schon vor vierzig Jahren von seinem Vater Odilo gegründet.“

„Ihr habt mir Schutz verweigert, als ich mit meinen Kriegern einen Umweg machen musste“, verteidigte sich Tassilo. Er merkte nicht, dass diese Rechtfertigung der schlimmste Fehler seines Lebens war.

„Ich habe dir niemals Schutz verweigert“, rief Abt Hunrich erregt. „Aber ich gebe gerne zu, dass mein Vorgänger niemand beköstigt hat, dem Heeresverlassen und Fahnenflucht vorzuwerfen war.“

„Moment mal“, unterbrach König Karl den Disput zwischen Tassilo und Abt Hunrich. „Von welchem Heeresverlassen sprecht ihr eigentlich?“

„Von Tassilos natürlich“, antwortete Hunrich aufgebracht. „Oder hast du vergessen, wie er sich anno 763 aus dem aquitanischen Feldzug deines Vaters Pippin zurückgezogen hat?“

„Was ist das hier?“, protestierte Tassilo sofort. „Eine Befragung während des Reichstags oder ein Kriegsgericht über eine Lappalie, die längst verjährt ist?“

„Die Frage ist so interessant, dass ich sie selbst beantworte“, sagte der König. „Heeresverlassen und Fahnenflucht verjähren nicht! Weder nach fränkischem noch nach bayerischem, langobardischem oder sächsischem Recht! Wie hast du selbst bisher harisliz bestraft, Herzog?“

„Natürlich steht auf harisliz die Todesstrafe“, antwortete Tassilo spontan.

Karl holte ganz langsam und sehr tief Luft. Tassilo sah nach links, nach rechts. Überall wie versteinert wirkende Mienen.

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